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after Weiß

von

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Akt XVII


 

Nachdenklich und fast ein wenig zu konzentriert drehte Ran seit gut einer Stunde die kleine Karte in den Fingern, machte kleine Tricks damit und sah die sich in unregelmäßigen Abständen einfach nur an. Die Karte war gestern mit der Post gekommen. Es stand nur ein Datum darauf. Gold auf Schwarz gedruckt. Sehr edel. Auf der Rückseite war ein ebenfalls goldener Pin gemalt. Eine dieser Nadeln von Internetkarten. Ein umgedrehter Tropfen mit einem Kreis. Ran verstand die Information, doch er wusste nicht, ob er sich freuen oder doch lieber nervös sein sollte. Zwar hatte Miko recht, dass er dem Fremden sagen musste, was los war, doch zweifelte er an seinem eigenen Schneid. Nicht das er Angst vor seinen Gefühlen hätte. Nein! Aber was wäre, wenn der Mann damit nicht umgehen konnte? Dann war es das letzte Treffen und das wollte er auf keinen Fall.

Schnaufend drehte er sich auf die Seite, starrte die Karte an und hoffte insgeheim, dass sie ihm die vielen Fragen in seinem Kopf beantworten mochte. Es war albern, das wusste er. Andererseits, hoffen konnte man bekanntlich immer.

Das Klingeln seines Handys riss Ran aus seinen Gedanken und er nahm den Anruf mit freudiger Anspannung an.

„Ich brauch dich“, hörte er Yojis feste Stimme und griff unter sein Bett. Neben der kleinen Schachtel für die Karten lag sein Schwert und wartete nur auf ihn. Ran zog es hervor und ließ einen schnellen Blick über die matt schwarze Scheide gleiten.

„Ich bin auf dem Weg.“ Mehr brauchte es nicht. Ran legte auf, zog sich an und verschwand aus seiner Wohnung und in die Nacht.
 

„Das war heftig“, keuchte Yoji und schloss die Tür zu seinem Büro auf. Ran stützte seinen Freund, bis dieser sich schnaufend auf die Couch fallen lassen konnte.

„Sei froh, dass das Ziel so ein schlechter schütze war“, knurrte Ran und beobachtete skeptisch, wie Yoji sein Handy hervorzog und eine SMS schrieb.

„Hasenpfötchen?“, fragte er unwillig. „Meinst du nicht, dass du gerade größere Probleme hast, als deiner Freundin Kosenamen zu schreiben?“ Yoji grinste nur und sah auf die Wunde an seiner Schulter, auf die er noch immer ein Tuch drückte.

„Du musst den Mantel ausziehen. Das muss desinfiziert werden“, bestimmte Aya und zog den Bloden grob auf die Beine. Der stöhnte vor Schmerz und seine Beine wurden weich.

„Hey! Hier geblieben! Mach gefälligst die Augen wieder auf!“, schrie Ran ihn an und Yoji blinzelte. Sein Gesicht wurde blass.

„Sicher nur das Adrenalin“, nuschelte der Detektiv und ließ sich von Ran helfen, den Mantel auszuziehen. Ran platzierte ihn wieder auf die Couch und sah unter das Tuch.

„Sieht aus, als ob die Kugel noch steckt. Scheiße, Yoji! Du musst in ein Krankenhaus.“

„Muss er nicht.“ Entsetzt richtete Ran sich auf und starrte die Frau an, die mit einer unübersehbaren Gelassenheit die Tür in ihr Schloss drückte, ehe sie um die Couch ging und sich vor Yoji kniete. Dabei fiel Ran siedendheiß ein, dass sie beide noch in Missionskleidern und voller Blut waren.

„Hi, Tammy“, murmelte Yoji und lächelte die Frau verliebt, aber schief an.

„Was machst du nur?“, kam der Tadel, doch er wurde von einem Lächeln gemildert. Sie strich ihm über die Stirn und Ran konnte nur neidvoll zusehen.

„Abyssinian. Das ist Tammy. Tammy. Das ist Mein großer Anführer Ran alias Abyssinian“, kam es amüsiert von Yoji, ehe er sich Ran zuwandte.

„Tammy ist Krankenschwester im örtlichen Krankenhaus.“ Ran nickte nur, versuchte dennoch, sein Schwert vor ihr zu verstecken.

„Warst du nicht schnell genug, Balinese?“, riss ihn Tammys Stimme aus seinen Gedanken und er beobachtete, wie Tammy Yoji einen Zugang legte und ihn versuchte, wach zu halten. Das fehlende Adrenalin, die Schmerzen und der Blutverlust zerrten an Yojis Bewusstsein.

„Wohl nicht“, keuchte dieser und Ran fasste sich ein Herz. Er legte sein Schwert auf den Tisch und empfing einen prüfenden Blick der Krankenschwester, ehe sie schnell über das Katana und dann wieder zu ihm sah.

„Halt das“, bestimmte sie und drückte Ran einen Beutel mit klarer Flüssigkeit in die Hand.

