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Schwarzer Komet

Drachengesang und Sternentanz - Teil 1
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ein wenig spät, aber doch noch rechtzeitig am Sonntag das neue SK-Kapitel!
Dieses Mal ist es ein wenig kürzer, was aber daran liegt, dass es am Anfang mit drei Szenen schon recht lang wurde und dann habe ich noch eine vierte Szene dafür aus dem Boden gestampft - und als ich dann beim Überarbeiten der ersten Szene gemerkt habe, wie lang das ganze Ding wurde, habe ich es geteilt.

Es ist meine erste richtige Schlachtszene im SK und ich bin ziemlich zufrieden damit. Unsicher bin ich nur mit Minervas Rede. Reden sind echt so ein Thema für sich >_>

Viel Spaß beim Lesen und vielen Dank im voraus für jeden Kommentar!
LG
Yosephia Komplett anzeigen

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Die Straße, die zur ersten Schlacht führte

Während all seiner Reisen war Natsu so einige Male in bewaffnete – und zuweilen sogar lebensgefährliche – Auseinandersetzungen verwickelt worden. Wegelagerer, Piraten, betrunkene Haudegen in zwielichtigen Spelunken, zuletzt die Söldner von Avatar... Hinzu kamen mehr Übungskämpfe mit den verschiedensten Partnern, als er je zählen könnte.

Was er in all den Zyklen seiner Reise jedoch nie erlebt hatte, war eine richtige Schlacht. Seine Eltern waren in Bosco gefallen, aber als er alt genug war, um zum Ehrenlegionär ernannt zu werden, waren die boscanischen Grenzen schon lange gesichert worden. Auch während des Extalia-Krieges war er viel zu jung gewesen, obwohl er Igneel damals wirklich angefleht hatte, ihn ins Kampfgebiet zu bringen.

Bislang hatte Natsu einem Kampf immer entgegen gefiebert und immer die Herausforderung gesucht, aber hier und jetzt war ihm mulmig zumute. Neben den Soldaten von Sabertooth zu stehen und dabei zu wissen, dass einige – im schlimmsten Fall sogar viele – von ihnen die bevorstehende Schlacht nicht überleben würden, ließ ihn bereuen, heute Morgen gefrühstückt zu haben.

Wenn er wenigstens wüsste, dass sie eine Chance hätten, wäre es vielleicht einfacher, aber das hier – ein Ablenkungsmanöver, damit Meredy sich in Jadestadt einschleichen konnte – gefiel ihm nicht. Er verstand die Argumentation dahinter, aber er wurde das Gefühl nicht los, etwas Offensichtliches zu übersehen.

Neben ihm stand Orga wie ein Fels in der Brandung. Der Hüne hatte bereits an einem Krieg teilgenommen, erinnerte Natsu sich. Es mochte eine andere Art von Krieg gewesen sein als das hier jetzt, aber sie war gleichwohl blutig, verlustreich und unbarmherzig gewesen. Orgas Ruhe war die Ruhe eines Kriegsveteranen, wie Natsu sie auch schon bei Gildartz, Mest und zuletzt auch bei Capricorn miterlebt hatte.

Als Orga Natsus Blick bemerkte, lächelte er freudlos. Kein rauer Kommentar, kein Schulternklopfen. Unter der ruhigen Maske brodelte es, erkannte Natsu. Nun noch angespannter richtete Natsu seinen Blick auf Minerva, die an der Spitze ihrer Truppen auf einem Felsblock stand und auf ihre unruhigen Männer hinunter sah. Wie alle Anderen war sie gerüstet und bewaffnet, an ihrem Gürtel die zwei Säbel, die Kettensichel, die Rebmesser und ein Dolch, dessen Knauf einen Stein enthielt, der im Licht der Morgensonne blitzte. Sie trug damit sogar mehr Waffen als die meisten anderen Soldaten hier, aber ihr war nicht anzumerken, ob sie das Gewicht störte. Natsu glaubte es nicht, waren Säbel, Rebmesser und Kettensichel doch sowieso schon immer die Waffen gewesen, die Minerva als Wüstennomadin stets bei sich getragen hatte.

Sie selbst war vollkommen ruhig und strahlte in dieser Ruhe eine Hoheit aus, wie Natsu sie selten zuvor erlebt hatte. In ihrer Härte und Entschlossenheit konnte sie es sogar mit der Unsterblichen Kaiserin aufnehmen – obwohl Natsu von dieser Seite der Kaiserin nur den Hauch einer Ahnung erhascht hatte, während sie den Großteil ihres denkwürdigen Gesprächs vor einer Dekade eher nachsichtig und sogar amüsiert gewesen war.

