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The Petboy Contract

von

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Das Familientreffen

Das Gewitter war mit einem Schlag über Annatown hereingebrochen und es goss wie in Strömen. Es schien, als würde der Weltuntergang kurz bevorstehen und Simon befürchtete schon, sie könnten jeden Moment einen Autounfall bauen. Da nicht alle von ihnen in Scotts Geländewagen hineinpassten, waren sie gezwungen gewesen, sich auf zwei Autos aufzuteilen. Also fuhren Cypher und Hunter mit dem Geländewagen während Simon mit Rose fuhr. Zuerst war er nicht sonderlich überzeugt, ob sie mit der Beinprothese wirklich so gut fahren konnte, doch wie sich schnell herausstellte, war sie eine ziemlich gute Fahrerin und bekam es wirklich gut mit dem Automatikgetriebe hin. Dennoch schien sie ein klein wenig beunruhigt zu sein, als sie den düsteren wolkenverhangenen Himmel betrachtete. „Ausgerechnet heute muss es regnen…“, murmelte sie und fuhr nun vom Hof. „Na hoffentlich bekommt Mum keine Probleme mit dem Rheuma.“

Es war wirklich ein Sauwetter und allein das Donnern in der Ferne reichte aus um Simon nur noch nervöser zu machen. Zwar wollte er seiner Mutter nichts unterstellen, aber es war ihm wesentlich wohler zumute, bei strömendem Regen irgendwo sicher im Trockenen zu sitzen und nicht unbedingt in einem Auto. Aber daran war jetzt halt nichts zu ändern. Immerhin hatten sie sich etwas vorgenommen und er wollte sich nur ungern drücken. „Ähm… wo genau fahren wir noch mal hin?“ fragte er zögerlich, denn Rose hatte nicht wirklich viele Informationen gegeben. Nachdem sie ein paar Familienfotos gesichtet hatten, da hatte die Farmerin auch schon verkündet, dass sie ins Café Amber Garden zu einem kleinen Familientreffen fahren würden. Und dabei hatte sie Simon auch gefragt, ob er nicht Leron mitbringen wollte. So hätte sie auch die Chance, seinen Freund kennen zu lernen. Rose, die sich auf die Straße konzentrieren musste, schaltete die Scheibenwischer ein und schwieg einen Moment. Sie folgte dem Geländewagen mit dem ihr Mann unterwegs war, fuhr aber deutlich langsamer, wohl aus Sorge dass sie sonst einen Unfall verursachen könnte. Schließlich, als sie auf die Hauptstraße abgebogen war, antwortete sie. „Wir fahren ins Café Amber Garden, dort arbeiten meine Nichte und ihr Freund. Und Mum hat dafür nicht so einen weiten Weg. So lernt ihr auch den Rest meiner kleinen Familie kennen.“

Der Regen wurde immer stärker und es sah stark danach aus, als würde es noch zu einem regelrechten Gewitter werden. In der Ferne donnerte es und Simon wurde sichtlich nervöser. Na hoffentlich schafften sie es überhaupt dort hin. „Wie groß ist deine Familie eigentlich?“ fragte er schließlich um sich irgendwie abzulenken.

„Streng genommen ziemlich groß“, antwortete Rose ein wenig geistesabwesend, während sie sich auf den Verkehr konzentrierte. Scotts Geländewagen fuhr direkt vor ihnen und war auch langsamer geworden als der Regen stärker wurde. „Aber wirklich Kontakt habe ich nur zu einem begrenzten Teil der Familie. Da wären meine Mum, meine Nichte und mein Neffe, der Freund meiner Nichte und das war es eigentlich. Zum Rest der Verwandtschaft habe ich eher kaum Kontakt aber man sieht sich halt bei den offiziellen Familientreffen, damit man sich zumindest vom Sehen her kennt.“

Klang nach einem ziemlich kleinen Familienkreis, mit dem Rose engen Kontakt hatte. Vom Vater schien wohl keine Rede zu sein, aber er hatte noch im Hinterkopf, dass sich ihre Eltern hatten scheiden lassen, als sie zur Reha nach Annatown geholt worden war. Klang danach als hätte sie nicht gerade das beste Verhältnis zu ihm. Nun ja, er hatte ihr ja auch die Schuld für alles gegeben, was ihr in New York zugestoßen war, weil sie damals von Zuhause weggelaufen war. Da war es kein Wunder, dass sie nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen war. Und dann war da noch diese merkwürdige Tatsache, dass sie zu ihrer Nichte und ihrem Neffen Kontakt hatte, aber nicht zu deren Eltern. Ob das einen bestimmten Grund hatte? „Wie viele Geschwister hast du eigentlich?“