„Immer höher als Yojis Körper.“ Ran nickte und beobachtete die Frau bei der Arbeit, dazu verdammt als Tropfständer zu dienen. Sie zog sich neue Handschuhe und einen Mundschutz an und sog eine Spritze auf, die sie ungefragt in die Verwundete Schulter rammte. Yoji stöhnte und biss die Zähne zusammen. Dann griff sie nach einer Pinzette und sah ihren Freund kurz an.

„Das wird trotz des Morphiums jetzt richtig wehtun“, mahnte sie und Yoji nahm sich ein Sofakissen, biss hinein und nickte. Seine Schreie wurden gedämpft und er war bemüht, sich nicht zu bewegen. Dennoch zuckte der Arm und Tammy schüttelte angespannt den Kopf.

Leben kam in Ran und er knite sich auf die Couch, fixierte Yojis Ellenbogen mit seinem Knie und griff in den kalten, verschwitzten Nacken, schob den Oberkörper so zur Seite und verhinderte jede Bewegung der Schulter. Yoji biss hart ins Kissen. Diese Fixierung war sicher fast genauso schmerzhaft, wie die Kugel in der Schulter, doch nur so, konnte Tammy in ruhe Arbeiten. Mit ihr tauschte Ran einen kurzen Blick aus und sie nickte, ehe sie weiterarbeitete. Routiniert und mit beneidenswert ruhigen Fingern. Weder die unbequeme Haltung, die Nähe zu Ran, einem Fremden noch Yojis Schmerzlaute schienen sie abzulenken. Und schließlich zog sie den Störenfried aus dem Fleisch ihres Freundes.
 

„Danke“, sagte sie leise, als Ran aus dem Bad kam. Nachdem Yoji ohnmächtig geworden war, hatte Ran sich gelöst und Tammy in Ruhe ihre Arbeit machen lassen. Er wollte nur noch duschen. Nun stand er in Jogginghose, Shirt und mit einem Handtuch um die Schultern vor der Badezimmertür und sah auf die zierliche Frau. Es war das erste Mal, dass er sie so bewusst wahrnahm. Sie war klein und so ganz anders, als Yoji Asuka beschrieben hatte. Lange schwarze Haare, lagen um ihre Schultern. Ihre Augen hatten ein sattes Braun und sie wirkte in sich ruhend.

Ein Mal mehr war Ran neidisch auf seinen Freund.

„Wie geht es ihm?“, wollte er wissen und Tammy sah auf den Rücken der Couch.

„Er schläft. Das Morphium wirkt und die Wunde ist verbunden. Wie es aussieht, ist der Knochen verschont geblieben und die Blutung hat noch beim Nähen nachgelassen.“

„Das ist gut“, sagte er, dabei hätte er ihr zu gern ein paar Fragen gestellt.

„Ich habe uns Tee angesetzt. Es wird wohl noch ein paar Stunden dauern, aber er würde sich sicher freuen dich zu sehen, wenn er wach wird.“ Ein schweres Schlucken quälte sich durch Rans Kehle. Wie viel wusste sie?
 

Mit ihrem Tee setzten sie sich auf den Boden vor den Tisch und Tammy lächelte, strich dem Bewusstlosen die Haare aus dem Gesicht.

„Er hat mir von euch erzählt. Von Weiß.“ Aufmerksam beobachte Ran sie.

„Meine Schwester wurde von entführt und sollte für eine Menschenjagt als Opfer dienen. Ihr habt sie gerettet. Niemand wollte ihr glauben und auch ich war einfach nur froh, als ich sie endlich wieder in die Arme schließen konnte. Dann fiel mir dein Freund vor die Füße.“ Sie lachte leise und schenkte Yoji noch einen liebevollen Blick. Wir kamen uns schnell näher und ... Ich bin dich blöd. Ich erkannte die vielen Wunden und irgendwann hat er sich mir anvertraut. Erst war ich geschockt. Ich war mit einem Mörder zusammen. Ich wollte ihn verlassen, doch ich konnte nicht, denn auch wenn er Leben nahm ... Ihr rettet damit so viele Leben. Und er hat mir versprochen, sich nur die Leute vorzunehmen, die durch das Netz des Gesetzes rutschen. Die, die nicht verurteilt werden, weil sie Richter und Zeugen bestechen oder bedrohen. Diesen Abschaum.“ Sie schüttelte den Kopf und sah Ran an.

„Ich glaube nicht, dass er dich verraten wollte. Aber ich wusste es, seit du das erste Mal hier saßt und diesen Blick hattest.“

„Blick?“, fragte Ran und Tammy nickte.

„Diesen schuldbewussten Blick. Yoji hat ihn auch manchmal. Eine belastete Seele, die sich am liebsten reinwaschen würde, es aber nicht mehr kann.“
 

Lange sah Ran sein Gegenüber an, beneidete die aufrichtige Liebe und das pure Vertrauen, das zwischen den beiden Menschen lag. Yoji hatte sie mit der SMS, mit einem Codewort zu Hilfe gerufen, hatte sich ihr völlig in die Hände gegeben und vertraute ihr so sehr, dass er seinen bewusstlosen Rausch neben ihr ausschlief. Und das, obwohl er wusste, wozu Menschen fähig waren.