Langsam ließ die Fürstin ihren Blick schweifen, sah jedem Soldaten direkt in die Augen, und Natsu ahnte, dass sie versuchte, sich jedes einzelne Gesicht genau einzuprägen. Jetzt fühlte er sich an Lucy erinnert, wie sie bei der Bestattung die Namen aller Gefallenen mit einer Flüssigkeit aufgesagt hatte, als wären sie alle gute Freunde gewesen. Und an den Opa-Fürsten, der mit einer Zärtlichkeit über Natsus Eltern gesprochen hatte, als wären sie seine eigenen Kinder gewesen.

„Ich werde euch keinen Sieg versprechen, geschweige denn heldenhaften Ruhm. Hier und jetzt seid ihr nicht mehr als meine Schachfiguren“, begann Minerva ruhig und doch klar verständlich. Diese schonungslose Ehrlichkeit hatte etwas Bestechendes. Um Natsu herum verstärkten die Männer und Frauen die Griffe um ihre Waffen. „Ich riskiere eure Leben für Informationen, die hoffentlich helfen werden, unserem Feind zu trotzen, aber ich kann und werde euch kein Versprechen dafür geben.

„Ihr habt den Schwur auf Thron und Stadt geleistet, ihr seid Soldaten von Sabertooth, Krieges des Sandes – und als solche opfere ich euch gewiss nicht leichtfertig. Dieses Manöver ist eine Chance, aber auch nicht mehr als eben das. Wer diese Chance verstreichen lassen und zu Heim und Weib zurückkehren will, den entbinde ich hiermit von seinem Schwur.“

Nicht einer der Soldaten rührte sich, um Minervas Worten gemäß unbescholten seinen Schwur abzulegen und dem Schlachtfeld den Rücken zu kehren. Stattdessen erhob sich ein Sprechgesang. Hunderte – Tausende – von Kehlen skandierten den Namen ihrer Fürstin, kräftig, entschlossen, zu allem bereit.

„Ich wusste gar nicht, dass sie so eine gute Rednerin ist“, gestand Natsu an Orga gewandt.

Der Rüstungsmeister grinste stolz. „Sie hält nicht oft Reden, weil ihr diese Art des öffentlichen Auftritts nicht gefällt, aber sie hat auch während der Zeit der Befreiung solche Reden gehalten. Sie meinte mal, dass sie immer dabei war, wenn ihr Onkel Reden gehalten hat, und bei den Wüstennomaden scheint sie wohl auch etwas gelernt zu haben. Aber ich glaube, die meisten ihrer Reden kommen spontan. Ihre Ehrlichkeit gefällt den Leuten.“

Natsu nickte zustimmend. Er war kein Freund vieler Worte, dafür war er zu ungeschickt und zu ungeduldig. Aber er war beeindruckt.

Orga klopfte ihm nun doch auf die Schulter und stapfte dann nach vorn, seine gewaltige Streitaxt erhoben, damit die ihm zugeteilten Männer ihn erkennen konnten.

Das Heer spaltete sich in zwei Teile auf. Natsu und Gray sollten bei Minerva bleiben, Lyon und Meredy zogen mit Orgas Gruppe mit. Natsu beobachtete, wie Gray Meredy kurz, aber herzlich umarmte. Lyon stand mit starrer Miene daneben. Offensichtlich konnte er sich immer noch nicht mit Meredys Plan anfreunden. Vorhin hatte Natsu gesehen, wie Meredy auf Lyon zugetreten war und dieser sich steif abgewandt hatte. Für einen winzigen Moment hatte Meredys Blick bei dieser Abweisung geflackert, ehe sie sich wieder im Griff gehabt hatte.

Natsu konnte Lyon verstehen. Er war auch aus allen Wolken gefallen, als er erfahren hatte, dass Lucy sich mit Sting und Rogue auf die Suche nach der Bruthöhle der Dämonen machen wollte. Sein erster Impuls war es auch gewesen, zu protestieren. Wenn er nicht überzeugt gewesen wäre, dass Sting und Rogue Lucy wie ihren Augapfel hüten würden, hätte er wohl wirklich etwas gegen Lucys Entscheidung gesagt. Aber er vertraute den Klauen. Immerhin hatte er mehrere Monde mit ihnen zusammen trainiert. Sie waren Beide starke Magier und geschickte Kämpfer. Obendrein kannten sie die Gefahren der Wüste besser als irgendjemand sonst. Lucy war bei ihnen gut aufgehoben.

