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Urlaubsreif^3

Die Zwei machen mich fertig!
von

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Freitag 29.7.

Er konnte nicht mit Gewissheit sagen, wie spät es war, als er am nächsten Tag aufwachte, nur, dass es deutlich später war als die bisherigen Tage seines katastrophalen Aufenthalts im Hotel. Woher er das so genau wusste? Es war bereits wieder hell und Mokubas Bett leer. Damit musste es mindestens nach zehn Uhr sein. Erstaunlicherweise ließ Seto sich davon aber nicht stressen, sondern tapste barfuß ins Bad, duschte sich kurz warm ab und trat nur mit einem Handtuch um die Hüften ins Wohnzimmer. Auf den Weg zum Schrank im Schlafzimmer rief er laut „Mokuba“, erwartete aber nicht wirklich eine Antwort. Es war viel zu still gewesen, als er ins Bad gegangen war. Wahrscheinlich war er bereits am Strand oder saß auf der Terrasse. Sein Blick wanderte nach draußen in feinstes Regenwetter. Das waren dann wohl die Wolken, die sich am Abend bereits zusammengezogen hatten.

„Als ich mich auf den Weg gemacht habe, hat er gerade zugehört, wie Martine und Clara gemeinsam Klavier spielen.“

Setos Blick huschte weiter zum Sofa, auf dem er einen blonden Schopf ausmachen konnte, der sich nun langsam aufrichtete und sich zu ihm umdrehte.

„Sie hatte ihn eingeladen bei dem Schmuddelwetter ihr mit den Zwillingen etwas zu helfen. Und ich bin für Yuki eingesprungen. Außerdem hat Shin heute frei“, klärte Chef ihn über die Gründe dieser seltsamen Situation auf. Zumindest schien es ihn nicht im mindesten zu irritieren, dass der andere nicht wirklich bekleidet war.

„Gut zu wissen.“ Betont gleichgültig setzte Seto den Weg zu seiner rettenden Kleidung fort. Auch wenn es zum Erreichen seiner Sachen unnötig war, öffnete er beide Schranktüren, um einen Sichtschutz beim Anziehen zu haben. Ohne zu Überlegen griff er einfach nach dem Obersten auf den Stapeln und war froh, dass Hose und Hemd irgendwie zusammen passten. Dann kehrte er ins Wohnzimmer zurück, sah auf dem Esstisch sein gerichtetes Frühstück und setzte sich kommentarlos hin. Aus den Augenwinkeln sah er, Chef irgendetwas lesen, aß aber einfach seinen Grießbrei mit roter Grütze und starrte hinaus in den grauen Tag.
 

„Es tut mir Leid.“ Er hatte aufgegessen und es war nur noch eine Frage von Minuten, bis Chef aufstehen und gehen würde. Mit banger Erwartung sah er zu ihm hinüber.

„Was?“

„Alles.“

„Ich hatte gedacht, Sie hielten das für meinen Text“, erwiderte Chef, nicht auf das letzte Wort eingehend.

„Sie sind doch eh nur hier, weil Martine oder Ihr Vater Sie hierher geschickt haben.“ Die familiäre Beziehung betonte Seto, was dem anderen anscheinend ein Lächeln entlockte.

„Hätte einer der beiden es gewagt auf mich einzuwirken, wäre ich bereits gestern Abend hier aufgetaucht mit der teuersten Flasche, die der Weinkeller zu bieten hat.“

„Schade.“

„Wirklich schade, denn Dad hält die Hand auf diese Flasche. Ohne seine Erlaubnis darf ich da leider nicht dran. Aber vielleicht kann ich ihn überzeugen, dass Sie ihn ganz dringend zu Ihrer Genesung brauchen...“

„Wenn er wenigstens gut schmeckt.“

„Und wie er das tut! Ein vollständiger Karton zu Dads dreißigstem Geburtstag, damals wie heute ein kleines Vermögen, aber inzwischen ist nur noch eine Flasche übrig. Tut es denn noch sehr weh?“

„Nur wenn ich lache.“

Chefs Mundwinkel zuckten, doch er bemühte sich sachlich zu bleiben. „Dann sind Sie ja bereits wieder schmerzfrei! Und ich hatte mir noch Sorgen gemacht, dass...“ Als hätte er mehr gesagt als er wollte, brach er mitten im Satz ab. „Wie dem auch sei. Es tut mir Leid, was gestern vorgefallen ist. Sie erhalten natürlich eine entsprechende Rückerstattung ihrer Aufenthaltskosten anstelle des in diesem Falle üblichen Schmerzensgeldes und ...“

