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Priorities

Side-Story (Hands of blood)
von

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Realizing

Eigentlich traf er Fugaku nicht zuhause an, das hier galt wohl als Ausnahme…oder Mikoto hatte mal wieder nach ihm gefragt. Wusste der Geier, warum die Frau so darauf erpicht war, dass er sich von Zeit zu Zeit blicken ließ. Normalerweise hätte ihn das gestört, doch nachdem er Izunas Worte die letzten drei Tage nicht aus dem Kopf bekommen hatte, empfand er es beinahe als willkommene Abwechslung. Richtig unheimlich.

Er parkte das Auto vor dem Haus seiner Verwandtschaft – er selbst hatte nie einen Grund darin gesehen, sich in einer Einfamilienhaussiedlung niederzulassen. Wozu auch? Selbst in einer gefestigten, homosexuellen Beziehung wäre er nie auf die Idee gekommen, sich Kinder anzuschaffen. Und ein Haus machte Arbeit…vor allem, wenn der Garten mit dran hing. Seine geräumige Wohnung in der Stadt war ihm um einiges lieber, denn er war sowieso selten zuhause.

Allerdings wunderte es ihn doch, dass Fugakus Wagen nicht in der Einfahrt stand, schließlich war er seinetwegen hier. Einfach wieder fahren kam ihm allerdings auch blöd vor, so dass er es dabei beließ und die Haustür anvisierte, einmal klingelte. Es dauerte auch nicht lange, bis ihm geöffnet wurde.

Obwohl Madara mit Frauen überhaupt nichts anfangen konnte, ließ selbst ihn die Wirkung seiner Schwägerin nicht kalt. Nicht mal, weil sie so hübsch war, sondern vielmehr wegen ihrer Ausstrahlung, die einem jederzeit das Gefühl gab, erwünscht zu sein.

„Madara! Wie schön dich zu sehen!“

Bevor er etwas erwidern konnte, hatte sie ihn auch schon in eine Umarmung gezogen. Ein Seufzen unterdrückend, ließ er die Berührung zu, drückte sie kurz. Bei Leuten, die er mochte, fiel es ihm leichter, nicht allzu grantig zu sein.

„Fugaku ist leider noch nicht zurück“, teilte sie ihm mit, nachdem sie ihn losgelassen hatte. „Er wollte noch kurz mit dem Wagen in die Werkstatt…hm, das war vor einer Stunde, also sollte er bald zurück sein! Komm erstmal rein!“

Selbst, wenn er protestiert hätte, wäre das wohl vergebens gewesen, so dass er ihre Gastfreundschaft stillschweigend akzeptierte.

„Sasuke ist mit ein paar Freunden im Wohnzimmer, du kannst ja kurz Hallo sagen. Ich mache dir in der Zeit einen Kaffee, ja?“

Ob Fugaku bewusst war, dass er einen Engel geheiratet hatte? Auch wenn er sich mehr auf den Kaffee, als auf seinen Neffen und dessen Freunde freute…doch er würde wohl nicht drum herum kommen.

„Ja…danke“, gab er knapp zurück und ließ sie allein in der Küche zurück.
 

Anscheinend störte er gerade die Lernrunde, so wie die vier über ihren Büchern brüteten. Das Mädchen mit den rosa Haaren, das neben seinem Neffen saß, war seine Freundin, soweit er das noch im Kopf hatte. Der Blondschopf, der sich gerade übertrieben streckte und ziemlich leidend aus der Wäsche schaute, war Sasukes bester Freund. Und zuletzt dieser Junge, den man auf den ersten Blick für ein Mädchen halten konnte…der, den Fugaku und Mikoto aufgenommen hatten, nachdem seine Leute die Untergrundarena gestürmt hatten.

Gut sah er aus, vor allem wenn er an die Zeit nach der Übernahme zurückdachte. Er hatte gesehen, wie schlimm er zugerichtet worden war. Auch wenn einige Menschen Madara für ein Monster hielten – und er es zweifellos in manchen Situationen war –, so erfreute er sich nicht am Leid von Unschuldigen. Es war leider oft unumgänglich, jemanden für das höhere Ziel zu opfern.

„Maaann! Ich hab keine Lust mehr!“, jammerte der Blonde gerade los und fing sich einen genervten Blick von dem Mädchen ein.

„Wir lernen erst zwei Stunden, Naruto! Reiß dich mal zusammen!“

„Aber draußen ist total gutes Wetter…“

„Dann geh doch“, kam es unterkühlt von Sasuke, der nicht mal aufsah.