Lyon hatte diese Sicherheit jedoch nicht. Seine Freundin würde sich ganz alleine in eine Stadt schleichen, über deren Besetzung durch den Feind sie nichts Genaues wussten. Rein theoretisch könnte ganz Tartaros hinter diesen Mauern warten. Und Meredy mochte eine gute Assassine sein, aber sie war nicht allmächtig. Niemand war das – eine Lektion, die Natsu früher und schmerzhafter gelernt hatte, als ihm lieb war.

Ohne eine Wort miteinander zu wechseln, wandten Lyon und Meredy sich Orgas Truppe zu, während Gray zu Natsu herüberkam. Die Miene des Eismenschen war verbissen beherrscht, aber Natsu konnte seine Anspannung regelrecht mit Händen greifen. Bevor Gray ihn richtig erreichen konnte, gab Minerva bereits das Zeichen zum Aufbruch. Ihre Einheit setzte sich langsam in Bewegung, um als Erste auf die Stadt zu zustürmen. Je näher sie den Mauern kamen, desto schneller schritten einige der Soldaten voran, aber Natsu ließ sich von der adrenalingepeitschten Euphorie nicht mitreißen, sondern achtete darauf, in Minervas Nähe zu bleiben. Sie mochten noch fünfhundert Schrittlängen von Jadestadt entfernt sein, als sich das Osttor öffnete und die Dämonen regelrecht aus der Stadt heraus quollen.

Es waren ungeschlachte Gestalten, ganz offensichtlich Zyklopen, ihre Körper nur entfernt menschenähnlich mit grotesk großen Köpfen, tonnenartigen Brustkörben und unproportional langen Gliedern. Ihre Häute gelb, ihre einzelnen Augen durchgehend schwarz. Sie geiferten und johlten und kreischten, die Hände wild fuchtelnd und grabschend.

Der Gestank, der von der Dämonenhorde ausging, war bestialisch – schlimmer als alles, was Natsu jemals zuvor gerochen hatte, inklusive der Gerichte der beiden schlechtesten Köchinnen, die er jemals kennen gelernt hatte. Ihre Schreie waren Ohren betäubend und reizten Natsus Nerven über gebühr.

Alles in allem erfüllten diese Zyklopen genau das Bild, das wohl jeder vor Augen hatte, wenn das Wort Dämon fiel. Dabei hatte Natsu immer gedacht, Cana hätte bei ihren Gruselgeschichten über Dämonen viel zu sehr übertrieben.

Ihnen allen voran schritt ein größerer Dämon mit gelb-violetten Beinen, rüstungsartigen Hornplatten auf Armen und Schultern und extrem wulstigen Lippen. Anders als die anderen Dämonen grinste er nur siegesgewiss und er wedelte nicht so wild mit den Armen. Das musste einer der Dämonen von Tartaros sein, während die Anderen anscheinend nur Fußsoldaten waren.

Die Männer und Frauen um Natsu herum gerieten ins Stocken und er konnte es ihnen nicht verübeln. Dämonen waren Figuren für Schauergeschichten am Lagerfeuer, der Stoff für Abenteuergeschichten. Tatsächliche Begegnungen mit Dämonen waren dieser Tage so selten wie Drachensichtungen – wenn man nicht gerade ein Drachenreiter war oder einen in seinem Umkreis hatte. Niemand hätte je angenommen, dass es noch so viele Zyklopen gab.

Natsu fragte sich, wo sie sich in all der Zeit versteckt gehalten hatten. Auch wenn er keine Vorstellungen davon hatte, wie diese Bruthöhlen-Dinger funktionierten, glaubte er nicht, dass all diese Zyklopen höhlengebunden waren. Beinahe wünschte er sich, er hätte damals während seines Schulunterrichts in Magnolia, zu dem Gildartz ihn bis zu seinem vierzehnten Sommer unnachgiebig gedrängt hatte, besser aufgepasst.

Minerva ließ sich im Angesicht ihrer zahlreichen Feinde nicht das geringste Zögern anmerken. Sie hob den Säbel mit den Herrschaftsinsignien der Orlands und schwenkte ihn nach vorn – und diese simple Geste genügte, um ihre Soldaten wieder anzuspornen. Mit einem Angriffsgeheul, das beinahe die Schreie der Dämonen übertönte, rannten die Männer und Frauen weiter.

