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Alice in Magicland

Die Geheimnisse von Taleswood
von

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Greensleeves

Fast fünf Wochen waren seit meinem Einzug ins Salem-Anwesen vergangen und der Alltag war seitdem so routiniert, wie der Lauf der Sonne – morgens Theorie, mittags Training, nachmittags Arbeit. Das bedeutete jedoch nicht, dass es mir keinen Spaß machte. Im Gegenteil: Ich lernte oft noch bis in die tiefste Nacht hinein, nicht um Jack zu beeindrucken, sondern weil es ich mich wirklich faszinierte.

Doch seit eben jenem Abend beim Doc, wusste ich nicht mehr, wie ich mit ihm umgehen sollte. Eine innige, viel zu herzliche Umarmung, genauso wie die Erkenntnis, dass er Gefühle für meine Mutter gehabt hatte, ließen mich wundern, ob er vielleicht auch an mir interessiert war.

Doch diesen Gedanken verdrängte ich nur allzu gern, nicht nur, da Jack sich mir gegenüber seitdem nicht anders verhalten hatte als vorher, sondern auch, weil mir der Gedanke einfach zuwider war. Ist die Mutter unerreichbar, macht man sich an die Tochter ran, oder was? Das konnte ich mir bei ihm nicht vorstellen.

Er hatte bestimmt seine Gründe, warum er sich so sehr um mich kümmerte, und ich hatte meine, ihn nicht danach auszufragen. Lehrer und Schüler... mehr waren wir nicht.

Vom Albtraum jenes Tages konnte ich mich allerdings nicht so leicht lösen. Im Schlaf suchte mich der Gang durch das Laufrad dann und wann heim, mit dem Unterschied, dass es dort erst mit dem Aufwachen endete. Manchmal drehte ich mich um, nur um dann zu merken, wie mir jemand eine Klinge in den Bauch rammte. Wer es war konnte ich jedoch nie erkennen.

Mit der Zeit gab ich auf, mir darum Gedanken zu machen, zumal der Vorfall sich nicht mehr wiederholte. Ich vertiefte mich stattdessen in meine Studien und hatte auch vor, das kommende Wochenende durchzuarbeiten. Doch es sollte anders kommen.
 

Es war ein sonniger Samstagmorgen, Anfang März. Jack war dieses Wochenende mit Freunden auf der Jagd, also gab es keinen Grund, mich mit dem Aufstehen zu beeilen. Ich streckte mich in meinem Bett aus und lauschte dem Klavierspiel, das gedämpft durch die Wand zu Fleurs Zimmer drang.

Es hatte schon etwas Ironisches an sich, dass ausgerechnet in Fleur, die ansonsten alles andere als geschickt war, eine begnadete Pianistin steckte. Heute sang sie auch dazu, mal auf englisch, aber auch auf deutsch und französisch.

Sie hatte mir erzählt, dass sie schon seit ihrer Geburt – oder sollte ich besser Erschaffung sagen? - diese Sprachen fließend beherrschte, genauso wie das Klavierspielen. Ein Stück weit fühlte sich das unfair an, bedenke man doch, wie lange ein Mensch brauchte um auch nur eines dieser Talente zu beherrschen.

„Sie müssen aber wissen“, hatte sie eingeworfen, „dass ich nicht mehr lernen kann, als das, was man mir von Anfang mitgegeben hat. So wie meine Erscheinung ist auch mein Geist auf dem gleichen Stand, wie bei meiner Erschaffung vor 10 Jahren. Ich altere nicht, ich kann mich nicht verbessern und ich werde auch nicht annähernd so lange leben, wie Sie.“

In einem Lexikon stand, dass Homunkuli etwa 20 Jahre alt wurden, bis sie dann eines Tages einfach umkippten, wie eine Marionette, an der man die Fäden kappte. Aber Fleur war anders als ihre Artgenossen.

Sie konnte frei denken, brachte Emotionen zum Ausdruck und war nicht an ihren Schöpfer gebunden. Ihre uneingeschränkte Loyalität Jack gegenüber hatte sie sich selbst ausgesucht.