„Wir schreiben morgen die Klausur“, bemerkte Haku und blickte mit schief gelegtem Kopf zu Naruto. „Bist du sicher, dass du gehen willst?“

Dessen Miene verfinsterte sich wieder, anscheinend hatte er sich schon gefreut, dass Sasuke ihn so einfach vom Haken ließ. Kinder…und Madara wusste genau, warum er keine eigenen hatte und niemals haben würde. Hashirama mit seinem sanften, geduldigen Wesen war im Gegensatz zu ihm jemand, auf den die Rolle des Familienvaters maßgeschneidert hätte sein können. Madara sah ihn schon vor sich auf der Couch hocken und seinen beiden Töchtern beim Lernen helfen. Er selbst passte nicht in so eine Atmosphäre – selbst hier, im Kreise seiner eigenen Familie, nicht.

„Jetzt hab ich ein schlechtes Gewissen, Haku…“

„Solltest du auch!“, meinte das Mädchen streng. „Haku hat nämlich Recht! Außerdem sind deine Noten echt miserabel…du könntest ruhig öfter was tun und nicht jedes Mal erst ein paar Tage vor den Klausuren damit anfangen.“

„Ist ja gut, Sakura-chan…“

Ach ja, so hieß die Kleine…bei der grellen Haarfarbe hätte er sich das wohl merken sollen. Andererseits hegte er wenig Interesse für den Freundeskreis seines Neffen, der ihn in diesem Moment entdeckte. Falls möglich schaute Sasuke noch grimmiger drein, stand auch nicht auf, um ihn zu begrüßen.

„Tou-san und Itachi sind nicht da“, lautete die unfreundliche Begrüßung.

Vom Charakter kam er eindeutig nach Fugaku…wobei Madara gestehen musste, dass er selbst auch keine Frohnatur war.

„Stell dir vor, das ist mir bekannt.“

„Dann kannst du ja wieder gehen.“

Dieser kleine…nein, er würde sicher nicht aus der Haut fahren, auch wenn seine Braue gefährlich zuckte.

„Ich freu mich auch, dich zu sehen, Sasuke…“, meinte er sarkastisch.

„Kann leider nicht dasselbe behaupten“, erwiderte der Junge abweisend.

Seine Freunde beäugten ihn eher neugierig, hatten ihn ja auch nur ein-zweimal flüchtig getroffen. Haku dagegen schien sich noch bestens an ihn zu erinnern, auch wenn sie sich während der ganzen Geschichte nicht begegnet waren. Natürlich hatte Itachi ihn darüber aufgeklärt, wer er war, es sollte ihn also nicht wundern, dass er seinem Blick auswich.
 

„Hey, bist du nicht Sasukes merkwürdiger Onkel?“, warf der Blonde ein und musterte ihn von oben bis unten.

Merkwürdig war er also…wie nett. Naruto schien seinen unterkühlten Blick entweder nicht zu bemerken oder schlichtweg zu ignorieren. Das Mädchen fackelte jedoch nicht lange und verpasste ihrem Kameraden einen Schlag auf den Hinterkopf.

„Sei nicht so unhöflich!“, ermahnte sie ihn streng.

Jammernd hielt sich Naruto den Kopf, sah sie schmollend an.

„Sasuke war doch viel unhöflicher! Warum kriegt er keine Schläge?!“

Sakura gab ihm darauf keine Antwort, denn sie stand plötzlich auf und hielt ihm lächelnd die Hand hin. Dabei hatte er sich doch gerade von Fuu erholt...

„Hallo, ich bin Haruno Sakura…freut mich, Sie kennenzulernen, Uchiha-san.“

Na, wenigstens war die Kleine gut erzogen und nicht so laut wie gewisse andere Weibsbilder. Davon abgesehen gefiel ihm Sasukes Gesichtsausdruck, der wirkte, als habe er in eine Zitrone gebissen. Es war der Grund, wegen dem er ihre Hand ergriff und sie kurz schüttelte.

„Madara“, stellte er sich vor und setzte sein charmantestes Lächeln auf.

Sasukes Kiefer malmte geräuschlos und er entschied kurzerhand noch eins drauf zu legen.

„Sasuke hat mir ja gar nicht erzählt, dass er so eine hübsche Freundin hat.“

Sein Neffe schoss ihm einen Todesblick zu, der deutlich machte, dass er das nicht witzig fand. Jedoch schien Sakura darauf anzuspringen, denn sie errötete und lächelte ganz beschämt.

