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Die Wölfe 4 ~Die Rache des Paten~

Teil IV
von

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~Hass und Tränen~

„Hörst du mir überhaupt zu? Ich rede mit dir!“, keift Jan. Antonio sieht weder ihn noch Lui an. Kommentarlos lässt er alle Beschimpfungen an sich abprallen. Seinen Blick hat er fest auf die Flammen im Kamin gerichtet.

„Du bist kaum ein paar Stunden hier und ziehst ihn schon in die Scheiße? Dafür habe ich dich nicht hergeholt. Hast du überhaupt einen Funken Verantwortungsbewusstsein im Leib?“ Den nassen Lappen, der zuvor noch auf Enricos Stirn gelegen hat, drückt Antonio immer fester in die geballte Faust.

„Das ihr es ...“, beginnt er leise, doch mit jedem gesprochenen Wort, wird seine Stimme lauter und aggressiver, „ … das ihr es überhaupt wagt, mich zu kritisieren.“ Mit durchdringenden Blick sieht er Jan und Lui gleichermaßen strafend an. Ihre wütenden Worte verstummen.

„Vier Jahre lang, habt ihr euch hier verkrochen und mir das Wichtigste genommen. Nennt mir einen guten Grund, warum ich euch nicht augenblicklich über den Haufen schießen sollte?“ Drohend erhebt er sich und macht einen Schritt auf die Polizisten zu. Beide weichen vor ihm zurück.

„Du hast keine Waffe bei dir“, wagt Jan zähneknirschend zu sagen. Antonios Blick verdunkelt sich weiter.

„Ich erwürge dich auch mit bloßen Händen, wenn es sein muss.“

„Was bringt uns das jetzt, wenn wir uns gegenseitig an die Gurgel gehen? Viel wichtiger ist es doch zu besprechen, wie es jetzt weiter geht. Hat er sich an irgendwas erinnert, als er mit dir unterwegs war?“, geht Lui dazwischen. Er schiebt sich vor Jan. Antonio wendet den Blick ab und stemmt die Hände in die Seite. Er atmet einige Mal tief durch, nur unmerklich entspannt sich seine Haltung.

„Was habt ihr mit ihm gemacht? Was sollen all diese Lügen? Er ist nicht mehr der Selbe“, ein deutlicher Vorwurf, schwingt in Antonios Worten. Aufgebracht deutetet er auf die Tür, hinter der Enrico verschwunden ist. Jan schiebt Lui am Arm bei Seite, wütend tritt er aus seinem Schatten.

„Wir hatten unsere Gründe. Aber jemand wie du, würde das nie verstehen!“

„Jemand wie ich?“ Antonios Pulsschlag erhöht sich, Wut steigt heiß in seinem Magen auf. Energisch schließt er die Lücke, die ihn von Jan trennt.

„Ja, jemand wie du! Was hast du in deinem Leben denn schon geleistet? Außer Menschen abzuknallen, kannst du doch nichts. Deinetwegen ist er doch erst in die ganze Scheiße rein gerutscht. Es ist nur deine Schuld, dass die Drachen hinter ihm her sind.“

„Was weißt du schon darüber? Scheiß Bulle!“ Antonio packt den Kragen des Asiaten und zieht ihn daran näher zu sich. Finster blickt er Jan in die Augen, doch der schaut unbeirrt zurück.

„Wir haben sein Leben gerettet und ihn bis jetzt beschützt. Du bist überflüssig!“ Antonios Griff lockert sich, entsetzt sieht er dem Asiaten in die Augen. Jan schlägt seine Hand von sich und betrachtet ihn herausfordernd. Antonios Atem geht immer schneller, so unendlich viele Dinge schießen ihm durch den Kopf und wirbeln wild durcheinander.

„Ihr habt seinen Tod vorgetäuscht. Was hätte ich tun sollen?“

„Nichts, wie immer! Wir hätten dich auch gar nicht dabei haben wollen. Du hättest die Drachen nur auf unsere Fährte gelockt und du wirst es auch jetzt tun, wenn du bei uns bleibst.“ Antonio bleibt stumm. Für einen Moment überschlägt er die Möglichkeit, dass ihm einer der Drachen gefolgt sein könnte, dann kommt ihm ein ganz anderer Aspekt in den Sinn.

