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Was es heißt, zu siegen

Shiratorizawa Girls' Volleyball Club
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
verarbeitetes Thema: ein Geheimnis Komplett anzeigen

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Noriko - Setter

Noriko summte eine unbestimmte Melodie, als sie an diesem Morgen durch die Wohnsiedlung in Richtung Shiratorizawa Gakuen lief. Eigentlich mochte sie Montage nicht, weil sie ziemlich mies in den Fächern war, die sie an diesem Tag hatte. Außerdem musste sie wieder früh aufstehen, nachdem sie am Sonntag zuvor bis zum Nachmittag geschlafen hatte, und wer stand schon gerne früh auf? Gut, Takako und Akira waren Morgenmenschen, aber die zählten nicht! Die Eine hatte sich das wegen ihrer Eltern angewöhnt, und die Andere war ein Monster – auch wenn sie sich hüten würde, das jemals laut vor ihr zu sagen.

Trotz der Tatsache, dass Montage zu den Top 3 ihrer ›Dinge, die dringend abgeschafft werden müssen‹-Liste zählten (den ersten Platz teilten sich übrigens Tomaten und das Geräusch, das Styropor machte, wenn man es gegeneinander rieb), war sie gut gelaunt. Montage bedeuteten nämlich auch, dass sie Rina wiedersah. Ihr Grinsen wurde breiter als es ohnehin schon war, wenn sie daran dachte, dass es keine fünf Minuten mehr sein würden, bis sie ihre Freundin endlich treffen konnte. Noriko beschleunigte ihr Tempo und zählte aufgeregt die Schritte, die sie noch bis zu ihrem Haus brauchte.
 

Zweihundertdreiundachtzig Schritte später (es waren weitaus mehr gewesen, aber sie hatte irgendwann die Lust am zählen verloren) stand Noriko etwas außer Atem vor der Wohnungstür in dem Apartmentkomplex, in dem Rina und ihr Vater seit der Scheidung ihrer Eltern lebten. Sie hätte den Weg dorthin mit verbundenen Augen gefunden, immerhin waren sie und Rina seit ihrem ersten Jahr in der Mittelschule beste Freundinnen und sie seitdem unzählige Male bei ihr Zuhause gewesen.

Ihre Zehenspitzen kribbelten angenehm, als sie die Klingel betätigte und sie hörte, wie sich Schritte näherten.

»Morgen, Noriko. Hast du dich gestern gut erholt?«, grüßte Rinas Vater sie fröhlich, nachdem er die Tür geöffnet hatte. Noriko mochte ihn, weil er immer ein Lächeln auf den Lippen hatte. Und weil Rina ihn lieber mochte als ihre Mutter.

»Hab ich, danke!« Sie lächelte breit und versuchte, an dem Mann vorbei in die Wohnung zu gucken. »Ist Rina-chan fertig mit dem Frühstück?«

»Rina ist heute etwas früher losgegangen, aber wenn du dich beeilst, müsstest du sie noch einholen.«

Sie konnte den enttäuschten Gesichtsausdruck nicht rechtzeitig zurückhalten. Rinas Vater lächelte sie entschuldigend an, schloss die Tür und bekam somit nicht mit, dass Noriko noch fast eine ganze Minute vor der Wohnung stand.

Sie hatten zwar niemals abgemacht, jeden Morgen zusammen zur Schule zu gehen, aber bisher hatte Rina immer auf sie gewartet. Gerade heute, an diesem blöden Montag der ihr gleich viel hämischer erschien als vorher, hatte Noriko ihre Nähe besonders nötig gehabt.
 

Eine Schnute ziehend machte sie sich wieder auf den Weg zur Schule, die Schritte sehr viel langsamer und unmotivierter als zuvor. Jetzt, da es noch länger dauern würde, bis sie Rina sehen konnte, wollte sie am liebsten direkt wieder ins Bett kriechen, dann konnte sie wenigstens von ihr träumen.

Noriko hielt kurz inne und schüttelte den Kopf; der Gedanke war sogar für sie ziemlich kitschig gewesen. Aber sie konnte nichts gegen ihre Gefühle machen, ansonsten hätte sie niemals zugelassen, dass sie sich in ihre beste Freundin verliebte. Sie hatte deswegen schon allerlei komische und fragwürdige Dinge getan, aber glücklicherweise war sie anscheinend so unberechenbar, dass das niemandem auffiel.

Dass sie in Rina mehr als nur eine Freundin sah hatte sie schon gemerkt, nachdem sie sich gerade mal ein halbes Jahr gekannt hatten. Seitdem wollte sie jede freie Minute mit ihr verbringen, und genau deswegen hatte Noriko sie monatelang überredet, dem Volleyballclub beizutreten. Seit Rina tatsächlich nachgegeben hatte (mit ganz niedlich zusammengezogenen Augenbrauen und widerwilligem Blick, daran erinnerte sie sich noch gut), waren sie an fast jedem Nachmittag und Abend und an den Wochenenden zusammen. Noriko war niemals glücklicher gewesen.

Dennoch hatte sie bisher nicht den Mut gehabt, Rina ihre Gefühle zu gestehen. Eigentlich mochte Noriko Geheimnisse nicht. Geheimnisse befanden sich auf dem achten Platz ihrer ›Dinge, die dringend abgeschafft werden müssen‹-Liste, knapp vor dem letzten Bisschen Shampoo, das man nie aus der Flasche bekam. Aber obwohl sie keinen Menschen so gut kannte wie Rina wusste Noriko nicht, wie ihre Freundin reagieren würde, wenn sie von ihren Gefühlen erfuhr. Also blieb sie still und behielt dieses eine Geheimnis für sich.
 

Etwas weniger schlecht gelaunt kam Noriko am Schultor an. Egal, worum sich ihre Gedanken drehten, sobald es auch nur ansatzweise um Rina ging, fühlte sie sich danach etwas besser. Prüfend ließ sie den Blick über die Massen an Schülern schweifen, doch sobald ihr Rinas roter Schopf ins Auge sprang, war ihre Stimmung auf einem neuen Höhepunkt angelangt. Einmal mehr war Noriko froh, dass man die andere trotz ihrer geringen Körpergröße dank ihrer Haare gut in einer Menschenmenge ausmachen konnte.

Mit einem breiten Grinsen im Gesicht rannte sie los und fiel Rina um den Hals, so hastig, dass sie beinahe beide zu Boden fielen und so ausgelassen, dass Noriko das Lächeln auf den Lippen ihrer Freundin entging.



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