„Ach…uhm…wir…“

„Als ob du sowas beurteilen könntest“, brummte Sasuke sarkastisch und erhob sich ebenfalls, um sich neben seine Freundin zu stellen.

Madara funkelte ihn amüsiert an, neigte den Kopf leicht zur Seite.

„Kann ich nicht?“

Zwar erwiderte Sasuke nichts darauf, sein Blick machte deutlich, dass er ihn zum Teufel wünschte. Sollte er nur, ihm war das gleich. Allerdings fand er es schon lustig, wie er nun einen Arm um seine Freundin legte, als könnte er sie ihm wegschnappen. Anscheinend tat er sowas nicht oft, denn Sakura blickte ihn perplex und mit immer noch geröteten Wangen an.

„Du störst beim Lernen“, meinte Sasuke bloß.

„Das will ich natürlich auf keinen Fall…“, spottete er zurück und schaute zu den beiden anderen rüber.

Während sich Naruto noch immer den Hinterkopf rieb, fixierte Haku starr sein Heft. Madara fragte sich, ob er ihn fürchtete oder sich lediglich an einige unangenehme Dinge erinnert fühlte.

Die schlechte Stimmung wurde jedoch aufgelöst, als Mikoto mit einem Tablett in der Tür auftauchte. Madara entdeckte seinen Kaffee und ein paar Dosen mit Fruchtsaft, die anscheinend für die Jüngeren gedacht waren.

„Kinder, warum geht ihr nicht draußen lernen? Es ist so schönes Wetter“, schlug sie vor und blickte lächelnd in die Runde.

Niemand schien etwas dagegen einzuwenden zu haben, allerdings war Mikotos Lächeln auch ziemlich entwaffnend.
 

Wenig später saß er mit ihr auf der Terrasse und trank seinen Kaffee; die Wärme störte ihn dabei nicht. Kurz ließ er den Blick zu den Jugendlichen, die sich im Garten unter einem der Bäume zusammengesetzt hatten, schweifen. Bei ihm hatte es so etwas nicht gegeben. Lerngruppen, Freunde oder gar eine Beziehung; stattdessen hatte er einen eigenen Privatlehrer gehabt, niemanden außer Izuna näher an sich heran gelassen und heimlich fremde Betten besucht.

„Ist alles in Ordnung?“

Er hielt in seinen Gedanken inne und sah zu Mikoto, die ihn nachdenklich musterte. Er zuckte mit den Schultern, trank noch einen Schluck von seinem Kaffee, während sie sich an Tee hielt.

„Der Junge sieht gut aus“, erwiderte er, um ihre Frage zu umgehen.

Mikoto stellte ihre Tasse auf dem Untersetzer ab, schwieg einen Moment.

„Haku kämpft“, hörte er sie schließlich leise sagen. „Er hat Furchtbares durchgemacht und trotzdem lässt er sich nicht unterkriegen. Er ist so ein lieber Junge…und er blüht jeden Tag mehr auf, auch wenn er immer noch unter den Geschehnissen leidet.“

Madara sagte nichts dazu, denn Mitgefühl war nicht sein Gebiet. Natürlich war das alles schrecklich, aber er war in diese Welt hineingeboren worden, kannte ihre Grausamkeiten zu gut. Auch wenn er nicht alle von ihnen am eigenen Leib gespürt hatte, wusste er, wie hässlich die Wahrheit über die Menschheit war. Schlimmer als wilde Tiere.

„Die Normalität des Alltags tut ihm gut…und Zabuza ebenfalls.“

Madara hob eine Braue.

„Mich wundert, dass du den Umgang zulässt“, bemerkte er trocken. „Soweit ich weiß, teilen die zwei nicht nur Freundschaft.“

Nicht, dass er sich um gesellschaftliche Regeln gekümmert hätte; die Welt war vielleicht eine Abscheulichkeit, doch sie war nicht in schwarz und weiß unterteilt. Er selbst war dafür das beste Beispiel.

„Du solltest sehen, wie er strahlt, wenn Zabuza ihn besucht“, teilte ihm seine Schwägerin mit. „Er ist ein wichtiger Teil in Hakus Leben...er wäre unglücklich, dürfte er ihn nicht sehen.“

Sie lächelte schief.

„Manchmal muss man Kompromisse eingehen…das weißt du doch.“

Damit hatte sie Recht, so dass er kommentarlos nickte. Mikoto seufzte leise, stützte das Kinn auf ihre gefalteten Hände, während sie seinen Blick erwiderte.