Doch am wichtigsten: Sie war genauso unvollkommen wie wir. Mindestens einmal die Woche ließ sie irgendetwas fallen, stolperte gerne über Teppiche oder verbrannte sich an etwas. Sie war halt eigentlich nie als Hausmädchen konzipiert worden, doch kam dem trotzdem mit aller Leidenschaft nach, die sie aufbringen konnte.

So was tat kein Homunkulus. Sie beherrschten immer nur eine Aufgabe und diese mit Bravur. Ich hatte deswegen früh für mich festgelegt, Fleur wie einen Menschen zu behandeln, zumal ich sowieso nicht wusste, wie man sonst mit ihresgleichen umging und auch kein Interesse hatte, es herauszufinden.

„Heute könnte ich ja den Tee aufkochen, dann kann sie noch weiterspielen“, sagte ich mir, stand auf und war auf dem Weg ins Bad. Doch als ich an ihrer Tür vorbeiging, hielt ich inne:
 

"Alas, my love, you do me wrong,

to cast me off discourteously,

for I have loved you oh so long,

delighting in your company.

Greensleeves was all my joy,

Greensleeves was my delight,

Greensleeves was my heart of gold,

and who, but my Lady Greensleeves..."


 

Auch wenn ich den Text nicht kannte, kam mir die Melodie seltsam vertraut vor. Eine Erinnerung, tief in meinem Bewusstsein vergraben, aus einer längst vergessenen Vergangenheit. Doch noch etwas Anderes, viel Stärkeres ließ mich verharren.

Fleur sang erst so schüchtern, als wollte sie von niemanden gehört werden, doch gewann mit jeder Zeile mehr Mut. In meiner Brust machte sich eine wohlige Hitze breit, die mich erschaudern ließ. Ihr lieblicher Gesang füllte - selbst durch die Tür gedämpft - den Flur aus, wie ein sanfter Schleier, der sich mit einer angenehmen Schwere auf mich legte.

Ich spürte wie meine Knie weich wurden, setzte mich an ihre Tür und lauschte gebannt. Das Blut in meinen Wangen kochte und mein Atem war zittrig und langsam. Was war denn nur los mit mir? Konnte ich mich denn gerade wirklich in diese Stimme...?

Ich verdrängte den Gedanken mit aller Gewalt. Gerade einmal einen Monat weg und schon waren meine Gedanken nicht mehr bei Thomas? Und dann noch wegen einer Frau... machte das die Situation überhaupt besser, oder schlechter?

Doch je länger ich dagegen ankämpfte, desto mehr keimte sie auf. Diese unbändige Versuchung, das Mädchen hinter dieser Tür küssen zu wollen, so stark, dass ich ihre Berührung auf meinen Lippen spüren konnte. So was hatte ich noch nie zuvor gefühlt. Nicht für einen Mann und erst recht nicht für eine Frau.

„Du könntest jetzt zu ihr gehen. Stell sie dir vor, ihre violetten Augen, die vor Aufregung funkeln, während ihr euch näher kommt... Hör auf so einen Unsinn zu denken! Es wird nicht passieren, du tickst doch gar nicht so! Und sie ist doch noch nicht mal ein Mensch...“ In meinem Kopf kämpften lüsterne Fantasien und eiserne Vernunft um die Vorherrschaft.
 

Ich bemerkte erst, dass Fleur ihr Spiel beendet hatte und die Tür öffnete, als ich plötzlich den Halt an meinem Rücken verlor. Wie immer trug sie ihre schwarze Uniform mit der weißen Schürze, das lange, aschgraue Haar hinter der Haube zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie sah so...

„So aus wie immer, reiß dich zusammen!“,befahl mir meine Vernunft.

„Miss Alice? Was machen Sie denn auf dem Boden?“

Langsam stand ich auf und ordnete meine Gedanken.