Natsu und Gray hielten sich weiterhin hinter Minerva, wie es heute in der Morgendämmerung besprochen worden war. Die Fürstin wollte schnellen Zugriff auf die beiden einzigen Magier in ihrer Gruppe haben – und Orga hatte vor Beginn der Schlacht Natsu beiseite genommen und ihn gebeten, auf Minerva aufzupassen. Es war beinahe lachhaft: Wenn jemand auf sich selbst aufpassen konnte, dann ja wohl die Wüstenlöwin!

Die beiden ungleichen Heere prallten aufeinander und vermengten sich miteinander. Es dauerte nicht lange, bis so viel Staub aufgewirbelt wurde, dass ein Gesamtüberblick über das Geschehen beinahe unmöglich wurde. Natsu erkannte nur ausschnittsweise, was für sich ging.

Die Dämonen schlugen und traten mit übermenschlicher Kraft und waren geradezu abartig schnell und wendig. Sie zertrümmerten mit ihren Faustschlägen behelmte Schädel und Brustkörbe, brachen mit ihren Tritten Wirbelsäulen, zerrissen mit ihren Zähnen und Klauen Kehlen und Bäuche. Durch Rüstungen schnitten sie wie durch dünnes Leinen. Der einzige Schutz vor ihren Angriffen war, immer auszuweichen und im rechten Moment anzugreifen – und dann den richtigen Punkt zu treffen. Die Haut der Dämonen war so dick, dass ihr mit Pfeilen und Dolchen nicht beizukommen war. Es brauchte die Wucht von Langschwertern und Äxten oder aber das tänzerische Geschick mit dem Säbel, das Minerva demonstrierte, indem sie ihre Waffe über die empfindlicheren Kehlen oder in die Achselhöhlen der Dämonen fahren ließ.

Obwohl die Dämonen eins zu drei unterlegen waren, gewannen sie doch zusehends die Oberhand. Um sich herum sah Natsu die Männer und Frauen mit dem Löwen und den Basilisken auf ihren Brust- oder Schulterplatten reihenweise sterben. Ihre Todesschreie dröhnten in seinen Ohren und ihr Blutgeruch stach in seine Nase.

Gray neben ihm hielt den Dämonen eisern stand. Trotz seines wuchtigen Breitschwertes war er schnell und präzise. Selten einmal traf er nicht beim ersten Schlag die Schwachstelle seines Gegners. Sein Stil war ruckartig, seine Schritte hätten gedröhnt, wenn sie nicht vom Sand aufgefangen worden wären. Seine Miene blieb ruhig und konzentriert. Nichts schien ihm zu entgehen, kein Dämon vermochte es, seinen Rücken zu erreichen.

Es war ein gutes Gefühl, neben Gray zu kämpfen. Natsu wurde davon angespornt und obwohl er immer noch kaum etwas über den Eismenschen wusste und sich bisher immer nur mit ihm gezankt hatte, vertraute Natsu ihm rein instinktiv. Mit Gray Seite an Seite zu kämpfen, war einfach und richtig und aufpeitschend und beruhigend zugleich.

Als Natsu den Blick des Schwarzhaarigen auffing, grinste er übermütig – und erhielt zu seiner Überraschung ein ebensolches Grinsen zurück. Für die Dauer einiger Herzschläge war Gray nicht der verschwiegene, rachsüchtige Eisklotz, den Natsu in Malba kennen gelernt hatte, sondern ein ganz normaler Mann, ein Krieger, ein Kamerad – vielleicht sogar ein Freund…

Doch als Minerva mit ihrem Gazellenhorn das Zeichen für das Vorrücken der zweiten Gruppe blies, drehte Gray sich ruckartig um und brach damit den Blickkontakt ab.

Während er sich mit Minerva, Gray und den vielleicht vier- bis fünfhundert überlebenden Soldaten zusammenrottete und dabei immer wieder Dämonen nieder streckte, beobachtete Natsu das, was er vom Vormarsch von Orgas Einheit hinter all dem aufgewirbelten Sand ausmachen konnte. Der unübersehbare Hüne schritt seinen Männern voran, die Streitaxt kampfbereit in den Händen. Von Lyon und Meredy konnte Natsu nichts entdecken, aber das war ja auch Sinn der Sache. Die zweite Heeresgruppe brach in die Flanke der Dämonen ein und trieb sich wie ein Keil immer tiefer und tiefer, beständig auf die erste Gruppe zu.

