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Schattenspiel

Nur einmal im Jahr...
von

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Schattenspiel

Sie wusste beim besten Willen nicht, wie sie in diese Situation geraten war. Ihr Herz raste wie das einer Maus, während sie sich an die Rinde des Baumes presste und nach Geräuschen horchte. Eigentlich war es nicht ihre Art, so außer Fassung zu geraten, aber hier ganz allein im Dunkeln zu stehen, das jagte ihr Angst ein. Vor allem, da sie nicht wusste, wo ihre Teamkameraden steckten…sie waren getrennt worden. Ein Hinterhalt auf einer Mission, die eigentlich nicht mal einen besonders hohen Rang hatte. Etwas bewegte sich hinter ihr…ein Tier? Schatten huschten an ihr vorbei und sie presste den Rücken noch fester gegen den Baum, wartete.

Der pochende Schmerz in ihrem Bein machte es ihr nicht einfacher, sich still zu verhalten, doch sie verbiss sich ein Keuchen. So weit war sie nicht von ihrem Zuhause entfernt…sie musste nur diesen Wald durchqueren und wäre wieder in Konoha. Irgendwie musste sie ihre Orientierung wiederfinden, das sollte zu schaffen sein. Wieso nur hatte sie auch noch ihre Brille verlieren müssen?

Sie atmete durch, nahm sich zusammen, ehe sie sich mit dem gesunden Fuß vom Boden abstieß und sich den Baum hochschwang. Sie versuchte, die Balance zu halten, blieb geduckt auf dem breiten Ast sitzen und schloss für einen Moment die Augen, sammelte ihr Chakra.

Als sie die Lider wieder hob, glühten ihre Iriden blutrot…Sharingan. Das Erbe ihres Clans, das ihr nun einmal mehr zugutekam. Ohne diese Augen wäre sie gerade verloren gewesen, denn sie schärften ihre schlechte Sehkraft sofort, so dass sie sich nicht mehr wie ein Maulwurf fühlte. Abermals lauschte sie den Geräuschen, doch sie konnte weder etwas Verdächtiges hören, noch sehen.

Sie wartete noch einen Moment ab, ehe sie von einem Ast auf den nächsten sprang, sich durch das Geäst bewegte. Jedes Mal schoss der Schmerz bis zur Wade hoch, doch sie biss die Zähne zusammen – je schneller sie hier wegkam, desto besser. Der Knöchel war vermutlich nur verstaucht, sie würde das durchhalten.

Jedoch zog es ihr beim nächsten Sprung plötzlich die Beine weg, so dass sie mit einem erschrockenen Aufschrei vom Ast rutschte. Ihre Fingernägel krallten sich in die Rinde, doch ihr eigenes Gewicht zog sie herunter, so dass sie in den Büschen landete. Sie stöhnte leise, während sie sich aufzurichten versuchte…zwei Fingernägel waren gesplittert.

Ihre Nackenhaare stellten sich mit einem Mal auf und sie hatte unweigerlich das Gefühl, beobachtet zu werden. Als sie jedoch herumfuhr, konnte sie niemanden entdecken…Einbildung? Sie schluckte hart, stand dann auf, spürte erst jetzt die Kratzer auf ihrer Haut brennen. Ein Dornenbusch…sie hatte aber auch ein Pech.

Sie schauderte, als etwas an ihr vorbeizischte…und es fühlte sich nicht wie der Wind an. Leises Wispern drang an ihre Ohren und sie japste auf, drehte sich einmal um sich selbst – niemand war zu sehen. Bildete sie sich das ein oder war es auch noch kälter geworden? Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper, sah sich nervös um…als etwas an ihrem Ohr vorbeiflog.

Perplex sah sie zu dem gegenüberliegenden Baum, in dem nun ein Kunai steckte. Wie konnte es sein, dass sie so unaufmerksam gewesen war? Sie warf sich zur Seite, als weitere Wurfgeschosse auf sie zukamen. Hektisch stieß sie sich vom Boden ab, wobei sich ihr Knöchel wieder bemerkbar machte – und taumelte zurück. Abermals fand sie sich mit dem Rücken an einen Baum gepresst wieder, sah panisch von rechts nach links.
 

„Haben wir dich!“

Sie zuckte zusammen, als sie die fremde Stimme hörte und sah nach oben. Direkt über ihr war einer der Shinobi, mit denen ihr Team bereits aneinandergeraten war. Zwei weitere Männer tauchten vor ihr auf, kesselten sie ein.

„Oh, haben wir dich erschreckt?“

Sie versuchte, ihre aufkeimende Panik zu unterdrücken, ihnen ihre Angst nicht zu zeigen…immerhin war sie eine Uchiha!

Sarada bemühte sich, daran zu glauben, dass dieser Umstand etwas änderte.

„Schaut mal, die Augen…“

„Sie ist eine von denen!“

„…machen wir sie schnell kalt!“

Sarada hatte nicht viel Zeit, nachzudenken, sondern riss das Kunai aus dem Baumstamm und schleuderte es zu dem Mann über ihr, traf diesen im Gesicht. Sie nahm ihre letzten Kräfte zusammen und sprintete trotz ihrer Verletzung auf die anderen beiden Shinobi zu. Diese waren zu verdutzt, um zu reagieren, doch Sarada zögerte nicht, sondern rammte ihre Faust mit einem Schrei in den Boden.

Die Erde brach auf, sie hörte die beiden Männer aufschreien, doch darum kümmern konnte sie sich nicht. Ohne zu wissen, wo sie lang musste, stürzte sie davon…in die Finsternis.

Ungeachtet dessen, dass es immer dunkler wurde, rannte sie weiter – bis sie mit dem lädierten Fuß in einer Wurzel hängen blieb und ein hässliches Knacken ertönte. In der nächsten Sekunde fand sie sich zusammengekrümmt auf der kalten Erde wieder. Sie wimmerte unterdrückt, während sie da lag und den Schmerz irgendwie zu kompensieren versuchte…es gelang ihr nicht. Obwohl sie gegen die Tränen ankämpfte, konnte sie diese nur schwer zurückhalten.