„Ist das wirklich der Grund, weswegen Sie hier sind?“, wollte Seto von ihm wissen. In diesem Kontext war ihm alles Geld der Welt egal. Chef war mit ihm in einem Raum und sie sprachen tatsächlich miteinander ohne, dass die Kälte der letzten Tage zwischen ihnen herrschte. „Das hätten doch auch Matt oder Yuki mit mir besprechen können.“

„Yuki hat heute viel zu tun.“

„Aber Matt wird bei diesem Wetter doch wohl kaum die Beete neu bepflanzen?“ Er spielte ein gefährliches Spiel, das wusste er. Ein falsches Wort von ihm und Chef war wieder zur Tür hinaus, aber er musste einfach der Sache auf den Grund gehen.

„Naja, ich wollte wirklich wissen, wie es Ihnen geht. Sobald ich wieder etwas klarer denken konnte, war ich über mich selbst erschrocken, dass ich mich einfach so vergessen habe – schließlich sind Sie nach wie vor ein Gast“, gab Chef kleinlaut zu. Enttäuschung machte sich in Seto breit. Es ging also nur mal wieder um den Ruf des Hotels, nicht um ihn als Individuum.

„Aber jetzt haben Sie mich neugierig gemacht. Was meinten Sie vorhin mit 'Alles'?“

Seto musste hart schlucken. Sollte er wirklich? Auf der anderen Seite würde er eine solche Chance nie wieder erhalten, also fing er leise an zu erklären, den Blick dabei auf seine Hände vor ihm auf dem Tisch gesenkt: „Ich meine damit wirklich alles, was ich Ihnen bisher angetan habe. Angefangen mit meinen Worten Ende März. Ich habe die ganze Situation nicht verstanden – und verstehe sie, um ehrlich zu sein, immer noch nicht. Wieso haben Sie sich adoptieren lassen?“

Chef antwortete nicht direkt, sondern stellte fest: „Aber Sie haben sich doch auch adoptieren lassen. Was waren Ihre Beweggründe?“

„Ja, das stimmt schon, doch es waren die Falschen. Damals dachte ich es wäre der einzige Weg aus dem Waisenhaus zu kommen, doch inzwischen... Ich habe lange darüber nachgedacht, ob es damals die richtige Entscheidung gewesen ist und schwanke je nach Tag mit der Antwort. Ich hatte einfach nur erwartet, dass Sie aus meinen Fehlern etwas gelernt hätten. Und dann ausgerechnet Pegasus! Auch wenn wir mittlerweile viel zusammen arbeiten, herrscht doch immer noch eine gewisse Rivalität zwischen unseren Firmen. Und … Vermutlich war es aber zu einem großen Teil einfach nur die Eifersucht, dass er Ihnen so nahe steht.“

Es blieb still und so sprach Seto weiter: „Und dann ist da noch mein Verhalten Ihnen gegenüber während unserer Schulzeit. Wie viel Sie mir bedeuten, habe ich erst danach wirklich realisiert. Wie selbstverständlich Sie für mich waren.“

Allmählich konnte er seine Gefühle nicht mehr unterdrücken. All der Kummer, der sich in den vergangenen Tagen in ihm angehäuft hatte, bahnte sich seinen Weg an die Oberfläche. Eine erste, einsame Träne rollte ihm über die Wange.

„Und obwohl ich ein solches Scheusal war, war ich Ihnen anscheinend wirklich wichtig. Die ganzen Jahre über, auch noch nachdem wir uns nicht mehr gesehen haben. Und...“

Die nächsten Tränen traten ihre Reise an, wurden aber dann urplötzlich sanft weggewischt. Dass Chef so hinter ihm stand, als wäre er in der Tür zum Flur umgekehrt, war ihm in diesem Moment egal. Er vermied immer noch seinen Blick und starrte dafür lieber auf seine eigenen Hände.

„Wie kommen Sie zu diesem Schluss“, fragte Chef leise.

„Ich hatte Besuch von Ryan.“

Verblüfft ließ sich Chef auf den Stuhl neben Seto fallen. „Wie bitte?!“

„Die Ähnlichkeit zwischen mir und ihm ließ sich nicht leugnen.“

„Ja, das schon. Reiner Zufall. Ihr seit grundverschieden. Aber was wollte er bei Dir?“

„Mir alles Gute mit Ihnen wünschen. Danach war ich so durcheinander, dass ich leider Ihre Abfahrt verpasst habe und ...“ Doch weiter kam Seto nicht, denn Chef war schon wieder aufgesprungen und lief nun aufgebracht hin und her.