„Einen Bruder und zwei Schwestern“, kam es von Rose. „Mein Bruder Seth arbeitet als Stationsarzt in der Backwater Klinik und meine Schwester Eden ist seit Jahren auf Weltreise und so gut wie nie zuhause. Und meine andere Schwester Serenity starb vor vielen Jahren zusammen mit ihrem Mann bei einem Verkehrsunfall. Danach hat sich meine Mutter Grace um ihre Kinder gekümmert.“

„Oh…“ Simon wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Aber ihn überkam das unangenehme Gefühl, als wäre er ein gewaltiges Fettnäpfchen getreten. Etwas nervös kratzte er sich hinterm Ohr und überlegte, was er dazu sagen sollte. „Tut… tut mir leid.“

„Das muss es nicht. Es ist immerhin schon fast 20 Jahre her und diese alten Wunden sind schon lange verheilt. Also mach dir mal keine Gedanken deswegen. Es wird gleich sicherlich lustig werden und ich bin schon gespannt darauf, deinen Freund kennen zu lernen. Wie ist er denn eigentlich so?“

Damit hatte Rose geschickt das Thema gewechselt und das Gespräch auf etwas weniger düsteres gewechselt. Simon starrte ein wenig gedankenverloren aus dem Fenster und beobachtete, wie die Regentropfen an die Scheibe prasselten und auf ihrem Weg kleine Rinnsale hinterließen, ehe sie völlig aus seinem Sichtfeld verschwanden oder mit anderen Regentropfen zusammenschmolzen. „Leron ist jemand, der wirklich hart arbeitet und viel zu kämpfen hat. Trotzdem schafft er es immer wieder, die Stärke zu finden, für mich da zu sein und mir zu helfen. Ganz egal wie unfair ich manchmal zu ihm bin. Er kann auf der einen Seite aufbrausend und emotional sein, auf der anderen Seite schafft er es, mir gegenüber immer die Kontrolle zu wahren und meistens das Richtige zu tun. Und obwohl er immer so stark und unbezwingbar wirkt, kann er trotzdem sehr zerbrechlich sein. Ich habe noch nie einen Menschen in meinem Leben getroffen, der so lieben kann wie er, auch wenn er mich manchmal ein wenig zu sehr bemuttert.“

„Klingt danach, als wäre es die ganz große Liebe“, schlussfolgerte Rose schmunzelnd. „Wie alt ist dein Freund eigentlich?“

Hier wurde Simon ein klein wenig verlegen. „Er ist zehn Jahre älter als ich.“

Stille trat ein. Nur ein leises „Oh“ kam von Rose und ihr war anzumerken, dass sie zwar mit einem gewissen Altersunterschied gerechnet hatte, aber nicht mit einem derart großen. Natürlich konnte Simon das verstehen. Wenn man es runterrechnete, war er nicht einmal geboren, als Leron bereits zehn Jahre alt war. Natürlich wirkte das seltsam. Dennoch fühlte sich diese Reaktion sehr unangenehm an. „Ist das ein Problem?“ fragte er schließlich und schaute zu seiner Mutter. Diese schüttelte den Kopf und sagte sofort „Nein, überhaupt nicht. Es kommt halt nur etwas überraschend. Solange du glücklich bist, ist es doch egal, wie groß der Altersunterschied ist. Und so wie es sich anhört, scheint dich Leron sehr zu lieben. Und das ist es doch letzten Endes, was wirklich zählt.“

Vielleicht erinnert es sie ja auch zu sehr an ihre Zeit in New York, dachte Simon und musste wieder an seinen Vater denken, der wesentlich älter zu sein schien als sie. Verdammt, mindestens 20 Jahre waren auf jeden Fall zwischen den beiden. Und sie hatte zwei Kinder mit diesem Mann. Natürlich war es für sie etwas ganz anderes…
 