Sie wollte einfach nur nach Hause…oder wenigstens Konohamaru-sensei wieder finden. Vielleicht auch Mitsuki und sogar Boruto war ihr recht. Hauptsache, sie irrte nicht mehr allein mit ihren Verfolgern in diesem düsteren Wald herum.

Sie zuckte heftig zusammen, als hinter ihr plötzlich Schreie ertönten. Etwa von den fremden Shinobi? Sarada erstarrte, als das Gebrüll abrupt endete; was war da nun wieder passiert? Erneut vernahm sie dieses seltsame Wispern neben ihrem Ohr…einen kalten Hauch…sie fuhr herum, sah sich rasch um. Sie war allein. Niemand war bei ihr. Sie merkte erst, dass sie zitterte, als sie sich hochzustemmen versuchte.

„Mist…“, murmelte sie in die Stille hinein.

Ihre Stimme klang so weinerlich, dass sie sich gleich darauf vor sich selbst schämte; sie musste einen kühlen Kopf bewahren! Umso besser, wenn diese Typen sie nicht mehr verfolgen konnten…was auch immer mit ihnen geschehen war.

Sarada atmete einmal tief durch, ehe sie sich erhob, wobei sie den verletzten Fuß hinter sich her schleifen musste. Sie presste die Lippen fest aufeinander, um jedes Geräusch zu unterdrücken, denn es tat höllisch weh. Vermutlich war ihr Fuß jetzt wirklich gebrochen…
 

Sarada kreischte reflexartig auf, als ein viel zu warmer Lufthauch ihren Hals streifte und sie stolperte zurück. Wieder nichts…nur dieses Wispern…war das ein Kichern? Spukte es in diesem verdammten Wald? Oh Gott, sie wollte einfach nur nach Hause!

Allerdings kam sie viel zu langsam voran, humpelte über den unebenen Boden, ohne dass sie viel sehen konnte. Sharingan hin oder her, das brachte ihr gerade nicht viel…und ihr Chakra erschöpfte auch immer mehr. Eine Pause wäre gut gewesen, aber das konnte sie nicht riskieren. Mittlerweile konnte sie kaum noch die Hand vor Augen sehen, da die Baumkronen kaum Mondlicht hindurchließen.

Sie hielt inne, als es hinter ihr knackte…und etwas aus den Büschen hervorbrach. Ein schrilles Krächzen ertönte, als der Vogel auf sie zukam und knapp über ihren Kopf hinwegsauste. Sarada blieb beinahe das Herz stehen, während das nachtschwarze Vieh mit lauten Flügelschlägen verschwand. Sie würde noch an einem Herzinfarkt sterben…ganz sicher. Dennoch durchströmte sie Erleichterung…nur ein Rabe, was auch s-

Sie stockte, als ihr plötzlich zwei rote Punkte in der Dunkelheit auffielen. Nein…keine Punkte. Ein paar rot glühender Augen…die sie anstarrten. Sarada fühlte sich für wenige Sekunden wie gelähmt, traute sich nicht, sich zu bewegen…bis sie sich schließlich doch fasste.

Sie würde niemals entkommen können…wer auch immer ihr auflauerte, doch sie musste es versuchen. Eine Gänsehaut überkam sie, als es leise raschelte…und mit einem Mal waren die Augen verschwunden. Oh nein...innerlich heulte sie auf; warum musste ihr das passieren?!

Sie wirbelte herum, wollte so schnell wie möglich weg hier, doch da prallte sie schon gegen etwas Hartes, das sie auf den Boden schleuderte. Als sie benommen aufsah, sah sie eine dunkle Gestalt vor sich stehen, die aus blutroten Augen zu ihr herunterstarrte.

Ein schriller Schrei entwich ihr und sie wich hastig nach hinten zurück. In ihrer Panik griff sie nach dem nächstbesten Stein, schleuderte diesen auf den vermeintlichen Feind – ein Blinzeln und dieser war verschwunden. Der Stein sprang über den Boden, blieb irgendwo im Dickicht liegen.

Sarada rang nach Luft, hatte das Gefühl, ihr Herz würde gleich stehen bleiben…wo war dieses…Ding hin? Träumte sie das alles nur? Sie kam sich wie in einem Horrorfilm vor, verspürte immer mehr, das Bedürfnis zu weinen. Dabei war sie doch kein kleines Mädchen mehr, sondern Ge-nin. Sie war eine Kunoichi…und trotzdem wollte sie gerade am liebsten bei ihrer Mutter sein.

Sie schniefte leise, während sie sich gegen einen der Bäume lehnte, das unverletzte Bein an ihren Körper zog. Mittlerweile war sie so erschöpft, dass sie nicht wusste, wie sie überhaupt noch laufen sollte. Ihre Sicht verschwamm langsam, was mit Sicherheit daran lag, dass sie kaum Chakra übrig hatte. Sie war am Limit…hoffentlich fand ihr Team sie bald…oder irgendwer, der ihr helfen konnte.

Das hier ist ein einziger Albtraum, war ihr letzter Gedanke, bevor ihr schwindelig wurde und sie einfach zur Seite kippte.
 

Sarada wusste nicht, wie lange sie bewusstlos auf dem Boden gelegen hatte, doch als sie allmählich wieder zu sich kam, spürte sie eine angenehme Wärme. Sie kniff kurz die Augen zusammen, ehe sie diese blinzelnd aufschlug und sich vorsichtig aufsetzte. Da sie ihre Sharingan nicht aktiviert hatte, konnte sie zuerst kaum etwas erkennen. Sie strich sich die wirren Haare zurück, verengte leicht die Augen, um besser sehen zu können. Jemand hatte anscheinend ein Feuer gemacht…die Flammen loderten in dem kleinen Steinkreis, der zuvor noch nicht dort gewesen war.

Sie stutzte, als sie einen Blick zu ihrem verletzten Fuß warf – ein schwarzes Stoffstück war um diesen gebunden worden…ihren fehlenden Schuh entdeckte sie ein Stück weiter.

„Du bist wach.“

Beim Klang der fremden Stimme hätte sie beinahe erneut aufgeschrien, doch sie beherrschte sich rechtzeitig. Erschrocken sah sie zu dem dunkel gekleideten Fremden, der am Feuer saß – eben hatte sie ihn gar nicht bemerkt. Sie kniff die Augen wieder etwas zusammen, um den Mann besser sehen zu können.