„Wie kommt der Kerl dazu bei Dir einfach so aufzutauchen und Dir ein nettes Leben mit mir zu wünschen?!“

„Er hatte wohl schon eine ganze Weile einen Termin.“

„Achja? Super Timing! Immerhin hat er es so zwar geschafft, dass ich endlich von Dir loskomme. Aber das ist doch total bekloppt!“, wetterte Chef noch eine Weile vor sich hin, doch Seto hatte auf Durchzug gestellt. Es war vorbei. Alles zu spät und verloren. Langsam erhob er sich und ging hinüber zur Terrassentür.

„Entschuldigung. Ich wollte mich nicht aufdrängen.“

Was kümmerte ihn schon das bisschen Regen? Oder dass seine Socken jetzt nass wurden, als er über das feuchte Holz lief? Ganz offensichtlich wollte ihn Chef nicht mehr. Fühlte nicht das geringste für ihn. Da konnte Marik ihm auch noch so sehr beteuern, wie verschossen er einst in ihn gewesen war. Es änderte an der derzeitigen Situation doch nichts.

Ein starker, warmer Arm schloss sich um seine Hüfte.

„Da geblieben!“, wurde ihm ins Ohr geflüstert, bevor er zurück ins Trockene gezogen wurde. Er sträubte sich nicht dagegen, war jedoch mehr als nur verwirrt, als er in eines der weichen Sofas gedrückt wurde. Ihm gegenüber nahm Chef Platz und musterte ihn kritisch. „Da lässt man dich einmal aus den Augen und du versuchst gleich dir eine Lungenentzündung einzufangen! Hast du eine Ahnung wie weit der nächste Arzt weg ist? Nur weil ich ein bisschen tobe, musst du doch nicht gleich Reißaus nehmen! Früher hättest du mich stattdessen doch einfach vor die Tür gesetzt und fertig – oder ignoriert.“

„Bei dem Wetter schickt man doch keinen Hund raus!“, schoss es Seto automatisch über die Lippen, was Chef ein Lächeln entlockte.

„Na bitte, geht doch! So gefällst du mir schon gleich viel besser. Ich meine...“

Keiner von ihnen hätte sagen können, wie diese Situation plötzlich so peinlich geworden war.

„Ist schon in Ordnung“, nuschelte Seto verlegen zurück. „Die Heulsuse steht mir nicht besonders, oder?“

„Nicht im Geringsten. Auch wenn es mal ganz nett war, zu sehen, dass du zu so viel Emotion in der Lage bist.“

„Das kommt halt davon, wenn man sich die ganze Zeit fragen muss, weswegen sämtliche Ihrer Ex-Freunde brünett und blauäugig sind.“

„Nicht alle“, warf Chef verteidigend ein. „In den letzten Monaten hat sich das ein bisschen geändert.“ Doch als er sah, dass Seto schon wieder aufspringen wollte, setzte er sich kurzer Hand auf dessen Knie, was ihm einen unfairen Größenvorteil verschaffte. Seto musst nämlich nun definitiv zu ihm aufschauen – oder auf seine sich hebende und senkende Brust. Dorthin, wo er nur das Herz erahnen konnte, von dem er nicht wusste, dass es so heftig schlug wie sein eigenes.

„Tut mir leid. Die ganze Situation hier ist einfach auch für mich etwas seltsam. Anders als im Februar liegen jetzt alle Karten offen und – es ist einfach nur komisch, dass du, jetzt wo ich dich aufgegeben habe, auf einmal all die Dinge sagst, die ich all die Jahre von dir hören wollte.“

„Du brauchst mir nicht sagen, dass ich ein Arsch bin. Das haben schon andere für dich erledigt“, erwiderte Seto kühl. So sehr er auch Chefs Nähe wollte, im Moment nervte ihn eher seine eingeschränkte Bewegungsfreiheit.