Es dauerte aufgrund des schweren Unwetters etwas länger, bis sie endlich das Amber Garden erreichten. Das Café entpuppte sich als eine Mischung aus Restaurant und Konditorei, wo man gut essen konnte, sich aber auch zu Kaffee und Kuchen treffen konnte. Es war zwei Stockwerke groß und während im Erdgeschoss Süßwaren, Backwaren und Konfitüren verkauft wurden und man sich zu einer Tasse Kaffee hinsetzen konnte, gab es in der oberen Etage warme Küche. Das Amber Garden Café war trotz des Wetters ziemlich gut besucht und wirklich alle Tische waren besetzt. Auch an der Ladentheke im Erdgeschoss standen die Leute Schlange. Anscheinend war es ein ziemlich beliebter Treffpunkt in Islesbury. Und insgeheim konnte Simon auch verstehen warum. Allein die kunstvoll dekorierten Torten und Kuchen sahen einladend aus und es roch herrlich nach süßen Backwaren. Und wenn sie nur halb so gut schmeckten wie sie aussahen, dann würde er auch öfter herkommen. Es gab aber nicht nur Backwaren. Selbst Schokolade, Pralinen, kandierte Früchte und selbstgemachte Konfitüren konnte man hier kaufen. Die Wände waren cremefarben und hatten kunstvolle und dezente Barockmuster. An den Wänden hingen Bilder mit wunderschönen Landschaften und das ganze Ambiente wirkte trotz des großen Kundenverkehrs ruhig, warm und zeitlos. Und durch die vielen Bilder mit all den Gärten und blühenden Landschaften und den Blumendekorationen ließ sich auch ein Thema wiedererkennen, das auch zum Namen des Cafés passte.
 

Nachdem die beiden Fahrgemeinschaften am Eingang wieder zusammengefunden hatten, ging Rose vor und betrat als Erste das Café. Sie ging zielstrebig zu eine der Kellnerinnen hin, die ganz im Stil des Rockabilly gekleidet war und aufgrund ihrer sehr geringen Körpergröße extrem jung wirkte. Sie wirkte ziemlich niedlich, auch wenn sie mit Sicherheit wesentlich älter war als sie überhaupt aussah. Sie begrüßte Rose und Scott mit einer herzlichen Umarmung und musste sich dabei auf die Zehenspitzen stellen. Offenbar schien sie die beiden ziemlich gut zu kennen. Nachdem sie auch die anderen begrüßt und sich als Amy vorgestellt hatte, drehte sie sich um und führte die kleine Gruppe nicht die Treppe rauf, sondern einmal quer durch den Laden im Erdgeschoss und führte sie zu einer Tür, an der ein Schild mit der Aufschrift „Geschlossene Gesellschaft“ hing. Amy öffnete diese und daraufhin traten Rose und Scott ein. Simon, Cypher und Hunter folgten ihnen und betraten einen überraschend großen und gemütlichen Raum, der vermutlich für kleinere private Veranstaltungen genutzt wurde. Am anderen Ende gab es eine große Fensterfront, die den Innenhofgarten zeigte. Zwar war es ein wenig düster und der Regen verlieh dem Ganzen ein etwas deprimierendes Aussehen. Aber Simon konnte sich ziemlich gut vorstellen, dass es an sonnigeren Tagen mit Sicherheit wunderschön aussah. Es gab einen kleinen Teich, einen Kräutergarten und sogar ein Gewächshaus, in welchem Tomaten und Gurken gezüchtet wurden. Er konnte sogar ein Beet ausfindig machen, wo Salat wuchs. Der Raum selbst war dezent aber trotzdem schön eingerichtet und hatte dieselben cremefarbenen Tapeten mit Barockmuster. An den Wänden hingen Leinwände mit Blumenmotiven und verliehen dem Raum ein wenig Farbe.

An einem Tisch in der Mitte des Raumes saßen bereits vier Leute. Eine alte Dame mit einem etwas strengem Blick und ergrautem Haar, welches sie kunstvoll frisiert hatte, saß am Kopfende des Tisches und wirkte wie eine unerschrockene Matriarchin. Sie trug einen hellblauen Blazer und dazu einen gleichfarbigen knielangen Rock. Ihr Gesicht hatte etwas, das Simon unfreiwillig an Beatrice Arthur von den Golden Girls erinnerte. An der linken Seite saß eine junge blondhaarige Frau von vielleicht 26 oder 27 Jahren, die einen Rosenkranz mit Rosenquarzperlen um den Hals trug und einen gutmütigen aber auch ein wenig naiven Eindruck machte. Sie war sehr hübsch und hatte eine warmherzige Ausstrahlung, was man von ihrem Tischnachbarn nicht gerade sagen konnte. Dieser hatte schulterlanges rotbraunes Haar, trug Piercings im Gesicht und seine gelbgrünen Augen wirkten genauso verschlossen wie Hunters. Doch sie hatten nicht denselben finsteren Blick, der ihn wie einen potentiellen Mörder aussehen ließ. Stattdessen wirkten sie sehr trübsinnig, als würde ihn irgendetwas bekümmern. Er hatte gewisse Ähnlichkeiten mit Azarias und Simon fragte sich, ob sie vielleicht verwandt sein könnten. Was außerdem auffiel, war seine Größe. Auch wenn er gerade saß, wirkte er deutlich größer als alle anderen am Tisch. Gegenüber von ihnen saß jemand, den Simon sofort wiedererkannte. Es war dieser rätselhafte Albinojunge, den er an der Villa von Lerons Vater getroffen hatte. Er saß glücklich lächelnd da und wirkte wie das blühende Leben. Irgendetwas an ihm wirkte so fremdartig und faszinierend zugleich. Als würde er ein inneres Licht ausstrahlen, das den ganzen Raum erfüllte.

