Zum Inhalt der Seite

Nähe

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Akt 4 - Gefallener Schutzwall

Die Türen des Fahrstuhls schlossen sich quälend langsam, während die blauen Augen, verweint aber hoffnungsvoll in unergründbares Granatrot starrten. Endlich schob sich das kalte Metall ins Blickfeld. Setsuna atmete tief durch. Langsam sank sie zu Boden. Sie konnte ihr Zittern nicht länger zurückhalten und den Kampf gegen ihre Tränen nahm sie gar nicht erst auf. Die kühlen Worte ihrer Prinzessin hatten sie tiefer getroffen, als sie zugeben wollte. Aber für einen Augenblick würde sie in diesem einen Quadratmeter großen Raum allein sein. Ihr Schutzwall durfte fallen, der Metallkasten würde sie auf der Fahrt ins Erdgeschoss beschützen. Ein tiefes Schluchzen entglitt ihr. Wie viele Tränen hatte sie in ihrer Einsamkeit schon vergossen? Doch nie, weil sie so verletzt worden war.

Zittrige Hände wischten salziges Wasser von geröteten Wangen. Alles hätte sie für Usagi getan. Sie lebte nur für die Mondprinzessin. Schon immer war es ihre Lebensaufgabe gewesen, alles für sie zu tun. Das Lächeln ihres Engels war ihr dafür Lohn genug. Sie hatte gespürt, dass Mamorus Entschluss, für ein Auslandssemester nach England zu fliegen, etwas verändern würde, doch nie hätte sie ihn ziehen lassen, hätte sie auch nur geahnt, was passieren könnte. Setsuna hatte nicht gelogen, sie hatte den Tod des Prinzen nicht kommen sehen. Wie konnte Usagi etwas Anderes von ihr denken?

Setsunas Blick wanderte auf die rotblinkende Anzeige des Fahrstuhls. Gerade noch rechtzeitig hatte sie sich gefangen, als er zum Stehen kam.

Gedanklich in einer Parallelwelt gefangen setzte sich Setsuna in ihr Auto. Wie fremdgesteuert fuhr sie heim. Als sie die Tür ihres Wagens abschloss, bog ein weiteres Auto in die Einfahrt zum Haus der Äußeren Kriegerinnen, aus dem kurz darauf eine verdutzt dreinblickende Haruka ausstieg.

„Was machst du denn schon hier?“, fragte die Blondine sofort.

Setsuna schluckte. Als sie dem ahnungslosen, fast scheinheiligen Blick entgegensah, wurde sie von einer ganzen Emotionssinnflut gepackt. Sie war wütend auf Haruka, die Usagi entgegen aller Vernunft Rum gebracht hatte, auf sich selbst, weil sie ihre Aufgabe, Usagi zu betreuen, abgeworfen hatte, auf die Prinzessin und deren Anschuldigungen, erschüttert über das, was sich hinter ihnen verborgen hatte, bestürzt, weil sie nicht wusste, wie sie Usagi und Chibiusa retten sollte, und verzweifelt, weil sie sich im Moment einfach nur nutzlos und überfordert fühlte. Das alles war zu viel für die stille Wächterin. Ihr Herz, das seit Usagis Worten ohnehin schon so eigenartig schmerzvoll und dumpf gegen ihre Rippen schlug, schien sich jetzt befreien zu wollen. Setsuna sah an sich herab. Ihr Brustkorb schien unter dem starken Hämmern aus seinem Inneren zu erbeben. Diese Kraft musste herausbrechen. Aber wie?