„Welche anderen?“

Er musste nicht aufsehen, um zu wissen, dass Chef ihn mit den gleichen großen Augen wie früher ansah. Er tat es trotzdem. So zählte er nun auf: „Marik, Ryo, Ihr ehemaliger Französischlehrer, Ihre Nachbarin, der Koch des Traditionell. Sogar Nereida hat mir den Kopf gewaschen! Was auf High Heels nicht gerade lustig war.“

„Auf High Heels?“

Wieso war zu erwarten gewesen, dass er sich ausgerechnet diese Aussage herauspickte?

„Das tut nichts zur Sache. Ich wollte einfach nur die Damenschritte lernen. Der Punkt ist folgender: Für eine Minute Gespräch über Sie durfte ich mich in der Regel fünf Minuten beschimpfen lassen. Oder bekam zumindest meine eigenen Fehler um die Ohren gehauen. Übrigens Entschuldigung für meine Worte am Tag der Beerdigung. Ich hatte keine Ahnung was vorgefallen war.“ Er hatte angenommen Chef würde ihn an dieser Stelle unterbrechen, doch es kam nichts. So sprach er einfach weiter: „Auf jeden Fall sahen Sie verboten gut aus in diesem Anzug. Nicht, dass Ihnen die Schuluniform nicht auch sehr gut gestanden hätte. Sie wollen nicht wissen, was für Fantasien ich heute noch dazu habe... Und Entschuldigung für all die anderen fiesen Sprüche. Ich hätte mir etwas anderes zum abreagieren suchen sollen. Und auch irgendwie lernen, meine Gefühle richtig zu deuten. Und besser hinzusehen. Aber Sie hatten sich so sehr verändert – zum Guten wie ich betonen will. Außerdem dachte ich, ich sehe dich nie wieder, nachdem ich dich nach dem Schulabschluss nicht mehr in Domino finden konnte.“

„Irgendwas? Nicht 'irgendwen'?“

„Wie bitte?“ Seto blinzelte verdutzt zu Chef hoch.

„Du hast gerade eben gesagt ' Ich hätte mir etwas anderes zum abreagieren suchen sollen'. Nachdem ich wirklich für dich hoffe, dass du mich nicht einfach nur als Ding siehst, muss das wohl heißen, dass du dich dennoch an mir abreagieren wolltest.“

„Ja... ? Aber verstehen Sie das jetzt nicht falsch! Mit abreagieren meine ich nicht... Ich meine...“

Panik brach in Seto aus und er sah keinen Weg die Sache wieder richtig darzustellen. Vor allem nicht, als Chef einfach sein Gestammel unterbrach: „Seto Kaiba, du bist so ein verdammter Idiot!“ Merkwürdig war allerdings, dass er dabei nicht wütend klang. „Du kommst hierher, stiftest ein paar der Menschen, die mir am allermeisten auf dieser Welt bedeuten, an dir zu helfen, lieferst eine Entschuldigung aus dem Bilderbuch ab – es fehlt nur noch, dass du vor mir auf die Knie gehst – und dann bist du so leicht aus dem Konzept zu bringen. Ich fasse es nicht! Ich fasse es echt nicht! Ich muss im falschen Film sein! Wo sind die versteckten Kameras – oh bitte, ich hätte so gerne eine Aufnahme von diesem Gesichtsausdruck! Am besten mit Autogramm, um es in meinem Büro aufzuhängen.“

Ungläubig, mit offen stehendem Mund starrte Seto den anderen an, der wohl gerade den Verstand verloren haben musste. Immer noch auf seinen Knien – mittlerweile wohl eher dem Schoss sitzend – kugelte sich dieser vor Lachen. Minute um Minute. Irgendwann kippte er doch seitlich weg und plumpste neben ihm auf die Polster. Etwas ernüchtert, aber noch nicht wieder ganz Herr der Lage, wandte er sich erneut Seto zu. „Um es kurz zu machen – denn ich glaube darum geht es dir vor allem. Ich verzeihe dir – vorausgesetzt du kannst mir verzeihen.“

„Was soll ich Ihnen denn verzeihen?“, fragte Seto vorsichtig nach.