„Ihr habt meine Trauer also nicht nur in Kauf genommen, ihr habt sie regelrecht mit eingeplant?“

„Ihr musstet überzeugend sein, also ja“, die Wut weicht aus Jans Worten, der Klang seiner Stimme wird weicher. Antonio senkt den Blick, das Atmen fällt ihm schwer, seine Hände ballen sich zu Fäusten. Jan legt ihm seine Hand auf die Schulter.

„Gönn ihm das friedliche Leben hier und verschwinde zurück nach New York, bevor du sein Leben noch einmal zerstörst!“ Ein Stich durchfährt Antonios Herz und lässt ihn den Atem anhalten. Zurück nach New York und so tun, als wenn er von all dem hier nichts wüste? Das könnte Jan so passen! Finster sieht er auf, die Hand des Asiaten schüttelt er ab und packt ihn am Hals. Wütend drängt er ihn an die Wand neben dem Kamin und presst ihn hart dagegen.

„Vergiss es!“ Die Hände des Asiaten packen panisch nach seinen Fingern, Tränen schießen ihm in die Augen. Antonio beugt sich zu ihm, bis sie nur noch ein Hauch trennt.

„Er gehört zu mir! Eure Lügen haben ab heute ein Ende. Ihr habt vielleicht vergessen, wer er mal war, ich aber nicht. Er ist der Chef der Wölfe, der skrupelloseste Killer den ich kenne. Ihr macht keinen Bücher verschlingendes Muttersöhnchen aus ihm. Nicht so lange ich am Leben bin!“

„Hör auf! Verflucht noch mal!“ Lui reist an seinem Arm, versucht ihn von Jan zu trennen, doch Antonio stößt ihn grob von sich.

„Halt dich da raus!“, schreit er. Lui stolpert über den Tisch und fällt rücklings auf die Platte. Antonios Aufmerksamkeit richtet sich wieder auf Jan. Er drückt noch fester zu, bis dem Asiaten die Tränen über die Wangen fließen.

„Glaub ja nicht, dass ich dir den ganzen Scheiß abkaufe. Du hast nur einen Grund, warum du diesen ganzen Dreck erfunden hast. Du und Robin, ihr steckt doch unter einer Decke. Sie ist seine Frau, ja? Und du, wer willst du sein? Sein Lover? Ich will dich nie wieder in seiner Nähe sehen, hast du mich verstanden?“ Jan rührt sich nicht, seine aufgerissenen Augen färben sich rot. Antonio verstärkt seinen Griff, bis der Asiat ein leichtes Nicken andeutet. Erst jetzt gibt er ihn frei und tritt einen Schritt zurück. Jan fällt vor ihm auf die Knie, er hustet und würgt heftig. Lui kämpft sich wieder auf die Beine, er kommt zu ihnen. Neben Jan wirft er sich auf die Knie und reibt ihm über den Rücken.

„Hast du völlig den Verstand verloren?“ Drohend sieht er zu Antonio auf und greift in seinen Gürtel. Um ihn auf Abstand zu halten, zieht er seine Dienstwaffe. Ungerührt tritt Antonio sie ihm aus der Hand. Mit all seinem Gewischt stemmt er sich auf den Handrücken Luis und hält sie unter seiner Schuhsole gefangen.

„Wage es nie wieder eine Waffe auf mich zu richten, sonst vergesse ich meine liebenswürdige Art!“ Antonio bückt sich nach der Pistole und nimmt sie an sich. Verbissen sieht Lui zu ihm auf, und versucht sich den Schmerz nicht anmerken zu lassen. Stur sieht er Antonio dabei zu, wie er das Magazin aus der Waffe zieht und alle Kugeln daraus löst. Die leere Waffe wirft er ihm in den Schoss, die Patronen steckt er ein.

„Haltet euch am besten von mir fern, sonst garantiere ich für nichts mehr!“, lässt er sie wissen. Drohnend stemmt er seine Ferse in Luis Handrücken, dann dreht er den beiden Polizisten den Rücken zu und lässt sie zurück.

„Wieso hast du den Kerl bloß her geholt?“, keucht Jan.

„Ich habs gut gemeint“, jammert Lui schuldbewusst.
 