„Das Lied...“

„W-Welches Lied, ich habe viele gespielt. Habe ich Sie etwa geweckt?“

„Das am Ende. Wie heißt es?“

„Das war Greensleeves ein altes Volkslied. Master Salem hat es mir beigebracht, oder besser gesagt: Er hat es immer mal wieder während seiner Arbeit gesungen und ich habe es irgendwann auf dem Piano nachgespielt. Es ist ein schönes Lied, nicht wahr?“

Ich nickte wortlos. Greensleeves also. Seine Melodie, gepaart mit ihrer Stimme brannten sich tief in mein Gedächtnis. Fleur wartete verunsichert darauf, dass ich was sagte, doch sah sich nach einiger Zeit gezwungen die aufgekommene peinliche Stille selbst zu durchbrechen.

„Sie... wollen dann wahrscheinlich ins Bad. Ich mache solange das Frühstück fertig. Wir sollten es heute langsam angehen lassen, wenn schon der werte Herr nicht im Haus ist, was meinen Sie?“

„Ja, du hast Recht. Ruhig angehen lassen... Ich übe aber noch ein wenig.“

Sie nickte und ging hinunter in die Küche. Ich sah ihr nach, wie ihr Pferdeschwanz auf und ab wippte. Endlich war mein Kopf wieder klar und mein Herz im Zaum. Ihr Anblick, ihre liebliche Stimme... schwang ich etwas doch in beide Richtungen? Über all das vergaß ich, dass ich doch eigentlich selbst das Frühstück machen wollte.
 

Ich musste feststellen, dass es sich mit einer so aufgewühlten Stimmung, wie der meinen nicht gut lernen ließ. Ich übte im Vorgarten, wo genügend Platz war und ich vor allem Fleur aus dem Weg gehen konnte. Hoffentlich interpretierte sie mein Verhalten nicht als Feindseligkeit.

Das Buch Structure and Basic Manipulation of an Arcane Medium vor mir platziert versuchte ich nun schon den ganzen Tag, die Kette meines Medaillons zu verlängern.

Die Idee war, die Kettenglieder zu kopieren und temporär einzufügen. Eigentlich eine der leichteren Übungen, immerhin musste man nur die Struktur analysieren und neu erschaffen, aber nicht auch noch selbst verändern.

Dennoch wurde es bereits leicht dämmrig, als ich noch immer kein einziges Ergebnis vorzeigen konnte. Frustriert, ja bereits wütend, begann ich an der Kette zu zerren, im irrationalen Gedanken, dass dies vielleicht des Rätsels Lösung wäre. Mein Glück, dass magische Gegenstände nicht mit roher Gewalt zerstört werden konnten. Am Ende schmiss ich mich ins Gras und schnaubte entnervt. Einen ganzen Tag verschwendet, für nichts und wieder nichts. Doch sich darüber aufzuregen, wäre pure Energieverschwendung. Vielleicht... nur vielleicht wäre all das hier besser gelaufen, wenn ich einfach nur wusste, was mit mir los war. Ich dachte eigentlich, man würde das Konzept der Liebe verstehen, wenn man sie einmal gespürt hatte, doch das was heute Morgen passiert war, konnte nicht mit meiner Beziehung zu Thomas verglichen werden. So eine intensive Anziehung hatte ich bisher noch nie zu jemandem gespürt... Aber woher kam das?

Ein kalter Windzug ließ mich frösteln, weswegen ich aufstand und mich zurück ins Haus begab.

„Wie lief's?“, fragte mich Fleur, als ich durch die Tür zur Küche kam und sah, dass sie bereits das Abendessen zubereitete. Sie stellte diese Frage sehr oft, doch man merkte ihr an, dass es sich um ehrliches Interesse handelte und nicht um scheinheilige Höflichkeit. Ich setzte mich wortlos an den Tisch und machte eine unbestimmte Handbewegung. Ihre Anwesenheit ließ mein Herz wieder stärker schlagen, doch wesentlich ruhiger als noch heute Morgen.

„Naja, man kann ja nicht immer Erfolge erzielen. Aber ich sehe Ihnen auch an, dass sie etwas überarbeitet sind, Miss Alice. Seit Sie hier wohnen, machen Sie doch nichts anderes, als jeden Tag an Ihrer Magie zu arbeiten. Selbst abends, wo Sie eigentlich Freizeit haben sollten.“

Sie bekam keine Antwort, aber ich merkte, dass sie Recht hatte. Selbst die interessanteste Aufgabe konnte anstrengend werden, wenn man sich keine Pause gönnte. Dass ich mein selbstgestecktes Tempo überhaupt so lange durchhielt, war schon verwunderlich. Ich nahm einen Löffel von der Suppe, die Fleur mir hingestellt hatte... und spuckte sofort wieder aus.