„Verdammt nochmal! Hör endlich auf mich zu siezen! Das ist ja furchtbar mit dir!“

„Sag mal, bist du betrunken?“

„Nein, bin ich nicht. Aber du wirst vermutlich was zu Trinken brauchen, wenn ich fertig bin“, erwiderte Chef plötzlich ernst. Seto nickte nur und sah, wie sein Sitzpartner hart schluckte. „Dann fangen wir also mal von vorne an. Ich wusste vom ersten Moment an, dass du es warst. Ein Blick aufs Video vom Tor hat gereicht. Und auch wenn – keine Ahnung woher du das weißt – du Recht mit der Annahme hast, dass ich ziemlich lange ziemlich heftig auf dich stand, so wollte ich dich einfach nur leiden lassen. Deinen gesamten letzten Aufenthalt über habe ich dich nach Strich und Faden vorgeführt und mit dir gespielt, immer darauf lauernd, dass dir endlich ein Licht aufgeht. Das ich mir da wohl auch selbst was vorgespielt habe, ist mir erst in Domino aufgefallen. Aber so wie die Dinge nun mal gelaufen sind, hatte ich danach echt keinen Bock mehr auf dich. War eigentlich ganz angenehm beim Sex nicht ständig über dich zu fantasieren. Oh, und ich hab eines deiner Bilder als Zielscheibe fürs Messerwerfen missbraucht.“

Das brachte das Fass dann doch zu überlaufen. Es war eine Sache, wenn man mit seinen Gefühlen spielte, aber niemand, wirklich niemand, schmiss Messer nach ihm! Schwungvoll holte Seto mit der linken Hand aus und verpasste Chef eine schallende Ohrfeige. Anschließend stand er auf und ging in die Küche hinüber. „Was willst du zur Desinfektion?“

„Absinth!“

„Ist keiner da.“

„Dann nimm den Marillenschnaps, von dem müsste noch reichlich da sein.“

„Gefunden. Äußere oder innere Anwendung?“

„Innere. Ausschließlich innere. Und bring Gläser mit. Der Schnaps ist zu schade, um ihn direkt aus der Flasche zu trinken.“

Seto kam zurück, stellte die Gläser vor ihnen ab und goss dann sehr großzügig ein.

„Worauf trinken wir?“

„Auf zwei Sturköpfe, die sich endlich sagen sollten, dass sie sich lieben. Au! Wieso musstest du so fest zuhauen?“

„Weil du lange darauf warten kannst, dass ich dir das andere ins Gesicht sagen werde. Außerdem sind wir jetzt so quitt. Zum Wohl!“, stürzte Seto seinen Schnaps in einem Zug runter und goss sich gleich nach.

„Eisklotz!“, folgte Chef seinem Beispiel, kam aber nicht mehr dazu sich nachzuschenken. Sanft drehte Seto ihn mit der Hand, die ihn erst noch geschlagen hatte, zu sich hin.

„Schon möglich, Hündchen. Aber du vergisst, dass man mit Eis wunderbar Wangen kühlen kann.“ Zaghaft, aus Angst er würde zurückzucken, küsste er die leicht geschwollene Backe.

„Lüge! Deine Lippen sind definitiv zu heiß als Kühlpadersatz. Aber mir fällt da gerade was ein, wofür sie genau richtig sind.“ Ohne Vorwarnung saß Chef wieder auf Seto, nur, dass er ihn diesmal bestimmt an die Rückenlehne presste, seinen Kopf in den Nacken legte, die Hände in der Nähe dieses in die braunen Haare vergraben. Atmen wurde absolut überbewertet. Zumindest wenn es nach Seto ging, den noch nicht einmal mehr die Ameisen störten, die mit einer Horde Elefanten in und auf ihm eine Party feierten. Heiß und kalt fuhr es ihm den Rücken runter, als er den Kuss erwiderte.
 

„Achtung! Kleiner Bruder im Anmarsch“, rief Mokuba vom Flur aus, während er die Haustür schloss. In seinem derzeitigen Gesichtsfeld war nichts Verdächtiges zu entdecken, dafür machte ihn allerdings die herrschende Stille nervös. Vorsichtig linste er an der Tür zum Wohnzimmer zuerst nach rechts und dann nach links.

„Was macht ihr da!“, schrie er ungläubig auf und schreckte so seinen Bruder und den anderen jungen Mann aus ihrem Treiben auf.

„Hallo, Mokuba. So früh hatte ich dich noch gar nicht zurückerwartet.“

„Es ist fünf Uhr nachmittags, Joey!“ Eine Reduktion der Lautstärke war anscheinend aktuell nicht im Rahmen des Machbaren.