Rose ging freudestrahlend zu ihrer Familie hin und gab jedem von ihnen eine liebevolle Umarmung zur Begrüßung, Scott war vergleichsweise ein klein wenig zurückhaltender aber das mochte an seiner ruhigen Art liegen. Schließlich verkündete Rose, die übers ganze Gesicht strahlte als wäre dies der glücklichste Tag ihres Lebens: „Das hier sind meine beiden Söhne Simon und Cypher und sein Freund Hunter. So und nun möchte ich euch den Rest meiner Familie vorstellen: meine Mutter Grace, meine Nichte Charity, ihr Freund Jesse und mein Neffe Elion.“

„Schön dich wiederzusehen“, sagte der Albinojunge sofort und grüßte Simon fröhlich lächelnd. „Wir hatten uns ja bereits in New York kennen gelernt.“

„Was?!“ kam es erstaunt von der kleinen Tischrunde. Das Staunen und die Verwunderung waren groß und es gab ein kleines Durcheinander. Denn auf der einen Seite wollte die Familie Roses Söhne kennen lernen aber auf der anderen Seite war die Neugier zu der Geschichte in New York ebenso groß. Und letzten Endes konnte sich keiner so wirklich entscheiden, was denn nun zuerst folgen sollte. Es trat aber schnell wieder Ordnung ein als Grace dazwischen ging und sagte „Erst die Begrüßung, dann der Rest! Wir sind hier bei einem Familientreffen und nicht im Zirkus!“ Schließlich erhob sich die alte Dame von ihrem Stuhl und ging zu den dreien hin. Sie musterte ihre Enkel eindringlich, so als wollte sie feststellen, ob diese auch wirklich mit ihr verwandt waren. Als sie Simon beäugte, lächelte sie zufrieden und klopfte ihm auf die Schulter. „Du kommst ganz nach deiner Mutter. Nur die Haarfarbe ist anders. Du könntest aber etwas mehr auf den Hüften vertragen! Du hast ja eine schmalere Taille als ein 20-jähriger David Bowie mit Magersucht“, scherzte sie und lachte. Simon lachte mit ihr und wusste seinerseits nicht, wie er sie begrüßen sollte. Um sicherzugehen, dass er keinen Fehler machte, „Freut mich sehr Sie kennen zu lernen.“

„Nur keine Förmlichkeiten, junger Mann. Wir sind hier in der Familie und nicht in der Schule.“

Als sie Cypher musterte, runzelte sie etwas skeptisch die Stirn, vor allem als sie seine Tätowierungen und seine ungewöhnliche Haarfarbe sah. Aber schließlich meinte sie auch hier „Also das Kinn und die Nase hast du eindeutig von deinem Großvater“ und gab ihm einen scherzhaften Klaps auf den Rücken. Auch Hunter begrüßte sie offenherzig, wobei sie noch meinte „Nur nicht so ernst, junger Mann. Das hier ist ein Familientreffen und keine Beerdigung.“ Von Elion und Charity bekamen die beiden Brüder eine herzliche Umarmung, während Jesse es bei einem Händedruck beließ. Schließlich nahmen sie alle Platz und es gab Kuchen und Cupcakes, die Charity gebacken hatte. Wie sich herausstellte, arbeitete sie im Amber Garden als Konditorin während Jesse als Koch tätig war. Das Café selbst gehörte Jesses Mutter Melissa, die Charity in der Konditorei unterstützte. Grace selbst war jahrelang Lehrerin an der Grundschule gewesen, was sich auch in ihrem Wesen widerspiegelte. Auf der einen Seite schien sie streng und fordernd zu sein, aber sie spaßte auch gerne mit anderen. Und Elion, der allein aufgrund seines Aussehens schon hervorstach, erzählte voller Stolz, dass er als Sozialarbeiter für die Familienhilfe arbeitete, die im Rahmen des „Resozialisierungsprojektes“ ins Leben gerufen worden war. Dabei war es vor allem seine Aufgabe, die einzelnen Familien innerhalb des Cohan-Clans zu betreuen und vor allem den Kindern unterstützend zur Seite zu stehen. Als er von seiner Arbeit erzählte, konnte Simon nicht anders als ihn aufrichtig zu bewundern. Vor allem als er auch noch erfuhr, dass Elion zusammen mit seiner Zwillingsschwester Charity Oberhaupt des Witherfield-Clans war. Schließlich wurden die Besucher regelrecht mit Fragen gelöchert und während Cypher ziemlich offenherzig mit seinen Hobbys und seinem Beruf war und auch direkt für Hunter mitantwortete, tat sich Simon ein wenig schwer damit. Als sich Grace schließlich nach seinem Beruf erkundigte, senkte er nur den Blick und konnte nicht antworten. Glücklicherweise kam Rose ihm zur Hilfe und erklärte „Simon hatte leider nicht viel Glück im Leben. So ähnlich wie ich damals…“