„Pfui Teufel, die ist ja komplett versalzen! Was hast du damit gemacht?!“

Sie nahm selbst einen Löffel und reagierte auf die gleiche Weise. Ich kam nicht umhin, darüber zu schmunzeln.

„I-i-ich hab keine Ahnung. Ich könnte schwören, dass ich sie nur ein bisschen gesalzen habe. Allerdings war ich selbst nicht ganz bei der Sache, als ich die Suppe gekocht habe.“

Ihre Wangen erröteten leicht, als sie das sagte. Woran sie wohl gedacht hatte?

„Nimm's mir nicht übel, aber das kann niemand essen. Wir bleiben heute wohl besser bei Brot und Butter.“

Sie stimmte mir deprimiert zu. Es tat mir leid, sie so zu sehen; ihre Augen, starr auf den Tisch gerichtet, die Schultern hängend. Als ich auf dem Weg zur Vorratskammer an ihren Platz passierte, legte ich tröstend eine Hand auf ihre Schulter. Sie fühlte sich genauso zerbrechlich an, wie sie aussah. Als wäre sie tatsächlich aus hauchdünnem Porzellan gemacht. Ich spürte, dass meine Hand zu zittern anfing und zog sie zurück, ehe sie meine Nervosität bemerken konnte. Sie schaute mich mit ihren großen Augen an und schenkte mir ein sanftes Lächeln. Mein Herz schlug schneller und ich wich ihrem Blick aus.

„Wir sind wohl beide heute nicht ganz auf der Höhe“, sagte sie kichernd: „Ich wüsste einen Ort, an dem wir gut entspannen könnten. Ich bin sicher, der könnte Ihnen gefallen.“

Obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass sie es nicht zweideutig meinte, klang es für meine Ohren gerade genau so. Ich bemerkte, wie verlegen sie wurde. Wollte sie etwa...?

„Sie... Sie waren noch nicht im Observatorium, oder?“

Nein, wollte sie nicht.

„Hier gibt es ein Observatorium?“

„Naja, Master Salem nennt es zwar so, aber es ist eigentlich nur ein großes Zimmer über seinem, mit einem Rundumblick und ein paar Teleskopen. Ist nicht einmal zum Sterngucken geeignet.“

Mir war zwar der kleine Turm auf dem Anwesen schon lange aufgefallen, doch hielt ich das Zimmer dort immer für eine Art Speicher, zumal ich keine Fenster sah, geschweige denn einen Rundumblick. Sie bot mir also an, den Abend mit ihr zu verbringen. Mir war nicht wohl bei dem Gedanken, nach allem was heute passiert war, doch dann wüsste man doch wenigstens, wo man eigentlich stand. Was hatte ich schon zu verlieren?
 

Das Observatorium war ein großer, kreisrunder Raum, der nur über Jacks Arbeits- beziehungsweise Schlafzimmer (die Bereiche waren durch Sichtschutzwände voneinander getrennt) betreten werden konnte. Mein erster Eindruck war ernüchternd: Es war zappenduster.

„Warum zur Hölle nennt man das hier ein Observatorium, wenn es kein Fenster gibt? Ist das ein schlechter Scherz?“, schimpfte ich.

„Eine Sekunde, Miss Alice.“

Fleur drehte an einer Kurbel und langsam senkte sich der Sichtschutz ab, der vor den Fenstern installiert war. Es war, als würde man in einem Leuchtturm stehen, nur ohne Lampe. Man konnte meilenweit in alle Himmelsrichtungen schauen, mit den Teleskopen sogar noch weiter.

