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I Shall Rise

von

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[Wi] - It's over


 

X

Winter
 

Ein scheußlich frostiger Wind peitschte durch die Straßen Londons, wirbelte vereinzelte Schneeflocken auf. März und der Winter klopfte an die Pforte; sein letztes Aufbäumen bevor der Frühling einkehrte. Auf diesen freute sich Lara Croft mehr denn je. Für sie begann das neue Jahr.

Der Kragen ihres Mantels war hochgestellt, die Hände schützend in den Taschen verstaut. Vorsichtig lugte sie gen Himmel, wobei ein zufriedenes Lächeln über ihre Lippen huschte. Die vergangenen Monate hatten ihr sehr viel abverlangt. Sie hatte sich Wärme verdient; wollte den Schnee und Frost hinter sich lassen.
 

Lara hatte jene Quelle der Unsterblichkeit gefunden. Sie hatte die Arbeit, die ihrem Vater das Leben kostete, beendet und sie hatte jeder Herausforderung gestrotzt. Am Ende war sie wie neu geboren zurückgekehrt – ohne Trauma, ohne Albträume, sie strotzte vor neuem Selbstbewusstsein und Tatendrang. Natürlich verschwanden die alten Albträume, jene aus Yamatai, nicht zur Gänze, aber waren sie weniger geworden und nicht länger hielten sie Lara die restliche Nacht munter. Sie hatte gelernt mit ihnen umzugehen, zu leben.
 

Auch andere Kleinigkeiten hatten sich verändert. Mittlerweile spazierte sie ohne gröbere Zwischenfälle durch verlassene Gassen. Nicht jedes Geräusch ließ sie zusammenzucken. Die letzte Halluzination lag bereits Wochen zurück. Lara hatte Recht behalten und eine Veränderung herbeigeführt, die selbst ihr Therapeut nicht verleugnen konnte. Sein Schreiben hatte einen weiteren Stein ins Rollen gebracht und ihrem Onkel die entscheidende Bestätigung gegeben. Spätestens nach Erhalt dieses Schriftstückes konnte sie nicht länger abspeisen. Der Kampf um das Anwesen war geschlagen und Lara kam gerade von ihrem Anwalt. Nun galt sie offiziell als Lady Croft, mit allem Drum und Dran. Croft-Manor lag endgültig in den Händen der rechtmäßigen Erbin.

Bislang schien alles, dass sie sich vorgenommen hatte, aufzugehen und noch in dieser Woche startete der Umzug. Ein Kinderspiel, da sie bis heute nie vollkommen ausgepackt hatte. Jonah und Kaz würden ihr zur Seite stehen und Hand anlegen. Den beiden hatte sie sogar das Angebot unterbreitet bei ihr zu leben. Denn für sie alleine blieb Croft-Manor vorerst ein großes und leises Gemäuer.

Lara spürte einen Neuanfang und sollte Jonah und Kaz ablehnen, dann würde sie alleine dort leben; vielleicht lernte sie damit umzugehen, denn ihr war bewusst geworden, dass die Zeit reif war zum Ursprung ihrer Wurzeln zurückzukehren.
 

Vor dem Wohnblock blieb Lara stehen, sah an diesem empor. Obgleich sie sich dort nie heimisch fühlte, überlegte sie das Loft zu behalten. Für den Fall der Fälle. Das Geld hatte sie und die Lage war passend, besonders wollte sie nicht mehr raus nach Surrey fahren. Eine Überlegung, die es wert war, aber noch Zeit hatte.
 

»Die unverwüstliche Lara Croft.« Besagter entglitten die Gesichtszüge, das Herz schien auszusetzen. Diese Stimme erkannte sie in jeder Menge. Bedacht drehte sie den Kopf nach rechts und ihre Augen weiteten sich.
 

»Sam!«, stieß Lara atemlos aus. Nur wenige Meter entfernt von ihr stand ihre einstige Mitbewohnerin und Freundin. Ein unangenehmer Kloß hatte sich in ihrem Hals ausgebreitet. Samantha Nishimura hatte sie das letzte Mal an einem schwülen Sonntagmorgen im späten August gesehen. Damals trug sie einen orangenen Overall. Und zwischen ihnen lag mehr als eine Glasscheiben, so viel mehr. Musternd wanderte ihr Blick über den Körper der anderen. Sie hatte sich die Haare wachsen lassen. Laras Körper machte sich selbstständig und kaum war der Abstand gebrochen, zog sie die andere in eine stürmische Umarmung.

»Du bist da … wann haben sie dich entlassen?«
 

»Ich habe mich entlassen«, kicherte die andere vergnügt.

Lara ließ die Arme sinken, brachte einen neuerlichen Abstand zwischen sie. Das Glücksgefühl, das sie in ihr ausgebreitet hatte, verblasste innerhalb eines Wimpernschlages.
 