Als die Sonne aufging, bewegte sich der Detektiv und öffnete schwach die Augen. Sein Blick fiel erst auf Tammy, dann auf Ran und ein breites Grinsen legte sich auf seine Lippen. Seine Augen waren glasig. Sicher vom Morphium.

„Meine beiden Liebsten“, lallte er und hob die Hand zum Gruß.

„Hallo mein Freund“, flüsterte Ran und hoffte, dass Yoji schon klar genug zum Lippenlesen war. Das Grinsen wurde breiter und Ran lächelte kurz, ehe er seinen Tee austrank und sich erhob.

„Ihr kommt zurecht.“ Das war keine Frage, dennoch nickte Tammy. Ran spürte, wie sie ihm nachsah, als er seine Sachen packte und das Büro verließ.

Im letzten schützenden Dämmerlicht huschte er nach Hause und ging ins Bett. Der Anblick der Beiden beschäftigte ihn noch immer. Yoji hatte den Menschen gefunden, dem er sich anvertrauen konnte, der ihn mit seiner ganzen Vergangenheit in den Arm nahm und ihm vergab. Yoji hatte Ruhe gefunden. Vielleicht sogar Frieden. Schnaufend griff er auf seinen Nachttisch und hob die schwarze Karte hoch, sah sie an, bis der Schlaf ihn zu sich holte.

In seinem Traum hatte er dieses weiche Tuch vor den Augen und spürte den fremden Mann ganz nahe bei sich. Er wurde zärtlich gestreichelt, liebevoll geküsst und von starken Armen umfangen. Es war eine versichernde Geste. Dieser Mann würde bleiben, egal, was Ran ihm sagte. Dieser Mann würde ihn verstehen und dann hätte auch er endlich den Menschen gefunden, der ihm seine Schuld vergab. Den einen Menschen, der ihm half, seine schmutzige Seele allmählich zu säubern.
 

Der Wecker riss ihn aus dem wohligen Traum und Ran zuckte zusammen. Das hatte er noch nicht erlebt. Seit wann war er denn bitte so schreckhaft? Murrend schwang er die Beine aus dem Bett und hörte, wie etwas auf den Boden fiel. Sein Blick folgte dem Geräusch und als Ran die Karte aufhob, fiel sein Blick erst auf das Datum auf der Karte und dann auf seinen Kalender. Heute!

Eine seltsame Vorfreude machte sich in ihm breite und hob sogar seinen Mundwinkel etwas an. Er stand auf und machte sich einen Tee, während die Freude in ihm stieg. Seine nächste Bewegung galt der Fernbedienung der Anlage. Er hatte so gute Laute, dass er die CD anstellte, die Omi ihm geschickt hatte. Nur Sekundenbruchteile später tönte Bananaramas ‚Walking on sunshine‘ durch seine Wohnung. Sofort stellte Ran das Radio aus und starrte auf das Gerät. Deutlich unsicher sah er sich in seiner Wohnung um. Niemand war hier. Niemand würde ihn sehen. Mit zusammengepressten Lippen sah er auf die Fernbedienung in seiner Hand und auf den Repeat Knopf. Ob er wirklich sollte? Aber es war so furchtbar albern. Hatte er nicht Lust, sich mal gehen zu lassen? Aber das war so gar nicht seine Art. Und wenn es eine Ausnahme blieb?

Augenblicklich wurde die Anlage wieder hell und Bananarama wanderte weiter im Sonnenschein. Das Repeatzeichen blickte und versprach etliche Wiederholungen. Dann legte Ran die Fernbedienung weg, als hätte er sich daran verbrannt und starrte sie finster an. Es würde ihr beider Geheimnis bleiben, bis sie beide starben.

Mit den ersten neuen Beats stieg Ran unter die Dusche, schaltete das Wasser an und genoss das heiße Nass auf seinem Gesicht. Die Musik Drang bis zu ihm und irgendwann konnte er sich nicht mehr wehren. Mit Schaum und seinen Fingern in den Haaren, sang er mit.

Frisch geduscht und mit einem Handtuch um die Hüfte tänzelte er wieder in die Küche, machte sich Frühstück und kochte noch einen Tee. Dann zog er sich um, legte sich die Musik auf die kabellosen Kopfhöhrer und putzte seine Wohnung. Mittlerweile hatte er den Text ganz gut drauf und sang das ganze Lied mit. Ob er wirklich jeden Ton traf, wagte er ernsthaft zu bezweifeln und er hoffte inständig, dass niemand hiervon erfahren würde. Aber das hier machte zu viel Spaß. Seiner Schwester hatte er früher mal einen Vogel gezeigt, als sie durch ihr Haus getanzt war, die Kopfhörer auf den Ohren und die Musik so laut, das sie die Einzige war, die ihren Gesang nicht hören musste. Heute musste er darüber lächeln.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Und am anderen Ende der Stadt grinst sich jemand eins XD Komplett anzeigen

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