Dieser lächelte sie freundlich an, ehe er auf den Boden neben ihr deutete.

„Vielleicht solltest du die aufsetzen“, riet er ihr und sie erkannte, dass es sich um ihre verloren geglaubte Brille handelte.

„Ich…uhm…j-ja, ich, also danke…“, stammelte sie und griff nach den Gläsern, um sie sich auf die Nase zu setzen.

Viel besser…ihre Umgebung schärfte sich langsam und nun konnte sie den Mann auch richtig erkennen. Kein Wunder, dass sie ihn nicht direkt entdeckt hatte, er verschmolz durch seine Kleidung und die langen, schwarzen Haare, die er in einem losen Zopf zusammengefasst hatte, halb mit der Dunkelheit. Sie schätzte ihn um die zwanzig Jahre…und irgendwas in seinem Gesicht kam ihr bekannt vor. Während er wie die Ruhe selbst am Feuer saß, beobachtete er sie neugierig aus seinen dunklen Augen.

„Dein Fuß scheint gebrochen zu sein. Du solltest ihn schonen, bis er behandelt werden kann.“

Sarada nickte nur, fühlte sich immer noch überfordert mit der ganzen Situation. Mal abgesehen davon, dass sie diesem komischen Kerl kein Stück traute. Gehörte er vielleicht sogar zu ihren Verfolgern und wollte sie in Sicherheit wiegen, indem er ihr falsche Freundlichkeit vorgaukelte?

Wo sollte der Typ sonst so schnell hergekommen sein? An Zufälle wollte sie nicht einfach so glauben, immerhin war sie kein naives Kind mehr.

„Im Übrigen habe ich nicht vor, dir zu schaden.“

Sie zuckte leicht, sah ihn perplex an; konnte er Gedanken lesen oder was? Ihr Gegenüber lächelte immer noch, als wollte er sie damit von seinen guten Absichten überzeugen.

„Du kannst also aufhören, mich so böse anzuschauen.“

Sarada spürte, wie ihr gegen ihren Willen das Blut in die Wangen schoss, jedoch bemühte sie sich wenigstens um einen trotzigen Blick. Dass sie den Unbekannten damit belustigte, war jedoch nicht der Plan gewesen.
 

„…wirklich ähnlich…“

Sarada blinzelte, warf ihm einen irritierten Blick zu, da sie sein Gemurmel nicht ganz verstanden hatte. Als sie jedoch nachfragte, winkte er, immer noch schmunzelnd, ab.

„Schon gut.“

Sie schnaubte leise, verschränkte die Arme, da sie sich veralbert vorkam; nun, wenigstens schien er Humor zu haben.

„Warum haben Sie mir überhaupt geholfen?“, murrte sie beleidigt.

Der Unbekannte neigte den Kopf zur Seite.

„Hätte ich dich liegen lassen sollen?“

„Nein, aber…Sie müssen ja einen Grund haben…denke ich…“

„Möglich…du kannst mich übrigens duzen.“

Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass der Kerl ihren Frage bewusst auswich, doch sie würde sich nicht so leicht abspeisen lassen. Gerade, als sie jedoch nach seinem Namen fragen wollte, ertönte ein schrilles Krächzen, das sie beide den Kopf heben ließ. Sarada schauderte es, als ein schwarzer Schatten über sie hinweghuschte. Schon wieder ein Rabe…sie beobachtete mit Unwohlsein, wie das Tier Kreise über ihnen zog, ehe es mit hektischen Flügelschlägen im Geäst verschwand.

Sarada überkam eine Gänsehaut, als sie ein kalter Hauch im Nacken streifte…und gleichzeitig schrumpften die Flammen in sich zusammen, bis sie einfach erloschen. Entsetzt starrte sie in die rote Glut, die nur langsam abkühlte, jedoch kein richtiges Licht mehr spendete. Nur der Wind, versuchte sie sich einzureden, doch innerlich fröstelte sie.

Das Gesicht des Fremden wirkte plötzlich ernster, das Lächeln war von seinen Lippen gewichen.

„Wir sollten los.“

„Wie bitte?“, entkam es ihr, doch er erhob sich bereits.

Der auffordernde Blick ließ sie an seinem Verstand zweifeln, so dass sie sitzen blieb.

„Ich kann nicht schon wieder laufen!“, behauptete sie verzweifelt, als er auf sie zukam.

Ihr fiel auf, dass er ziemlich groß war…schlank, aber seine Bewegungen zeugten von einer Leichtigkeit, die sie vermuten ließ, dass er viel trainierte. Es machte ihn gefährlicher und sie wich ein Stück vor ihm zurück. Verständnislos blickte er sie an, schien nicht zu verstehen, wie sie nach dem Geschehen eben nicht das Weite suchen wollte.

„Wir sollten hier nicht bleiben“, meinte er und ging vor ihr in die Hocke. „Ich werde dich tragen, in Ordnung?“

Nichts war in Ordnung! Wenn ihr Kopf vorhin rot gewesen war, so glühte er jetzt, und vermutlich starrte sie ihn an wie einen Verrückten.

„Komm.“

Seine Stimme klang immer noch ruhig, doch der Unterton machte deutlich, dass er keine Widerrede duldete. Anscheinend war er es gewöhnt, Befehle zu geben. Sarada wusste nicht, ob das ein gutes Zeichen war.
 

Allerdings wollte sie es auch nicht drauf ankommen lassen, indem sie sich weigerte. Die Alternative, dass er sie allein hier sitzen ließ, gefiel ihr nämlich noch weniger, so dass sie sich geschlagen gab. Unbeholfen richtete sie sich auf, ehe sie auf seinen Rücken kletterte und sich an ihm festhielt.

„Weißt du überhaupt, wo du lang musst?“, fragte sie, um ihr Unwohlsein zu unterdrücken.

Sie klammerte sich reflexartig noch etwas mehr an ihn, als er aufstand.