„Fugaku und du…ihr seid schlimme Dinge durch eure Arbeit gewohnt. Ich arbeite von zuhause und kümmere mich um die Familie…ich habe nie gesehen, was ihr seht.“

Madara ließ sie ausreden, stimmte ihr aber innerlich zu; er sah allerdings keinen Grund, sich dafür zu schämen. Viele Frauen würden sie um ihr Leben beneiden.

„Irgendwann werden Sasuke und Haku ausziehen, so wie Itachi…und dann wird mir dieses Haus schrecklich leer vorkommen.“

Mikoto machte eine kurze Pause, ehe sie ihn fest ansah.

„Ich habe mir überlegt, eine Stiftung für Kinder wie Haku ins Leben zu rufen.“

Nun, damit hatte er nun nicht gerechnet, auch wenn das sicherlich eine gute Idee war. Genügend Zeit und Geld waren sicher vorhanden und er konnte sich nicht vorstellen, dass Fugaku etwas dagegen hätte.

„Ich muss noch mit Fugaku darüber reden“, sprach sie seinen Gedanken aus. „Aber ich denke nicht, dass er etwas dagegen hat.“

Madara nickte zustimmend; er kannte Fugaku gut genug, um zu wissen, dass dieser seine Frau bei einer solchen Aktion unterstützen würde. Für ihn selbst wäre das nichts gewesen, denn er war lieber derjenige, der das System dieser Menschen zu Fall brachte. Anstatt sich um die Opfer zu kümmern, suchte er nach Möglichkeiten, seine eigenen Geschäfte noch mehr anzukurbeln. Zuerst kam er, dann die Familie, nach ihr die Akatsuki – und schließlich alle anderen.

Unweigerlich fragte er sich, wo er Hashirama einordnete und sogleich spürte er, wie ihn das schlechte Gewissen überkam. Schon wieder war Zeit verstrichen und er bekam ihn einfach nicht aus dem Kopf. Izunas Worte waren ihm im Gedächtnis geblieben; sollte er sich diese Blöße wirklich geben?
 

„Was beschäftigt dich, Madara?“

Mikotos sanfte Stimme ließ ihn innehalten und er bemerkte erst jetzt, dass er sich gar nicht mehr zu ihrer Idee geäußert hatte. Die Frau hatte ein Gespür dafür, wenn etwas nicht in Ordnung war; bei drei wortkargen Familienmitgliedern war das wohl nicht zu vermeiden.

„Nichts von Bedeutung“, murmelte er und trank noch einen Schluck Kaffee.

Mikoto schien ihm keinen Glauben zu schenken, so kritisch, wie sie ihn ansah.

„Bist du noch mit diesem Anwalt zusammen?“

Hätte er doch den Mund gehalten und niemals erwähnt, dass er in einer Beziehung war. Na ja…nun nicht mehr.

„Nein.“

Bildete er sich das ein oder klang er verbittert? Sei es drum…wem wollte er etwas vormachen? Hashirama fehlte ihm. Zu dieser Einsicht war er ja bereits gekommen, doch immer noch haderte er mit sich, noch einmal das Gespräch mit dem anderen zu suchen.

„Das tut mir leid…ihr ward lange zusammen, nicht wahr?“

„Sechs Jahre“, erwiderte er knapp und sie seufzte leise.

„Und…du denkst, dass man da nichts mehr machen kann?“

„Er hat mit mir Schluss gemacht…also nein. Da kann man wohl nichts mehr machen“, brummte er und wich ihrem Blick aus.

Es war ihm unangenehm, mit seiner Schwägerin darüber zu reden – denn er ahnte schon, dass sie ähnliche Dinge wie Izuna sagen würde. Das machte die Sache nicht leichter für ihn.

„Gerade deshalb solltest du zeigen, dass er dir etwas wert ist und um ihn kämpfen, Madara.“

Er stieß ein verächtliches Schnauben aus, das deutlich machte, was er davon hielt, doch Mikoto ließ sich davon nicht beirren.

„Liebst du ihn?“

Warum mussten die Menschen diesem vermaledeiten Wort so viel Bedeutung zumessen? Musste es immer gleich Liebe sein? Reichte es nicht, wenn man sich bei einer Person gut fühlte? Sich irgendwie…vollständig fühlte und bei ihr sein wollte?

„Er hat gesagt, dass er mich liebt“, wich er der Frage aus und Mikoto runzelte die Stirn.