Setsuna starrte in die fragenden silberblauen Augen ihrer Mitbewohnerin, die mittlerweile bepackt mit mehreren Einkaufstaschen vor ihr stand. Leicht öffneten sich Setsunas Lippen. Noch immer waren sie unentschlossen, welche Worte sie formen, ob sie laute Anschuldigungen schreien oder ein Geständnis ihres Zerbrechens ablegen sollten. Glücklicherweise wurde ihr die Entscheidung abgenommen, als sich die Haustür hinter ihr öffnete. Sie schnellte herum. Haruka lief freudestrahlend an ihr vorbei und begrüßte Michiru mit einem Kuss. Dann wandte sie sich wieder um. „Wurdest du schon abgelöst, Setsu? Ich dachte, Rei würde erst heute Abend dran sein.“

„Ich, ähm… Nein, ich…“, stammelte Setsuna unsicher. „Ich bin gegangen.“

Haruka fragte überrascht: „Du hast sie allein gelassen?“

„Nein! Ich würde sie nie-… Ich… Ich musste einfach weg.“ Mit einem plötzlichen Ausbruch versuchte Setsuna das aufkeimende Schuldgefühl zu ersticken. „Du hast ihr dieses Zeug gebracht, Haruka! Nüchtern wären ihr diese Worte nie eingefallen! Durch dein Gesöff kam sie auf diese Idee! Niemals hätte sie sowas gesagt! Nie!“

Falten bildeten sich auf Harukas Stirn. Michiru schien die Situation besser zu begreifen. Besorgt lief sie auf ihre Mitstreiterin zu. „Was hat sie gesagt, Setsuna? Was ist passiert?“

Blinzelnd versuchte Setsuna, einen Anflug von Panik zu unterdrücken. Kopfschüttelnd stotterte sie: „Ich… Ich muss zurück. Sie kann doch nicht… Ich habe sie im Stich gelassen. Ich muss doch…“ Die klappernden Autoschlüssel in ihrer Hand wurden unverhofft zum Schweigen gebracht. Michiru hatte sie in einer Faust aus ihren eigenen und Setsunas Fingern eingeschlossen.

„Du bist völlig durcheinander. So lasse ich dich nirgendwohin fahren. Was ist passiert?“

Setsuna war nicht mehr in der Lage, ihre Gedanken zu ordnen. In ihrem Kopf herrschte Chaos. Verzweifelt drückte sie ihre Handballen gegen ihre Schläfen. Abermals fanden Tränen ihren Weg. Wieder schnürte sich ihre Kehle zu. So ließ sie sich abwesend von Michiru ins Haus führen. Schweigend saßen sie auf dem Sofa, während Haruka Setsunas Lieblingstee brühte.

„Ich weiß auch nicht, wieso sie mich so treffen konnte“, brachte Setsuna leise weinend hervor.

Geduldig und still wartete Michiru auf eine Erklärung.

„Chibiusa! Es lag nicht in meiner Hand, sie zu retten! Ich wusste nicht, was passieren würde. Ich hatte spüren können, dass etwas nicht stimmt, aber ich konnte nicht ahnen, dass er nicht zurückkommen würde. Ich hätte ihn nie gehen lassen! Wie kann sie mir solchen Egoismus vorwerfen?“

Seufzend legte Michiru ihre Arme um Setsuna. „Sie wollte dich ganz sicher nicht verletzen. Sie ist einfach verzweifelt und fühlt sich machtlos. Sie weiß nicht, was sie dir damit antut.“

„Hast du nicht gesagt“, begann Haruka, als sie drei Tassen Tee auf dem Wohnzimmertisch abstellte, „Chibiusa würde noch existieren?“

„Ich bin mir nicht mehr sicher.“ Tiefe Denkfalten bildeten sich auf Setsunas Stirn. „Ich hatte sie noch spüren können, aber als ich vorhin bei der Prinzessin war, schien das Licht schwächer zu werden. Vielleicht war es nicht Chibiusas Aura, die ich fühlen konnte. Vielleicht habe ich mir das nur eingebildet. Wie sollte es überhaupt möglich sein? Es sei denn, Usagi wäre schon schwanger, aber das ist sie nicht. Oh Gott!“ Die Kriegerin schlug ihre Hände vors Gesicht. „Und ich habe ihr auch noch vorgeworfen, sie würde mit ihrem Selbstmitleid nur ihre eigene Tochter umbringen!“

„Du hast was?!“, riefen Michiru und Haruka gleichzeitig aus.