Und sie brauchte nicht mehr ins Detail zu gehen damit die alte Dame verstand, was ihre Tochter damit andeuten wollte. „Ah“, murmelte sie mit strenger und ernster Miene und gab etwas Zucker in ihren Kaffee. „New York… ich hasse diese Großstädte. Nichts als kriminelles Gesindel und vermüllte Straßen. Da kann man nicht einmal nachts auf die Straße gehen, ohne Angst zu haben, dass man entweder ausgeraubt, vergewaltigt oder umgebracht wird. Oder alles zusammen… Mach dir mal nichts draus, Junge. Wenn du in diesem Höllenloch nichts findest, dann findest du hier alle Male einen vernünftigen Job.“

„Oma!“ warf Charity ein. „Also so schlimm finde ich New York nun auch wieder nicht. Und du kannst eine Großstadt ja wohl kaum mit einer Dorfgemeinde vergleichen.“

Doch Grace blieb bei ihrer Meinung und schüttelte den Kopf. „Diese Stadt hat nur Unglück über unsere Familie gebracht. Meine Schwester wurde in dieser Stadt ermordet, eure Tante hat die Hölle durchgemacht und ihre Kinder verloren. New York wird immer als Weltstadt angepriesen, aber es ist verdreckt, überfüllt und voller Krimineller! Niemand, der klar bei Verstand ist, sollte dort leben.“

„Ach was, es ist nicht so schlimm“, beruhigte Cypher sie und lachte. „Man muss nur halt an die Großstadt gewöhnt sein, das ist alles. Es lässt sich dort eigentlich ganz gut leben wenn man weiß wo. Und außerdem haben wir dort unsere Liebsten kennen gelernt.“

Hier wanderten Simons Gedanken wieder zu Leron und er sah nach draußen in den Garten. Immer noch regnete es wie in Strömen und er hoffte, dass er wohlbehalten ankam. Ob er überhaupt hierher finden würde? Vielleicht kam er ja mit dem Taxi. Er begann unruhig auf seinem Blaubeer-Cupcake zu kauen und konnte der Tischkonversation nur am Rande folgen. Cypher, Grace, Scott und Rose begannen sich angeregt zu unterhalten und die Stimmung war fröhlich und ausgelassen. Es fühlte sich an, als wären sie schon immer Teil dieser Familie gewesen. Und doch konnte Simon sich nicht wirklich konzentrieren. Nicht solange er noch auf Leron warten musste. „Ist alles in Ordnung?“

Erst jetzt bemerkte er, dass Charity ihn direkt anschaute und ihre strahlend blauen Augen mit dem etwas zu gutmütigen Blick betrachteten ihn besorgt. Sofort versuchte der 21-jährige wieder geistlich ins Geschehen zurückzukehren, fand jedoch keinen roten Faden und hatte nicht einmal mehr die Frage im Kopf. „Entschuldige, ich… ich war in Gedanken versunken. Ähm… was wolltest du wissen?“

„Du siehst so bedrückt aus“, versuchte die 27-jährige zu erklären. „Fühlst du dich nicht wohl?“

„Doch schon, aber ich mache mir Sorgen, ob Leron bei dem Unwetter überhaupt hierher findet.“

„Leron? Ist das dein Freund?“

Simon spürte, wie er rot wurde und nickte ein wenig verlegen. Hieraufhin grinste Charity fröhlich und konnte sich ein „Ach wie süß!“ nicht verkneifen, wobei selbst ihr Freund Jesse bei dieser Reaktion schmunzeln musste. Und nun konnte sie nicht mehr an sich halten und wollte daraufhin alle Details wissen. Sie begann ihn unentwegt mit Fragen zu löchern und gab ihm gar nicht erst die Chance zu antworten. „Wie ist er denn so und wo habt ihr euch denn kennen gelernt? Seit wann seid ihr zusammen und als was arbeitet er? Gibt es bei euch eine bestimmte Rollenaufteilung oder seid ihr…“