Nun zeigte sich, wie stumpfsinnig die Dämonen waren: Sie drehten sich von einer Feindesgruppe zur nächsten und stürzten dann jeder für sich auf eine der beiden Gruppen zu, wobei sie einander immer wieder in die Quere kamen. Um an ihre auserkorene Beute zu kommen, schreckten sie nicht einmal davor zurück, ihre Artgenossen zu verletzen, wenn diese ihnen im Weg waren.

Der Einzige, der sich davon nicht beeindrucken ließ, war der Anführer der Zyklopen – wenn man ihn denn überhaupt so nennen konnte, denn keiner der niederen Dämonen schien sich nach ihm zu richten und er schien sich im Gegenzug auch nicht um sie zu scheren. Er metzelte sich weiter durch die Reihen der ersten Heeresgruppe. Niemand vermochte es, ihn zu verlangsamen, ganz zu schweigen davon, ihn zu stoppen.

Zuvor war Natsu die Zielstrebigkeit dieses Dämons nicht aufgefallen, aber im jetzigen Getümmel fiel der Höhlengebundene besonders gut auf – und es wurde offensichtlich, was oder vielmehr wer sein Ziel war.

Gleichzeitig riefen Gray und Natsu den Namen des jeweils Anderen und setzten sich in Bewegung. Als der Dämon sein Ziel erreichte, waren sie zur Stelle, flankierten die kampfbereite Wüstenlöwin. Natsu schlug die vorschnellende Rechte beiseite und Gray die Linke – und Minerva zog ihren Säbel über die Kehle ihres Häschers. Bei jedem anderen Gegner wäre das eine tödliche Trias gewesen, aber der Höhlengebundene ließ sich unnatürlich schnell nach hinten fallen und entging so dem Hieb.

Ehe sie reagieren konnten, schlug der Gelbe einen Rückwärtssalto und sprang dann sofort wieder nach vorn, um sie alle mit seiner schieren Masse von den Füßen zu fegen. Alles, worauf Natsu sich konzentrieren konnte, als er über den Sand schlitterte, war, sein Schwert nicht zu verlieren – jene eine Lektion, in der alle seine Lehrmeister überein gestimmt hatten. Als er endlich zum liegen kam, dröhnte sein Kopf und schmerzte sein getroffener Brustkorb und er spürte einen scharfen Schmerz am Oberschenkel, mit dem er wohl über eine im Sand vergrabene Waffe geschrammt war – aber sein Langschwert lag fest in seiner Hand.

Schnaufend stemmte er sich in die Höhe und suchte nach Minerva und dem Dämon. Die Wüstenlöwin lag auf dem Rücken und versuchte, sich mit ihren beiden Säbeln den Zyklop vom Hals zu halten. Natsu stürmte auf die Beiden zu und schwang sein Schwert. Im letzten Moment wich der Dämon mit einer Seitwärtsrolle aus. Als er wieder auf die Beine kam, war Gray auf einmal hinter ihm und schlug nach seiner Mitte. Der Eismensch traf, aber seine Klinge schaffte es gerade einmal, die Haut des Dämons zu ritzen.

„Zäher Mistkerl“, knurrte Natsu und bot Minerva eine Hand an.

„Halte dich zurück“, warnte Minerva. „Keine Magie!“

Natsu verbiss sich eine scharfe Erwiderung. Er sah ja ein, dass er und die Fullbuster-Brüder der Trumpf der Armee bleiben mussten, solange die volle Stärke der Dämonenarmee nicht bekannt war, aber es gefiel ihm dennoch nicht, nicht mit voller Stärke kämpfen zu dürfen, während um ihn herum weitere Kameraden starben.

Minerva steckte einen der Säbel zurück an ihren Gürtel und zog stattdessen den armlangen Dolch aus einer kunstvollen Scheide an ihrem Gürtel. Die Klinge wirkte seltsamerweise strahlend weiß und in den Knauf war ein ebenso weißer Stein eingelassen, in welchen ein kleines Symbol eingeritzt worden war, das Natsu hier nicht erkennen konnte.

„Ich brauche nur die Gelegenheit für einen guten Hieb“, erklärte Minerva ernst.

Natsu verstand nicht, was sie damit zu bezwecken glaubte, aber er sah keinen Grund, hier und jetzt an Minervas Urteilsfähigkeit zu zweifeln, und nickte ruckartig. „Die sollst du kriegen“, versprach er und setzte sich in Bewegung, um sich neben Gray zu gesellen unf mit ihm gemeinsam gegen den Zyklopen vorzugehen.