„Nicht so direkt!“ Verteidigend schreckte Setsuna zurück. „Ich habe sie nur angesehen und… Chibiusas Bild verschwand immer mehr, je weiter Usagi abrutschte. Vielleicht starb bei dem Anblick nur meine Hoffnung, sie doch noch retten zu können.“

Stille trat ein.

Bis Setsuna kopfschüttelnd aufstand. „Ich muss zurück! Was ich gesagt habe, muss sie noch mehr in ihre Depressionen gestoßen haben! Ausgerechnet ich werfe ihr solche Dinge an den Kopf! ICH!“

Nachdem sie tief durchgeatmet hatte, warf sich Haruka aufs Sofa und zog Setsuna zwischen sich und ihre Verlobte. „Du gehst nicht zurück. Was hätte das für einen Sinn? Wenn du jetzt zu ihr gehst, weiß dein Herz doch überhaupt nicht mehr, was es machen soll und bleibt noch stehen. Lass sie zur Ruhe kommen. In den letzten Tagen hatte sie permanent Gesellschaft. Vielleicht ist es gar nicht so verkehrt, sie mal für ein paar Stunden allein zu lassen, damit sie über alles nachdenken kann. Vielleicht hast du Chibiusa auch noch so lange gesehen, weil Usagi noch nicht mit ihrer bekannten Zukunft abgeschlossen hatte. Und vielleicht musste sie mal klare Worte hören. Ich habe ja auch versucht, ihr die Wahrheit beizubringen, aber das wollte sie nicht hören. Die Wahrheit von der Wächterin der Zeit zu hören, lässt sie möglicherweise endlich aufwachen und so sehr es auch wehtut, ist es unumgänglich, dass sich unsere Prinzessin endlich wieder fängt.“

Auf Harukas Finger, die Setsunas Hände Sicherheit schenkend umschlossen hatten, legten sich nun auch Michirus und Setsuna wandte sich von einer zur anderen Gefährtin. „Lass ihr Zeit“, flüsterte die Künstlerin sanft.

„Wir wissen, dass du ihr nur helfen willst. Wir wissen, dass du mehr für sie tun willst. Das hast du oft genug gezeigt. Aber auch wenn dir deine Liebe und Fürsorge im Moment etwas Anderes zuflüstern, hilft ihr ein wenig Abstand vielleicht am allermeisten.“

„Abstand?“, wiederholte Setsuna kaum hörbar. „Abstand von mir? Sieht sie in mir ab heute nur noch ihre zerbrochene Zukunft?“

„Nicht doch!“ Kopfschüttelnd rückte Michiru näher. „Vielleicht hast du ihr nur geholfen, die Wahrheit zu erkennen. Lass ihr Zeit, ihre Gedanken zu ordnen. Auch wenn du es schwer ertragen kannst. Schenk ihr Zeit. Sie wird zu dir kommen, wenn sie es versteht. Und dann wird dir eine neue Chance geschenkt. Dann wirst du die Last der Zukunftsträgerin ablegen können. Wir werden dir helfen, ein neues Bild von dir für unsere Prinzessin zu malen. Bis dahin… und darüber hinaus bleiben wir bei dir.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Lilia24
2016-12-04T19:29:19+00:00 04.12.2016 20:29
Endlich gegt es weiter juhuhu frei mich riesig.
Wie du setsuna dargestellt hast,..
So stark auf der einen Zeiten und doch so zerbrechlich auf der anderen Seite,....
Es war wieder richtig gut und wie einsichtig haruka und michiru sind.
Mach weiter so.
Aber lass uns nicht wieder sooooo lange warten auf ein neues kapi
Antwort von:  Ruka_S_Orion
05.12.2016 20:38
Hach ja, bei diesem Mitgefühl seitens meiner Leser für meine Lieblinge muss ich mir das mit den langen Wartezeiten wohl noch einmal überlegen ;P


Zurück