»Himiko.« Ein Wispern.
 

»Samanthas Körper erweist seine Dienste.«
 

»Warum bist du hier?«, hinterfragte Lara gedämpft.
 

»Wir haben eine Rechnung offen, vergessen?« Die Frau kicherte spöttisch.

»Sieh dich an, dein Anblick ist göttlich.« Hatte Croft etwa an einen Sieg ihrer Freundin geglaubt? Himiko hatte sich genügend Körper einverleibt, als konnte da ein junges Ding gegen sie ankämpfen.

»Weißt du«, begann Himiko, denn die Archäologin schien nach Worten zu suchen, »ich habe nie gedacht, wir erfrischend die neue Umgebung doch ist. Fern der Insel hat sich mir eine neue Welt offenbart. Welch eine Freiheit!«
 

»Du bist ausgebrochen … oder?«
 

»Nein, sagen wir, ich habe neue Untertanen gefunden. Gut, sie haben mich aufgespürt, aber sei’s drum. Sie huldigen mir. Entzückend, findest du nicht? Nach all der langen Zeit gibt es noch Menschen, die nach mir gesucht haben und mich als die Königin ansehen, die ich bin.« Ohne jene Hilfe wäre sie nicht so rasch aus diesem Höllenloch entronnen.
 

»Dann such dir einen neuen Körper!«, giftete Lara die andere an.
 

»Mittlerweile fühle ich mich äußerst wohl darin, tut mir leid.«

Ein Auto hielt am Wegrand und ein Mann stieg vom Beifahrersitz aus.

»Ich liebe Pünktlichkeit«, säuselte Himiko. Das neue Leben bereitete ihr eine unsagbare Freude und doch existierte ein kleiner Schandfleck.

»Heute ist mir nicht nach einer Auseinandersetzung. Ich wollte dich bloß sehen.«
 

»Du bist verrückt.«

Himiko zuckte mit den Achseln und trat näher. Versteinert stand der Croft-Sprössling vor ihr und sie fragte sich, was bloß in ihrem Kopf vor sich ging. Auf der Stelle töten? Nein, gewiss nicht, nicht solange sie im Körper ihrer Freundin hauste. Dass allein bereitete ihr ungeheuren Spaß.

»Möchtest du mich töten?« Warum tauchte sie aus dem Nichts heraus auf? Über Monate hinweg war Sam, nein Himiko, verschwunden gewesen. Sie suchte in den Augen der anderen nach einer Antwort, aber erkannte sie dort nichts als eine schwärzende Kälte. Wieder tauchte dieses spöttische Lächeln auf. Lara wusste nicht, was sie tun sollte. Himiko beugte sich leicht vor; Lara fühlte den Atem brennend auf ihrer Haut.
 

»Ach, Lara, hätte ich lediglich deinen Tod im Sinn, ich hätte es längst getan.« Spielerisch überwand Himiko die letzten Zentimeter und stahl der Archäologin einen Kuss.

»Sagen wir, ich möchte dich brechen. Und was macht mehr Spaß, als es im Körper deiner Liebsten zu tun?« Lachend wandte sich Himiko ab, winkte der anderen noch zu.

»Bis bald, Lady Croft.«

Erst als der Wagen um die Ecke bog, löste sich Laras Starre. Torkelnd schleppte sie sich zum Treppenansatz, wo sie auf die erste Stufe sackte und jenen Halt suchte, den ihre Beine verweigerten. Ein neuer, beängstigender Abgrund tat sich vor ihren Augen auf. Egal, wie viele Stunden sie gedanklich verbrachte einen Lösungsweg zu finden, nun, wo Himiko tatsächlich vor ihr stand und das niederschmetternde Ausmaß präsentierte, war ihr Kopf wie leer gefegt. Ihr Körper erzitterte. Wie konnte sie das bloß gerade biegen?



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Dark777
2016-07-25T19:26:48+00:00 25.07.2016 21:26
Ach du meine Güte, das nenne ich mal einen dramatischen Ausgang O_O! Kaum hat sich Lara wieder gefasst bzw. gedacht sie hätte sich gefasst, taucht Himiko auf und lässt alles in Scherben aufgehen. Ich habe mit dem Tod von Sam gerechnet, DAS ist aber zugegebenermaßen viel diabolischer. Das Ende ist sehr offen gehalten, das schreit nach einer Fortsetzung >_<!

Die Geschichte um Lara hat mir sehr gut gefallen. Du hast die psychischen Traumas gekonnt umgesetzt, das hätte ich mir auch vom Spiel erhofft. Ich habe jedes Kapitel aufmerksam verfolgt und mit Lara gebangt. Mein Fazit: Mitreißend geschrieben, volle Punktzahl ;).

V(~_^)


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