Natsu mochte Grays wilden, unberechenbaren Stil. Es war so verblüffend einfach, mit ihm Seite an Seite zu kämpfen. Viel einfacher, als Natsu es jemals zuvor erlebt hatte. Sie mussten keinerlei Rücksicht aufeinander nehmen, ihre Angriffe reihten sich nahtlos aneinander, prasselten unablässig auf den Höhlengebundenen ein.

Als es Gray gelang, das Knie des Dämons zu zerschmettern, nutzte Natsu das sofort aus und schlug nach dem anderen Knie. Der Dämon sackte nach vorn. Hinter sich bemerkte Natsu die huschende Bewegung und er wich zur Seite aus, um Minervas Streich Platz zu geben.

Die Augen des Dämons weiteten sich ungläubig, als der Dolch mit der weißen Klinge über seine Kehle fuhr und geradezu mühelos durch die Haut schnitt. Das Symbol am Knauf leuchtete auf, als Dämonenblut darauf spritzte.

„Ich bin Franmalth von Tartaros“, röchelte der Zyklop, während sein Körper langsam erschlaffte. „Wie… wie…?“

Hoheitlich ragte Minerva über ihm auf. „Ich bin Minerva Orland von Sabertooth, Wächterin der Stillen Wüste, Freundin der Wüstennomaden… Und Freundin der Geisterfürstin“, fügte sie hinzu und hielt ihren Dolch so, dass Franmalth das Symbol am Knauf sehen konnte. Erst jetzt erkannte Natsu, dass es sich um das Wappen des Hauses Heartfilia handelte, die betende Jungfrau unter dem Stern.

Die Augen des Dämons weiteten sich vor Erstaunen, doch dann verengten sie sich voller Häme. „Ihr habt eure einzige Waffe am Geringsten der Dämonen von Tartaros vergeudet. Mard Geer wird euch lehren, ihn nie wieder zu unterschätzen. Gegen ihn seid ihr Kakerlaken im Staub.“

Vollkommen unbeeindruckt legte Minerva den Dolch mit der langsam verblassenden Klinge an Franmalths Hals, dann holte sie mit der Waffe aus. „Wir werden sehen“, erklärte sie ruhig und schlug zu. Ob es die Wucht des Hiebes oder die Magie der Waffe war, der Dolch, der dafür eigentlich zu klein hätte sein müssen, trennte den Kopf sauber ab. Der Körper sackte vollends zu Boden und der Kopf verschwand im Gewirr der Schlacht.

Natsu stieß den angehaltenen Atem aus und sah sich um. Die Kämpfe hatten kaum nachgelassen. Die niederen Dämonen hatten Franmalths Tod entweder gar nicht bemerkt oder aber ignoriert. Sie konzentrierten sich einzig und allein darauf, die Soldaten von Sabertooth einzukesseln.

Orgas mächtige Stimme hallte über die Schreie hinweg. Er versuchte, den Rückzug zu organisieren.

„Das sollte Meredy genug Zeit verschafft haben“, murmelte Gray und Minerva nickte zustimmend.

Sie wischte ihren Säbel und den spröde gewordenen Dolch ab, schob letzteren zurück in die Scheide und warf den Säbel zurück in ihre Rechte, um ihn in die Luft zu stoßen und mit lauter, klarer Stimme zum Rückzug aufzurufen.

Erschöpft blickte Natsu zu all den toten Soldaten, die sie zurücklassen mussten, aber er hielt sich an die Befehle und folgte Minerva und Gray.

Die Dämonen setzten ihnen blindlings nach und einige der jüngeren Soldaten verfielen in Panik. Immer wieder riefen Orga und Minerva die Befehle. Einige beherzte Veteranen hielten ihre unerfahrenen Kameraden zurück, die sich noch mal den Dämonen zuwenden wollten. Von einigen unaufhaltsamen Narren abgesehen, hielt die Formation und somit auch der Fluchtweg. Die Dämonen waren stärker und schneller, aber offensichtlich nicht in der Lage, als Einheit zu agieren – oder die Falle zu wittern.

Als das Heer mehr als tausend Schrittlängen vor der Stadt eine kleine Felsformation passierte, richteten sich auf den Felsen Bogenschützen auf und walteten sofort ihres Amtes. Viele Pfeile prallten erfolglos von der dicken Haut der Dämonen ab, doch mehr als genug trafen die Augen oder Schlünde und machten so zahlreichen Dämonen den Garaus.