„Ja.“

Mehr als dieses eine Wort kam nicht, doch Sarada vermutete, dass er ihr Stirnband erkannt hatte. Sie entschied, erst einmal still zu bleiben und abzuwarten, wohin er sie brachte. Mehr konnte sie ja auch nicht tun, da sie selbst nicht wusste, wohin sie mussten. Hoffentlich ging es wenigstens ihren Kameraden gut…um ihren Sensei machte sie sich keine Sorgen, Konohamaru war sehr stark. Mitsuki konnte ebenfalls auf sich selbst aufpassen, doch Boruto? Auch wenn er manchmal ein Quälgeist war, wollte sie auf keinen Fall, dass ihm etwas geschah.

Sie war so in ihren Gedanken versunken, dass sie erst nach einer Weile merkte, dass sie sich an den Rücken des Fremden gelehnt hatte. Seine Schritte waren sicher und er schien sie mit Leichtigkeit tragen zu können, so dass ihr Unwohlsein ein wenig schwand. Auch wenn sie ihn nicht kannte, war da immer noch dieses Gefühl vom Anfang; vielleicht bildete sie sich diese Vertrautheit aber auch nur ein, weil ihr noch die Angst in den Knochen saß.

„Ist etwas?“

Sie stockte, als er plötzlich den Kopf zur Seite drehte und ihr einen fragenden Blick zuwarf.

„Uhm…nein…ich habe nur nachgedacht…“

„So?“

Sarada dachte kurz darüber nach, ob es ratsam war, ihm ihre Überlegungen mitzuteilen. Besser nicht.

„Ja…mein Team ist hier noch irgendwo“, erwiderte sie stattdessen. „Wir sind getrennt worden…ich hoffe, es geht ihnen gut.“

Der Fremde nickte leicht, ehe er wieder nach vorn schaute; er schien sich in der Dunkelheit gut zurechtzufinden.

„Bestimmt sind sie in Sicherheit.“

Versuchte er gerade, sie zu beruhigen? Es klang jedenfalls so und tatsächlich ging es ihr durch den Zuspruch etwas besser, auch wenn er es natürlich nicht wissen konnte.

„Hm…“

„Du verstehst dich gut mit ihnen?“

Sarada blinzelte, da sie nicht mit so einer Frage gerechnet hatte, doch sie bejahte.

„Konohamaru-sensei ist wirklich nett. Er kann zwar auch schnell aus der Haut fahren, aber das tut er meistens nur bei Boruto, wenn er wieder Mist macht.“

„Boruto?“

„Ja, er ist der Sohn des Hokage – auch wenn er sich nicht so benimmt.“

Im selben Augenblick fiel ihr ein, dass sie vielleicht vorsichtiger mit ihren Worten sein sollte. Was, wenn er sie aushorchen wollte? Ihm zu verraten, dass der Sohn des Hokage hier herumrannte, konnte gefährlich ausgehen. Jetzt war es nur leider zu spät, um ihre Worte zurückzunehmen.
 

„Demnach bist du Uchiha Sasukes Tochter.“

Sarada war so verdutzt, dass sie nicht sofort antwortete, sondern seinen Hinterkopf anstarrte; wie kam er denn nun darauf? Und warum klang er kein bisschen überrascht? Ein wenig mulmig wurde ihr nun schon, immerhin war ihr Vater nicht weniger bekannt als der Hokage.

„…wie kommst du darauf?“, nuschelte sie daher defensiv.

Wieder wurde ihr ein Blick über die Schulter zugeworfen.

„Gerüchte…und deine Sharingan.“

Okay, das ergab Sinn, das musste sie schon zugeben. Immerhin war bekannt, dass sie mit Uzumaki Narutos Sohn in einem Team war, warum sollte man daraus auch ein Geheimnis machen? Und ihr Bluterbe hatte sie zuvor noch aktiviert gehabt…auch wenn es gruselig war, dass er sie anscheinend beobachtet hatte.

„Und was bringt dir das Wissen jetzt?“, murmelte sie, auch wenn das vielleicht unfreundlich war.

„Nichts Bestimmtes…ich versuche nur, mich zu unterhalten.“

„Aha…“

„Misstrauen ist der sicherste Weg für einen Shinobi, um keinen frühen Tod zu sterben…aber ich versichere dir noch einmal, dass ich nichts Böses im Sinn habe.“

Sarada konnte ein Schnauben nicht zurückhalten.

„Das würde in dem Fall jeder sagen…“

Er schmunzelte auf ihre Worte hin, schien nicht einmal beleidigt zu sein.

„Das ist wahr“, wisperte er und sah wieder nach vorn.

Ihr Retter war schon ein komischer Kauz. Sie konnte ihn nicht richtig einschätzen, aber irgendwie…wollte sie ihm auch glauben. Er wirkte ehrlich und eigentlich besaß sie eine recht gute Menschenkenntnis.

„Wie geht es ihm?“

„Wem?“, entkam es ihr verwirrt.

„Sasuke.“

„Kennt ihr euch?“, wollte sie wissen, wurde nun doch neugierig.

„Flüchtig“, lautete seine Antwort und es hörte sich nicht danach an, als würde er das weiter ausführen wollen.

„Na ja…er ist oft unterwegs. Ich sehe ihn selten und wenn er mal da ist, reden wir kaum“, gab sie zu. „Ich weiß, dass er Verantwortung hat…meine Mutter meint immer, dass er das Dorf aus dem Schatten heraus beschützt, aber…“

Vielleicht verriet sie ihm schon wieder zu viel, aber irgendwie tat es auch gut, sich das mal von der Seele zu reden. Ihre Mutter konnte sie kaum damit belasten, schließlich litt diese ja auch unter der Abwesenheit ihres Mannes…und vor den anderen wollte sie nicht rumjammern. Selbst gegenüber Chouchou hielt sie sich zurück, auch wenn sie ihr vertraute. Es war eben ein sensibles Thema…umso irritierender, dass sie dem Unbekannten davon erzählte.
 

„Er fehlt dir, nicht wahr?“, durchbrach seine Stimme ihre trübseligen Gedanken.

„…ja…manchmal“, erwiderte sie leise.

Eigentlich viel öfter, als sie es sich selbst eingestehen wollte.

„Nimm es ihm nicht übel…ich bin sicher, dass er dich und deine Mutter mehr als alles andere liebt. Er kann es nur nicht so gut zeigen.“

Sarada schnaubte.