Ohne Umwege hält Antonio auf das Zimmer zu, in dem Enrico verschwunden ist. Er zieht die Tür auf und knallt sie nach sich zu. Das Zimmer ist dunkel. Als er sich an das kalte Holz lehnt, spürt er einen Schlüssel im Rücken. Er schließt die Tür damit ab und lehnt den Kopf zurück. Noch immer rast sein Herz, noch immer schwillt der Hass in seiner Brust. Diese verdammten Polizisten, die sind ihm schon immer ein Dorn im Auge gewesen. Er hätte sie bei ihrer ersten Begegnung in New York über den Haufen schießen sollen. Warum musste sich Enrico unbedingt mit denen anfreunden. Die wenigen Male, wo sie nützlich waren, wiegen den Ärger nicht auf, den er mit ihnen hat. Antonio seufzt ergeben, nur langsam will sich sein Puls beruhigen. Seine Augen gewöhnen sich an die Dunkelheit. Die Umrisse eines großen Ehebettes lösen sich aus den allgemeinen Schatten. Versteckt unter der Decke, heben sich die Konturen Enricos ab. Sein Atem geht schwer, er zittert und umklammert krampfhaft die Decke. Hat er es wirklich mit ihm übertrieben? Starke Medikamente, um was es sich dabei wohl handelt? Koma, die verbrannten Beine, der seltsame Schüttelfrost, die Atemnot, die Antonio so erschreckt hat - die letzten Stunden mit seinem Freund wirbeln, wie in einem Karussell, unaufhörlich durch seinen Kopf. Er arbeitet jetzt als Mechaniker? Ein friedliches Leben? Enrico weiß nichts mehr, von all den Dingen, die er einmal getan hat. Weiß nichts mehr, von ihrer gemeinsamen Zeit.

Ganz von allein setzten sich Antonios Beine in Bewegung und führen ihn zum Bett Enricos.

„Enrico?“, fragt er in die Dunkelheit. Nichts, nur der gequälte Atem seines Freundes erfüllt den Raum. Antonio kniet sich in die Matratze, er legt seine Hand um den Oberarm Enricos. Der Stoff seines Pullovers ist nassgeschwitzt, er ist kalt und zittert am ganzen Körper.

„Enrico?“, spricht er ihn wieder vergebens an. Von seinem Freund kommt nur ein gequältes Stöhnen zurück. Immer enger krümmt er sich zusammen.

„Es tut mir leid! Das habe ich nicht gewollt“, flüstert er, den Tränen nah und legt sich zu seinem Freund. Er nimmt Enricos krampfenden Fäuste in seine Hände und legt sie sich an die Brust.

„Es tut mir leid, so leid“, murmelt er, während immer mehr Tränen von seinen Wangen ins Kissen fallen. Enrico scheint ihn noch nicht einmal zu hören.

Für einen Moment glaubt Antonio sich in der brennenden Lagerhalle zu sehen, zusehen zu müssen, wie die Flammen seinen Freund zerfressen. An den Armen zieht er Enrico zu sich. Mit bebendem Körper lehnt dieser sich an ihn und legt den Kopf an seinen Brustkorb.

„Es tut mir leid. Ich konnte dich nicht beschützen. Bitte, nicht noch mal sterben“, fleht Antonio inständig und schließt seine Arme eng um den Freund. Wenn er es doch nur gewusst hätte, er wäre doch nie mit ihm in diese Bar eingebrochen und hätte ihn zum Trinken verleitet.

„Warum hast du Idiot denn nichts gesagt?“, will er wissen, während immer mehr Tränen seinen Blick fluten. Wieder ist ein leises Stöhnen die einzige Antwort. Die Hände Enricos greifen sein Hemd, seine Finger krallen sich in den Stoff. Das Zittern seines Körpers lässt allmählich nach, sein Atem wird ruhiger.

„Hätte ich es doch nur gewusst“, murmelt Antonio in die feuchten Haare Enricos. Er fühlt sich so erschöpft und ausgelaugt wie schon lange nicht mehr. All der Hass, all die Jahre die er auf Rache aus war, alles umsonst. Enrico war hier, die ganze Zeit.

„Du blöder Idiot!“ Ein wehmütiges Lächeln huscht ihm über die Lippen. „Hast du überhaupt eine Ahnung, wie sehr ich dich vermisst habe? Und du, du erinnerst dich nicht mal.“ Seine Stimme wird zu einem Schluchzen, seine Lippen beben. Egal wie eng er seine Umarmung auch macht, Antonio hat das unbestimmte Gefühl, dass ihm der Freund im nächsten Moment entrissen wird. Er vergräbt den Kopf in den klammen Haaren Enricos, lautlos fallen seine Tränen ins Kissen.



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