„Cherry, immer eines nach dem anderen“, musste Jesse sie bremsen. „Immer musst du andere komplett überfallen.“

„Ich kann halt nicht anders“, gestand sie und lachte verlegen wobei sie Jesses Hand nahm. „Ich liebe halt Romanzen.“

Irgendwie hat sie die Unschuld eines Kindes, dachte sich Simon während er die beiden beobachtete. Mit Sicherheit war es mit den beiden so ähnlich wie bei Cypher und Hunter, nur halt ohne diesen eigenwilligen Fetisch. Zumindest machte seine Cousine nicht wirklich den Eindruck, als würde sie auf Horrorfilme, Blut, Gedärme und Hardcore BDSM stehen. Vielleicht waren sie ja so was wie die Light-Version von Cypher und Hunter. Und noch etwas musste Simon erkennen: irgendwie ließ sich eine gewisse Gemeinsamkeit bei der Partnerwahl erkennen. Das war fast schon unheimlich. „Du und Cypher, ihr seid euch echt ähnlich… das ist schon echt gruselig. Man könnte meinen ihr wärt Zwillinge die auf den gleichen Typ stehen…“

„Ach echt?“ etwas überrascht schaute Charity abwechselnd zu Hunter und Jesse. „Stimmt, das ist schon verrückt. Wobei das bei uns eher zufällig ist und sich das mit uns erst im Laufe der Zeit entwickelt hat.“

„Der einzige Unterschied ist, dass dein Freund ausnahmsweise nicht zu den Cohans gehört…“

„Ähm… also das… naja…“ Die Konditorin lachte verlegen und belud sich ihren Teller mit Cheesecake. Zuerst begriff Simon die Reaktion nicht, schaute daraufhin zu Jesse und konnte es immer noch nicht erkennen. Schließlich musste er nachfragen. „Ist Jesse gar kein Wyatt? Er sieht gar nicht wie ein Cohan aus.“

„Mein Vater war ein Wyatt und meine Mutter ist eine Cohan“, erklärte der schweigsame Koch und sein Blick wurde ernst. „Ich trage zwar den Familiennamen Wyatt, aber streng genommen bin ich ein Bastard. Meine Eltern hatten sich geweigert, mich zu verstoßen und haben mich trotzdem großgezogen.“

Nun sah der 21-jährige genauer hin und erkannte tatsächlich, dass Jesses Augen nicht das gleiche Smaragdgrün hatten wie Azarias‘. Sie hatten ein sehr helles Grün und gingen fast ins Gelb hinein. Bislang hatte er nur „Bastarde“ mit unterschiedlichen Augenfarben oder einer einheitlichen Augenfarbe gesehen, aber nicht mit einer Mischung aus beiden Augenfarben. Wieder musste er an Leron denken, vor allem an seine haselnussbraunen Augen, die sich verändern konnten, wenn er einen Anfall bekommen hatte. Und mal wieder war jemand aus der gleichen Familie wie er mit einem Cohan zusammen. Offenbar stimmte die Geschichte tatsächlich, dass Witherfields und Cohans Seelenverwandte waren. Das war schon echt schräg, aber daran würde er sich wohl früher oder später gewöhnen. „Und wie habt ihr euch kennen gelernt?“

„Das ist eine etwas komische Geschichte“, gestand Charity verlegen. „Ich habe ihn sturzbetrunken und halb bewusstlos aufgegabelt und bei uns zuhause ausgenüchtert. Zuerst haben wir uns nur in der Wolle gehabt und dann hat es doch noch zwischen uns gefunkt.“

Das war in der Tat eine wirklich verrückte Geschichte. Irgendwie schien seine Familie ein Talent dafür zu haben, ihre Liebsten unter den seltsamsten Umständen kennen zu lernen. Cypher und Hunter hatten sich in der Psychiatrie kennen gelernt, Charitys Freund war besoffen und halb komatös gewesen und sie war gutmütig oder vielleicht auch naiv genug gewesen, ihn mitzunehmen. Und er hatte Leron durch den Straßenstrich kennen gelernt. Hoffentlich war das nicht auch so ein Witherfield-Ding wie die Seelenverwandtschaft mit den Cohans…