„Das sagt meine Mutter auch immer…“

„Dann scheint sie eine kluge Frau zu sein.“

Sarada nickte, konnte nicht verhindern, dass ihr bei den Worten warm wurde. Sie war stolz auf ihre Mutter, die so viel erreicht hatte, und sie liebte sie dafür, dass sie immer für sie da war.

„Sie ist toll“, murmelte sie. „…deswegen verstehe ich nicht, wie sie sich in jemanden verlieben konnte, der das nicht zu schätzen weiß. Sie nimmt alles, was er macht, einfach hin.“

Zunächst schwieg der Fremde und Sarada fragte sich insgeheim erneut, warum sie mit ihm darüber sprach.

„Was weißt du über deinen Vater?“

Sie blinzelte; was sie über ihn wusste? Natürlich kannte sie die Geschichte über den Untergang ihres Clans…auch wenn sie sicher war, dass ihr das ein oder andere Detail verschwiegen wurde. Ihr Vater redete ja sowieso nicht darüber, wenn er denn überhaupt mal mehr als ein Wort mir ihr wechselte. Das Meiste hatte sie von ihrer Mutter erfahren und sich anhand der Informationen selbst zusammengereimt.

„Ich weiß, dass er es nicht leicht hatte“, erwiderte sie. „Aber gerade weil er immer allein war, sollte er es doch besser machen oder nicht? Jetzt hat er schließlich eine Familie.“

Der Unbekannte seufzte, während er sie durch die Dunkelheit trug. Sarada war gespannt auf seine Antwort, auch wenn sie nicht wusste, was sie sich hiervon eigentlich erwartete.

„Vermutlich ist genau das das Problem“, hörte sie ihn sagen. „Damals sind ihm alle Menschen, die ihm etwas bedeutet haben, genommen worden. Er hat viel durchgemacht…wurde belogen…war voller Trauer und Hass. Ich denke, es fällt ihm schwer, nach all dieser Zeit seine Gefühle zu zeigen.“

Sarada lauschte ihm schweigend, dachte darüber nach. Natürlich klang das plausibel, aber es fiel ihr nicht leicht, das einfach so zu akzeptieren.

„Menschen neigen dazu, sich das Leben unnötig schwer zu machen“, sprach er weiter. „Dein Vater ist keine Ausnahme…aber das bedeutet nicht, dass er euch nicht liebt.“

„Wie kannst du dir da so sicher sein?“, hakte sie nach. „Wenn du ihn kaum kennst…“

„Weil…“

Für wenige Sekunden geriet der Mann ins Stocken, doch er fasste sich wieder, sprach weiter.

„…es gab eine Zeit, in der ich wie er gehandelt habe. Ich entfernte mich von den Menschen, die mir das Wichtigste waren, und wählte meinen eigenen Weg. Ich habe erst sehr spät erkannt, dass man nicht alles mit sich selbst ausmachen kann.“

„Und das bereust du nun?“

„…ich bereue sehr viel.“

Sarada spürte Mitleid in sich aufwallen, als der Fremde plötzlich so bedrückt klang. Sie wusste nicht, warum ihr das so nahe ging, immerhin kannten sie sich gar nicht, aber…dennoch tat er ihr leid.

„Vielleicht kannst du es ja wieder gutmachen?“, schlug sie vor.

„Ich denke nicht, dass das möglich ist.“

„Oh…“, entwich es ihr, doch sie konnte nicht nachfragen, was er damit meinte.

Er blieb mit einem Mal stehen, so dass sie aufschaute…und den Grund für sein Innehalten erkannte. Anscheinend hatten sie den Wald endlich hinter sich gelassen…vor ihnen, in einem Meer aus orange leuchtenden Lichtern, lag ihre Heimat. Sie konnte sich nur kurz wundern, wie schnell der Unbekannte sie zurückgebracht hatte, denn da erlangte schon etwas anderes ihre Aufmerksamkeit.

Von dem Hügel aus, auf dem sie standen, konnte sie das gesamte Dorf überblicken…es sah wunderschön aus, irgendwie magisch. Als sie Konoha vor ein paar Tagen mit ihrem Team verlassen hatte, hatte es diese Lichter noch nicht gegeben. Es war so hell, dass die Schatten sogar über die in Stein gemeißelten Gesichter der sieben Hokage tanzten. Sie grübelte, ob sie irgendein Fest vergessen hatte, doch es wollte ihr einfach nicht einfallen. Es musste aber ein Fest sein, immerhin hörte sie Musik…und es war mit Sicherheit nach Mitternacht.
 

„Wir sind da“, verkündete der Mann und sie nickte mechanisch.

„Scheint so…“, entkam es ihr unsicher.

Er nickte, ehe er in die Knie ging, um sie herunterzulassen. Sarada erhob sich ungelenk, da sie ihren Fuß kaum belasten konnte, doch er half ihr wie selbstverständlich dabei. Mit gemischten Gefühlen schaute sie zu dem Älteren, der einen Schritt zurücktrat, als sie wieder allein stehen konnte, und sie ansah.

„Ich…also…danke!“, stammelte sie und schalt sich innerlich dafür. „Ich meine, dass du mir geholfen hast…und mich zurückgebracht hast. Das war wirklich nett.“

Der Fremde lächelte sanft und nun, da er sie wie versprochen nach Konoha gebracht hatte, konnte sie nicht mehr an seiner Ehrlichkeit zweifeln.

„Wenn ich…also…vielleicht kann ich etwas für dich tun, weil…“

Er schüttelte daraufhin jedoch den Kopf, musterte sie aus seinen dunklen Augen.

„Du hast genug für mich getan“, erwiderte er ruhig.

Sarada blinzelte, denn schließlich stimmte das nicht; sie war ihm höchstens eine Last gewesen.

„Wie…meinst du das?“, fragte sie und etwas blitzte in seinen Augen auf.

„Es war sehr schön, dich endlich kennenzulernen, Sarada.“

Sie hatte ihm ihren Namen nicht verraten, doch vielleicht hatte er auch dies von den Gerüchten erfahren. Trotzdem wurde ihr mulmig zumute und sie stellte die Frage, die sie schon die ganze Zeit beschäftigte.