Der Beschuss hielt die Dämonen auf, sodass das Heer sich unbeschadet zurückziehen konnte, gedeckt von weiteren Reservetruppen auf Kamelen, die hinter den Felsen hervor kamen. Orga schwang sich auch auf den Rücken eines Kamels, das ein Soldat für ihn bereit hielt, und ritt zurück in die Schlacht, während Minerva sich den in Unordnung geratenen Tagelmust abnahm und weitere Befehle rief.

„So sollte eine Schlacht nicht ausgehen“, murmelte Gray neben Natsu unzufrieden.

Minerva drehte sich herum. Um ihren Mund lag ein bitterer Zug, aber ihre Augen blitzten vor Entschlossenheit. „Es war notwendig. Dank des Opfers dieser Männer haben wir jetzt schon mehr Informationen. Magistra McGarden wird mit dem Namen Mard Geer hoffentlich etwas anfangen können.“ Sie wandte sich wieder um und ging zum Befehlsstand hinüber, wo der alte Exceed Mysdroy mit dem Kommandanten ausharrte, der die Bogenschützen befehligt hatte.

„Mir wäre es dennoch lieber gewesen, wir hätten sie offen bekämpfen können“, brummte Natsu düster und besah sich den langen, aber zum Glück nicht sehr tiefen Schnitt am Oberschenkel, der seine Pluderhose zerfetzt hatte.

Der Kampf mit Franmalth wäre auch mit Magie sicher kein Zuckerschlecken geworden, aber dann hätte vielleicht einer von ihnen gereicht. Sie hätten mehr ausrichten, hätten mehr Soldaten vor dem Tod retten können.

Neben sich bemerkte Natsu, wie Gray sich immer wieder suchend umsah. Verwirrt blickte er sich auch um. „Was ist los?“

Anstatt zu antworten, hielt Gray einen der Soldaten zurück. „Warst du in Meister Nanagears Gruppe?“ Als der Mann irritiert nickte, stellte Gray gleich die nächste Frage. „Wo ist Lyon?“

Als der Mann nicht sofort Antwort gab, wollte Gray ihn schütteln, aber Natsu packte ihn schroff an der Schulter, um ihn zu beruhigen, und wandte sich erklärend an den Soldaten. „Der Grünländer mit den weißen Haaren.“

„Achso, der! Der ist mit seiner Gefährtin gleich zu Beginn der Schlacht verschwunden. Haben vielleicht die Flucht er-“

Bevor Gray sein Schwert gezogen hatte, hatte Natsu dem Soldaten bereits einen Kinnhaken versetzt, der ihn zu Boden schickte. „Das war dafür, dass du einen Kameraden beleidigt hast. Verschwinde!“, zischte er und griff dann wieder nach Grays Arm.

Der Eismensch war offensichtlich vollkommen aus der Fassung. Seine Augen waren extrem geweitet und huschten verzweifelt suchend umher.

„Ich muss ihn suchen“, murmelte Gray und wollte sich abwenden.

Wieder hielt Natsu ihn auf. „Er muss den Plan geändert haben und mit Meredy mit gegangen sein. Vertrau’ ihm einfach.“

„Was weißt du denn schon?!“, fuhr Gray wütend aus der Haut und holte mit der geballten Faust aus. „Lyon ist Stratege, kein Assassine!“

Der Schlag hätte Natsu wahrscheinlich ins Land der Träume geschickt, wenn er nicht gerade noch rechtzeitig ausgewichen wäre. In einem Versuch, Gray vor einer Dummheit zu bewahren, warf er sich auf diesen. Sie fielen Beide zu Boden. Gray wollte sich befreien und trat schmerzhaft fest gegen Natsus Schienbein. Knurrend schlug Natsu dem Dunkelhaarigen ins Gesicht.

„Reiß’ dich zusammen!“

„Du hast nicht die geringste Ahnung!“, brüllte Gray und wand sich weiter, aber Natsu hatte endlich die Oberhand und ließ ihn nicht mehr los.

Beinahe hätte er es doch getan, als Gray unter ihm in Tränen ausbrach. „Er ist alles, was ich noch an Familie habe…“

Grays Stimme brach. Nur zweimal in seinem Leben hatte Natsu Männer derartig weinen sehen.

„Was soll das heißen? Was ist mit deiner Familie passiert?“, fragte Natsu mit belegter Stimme.