„Und? Das heißt nur, dass es in einer Stunde Essen geben wird – ergo sind die Zwillinge momentan besonders hibbelig und brauchen unbedingt Bespaßung.“

„Das hab ich schon den ganzen Tag über gemacht. Außerdem kann ich ja wohl mal kurz nach meinem Bruder sehen, ob er noch lebt. Seto, was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?“

Gekonnt ignorierte dieser den vorwurfsvollen Blick. „Ich weiß gar nicht, was du hast. Wir spielen Go, sind vollständig bekleidet, trinken Tee und essen ein paar Kekse.“

„Ja, aber das sind MEINE KEKSE.“

„Nö, Moki, um genau zu sein, sind das Martines. Aber verrat ihr nicht, dass wir an ihr Geheimversteck sind. Deine Kekse sind noch an ihrem sicheren Platz im hintersten Schrankfach im Kinderzimmer.“

„Woher...“

„Wie lang kennen wir uns? Aber gut, dass du da bist. Dein Bruder hat eh verloren und ich sollte noch ein wenig arbeiten, wenn die Planung für morgen funktionieren soll. Gute Nacht, Kühlschrank.“ Anmutig stand Chef auf, beugte sich quer über den Tisch zu Seto, küsste ihn auf den Mund und war nur Augenblicke später im Flur verschwunden.

Sobald die Haustür ins Schloss gefallen war, brach es aus Mokuba endlich heraus: „Was. War. Das?!“

„Ein Kuss unter Freunden“, antwortete Seto kleinlaut.

Daraufhin ließ sich Mokuba einfach dort, wo er stand, auf den Boden plumpsen. „Du machst mich echt fertig.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Onlyknow3
2017-07-25T20:30:42+00:00 25.07.2017 22:30
So bis hier her habe ich gelesen, den rest lese ich auch noch. Mir gefällt die Geschicht, die in all ihren drei Teilen einfach super ist.
Weiter so, freue mich auf die anderen Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  Kemet
2016-09-20T00:43:11+00:00 20.09.2016 02:43
Im Grunde kann ich Seelendieb zustimmen. Die Szene mit Mokuba regte zwar zum Grinsen an, passte aber nicht zur Gänze hinein, zumal die Geschwindigkeit eine Andere war.
Positiv aber fand ich, dass sie sich ausgesprochen haben. Ich fand es gut, wenngleich ich mir auch etwas mehr Leidenschaft gewünscht hätte. Was nicht ist, kann ja noch werden. Mit der Ohrfeige hatte ich selbst nicht gerechnet. Beide, ohne Wenn und Aber, sind derartige Sturheinis, dass einem Angst und Bange wird. Aber immerhin bewegen sie sich wieder auf einem Level, welches ihnen Sicherheit gibt. Ich bin bloß gespannt, wann Seto genau das tut, um was Joey gebeten hatte. Drei einfache Worte, die viele Dinge schlichtweg richtig stellen. Immerhin... Immerhin hat ja auch unser Blondschopf indirekt gesagt, dass er ihn liebt, wenngleich er vorher meinte, dass er davon endlich weg sei... Ok, nun bin ich verwirrt... Ihre Aktion sieht nämlich genau nicht danach aus, als das Joey wirklich über Kaiba hinweg wäre...
Ich denke, dass ich abwarten sollte. :)

LG

PS: Was ist die FF-Sektion hier momentan so derartig ausgestorben....
Von:  Seelendieb
2016-09-08T20:16:17+00:00 08.09.2016 22:16
Sehr interessantes und sehr wunderschönes Kapitel!
Die Aussprache hat mir gefallen... Allerdings hier ein Kritikpunkt meinerseits.

Für mich vom gefühl her passt der Part mit mokuba überhaupt nciht rein. Hat in meinen Augen etwas das harmonische Bild zerissen. Ja, ich war so schön im schwärmen und musste tatsächlich drei mal ansetzen... Ansonsten:
Wurde ja mal zeit, dass sie sich endlich aussprehcen.. wobei ich es mir fast schon etwas spektakulärer vorgestellt habe XD
Antwort von:  flower_in_sunlight
09.09.2016 10:53
Noch spektakulärer? Seto heult, Joey hat einen Lachflash, Seto scheuert ihm eine, wir haben einen ausgewachsenen Regensturm, Alkohol und einen Versöhnungskuss. Was willst du mehr?
Ja, .... Mokuba... Ich war noch am zögern, wie ich ab diesem Punkt weiterschreibe. Aber dann wollte ich nicht alles in vollkommenen Kitsch abgleiten lassen - besonders weil das nächste Kapitel da wohl ziemlich grenzwertig werden wird - und gleichzeitig nicht den Tag nur aus dem Gespräch bestehen lassen.


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