„Und was hast du gesagt?“

„…dass das seltsam ist, wenn er doch mit mir Schluss machen will.“

Sie sollte endlich aufhören, ihn so mitleidig anzuschauen, er brauchte sowas wirklich nicht. Sie schüttelte den Kopf, seufzte leise.

„Oh Madara…sicher hat er sich gewünscht, dass du es auch sagst. Dass du ihm…zeigst, dass er dir etwas bedeutet. Du bist wie Fugaku…immer muss man euch alles aus der Nase ziehen!“

Schimpfte sie gerade mit ihm? Verdutzt sah er seine Schwägerin an, die abermals den Kopf schüttelte und ihn streng ansah. So viel dazu, sie sei ein Engel…er mochte ihre liebe Seite irgendwie mehr. Außerdem war er erwachsen und musste sich von niemandem sagen lassen, was er zu tun hatte.
 

„Du solltest zu ihm gehen und ihn um Verzeihung bitten!“

Madara sah sie ungläubig an; das war jetzt ein Scherz.

„Wieso gehen eigentlich alle davon aus, dass es meine Schuld ist?“, knurrte er gereizt.

Mikoto lächelte schief.

„Weil wir dich kennen“, entgegnete sie ruhiger. „Und weil wir wissen, dass du vieles oft nicht so meinst, wie du es sagst. Du hast dieses Talent, dich unbeliebt zu machen, auch wenn du eigentlich einen guten Kern hast. Lass nicht zu, dass du jemanden verlierst, der dir wichtig ist, nur weil dir falscher Stolz im Wege steht.“

Madara schnaubte leise, wich ihrem Blick aus…und blieb an Mikotos Blumenbeeten hängen. Unweigerlich fragte er sich, ob Hashirama wohl wütend auf ihn war, immerhin liebte er seine Orchideen. Eigenartig aber wahr, der Mann hatte den grünen Daumen, um den ihn viele Frauen sicher beneidet hätten. Er selbst dagegen hatte kein Auge für Pflanzen…und ebenso wenig Geduld für deren Pflege. Momentan wünschte er sich jedoch, er hätte die Beziehung zu Hashirama besser gepflegt.

Es war nicht so, dass er mittlerweile nicht selbst zur Einsicht gekommen war, dass er vielleicht falsch reagiert hatte. Die Probleme ließen sich natürlich nicht einfach lösen, denn er konnte Hashirama nicht von seiner Arbeit erzählen…und er wollte seinen Kindern nicht zu nahe kommen, weil das gefährlich enden könnte. Na gut, hauptsächlich weil er keine kleinen Nervensägen mochte. Vielleicht hätte er ihm trotzdem entgegen kommen können. Ihn Fugaku und Mikoto kennenlernen zu lassen, wäre akzeptabel gewesen, wenn er so darüber nachdachte. Wahrscheinlich wäre sein Halbbruder entsetzt, wie anständig der Mann an seiner Seite war. Gut möglich, dass er inzwischen wieder der Mann an Mitos Seite war. Allein der Gedanke löste in ihm den Drang, sich zu übergeben, aus.

Izuna hätte Hashirama sicher gemocht…und ihm eine Menge unangemessener Geschichten über ihn erzählt. Okay, diese Option musste er noch mal überdenken, wenn…wenn? Sollte es überhaupt ein wenn geben?

Er zuckte zusammen, als Mikoto plötzlich über den Tisch griff und seine Hand mit ihren zierlichen Fingern drückte, ihn dabei warm anlächelte.

„Du wirst dich immer fragen, was wäre, wenn du nicht aufgegeben hättest.“

Und es war erschreckend, wie Recht sie damit hatte.
 

Nach einer weiteren schlaflosen Nacht allein in seiner Wohnung konnte er es nicht länger aufschieben. So sehr es ihm auch widerstrebte, sowohl Izunas als auch Mikotos Worte hatten sich in seinem Kopf verankert. Er würde nicht damit abschließen können, solange er es nicht wenigstens versucht hatte. Hashirama würde dieses Mal nicht den ersten Schritt machen und so blieb ihm keine andere Wahl, als sich selbst zu bemühen.

Und nun stand er hier…vor Hashiramas Haustür, mit vermutlich noch dunkleren Augenringen als sonst, seiner typisch ungebändigten Mähne…und einer violetten Vase, in der eine gleichfarbige Orchidee steckte. Es war das erste Mal gewesen, dass er einen Blumenladen betreten hatte – und es war mit absoluter Sicherheit auch das letzte Mal. Nicht nur dass er vollkommen überfordert gewesen war, die blonde Verkäuferin hatte ihn unaufhörlich vollgeschnattert und auszufragen versucht, wer denn die Glückliche war. Er musste dringend an seinem Todesblick arbeiten.