Gray gab keine Antwort. Er presste sich den Unterarm aufs Gesicht, während sein Körper verräterisch bebte. Schwer schluckend sah Natsu sich um, aber bei all der Hektik nach der Schlacht achtete zum Glück keiner auf sie. Weil er sich nicht anders zu helfen wusste, griff er nur nach seinem Tagelmust und legte ihn über Grays Gesicht, damit niemand dessen Tränen sehen konnte.

Dann blieb er hilflos neben dem Magier sitzen.
 

„Du Eishirn!“

Lyon konnte sich nicht erinnern, seine Freundin jemals zuvor so wütend gesehen zu haben. Ihre Augen schienen zu glühen und ihre Augenbrauen begegneten einander beinahe, während sie zu ihm aufblickte.

Mit verräterisch zitternden Fingern hielt sie Lyon an den Messergurten gepackt, die sich über seiner Brust kreuzten, und drückte ihn in eine dunkle Nische zwischen dem Wachhaus und der Treppe, welche die Mauer von Jadestadt hinauf führte. Jenseits der Mauer konnte er hören, wie sich der Lärm der Schlacht langsam entfernte, ansonsten war es vollkommen still in der Stadt. Kein einziger Dämon schien hier zurück geblieben zu sein, um das Tor zu bewachen.

„Du unfassbar dämliches, blindes, wahnsinniges Eishirn!“, zischte Meredy, gefolgt von einigen Ausdrücken auf Edolas, die keiner Übersetzung bedurften. „Wie konntest du nur? Hast du auch nur den Hauch einer Ahnung, wie gefährlich es hier für dich ist?! Du-“

Beherzt hielt Lyon ihr den Mund zu. „Es wird noch viel gefährlicher, wenn du noch lauter wirst“, flüsterte er. Unnachgiebig blickte er in die grünen Augen. „Und für dich ist es nicht weniger gefährlich.“

Meredy riss die Hand weg und schlug mit der Faust auf Lyons Brust. Dank seines Kettenhemdes spürte er kaum etwas davon. „Ich bin eine Assassine! Es ist meine Aufgabe, mich in diese Gefahr zu begeben!“

„Ich lasse dich nicht alleine in eine von Dämonen beherrschte Stadt“, erwiderte Lyon stur.

„Du Eishirn!“

Die Wut in Meredys Blick flackerte, wurde von Angst überlagert. Eben jene Angst, die Lyon umtrieb, seit Meredy vorgeschlagen hatte, sich in Jadestadt einzuschleichen. Wortlos beugte er sich vor und küsste Meredy. Ihre Lippen zitterten unter seinen und er zog sie an sich. Für einen Moment glaubte er, sie würde seine Umarmung abschütteln, aber dann sackte sie in sich zusammen, gab den Kampf einfach auf.

„Was ist, wenn uns etwas passiert?“, flüsterte sie gegen seine Lippen.

„Dann passiert es uns gemeinsam“, erwiderte er fest entschlossen, obwohl er gleichzeitig einen schmerzhaften Stich der Schuld verspürte. Wenn er hier sterben sollte, wäre Gray der Letzte von ihnen. So stark Gray sich auch gab – und auch tatsächlich war –, das war eine Bürde, die Lyon ihm ersparen wollte.

Nur allzu gut konnte er sich vorstellen, was jetzt in seinem kleinen Bruder vor sich ging, aber als er gesehen hatte, welchen Gegnern sie vor dem Mauern der Stadt gegenüber treten mussten, und sich vorgestellt hatte, was für schrecklichere Gegner innerhalb der Mauern lauern mochten, hatte er alles andere vergessen und war Meredy gefolgt. Weil es ihm egal war, ob sie eine Assassine war oder nicht – sie war die Frau, die er liebte, auch wenn er ihr nichts bieten konnte außer einer Jagd nach einem Phantom quer durch Fiore…

„Aber uns wird nichts passieren“, fügte er hinzu – um Meredys willen und um seiner selbst willen, denn er wollte nicht daran denken, was ansonsten aus seinem Bruder werden würde. Er schlang die Arme noch fester um Meredys zierlichen Körper und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. An seiner Brust spürte er noch immer das Zittern ihrer Finger und er hörte ihre schweren, panischen Atemzüge. Ohne sich auch nur eine Haaresbreite von ihr zu entfernen, flüsterte er ihr weitere Beruhigungen zu: „Wir finden heraus, was hier los ist und wer der Drahtzieher hinter all dem ist, und dann kommen wir hier wieder heraus!“



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