„Wer bist du eigentlich?“

Ihr Gegenüber lächelte immer noch, als er die Hand hob und diese auf sie zubewegte. Wie gelähmt blieb sie stehen, schaute in seine Augen, die sich wie in Zeitlupe zu verfärben schienen, einen leuchtenden Rotton annahmen. Nun erkannte sie es und es ließ ihren Atem stocken; das war unmöglich. Sie wollte etwas sagen, doch kein Wort verließ ihren Mund…als er plötzlich die Hand ausstreckte. Wie angewurzelt blieb sie stehen, spürte, wie er ihr mit zwei Fingern sachte gegen die Stirn tippte. Die Geste war ihr so vertraut, dass wieder dieses Gefühl in ihr aufstieg…als sollte sie ihn kennen.

„Ein anderes Mal…“, hörte sie ihn wispern, ehe er einige Schritte zurücktrat. „Tu mir den Gefallen und sei nicht so streng mit meinem kleinen Bruder.“

Die Zeit schien stillzustehen, in ihren Ohren rauschte es und ihr Herz raste in ihrem Brustkorb. Es war einfach nicht möglich…hatte sie sich verhört? Konnte es wirklich sein, dass…
 

„Sarada!“

Sie verlor vor Schreck das Gleichgewicht, als sie die unerwartete Bewegung hinter sich vernahm und gleich darauf jemand ihren Namen rief. Ein leiser Aufschrei entfuhr ihr, da sie schon damit rechnete, auf dem Boden zu landen…bevor dies passieren konnte, wurde sie jedoch von hinten an den Schultern festgehalten. Als sie aufsah, weiteten sich ihre Augen, denn mit ihm hatte sie nicht gerechnet.

„Papa?“

Der Angesprochene hob eine Braue, während er sie weiterhin festhielt und damit vor dem Hinfallen bewahrte.

„Wie bist du…ich…der Mann dort! Er ist-“

„…welcher Mann?“, unterbrach er sie ruhig, doch sein Blick machte deutlich, dass er irritiert war.

Sie schluckte, sah wieder zu dem Mann, dessen Sharingan sie immer noch unverwandt anschauten. Sein Lächeln hatte nun etwas Wehmütiges an sich, vor allem als er ihren Vater fixierte…doch dann schüttelte er den Kopf und legte einen Finger an die Lippen.

„Du…siehst ihn nicht?“, hauchte sie.

„Dort ist niemand.“

„Aber…“

Sie verstummte abrupt, als der Mann plötzlich die Hand zum Abschied hob und sie noch ein letztes Mal warm anlächelte. Beim nächsten Wimpernschlag war er verschwunden. Einfach weg…war sie etwa wirklich verrückt?

„Aber…?“

Sie kniff kurz die Augen zusammen, schaute dann wieder zu ihrem Vater, der sie mit einem Ausdruck musterte, der als Besorgnis durchgehen konnte.

„Ich…“, begann sie leise. „Schon gut…er ist wohl nicht mehr da…“

Ihr Herz schlug ihr immer noch bis zum Hals, während sie versuchte, zu verarbeiten, mit wem sie die ganze Zeit unterwegs gewesen war. Eigentlich konnte das nicht sein…

„…was machst du überhaupt hier?“, fragte sie, wenn auch nur, damit er sie nicht mehr mit diesem Blick bedachte.

Anstatt einer Antwort stellte er sie wieder auf die Beine, woraufhin Sarada kurz die Augen zusammenkniff; ihr Knöchel tat immer noch weh. Jedoch hielt sie inne, als ihr von hinten weicher Stoff um die Schultern gelegt wurde, und sie schaute überrascht auf. Erst jetzt bemerkte sie wieder, wie sehr sie zitterte, wenn dies auch nur zum Teil an der Kälte lag. Sie grub die Hände in den Mantel ihres Vaters, der immer noch nichts sagte, sondern sich vorbeugte und sie auf seine Arme hob. Verdutzt schaute sie ihn an, brachte kein Wort hervor, als er sie den Hügel Richtung Dorf herunter trug.
 

„Ich habe nach dir gesucht.“

Ihre Augen weiteten sich, als sie das hörte.

„Woher…?“, entkam es ihr leise.

„Boruto und die anderen konnten dich nicht finden. Sie kamen in der Annahme, du wärst vielleicht vor ihnen im Dorf, zurück.“

Sarada hätte nie geglaubt, diese Worte einmal von ihrem Vater zu hören. Er hatte sich also wirklich Sorgen gemacht und versucht, sie zu finden. Auch wenn er es so sachlich wie immer rüberbrachte, berührte sie der Gedanke, dass sie ihm doch wichtig war. Ihr kamen wieder die Worte des Mannes in den Sinn…der Mann, der nicht länger ein Fremder war.

„Sakura wird die Verletzung heilen können“, durchbrach ihr Vater unerwartet die Stille.

„…habe ich ihr Sorgen gemacht?“

Es war das Letzte, das sie wollte, immerhin reagierte ihre Mutter oft über.

„Sie ist nervös gewesen…liegt aber vermutlich auch an der Zeit.“

Sarada horchte auf.

„Zeit?“

„O-Bon…das Fest der Toten“, gab Sasuke knapp zurück. „Sie war beunruhigt, dass ihr währenddessen unterwegs seid.“

Seinem Tonfall nach hielt er es für völligen Quatsch, doch Sarada schauderte es, als sie ihn davon sprechen hörte. Natürlich…O-Bon, das zum Gedenken und der Besänftigung der Ahnen veranstaltet wurde. Sie hatte es vollkommen vergessen…doch nun ergab es Sinn. Auch, wenn sie diesbezüglich die Meinung ihres Vaters teilte, konnte sie es jetzt schlecht als Aberglauben abstempeln.

Ihr fiel wieder die Bitte, die zuvor an sie gerichtet worden war, ein…sie verstand es nun. Das unheimliche Gefühl wollte zwar nicht ganz verschwinden, doch da war noch etwas anderes. Nicht nur Dankbarkeit. Er war gekommen, um ihr zu helfen…weil sie Familie waren.