In der Mitte des Raumes war eine kleine Bar, in Form eines runden Tresens mit einem Regal als Standbein, in dem der Alkohol sauber nach Art und Jahrgang sortiert wurde. Ansonsten gab es hier nichts. Keine Sitze, keine anderen Möbel. Der Raum war für seine Fläche unheimlich karg eingerichtet, zumal er durch seine Fensterwände nur noch größer erschien. Doch genau das machte ihn gerade aus. Es gab nichts, was einen von der Aussicht ablenken konnte. Auf eine komplett verrückte Art, hatte das etwas unheimlich Romantisches. Man fühlte sich ein wenig als stünde man im Zentrum der Welt. Licht spendete nur eine kleine Öllampe über der Bar, aber nicht genug um den ganzen Raum auszufüllen.

„Das ist verrückt... Erst fragte ich mich, warum man so etwas bauen sollte, aber wenn man einmal hier ist...“

„...dann versteht man, den Sinn hinter dem Observatorium“, beendete Fleur meinen Satz, während sie an der Bar zwei Gläser mit Scotch füllte. Das schwache, flackernde Licht unterstrich ihre weichen Konturen und spiegelte sich in ihren Augen wider. Ich bemerkte wie rot ihre Wangen waren und spürte, dass meine es ihren gleichtaten. Da war es wieder... dieses Gefühl. Auch wenn es sich erst langsam anbahnte. Schüchtern schob sie mir ein Glas zu.

„Oh, i-ich habe noch nie...“, fing ich an, doch sie drückte mir den Drink in die Hand.

„Ist schon okay. Für alles gibt es ein erstes Mal. Ich bin ja dabei.“

Wir stießen an und kippten den Whiskey hinunter. Er brannte wie Feuer in meinem Mund und betäubte meine Geschmacksnerven. Was zur Hölle fanden bloß die Erwachsenen an diesem Teufelszeug? Vor meinen Augen wankte alles einen kurzen Moment und ich spürte, wie meine Beine leicht nachgaben. Doch schnell normalisierte sich mein Gleichgewichtssinn wieder und meine Neugierde war geweckt.

„Und? Wie war es?“

„Interessant... könnte ich noch so einen bekommen?“

„Lassen Sie dem Scotch Zeit, zu wirken. Was ich Sie eigentlich einmal fragen wollte: Wie gefällt es Ihnen hier?“

„Hier im Observatorium?“

„Nein ich meinte in Taleswood. War es denn nicht Wahnsinn, so aus seinem alten Leben gerissen zu werden?“

„Ich weiß nicht wieso, aber all das hat so schnell einen Sinn ergeben, dass ich es nicht hinterfragt habe. Ungewohnt, aber nicht verrückt. Vielleicht habe ich schon gewusst, dass ungewöhnliche Zeiten für mich anbrechen würden, seit du vor fast vier Jahren zu meinen Füßen aufgetaucht bist.“

Fleur errötete noch stärker. Sie drehte nervös den Kopf zur Seite und fing an die Strähnen ihres Pferdeschwanzes zu streicheln.

„S-Sie haben das gewusst?“

„Seit dem ersten Tag, an dem ich hier war. Ich verstand nur nicht, warum es ausgerechnet eine Katze war.“

„Master Salem meinte, Sie würden einem Tier wahrscheinlich nicht misstrauen. Besonders keiner Katze.“

Sie wurde immer verlegener. Ihre Lippen fingen an zu zittern, genauso wie ihre Hände. Keine Ahnung, ob es der Alkohol war, oder ihr Anblick. Doch ich schaffte es kaum mehr, klar zu denken. Sie war so unbeschreiblich süß, wenn sie rot wurde.

Mein Herz zersprang fast und in meinem Kopf herrschte der gleiche Zwietracht, wie heute Morgen. Nur dieses Mal gewann meine Fantasie. Aber ob sie auch so empfand? Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. Grinsend stütze ich mich auf der Bar ab.

„Ich kann mich auch daran erinnern, wie wir zusammen gekuschelt haben. Deine Nähe war für mich wie eine Zuflucht in dieser Nacht, weißt du das? Vielleicht ist es das, was mich so verrückt nach dir macht – diese bekannte Geborgenheit...“

„W-w-was wird das hier, Miss Alice?“

Ich hielt das nicht mehr aus. Es hatte keinen Zweck, das Offensichtliche zu verleugnen. Das war keine dumme Neckerei mehr, keine kurze Schwäche, kein jugendlicher Trieb.