Leise seufzte er, ehe er noch mal sein schwarzes Hemd richtete – was unsinnig war, da er ja hoffte, dass Hashirama ihm dieses bald vom Leib reißen würde – und dann die Finger Richtung Klingel bewegte. Jetzt, wo er schon mal hier war, würde er nicht wieder gehen. Definitiv nicht. Dennoch war da dieses unangenehme Gefühl…er konnte nicht abschätzen, wie Hashirama reagieren würde. Dazu hatte er sich zu viel Zeit gelassen und mit dieser Konsequenz musste er jetzt leben. Er war ein verdammter Uchiha, er bekam das hier schon hin. Noch einmal legte er sich im Kopf die Worte zurecht…dann klingelte er.

Das Warten kam ihm wie eine Ewigkeit vor und er konnte kaum sagen, wann er das letzte Mal dermaßen nervös gewesen war. Als er Schritte hörte, überkam ihn der Impuls, abzuhauen. Andererseits würde er dann weiterhin in dieser Zwickmühle festhängen und allmählich hatte er genug davon. Still verfluchte er sich, als sich die Tür öffnete und Hashiramas Anblick ein höchst intensives Herzflimmern bei ihm auslöste. Erst jetzt, wo er ihn wiedersah, bemerkte er, wie sehr er ihm tatsächlich gefehlt hatte.

Hashirama starrte ihn einfach nur an, so als könnte er nicht glauben, dass er wirklich hier stand. Seine braunen Augen musterten ihn, blieben an seinem Gesicht hängen…ehe sie zu der Orchidee wanderten. Anscheinend machte es ihn sprachlos, denn ein paar Sekunden lang sagte er gar nichts. Dann atmete er tief durch, strich sich ein paar lose Haarsträhnen zurück und straffte die Schultern.

„Was wird das?“

Sonst war Hashirama die Höflichkeit in Person und Madara hatte gehofft, dass er ihn wenigstens reinbitten würde, anstatt diese Angelegenheit im Treppenhaus zu klären. Seine dunklen Augen glitten einmal über Hashiramas Jogginghose und das schlabbrige Shirt…dabei war es schon bald Mittagszeit. Vielleicht ließ er sich ja so gehen, weil er ihn auch vermisste…na ja, das musste er wohl rausfinden.

Madara war bemerkenswert schlecht im Entschuldigen, so dass er im ersten Moment mit den Schultern zuckte.

„Madara…“

Okay. Pistole auf die Brust. Auch gut. Er hatte ja damit gerechnet, dass das hier nicht einfach werden würde. Wie fing er noch gleich an? Plötzlich schienen alle zurechtgelegten Worte aus seinem Gedächtnis gelöscht worden zu sein. Mist.
 

„Ich…“, begann er und versuchte nicht so unsicher zu klingen, wie er sich fühlte. „…war bei meiner Schwägerin und sie hat Blumen. Richtig schöne Blumen…und da musste ich an deine Orchidee denken…die ich wohl zerstört habe. Du…na ja…liebst dieses Gestrüpp…auch wenn’s nicht pflegeleicht ist…und dir vielleicht mit…gewissen Eigenarten Ärger macht...und ich dachte, wenn ich…ich sollte dir was mitbringen. Also die Orchidee. Als Entschädigung…sozusagen.“

Hashirama starrte ihn immer noch an – nun aber mehr, als sei er ein entflohener Irrer aus einer Anstalt. Hatte er begriffen, dass sein holpriges Gefasel eine Entschuldigung darstellen sollte? Dass Madara mit dem Gestrüpp nicht nur die Orchidee gemeint hatte? Er schätzte Hashirama als zu klug ein, um nicht durchzublicken. Dieser runzelte die Stirn und sein Ausdruck wandelte sich von verwirrt zu ernst. Das war nicht gut…oder?

„Du bist nicht hier, um mir eine Blume zu ersetzen.“

Madara wich seinem Blick nicht aus, auch wenn er es am liebsten getan hätte.

„Nein.“

„Dann drück dich bitte klarer aus. Warum bist du hier?“

Madara hatte genau das umgehen wollen, doch anscheinend blieb ihm nichts anderes übrig.

„Weil…du weißt, warum ich hier bin“, murrte er. „Als ob du mich nicht vermisst hättest…“

Hashiramas Mimik blieb ruhig, während er ihn weiterhin fixierte.