„Papa?“

„Hm?“

„Erzählst du mir von Itachi-oji-san?“

Sie spürte, wie ihr Vater zusammenzuckte, sie ungläubig ansah. Es wunderte sie nicht, immerhin sprachen sie generell wenig miteinander…und Sarada hatte sich bislang nie getraut, das Thema Uchiha-Clan anzuschneiden. Wobei es ihr auch gar nicht mal darum ging…sondern um den Menschen, der ihren Vater und ihre Heimat so sehr geliebt hatte, dass er zum Mörder seines eigenen Clans geworden war. Der Fehler gemacht hatte und sie selbst im Tode noch bereute…der ihr heute das Leben gerettet hatte.

„Wieso willst du etwas über ihn wissen?“, fragte Sasuke, sah sie prüfend an.

Sie hätte ihm so vieles sagen können, doch es gab noch einen Grund, weswegen sie mehr wissen wollte.

„Weil er dir viel bedeutet hat.“

Im Gegensatz zu ihrer Mutter zeigte ihr Vater wenige Emotionen. Meistens war er viel zu kontrolliert dafür, so dass man ihm nie ansah, was er gerade dachte oder fühlte. So lange sie ihn kannte, hatte sie nie solch einen Blick bei ihm gesehen. Er ähnelte Itachis…denn sie erkannte Reue, Schmerz…aber auch Zuneigung. Es war nur ein kurzer Moment, aber er zeigte ihr, dass ihr Onkel Recht haben musste. Es fiel ihm tatsächlich immer noch schwer.

„…wenn wir zuhause sind“, antwortete er schließlich und blickte zu einem Punkt in der Ferne. „Und wenn deine Verletzung geheilt ist.“

Sarada lächelte, ehe sie nickte und sich dann an seine Brust lehnte. Die Lichter leuchteten immer noch, tanzten vor ihren Augen, während sie in seinen Mantel gewickelt war und sich von ihm heimbringen ließ. Sie hatte sich bei ihrem Vater selten so geborgen gefühlt, wie in dieser Nacht…ein schönes Gefühl.
 

Keiner von ihnen bemerkte ihn, der noch immer auf dem Hügel stand und ihnen nachblickte. Die Unruhe in seinem Inneren legte sich langsam, als er sah, wie Sasuke seine Tochter nach Hause trug. Viel konnte er nicht bewirken, seine Zeit war längst um und er spürte bereits, wie ihn das Jenseits rief. Wenigstens hatte er sie sehen können…mit ihr reden können…und vielleicht nicht nur ihr, sondern auch seinem Bruder helfen können. Es war mehr, als er erwarten durfte.

Sasuke konnte stolz auf seine Tochter sein, fand er. Sie schien ein nettes Mädchen zu sein, klug sicherlich, ein bisschen stur und mit dem Herzen am richtigen Fleck. Ein letztes Mal ließ er den Blick über seine Heimat schweifen, ehe er sich abwandte…es wurde Zeit.

„So rührselig warst du zu Lebzeiten nicht.“

Er hob den Blick, erkannte die Stimme natürlich sofort. Im Gegensatz zu ihm hatte die Gestalt des anderen keine Form angenommen…mehr ein Schatten. Das breite Grinsen schimmerte dennoch durch, doch es ärgerte ihn nicht.

„Ich bat dich, meiner Nichte und mir die anderen vom Leib zu halten“, erinnerte er ihn. „Nicht, mich zu analysieren, Kisame.“

Der Schatten des Mannes, der er einmal gewesen war, flackerte ein wenig…er hörte das raue, vertraute Lachen. Bald würde er mit ihm zurückkehren…das Fest der Toten neigte sich dem Ende zu.

„Ich denke, die Aufgabe habe ich zufriedenstellend erfüllt…also lass mir ein wenig Freude, Itachi-san.“

„Die hattest du vermutlich zur Genüge…“

„Gut möglich“, gestand der Haimensch. „Du bist ebenfalls zufrieden, nehme ich an?“

Itachis dezentes Lächeln war ehrlich, als er nickte und ein paar Schritte auf seinen ehemaligen Partner zumachte.

„Das bin ich.“

„Dann gehen wir zurück?“

Er spürte das leichte Ziepen, das ihm keine Wahl ließ…ewig konnte er nicht im Diesseits bleiben. Auch die anderen Verstorbenen würden bald zurückkehren…ins Dorf würden sie aufgrund der Rituale nicht gelangen. Das O-Bon-Festival wurde aus gutem Grund veranstaltet.

Doch hier gab es ohnehin nichts mehr für ihn zu tun. In der Tat fühlte er sich nun ein wenig leichter…ein angenehmes Gefühl.

„Gehen wir“, stimmte er zu und ließ endgültig los.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, dieses Mal was ohne Pairing...sieht man mal vom Canon ab. :)
Diesen OS zu schreiben, war eine ganz neue Erfahrung für mich...ich erinnere mich gerade nicht, bislang etwas Vergleichbares geschrieben zu haben.
Im Fokus standen wirklich nur Itachi und Sarada (und ein bisschen Sasuke)...die Idee war ein spontaner Geistesblitz, als ich mal wieder im Internet herum gegoogelt habe.
Ich weiß gar nicht mehr, wie ich darauf gekommen bin...auf einmal war er da. Liegt vermutlich auch daran, dass ich der Meinung bin, dass Itachi ein wundervoller Onkel gewesen wäre und ich schon ewig mal was nicht-AU-mäßiges mit den beiden schreiben wollte...was ja eigentlich nur auf diese Weise geht.
Und natürlich muss er Sasukes Fehler mal wieder gerade rücken. ;)
Ich bin schon sehr zufrieden mit diesem Werk und auch ein bisschen stolz...würde mich freuen, wenn es euch genauso geht. ^^
Zuletzt noch mal ein Dankeschön an die gute Lichtregen - sie hat nämlich mal wieder fleißig gebetat! :-*