Langsam, aber bestimmt, schritt ich zu ihr, schaute ihr tief in die Augen und streckte meine Hand nach ihrem Gesicht aus. Sie einmal berühren, sie einmal kosten, das war alles was ich wollte. Thomas, die gesellschaftlichen Normen, selbst meine eigenen Ängste konnten mich nicht mehr davon abbringen. Der Whiskey hatte mein Verlangen nur noch weiter gestärkt.

„B-b-bitte, Miss Alice“, stotterte Fleur, während sie langsam rückwärts ging. Doch es dauerte nicht lang, bis sie stolperte. Ich kniete mich zu ihr und strich leicht über ihre Wangen. Sie waren so perfekt eben, wie es wohl kein Mensch jemals erreichen würde. Sie zitterte noch immer, aber als sich unsere Blicke trafen, wurde deutlich, dass wir das Gleiche wollten.

Es war nicht nur ein Bildnis meiner Fantasie. Doch wir teilten auch beide eine gewisse Angst, vor dem, was kommen sollte. Wir fürchteten uns vor den Konsequenzen, genauso wie vor der Erfahrung an sich. Aber es gab kein Zurück mehr.

„M-Miss Alice?“

„Lass endlich das dumme 'Miss' bleiben. Egal wie das hier ausgeht: Für dich bin ich ab sofort nur noch Alice.“

„Also gut... Alice... ich wollte dir nur sagen, dass ich noch nie...“

Sanft legte ich meinen Zeigefinger auf ihre Lippen und kam ihrem Gesicht immer näher. Sie schloss ihre Augen und ließ sich auf mein Vorhaben ein.

Kurz bevor sich unsere Lippen trafen, flüsterte ich: „Ist schon okay. Für alles gibt es ein erstes Mal. Ich bin ja dabei.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Phinxie
2016-04-13T18:27:13+00:00 13.04.2016 20:27
Mh, eine interessante Wendung, die du da gehst. Beim Lesen tat mir der arme Thomas ein wenig leid, aber nun gut, der hängt ja eh in London rum... Nun denne, die meisten Punkte, die ich anzumerken habe, kennst du ja schon xD
Dieses Mal muss ich aber auch leider sagen, dass ich ein paar Fehlerchen sowie Textstellen gefunden habe, die ich mehrmals durchlesen musste, um zu verstehen, was du sagen willst - es sind nicht viele und schmähen den Gesamteindruck deines Textes nicht ^^
Das Gespräch zwischen Fleur und Alice fand ich sehr schön und interessant - und gerade Alice' Gefühle hast du wunderbar und einzigartig beschrieben... außerdem wird mir Fleur mit ihrer wundervollen, tollpatschigen-schüchternen Art immer sympathischer :D
Ich bin schon neugierig darauf, was noch alles so passiert beim Weiterlesen :3

Antwort von:  Lazoo
14.04.2016 08:32
Vielen Dank, für die letzten Kommentare :) freut mich dass dir die Geschichte bisher so gut gefällt :) Zu den Fehlern in Chapter 5: Könntest du mir einige Textpassagen nennen, die du etwas schwer zu verstehen fandest?Dann ändere ich die nochmal.
Von:  Darkdragon83
2016-03-25T23:45:47+00:00 26.03.2016 00:45
Keine Kommentare bisher? Dann mach ich mal den Anfang. Ich war skeptisch zu Anfang und noch sind soooo viele Fragen offen, aber es ist so märchenhaft und so schön, schreib bitte weiter. Eine treue Leserin hast du auf jedenfall gefunden ;)
Antwort von:  Lazoo
26.03.2016 09:22
Vielen lieben Dank, für den netten Kommentar :) Nichts motiviert mehr, als positives Feedback zu erhalten. Ja, es ist noch einiges offen, aber die Geschichte ist ja auch noch lange nicht fertig^^ Ich hoffe, dir werden auch die nächsten Kapitel so zusagen, wie bisher.


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