„Du sollst mir sagen, warum du hier bist…und mir nicht erzählen, was in mir vorgeht. Das hat dich sowieso noch nie interessiert.“

Autsch. Hashirama war wohl doch wütend auf ihn, so wie er mit ihm sprach. War er nicht gewöhnt…und das machte es nicht leichter.

„…von mir aus“, erwiderte er missgelaunt. „Ich bin hier, weil…ich nicht will, dass das zwischen uns vorbei ist.“

Etwas in den braunen Iriden flackerte, doch es war schnell wieder verloschen. Hashirama schüttelte den Kopf, machte nun einen verärgerten Eindruck.

„Du hast vier Wochen gebraucht, um mir das zu sagen?“, fragte er und die Enttäuschung war spürbar.

Madara schnürte es die Kehle zu, denn er merkte, dass das hier in die falsche Richtung ging.

„Nein…also ja…ich meine…“

„Ich habe keine Zeit für-“

„Ich hab’s direkt bereut, okay?!“, fuhr er ihm harsch über den Mund. „Ich…hab meine Reaktion bereut…ich hätte dich nicht anschreien sollen…oder deine Wohnung demolieren sollen.“

Er atmete tief durch.

„Ich hätte…dir zuhören müssen und kapieren sollen, was du mir sagen willst. Ich…war einfach so wütend…aber…ich wollte nie, dass es vorbei ist. Die letzten vier Wochen waren beschissen…alles war beschissen. Du hast mir gefehlt…sehr sogar, aber…du kennst mich, Hashirama…mir fällt sowas nicht leicht.“

Hashirama schien von seinem erneuten Redeschwall etwas erschlagen, doch Madara hoffte, dass er verstand…und dass er ihm verzieh. Vielleicht musste er deutlicher werden.
 

„Es tut mir-“

Deine letzten vier Wochen waren beschissen?“, wiederholte Hashirama leise. „Was glaubst du, wie es mir ging, Madara? Denkst du, dass du jetzt hier stehst, reicht? Dass ich lächle, dir vergebe und alles ist gut? Wenn du einen Monat brauchst, um dich zu überwinden und zu mir zu kommen…das sagt einiges über dich aus.“

Die Worte trafen genau die Stelle, an der es richtig wehtat und er fühlte sich hilflos, denn er hatte keine Argumente.

„…ich bin jetzt hier“, versuchte er es dennoch zu retten. „Ich hatte…“

„Ich habe gehofft, dass du mich anrufst, noch mal vorbeikommst…dass du mich vielleicht auch liebst.“

Noch ein Stich in der Brust.

„Hashirama…“

„Ich glaube, es ist besser, wenn du jetzt gehst, Madara.“

Es war genau die Situation, die er gefürchtet hatte. Die ganze Zeit hatte er genau das befürchtet, doch…dass es wirklich so eintraf, war noch schlimmer. Er wollte ihn packen und schütteln, darum flehen, dass es nicht so endete. Was er tat, war noch erbärmlicher, denn er ergriff mir der freien Hand Hashiramas Unterarm.

„Ich wäre nicht hier, wenn du mir nichts bedeuten würdest…bitte, Hashirama…lass uns-“

„Es ist ein schlechter Zeitpunkt.“

Hashirama wich seinem Blick abermals aus, entzog ihm auch seinen Arm, doch Madara konnte das nicht einfach akzeptieren. Nicht so…nicht, wo er endlich hier war.

„Hashirama, ich-“

„Hashirama?“

Und in dem Moment, als die fremde Frauenstimme erklang, wusste Madara, warum es ein schlechter Zeitpunkt war. Er wurde blass, als hinter Hashirama eine Frau mit langem roten Haar auftauchte…wenigstens war sie nicht nackt. Verwundert wurde er angesehen, interessiert gemustert…ehe ihre Miene deutlich abkühlte. Ihm wurde schrecklich übel.

„Sie sind Madara?“

Er war nicht fähig zu antworten, konnte nur da stehen…wie ein Idiot und mit dieser bescheuerten Orchidee in der Hand. Wie gelähmt sah er zu, wie Mito neben ihren Ex-Mann…oder Mann…oder was auch immer trat. Er hasste sie. Abgrundtief hasste er diese Schlampe, die ihm soeben alles kaputt machte. Innerlich wusste Madara jedoch, dass es seine eigene Schuld war…er hatte Hashirama von sich weggetrieben.

„Bitte geh jetzt, Madara“, bat Hashirama ihn erneut und deutete Mito an, sie allein zu lassen.