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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Blue_StormShad0w
2018-10-31T20:28:19+00:00 31.10.2018 21:28
Schönen, guten Abend.
Beim durchstöbern bin ich auf diese kleine OS hier gestolpert. Und ich kann nur sagen, dass dies wirklich eine tolle und interessant Geschichte war! Zudem passt diese Geschichte sehr gut, da ja heut' Halloween ist.
Aber zurück jetzt zur Handlung.
Es war sehr flüssig zu lesen und man konnte sich alles sehr genau vorstellen.
Man hat wirklich mitgefiebert, als Sarada in so einer misslichen Lage war und von Feinden verfolgt wurde. Auch als sie sich noch schlimm verletzt hatte, schraubte dies die Sorge um sie noch um einiges höher.
Gruselmoment war an der Stelle, wo aus den Dunkeln sie von ein paar roter Augen beobachtet wurde. Uwah, Gänsehaut ... (^ ^)°
Die darauf folgene Handlung, wo sie mit den Fremden, der ja Itachis Geist war, redete und er sie nach Hause brachte, kam sehr überzeugend rüber.
Ihr Gesicht, als ihr klar wurde, dass dies ihr Onkel war, konnte ich mir sehr genau vorstellen. Nun gut, wer würde bei so etwas nicht genauso reagieren. (^~^)
Der anschließende Moment mit Sarada und Sasuke fand ich sehr schön, da er ihr auf seiner Art zeigte, dass er sie sehr liebt.
Auch der Schluss der Geschichte fand ich toll. Und passte sehr gut.
So, wünsch' noch ein schön-schauriges Halloween, ciao! (^-^)/
Von: Lichtregen
2016-05-26T20:58:41+00:00 26.05.2016 22:58
Oh, Pia, der OS ist so wunderschön! Besonders das Ende... Es hat mich total berührt! ;_; Aber der Reihe nach. :)
Den Anfang fand ich sehr spannend. Auch wenn du Saradas Namen nicht sofort benutzt hast, wusste ich natürlich, um wen es ging, von daher war ich nicht überrascht. Überrascht hat mich aber die Szene an sich. Ich hatte irgendwie die ganze Zeit geglaubt, dass sie sich auf dem Fest selbst verläuft. Aber so war es noch viel besser und natürlich bedrohlicher. Ich finde Sarada auch richtig klasse, muss ich gerade mal feststellen. Sharingan kombiniert mit Sakuras Stärke, das sind doch gute Voraussetzungen. :) Wobei mir die Tatsache, dass sie ohne Brille blind wie ein Maulwurf ist, in Schmunzeln ins Gesicht trieb. ;)
Ich konnte Saradas Angst gut nachempfinden, denn die Szene mit den Raben und dem Geraschel war echt gruselig.
Und dann kam er... Ach, Itachi wäre so ein toller Onkel gewesen! Ich kann echt nur sagen, dass ich immer wieder erstaunt bin, wie anders er mit anderen Leuten als mit Kisame und dem Akatsuki, also seiner Familie umgeht. Ich kann mir gut vorstellen, dass dann endlich der wahre Itachi, der gern lächelt und seine Gefühle zeigt, zum Vorschein kommt.
Es gefällt mir jedenfalls sehr gut, wie du die ganze Geschichte aufgebaut hast. Nicht nur, dass Sarada erst zum Schluss erkennt, wer der Fremde wirklich ist... und das trotz Brille! Denn woher soll sie auch wissen, wie Itachi aussieht? Fotos gibt es ja augenscheinlich nicht von ihm und immerhin ist er ja tot. Dass einem tatsächlich die Toten begegnen können, daran glaubt man ja nicht. Umso schöner empfinde ich die Entwicklung ihres Gesprächs, besonders Saradas ständige Überlegung, wieso sie dem Fremden so viel erzählt und scheinbar vertraut. Das macht es sehr realistisch, zeigt aber gleichzeitig, dass sie unterbewusst vielleicht schon ahnt, wer er ist, einfach weil sie spürt, dass sie ihm vertrauen kann.
Als Itachi von Sasuke erzählte und Sarada merkt, dass ihr Vater doch kein so übler Kerl ist, wurde mir ganz warm ums Herz. :) Und dann sucht er sie auch noch und bringt sie nach Hause! Traurigkeit überkam mich, als Sasuke seinen Bruder nicht erkennen konnte. Da konnte ich Itachis Trauer fast schon spüren. Gekrönt wurde das Ganze nur noch von der absolut perfekten Schlussszene. Diese Harmonie, verbunden mit dem Schwermut des Abschieds, hast du wunderschön verpackt und sogar Kisame einbinden können, der den beiden die Feinde vom Hals gehalten hat. Eine win-win-Situation nenne ich das mal. :D Und die beiden gehen zusammen zurück ins Jenseits... T__T Einfach toll diese bittersüße Mischung aus Abschied und Freude. Ich würde es Itachi wirklich wünschen, dass er seine Nichte wirklich auf diese Weise zumindest kurz kennenlernen darf.
Alles in allem ein rundum gelungener OS!
Von:  ohwow
2016-05-26T20:54:58+00:00 26.05.2016 22:54
Eine wirklich sehr schöne Geschichte. Genau so stelle ich mir Itachi als Onkel vor und nicht anders. Hab zwar schon wirklich viele Geschichten hier gelesen, aber keine hat mich so begeistern können, wie diese. Weiter so! (:
Antwort von: lunalinn
26.05.2016 23:01
Hallo,
danke für dein Kommi!
Freut mich sehr, dass dir der OS gefallen hat. :)

LG
Von: Gentaro
2016-05-26T20:26:49+00:00 26.05.2016 22:26
Erste und so ;D
Zu deinem Schreibstil muss ich ja nicht viel sagen.. der ist wie immer klasse ^^
Ansonsten find ich die Geschichte echt süß geschrieben, kann mir wirklich gut vorstellen das Itachi sich Sarada gegenüber so verhalten hätte ^^
*gleich mal zu den Favos pack*
Antwort von: lunalinn
26.05.2016 22:28
Dankeschön! :)
Es freut mich sehr, dass dir der OS gefallen hat.
Itachi ist ja, im Bezug auf Sasuke, ein eher liebevoller, herzlicher Mensch...von daher gehe ich davon aus, dass er sich gegenüber Sarada auch so verhalten würde.

LG
Antwort von: Gentaro
26.05.2016 22:35
Ja, macht auch Sinn, so wie Itachi seinen Bruder im Grunde geliebt hat, aller Fehler zum Trotz.
Fast schade das er seine Nichte nicht weiter kennenlernt..
Antwort von: lunalinn
26.05.2016 22:35
Genau deshalb ist der OS entstanden. :)


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