Nun aber konnte Charity nicht mehr an sich halten und fragte Simon erneut wegen Leron aus. Da die Katze eh schon aus dem Sack war und er bisher nicht auf Ablehnung gestoßen war, beschloss er die ganze Geschichte zu erzählen. Er erzählte, wie Michael ihn auf dem Straßenstrich aufgegabelt, ihn zu seinem Loft gebracht und ihn dort fast umgebracht hatte und wie er von Leron gerettet und ins Krankenhaus gebracht worden war. Auch wie er Leron drei Jahre später wiedergetroffen hatte, erzählte er in oberflächlichen Details und wie sie später ein Paar geworden waren. Es fühlte sich zuerst etwas merkwürdig an, über seinen „Job“ zu reden, vor allem vor seiner Verwandtschaft. Aber nachdem ihn Grace und Rose bereits vorurteilsfrei akzeptiert hatten, gab es ihm auch eine gewisse Selbstsicherheit, dass er über seine Vergangenheit reden konnte, ohne wie ein Aussätziger behandelt zu werden. Vielleicht hatte er sich auch viel zu viele Gedanken gemacht.

Schließlich war es Jesse, der mehr wissen wollte. „Also damit ich das richtig verstehe: Leron hat dich ausgetrickst, damit du diesem Vertrag zustimmst. Und jetzt seid ihr ein Paar? Also ehrlich gesagt klingt das nicht gerade nach einer gesunden Beziehung. Das klingt eher danach, als wäre er mehr darauf aus, dich zu besitzen wie so ein Christian Grey.“

„Ja die Beziehung hatte einen sehr merkwürdigen Anfang“, gab Simon etwas verlegen zu. „Und Leron hat es nicht sonderlich geschickt angestellt, aber wir haben alles klären können und uns offen ausgesprochen. Es mag nicht danach klingen, aber Leron und ich lieben uns sehr.“

„Naja, ich sollte nicht so verurteilend sein“, meinte Jesse schließlich und zündete sich eine Zigarette an. „Cherry und ich haben uns ja auch unter ziemlich eigenwilligen Umständen kennen gelernt. Und wäre sie nicht so hartnäckig gewesen, dann wäre aus uns nichts geworden. Damals dachte ich noch, sie ist einfach nur treudoof aber im Nachhinein bin ich schon dankbar dafür. Hätte sie nicht so geklammert, dann hätte ich meine Mutter wahrscheinlich nie wieder gesehen und ich wäre entweder an einer Alkoholvergiftung gestorben oder hätte mir anderweitig die Kugel gegeben.“

Klingt danach, als hätte er viel durchgemacht, dachte sich Simon und musste wieder an seine eigene Vergangenheit denken. Wer weiß, wo er heute wäre, wenn Leron damals nicht gewesen wäre, um ihn zu retten. Mit großer Wahrscheinlichkeit wäre er in diesem Loft gestorben. Und allein der Gedanke daran ließ ihn erschaudern. Um sich irgendwie abzulenken, nahm er sich einen von den Erdbeercupcakes und aß einen Bissen. Als er sich in ein nachdenkliches Verschweigen vertiefte, bemerkte er, dass Jesse ihn schon die ganze Zeit mit einem etwas rätselhaften Blick ansah, den er nicht so wirklich zuordnen konnte. „Ist irgendetwas?“

Hieraufhin wandte Jesse den Blick ab und schüttelte den Kopf. Er machte einen noch trübsinnigeren Eindruck, aber vielleicht wirkte es auch einfach nur so. „Ich hatte nur gerade so ein Gefühl“, meinte er schließlich. „Mit deinem Freund wirst du auf jeden Fall noch eine ziemlich große Überraschung erleben.“