Madara sah, wie sie kurz seine Schulter mit ihren manikürten Nägeln streifte. Ihm war, als würde sie ihm mit ihren Klauen das Herz rausreißen.
 

Hashirama wandte sich wieder ihm zu, schien immer noch zu wollen, dass er verschwand. Und er hatte keine Worte mehr, war dafür einfach zu geschockt. Befürchtung hin oder her, er hatte nie wirklich glauben wollen, dass es zu spät war. Nun, wo er es wusste, fühlte er sich, als hätte man ihm den Boden unter den Füßen weggezogen.

„Du bist zu spät, Madara.“

Er machte den Mund auf und schloss ihn wieder…eingesunken stand er da, wartete, dass Hashirama ihn erneut wegzuschicken versuchte.

„Tut mir leid“, hörte er ihn sagen und vernahm kurz darauf das Zuschlagen der Tür.

Er stand allein im Treppenhaus, immer noch mit der Orchidee in der Hand. Wie betäubt starrte er auf die Blume hinab und erschrak vor sich selbst, als seine Augen plötzlich zu brennen begannen. Oh nein...er würde hier nicht rumheulen.

Ein paar Sekunden stand er nur so da…dann stellte er die Orchidee direkt vor die Tür. Er musterte die Pflanze…drehte sich um und ging. Es kam ihm vor, als sei er gar nicht körperlich anwesend, als er die Stufen hinabschritt.

Das war es also…das hatte er davon, dass er sich überwunden hatte. Zu spät. Wie er es befürchtet hatte und dennoch…Madara hatte sich noch nie im Leben so furchtbar machtlos gefühlt. Es war vorbei…endgültig. Doch es ging ihm nicht besser. Es war einfach nur schmerzhaft.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So...endlich geht's hier auch mal weiter.
Ich lag fast zwei Wochen mit Sommer-Grippe flach und privat geht's grade auch rund...daher alles ein bisschen langsamer.
Und dann ist es auch noch so ein böser Cliffy...aiaiai...es wird nur noch 1 Kapitel geben...oder vielleicht 2, wenn ich's nicht in einem verpacken kann.
Bin mal sehr gespannt auf eure Kommentare. :D
Hand hoch...wer wünscht sich ein Happy End? xD
Mal sehen, wie sich das noch entwickelt...Hashirama hat seine Meinung ja recht deutlich kundgetan und immerhin ist Mito bei ihm...hmhmhm...gerade tut Madara sogar mir leid. ^^"
Na ja...bis zum nächsten Kapitel!

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Elyon_Slytherin
2016-06-20T03:44:52+00:00 20.06.2016 05:44
Hallo. Also erstmal. Wow. Ich liebe die FF. und jetzt kann ich nur eins sagen:
HAPPY END!!!
*beide Hände hochstreckt*
Obwohl Madara sich für sein Happy End doch noch ein wenig anstrengen muss. Finde ich jedenfalls.
Mach weiter so. XD
Von: AomaSade
2016-06-19T13:24:32+00:00 19.06.2016 15:24
Hallo lunalinn,

also ich hebe meine Hand für ein Happy End. Ich mag deinen Madara sowie deinen Hashirama, und wünsche ihnen ein glückliches gemeinsames Leben. Aber bis dahin muss Madara sich noch einiges einfallen lassen, ein "Orchideen-Gestrüpp" nach vier Wochen Funkstille kam wohl nicht so gut an, Madara hat sich zwar Gedanken gemacht, was seinem "Noch-Ex-Freund" gefallen würde, die Trennungsgründe selbst scheint er aber noch nicht realisiert und begriffen zu haben. Ich glaube an Madara, dass er diese Einsicht auch noch meistert und spätestens dann die richtigen Knöpfe zum Drücken findet, um Hashirama zurückzugewinnen. Ich bin gespannt wie es weiter geht.

Liebe Grüße
AomaSade
Antwort von: lunalinn
19.06.2016 18:42
Hey!
Danke für dein Kommi.
Madaras Lernprozess ist tatsächlich noch nicht ganz vorbei...er hat leider wirklich sehr viel Zeit darauf verwendet, einfach nichts zu tun und sich einzureden, er sei im Recht und bräuchte Hashirama nicht - dafür bekommt er nun die Quittung.
Na ja...aber noch ist die FF nicht vorbei, also hat Hashirama vielleicht noch ein Einsehen - vorausgesetzt Madara bemüht sich noch mal mehr. ;)

LG


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