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Geschichten aus dem Internat

Sidestory zu Liebe Führt
von

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Alkohol


 

Yuriy

 

"Was ist das?", fragte er, als er sah, wie sich Kai eine goldbraune Flüssigkeit aus einer klobigen Glasflasche in eins der Kristallgläser schüttete.

Es war der Abend nach einem ewig langen Arbeitstag. Es war schwer die Kinder hier in eine andere Richtung zu führen. Die neueren waren weniger ein Problem als die Älteren und die Tatsache, dass Yuriy nicht mehr der stärkste im Haus war, machte es ihm schwer, sich ordentlich durchzusetzen.

Kai hatte ihm verboten Gewalt anzuwenden, was ihn bei vielen Alteingesessenen als Weichei hinstellte. Er war sich nicht sicher, warum er sich an dieses Verbot hielt, aber wahrscheinlich sah er selbst ein, dass es Änderungen geben musste und Gewaltfreiheit hier, war sicherlich kein schlechter Schritt. Er wusste allerdings nicht, wie er das umsetzen sollte. Für ihn gab es keinen anderen Weg, wie er sich durchsetzen sollte, ohne Gewalt anzuwenden. Aber das musste er eben lernen.

 

"Whiskey", kam die Antwort, bevor Kai kurz an dem Glas nippte. Yuriys fragender Blick veranlasste seinen Gegenüber weiter zu reden: "Hochprozentiger, sehr edler Alkohol."

Ungewollt verzog Yuriy das Gesicht. Alkohol...

Es gab nicht viel aus seiner Kindheit, an das er sich erinnerte, aber dieses Wort löste schieren Ekel in ihm aus. Es war, als könnte er es wieder riechen. Ein so machtvoller Eindruck, dass er ihn nie vergessen würde.

Es waren nur wenige Bilder, aber der Geruch war noch immer so intensiv wie damals. Alkohol, Zigarettenrauch und Schweiß vermischt mit dem Gestank von Erbrochenem und Fäkalien. Er hätte gewürgt, wenn er seinen Körper nicht so hervorragend unter Kontrolle gehabt hätte.

"Willst du auch etwas? So ein Drink tut gut, nach einem so langen Arbeitstag."

"Nein."

Weiter ging er darauf gar nicht erst ein. Er stand nur auf und ging zur Tür, nur möglichst schnell von diesem Zeug wegkommen.

An der Tür stoppte er noch einmal, drehte sich aber nicht um, als er sagte:

"Ich weiß nicht, wie du das Zeug trinken kannst. Man sollte niemals zulassen, dass einem irgendetwas den Geist so sehr vernebelt."

Dann ging er und schlug die Tür etwas zu laut wieder hinter sich zu.

Als er in ihrem Zimmer angekommen war, flüchtete er zu Toilette und erbrach sich. Die dumpfen Erinnerungen von damals wollten zurückkehren, aber er ließ sie nicht weiter kommen. Nicht weiter als hier her. Er ließ sich nicht wieder davon kaputt machen. Es hatte so lange gedauert, bis er es geschafft hatte, sich davon zu erholen. Von dem Tag, an dem er von zu Hause geflohen war, um freiwillig auf der Straße zu leben. Von dem Tag, an dem er hatte zusehen müssen, wie sein Vater sich in ein Monster verwandelt hatte.

 

Es war nicht nur ein Tag. Natürlich war es das nicht. Es war nicht nur ein Tag gewesen, an dem alles passiert war. Es zog sich über Monate, vielleicht Jahre. Yuriy wusste es nicht. Er wollte es auch nicht wissen. Für ihn war es nur ein einziger Tag, an dem alles plötzlich passierte. Nur ein einziger Tag, denn wenn es mehr als das gewesen wäre, hätte er sich selbst die Schuld an allem geben müssen, weil er nichts getan hatte. Weil er es nicht kommen gesehen hatte. Weil er es ignoriert hatte, statt etwas zu tun.

Es war nur ein Tag, nur einer und niemand hatte es kommen sehen können. An etwas anderes konnte er sich auch nicht erinnern.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Mabisu
2016-11-20T16:40:33+00:00 20.11.2016 17:40
Die Länge dieses Kapitels mindert nicht im geringsten seine Aussagekraft :) wieder sehr realistisch :)
Ich möchte yu in eine Decke wickeln und eine Tasse heißen Kakao geben >. <
Ich finde diese "Schwäche" von yu toll, wobei ich nicht unbedingt von Schwäche reden möchte, aber leider finde ich kein Wort mit dem ich zufrieden bin >. < es ist ein Teil von ihm, der ihn ziemlich geprägt zu haben scheint, sodass er wieder einmal mehr Tiefe gewonnen hat :)
Liebe grüße :)
Antwort von:  Lyndis
20.11.2016 17:47
Heyho!

Danke für den Kommi^^
Ja, man möchte Yuriy wirklich einfach nur drücken und ihm zeigen, dass die ganze Welt gar nicht so scheiße ist, wie sie aussieht^^
Mal schauen, ob das irgendwer noch schafft.

Ich weiß was du meinst mit 'Schwäche'. Ich mag es, wie Yu damit umgeht. Irgendwie ist er da anders als Kai, der dann wütend wird, wenn ihn was stört. Yu zieht sich einfach nur zurück und macht das mit sich selbst aus, um danach wieder stolz wie immer aufzustehen und weiter zu machen.
Das beeindruckt mich sehr bei dem Chara^^

Ich freue mich immer wieder über deine Kommis!

LG

Lyn


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