„Wie meinst du das?“

Hier zuckte der Koch nur mit den Schultern und nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette. „Mein siebter Sinn sagt es mir halt.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Menschenskinder, Petboy Contract geht schon bald aufs dritte Jahr zu und ich kann es nicht glauben, wie weit wir schon mit der Story sind. Umso merkwürdiger fühlt es sich an weil die Geschichte fast vorbei ist. Es werden allerhöchstens nur noch ein oder zwei Kapitel folgen, danach folgen nur noch kleine Bonuskapitel, die noch mal die Charaktere beleuchten, die nur am Rande aufgetaucht sind. Aber keine Sorge! Eine Fortsetzung zu Petboy Contract ist in Planung und viel werde ich nicht verraten, aber es wird auf jeden Fall ein besonderes Licht auf Lionels Vergangenheit und seine Familie werfen und ein wenig erklären, warum er so ist. Und natürlich will ich immer noch das Spin-Off mit Cypher und Hunter schreiben. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Drachenprinz
2019-01-31T18:25:31+00:00 31.01.2019 19:25
Aww, ich find's ja so toll, dass Simon sich so gut mit seiner Familie versteht bis jetzt! ^-^ Bisher sind die mir auch alle sehr sympathisch, und auch die Beschreibung des Cafés find ich sehr ansprechend. Bei dem Unwetter find ich das irgendwie auch voll atmosphärisch... Ich steh ja auf Regen. xD Am liebsten würde ich da jetzt auch sitzen und ein Stück Kuchen essen!
Jesse scheint ja ziemlich cool auszusehen. Ich meine, Hunter und Cypher find ich optisch ja auch super. ^^ Und Charity... "Welche Rollenverteilung habt ihr?" XD Ja, muss Simon ihr jetzt was von wegen Uke und Seme erklären oder was? :'D
Ganz toll finde ich aber irgendwie auch Grace. Sie hat so einen richtigen 'Alte Damen-Charme', falls das irgendwie verständlich klingt. *lol* Sich die ganze Zeit über Großstädte aufregen und ihrem Enkel als erstes mal sagen, dass er zu wenig auf den Hüften hat. Ja, dafür ist eine Omi ja da - sie kann ihn ja jetzt mit Schokolade füttern. :'3 Dieser Satz auch von ihr, "Du hast ja eine schmalere Taille als ein 20-jähriger David Bowie mit Magersucht“, da musste ich so lachen. XDD Wie schön, dass du David Bowie hier eingebracht hast! Und Recht hast du bzw. Grace ja auch, der Gute war wirklich sehr schmal früher. Naja, Simon ist ja auch generell sehr zierlich, oder? Ich stell ihn mir ja immer ziemlich knuffig vor. ^^
Na dann fehlt ja jetzt nur noch Leron in der Runde! Mit dem Ende des Kapitels hast du es aber echt mal wieder spannend gemacht. Was das wohl für eine Überraschung sein wird, die Simon da noch erleben soll? Hoffentlich keine Schlechte! Ging ja aus der Vorhersage nicht hervor, ob positiv oder negativ. °-°
Antwort von:  Sky-
31.01.2019 20:55
Ja mit der Familie hatte ich ziemlich viel Spaß gehabt, vor allem weil ich mal die Chance gut ein kleines Update hatte. Jesse, Charity und Grace sind ältere Charaktere von mir und sind vor knapp fünf Jahren entstanden. Damals waren sie ziemlich klischeehaft. Jesse war durch ein Trauma bedingt gefühlsblind, Charity war eine treudoofe Jungfrau in Nöten und Grace eine strenge Oma. Zwar habe ich ein paar Charakterzüge beibehalten, aber sie wirken weniger eindimensional. Grace hat Sinn für Humor und ist eind typische Oma die zwar streng sein kann, aber auch einfach nur liebenswürdig ist. Und Charity erscheint zwar als ein wenig zu sorglos und direkt, aber die kann auch ziemlich gerissen sein wenn sie will.

Und ja, Simons zierlicher Körperbau ist quasi eine Art Running Gag weil er immer so dünn aussieht obwohl er einen recht gesegneten Appetit hat.

Hehe, ich verrate nicht zu viel aber die Überraschung folgt im Epilog. Jesses siebter Sinn war in der Originalgeschichte "Das triste Leben des Jesse Wyatt" ähnlich stark ausgeprägt wie Azarias' weil er Tode und glückliche Events in seinen Träumen sehen konnte und er konnte vieles erahnen, was in der Zusammenarbeit passieren würde, wie zum Beispiel die Lottozahlen. Aber er sah seine Gabe immer als Fluxh an und begann deshalb zu trinken.

In dieser Story kann er zukünftige Events ebenfalls erahnen, aber er behält es für sich um die Überraschung nicht zu verderben und damit er die Zukungt nicht vollkommen durcheinander bringt. Ich sage nur: Schmetterlingseffekt!
Von:  Eri-chan
2019-01-05T21:24:17+00:00 05.01.2019 22:24
Also ich würde mich freuen wenn du mich vielleicht über ENS benachrichtigen würdest wenn du die Fortsetzung Schreibst. Es ist schon interessant etwas mehr über Lionel und seine Familie zu erfahren.

Vlg Eri
Antwort von:  Sky-
06.01.2019 09:59
Klar kann ich dir eine ENS schreiben sobald die Fortsetzung losgeht.

LG Temmie
Von:  Arya-Gendry
2019-01-05T18:37:41+00:00 05.01.2019 19:37
Hi
Wieder mal ein Super Kapitel.
Man kann es echt kaum glauben das es schon drei Jahre her ist. Aber ich freue mich schon auf eine Fortsetzung und auch auf die anderen Storys die da noch kommen. ;)
LG.


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