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after Weiß

von

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AktXI


 

Energisches Klopfen an der Tür. Dazu penetrantes Klingeln.

„Mach auf!“, rief der Mann hinter der Tür und klopfte noch eine Spur lauter. Träge ging Ran an die Tür und öffnete sie. Vor ihm stand die Inquisition in Form von Yoji Kudo.

„Sag mal, was geht mit dir nicht richtig?“ Er stockte. „Und seit wann trägst du Pullis mit Kapuze?“ Ja, seit wann eigentlich? Ran dachte angestrengt nach und erinnerte sich an einige kalte Winterabende, an denen er, um Geld zu sparen, die Heizung ausgelassen und sich in den einen Hoodie gekuschelt hatte, den er besaß, um nicht zu sehr zu frieren. Da muss es irgendwann angefangen haben, dass er das Ding anzog, wenn er sich mit einem Buch irgendwo hinsetzte. Am liebsten mit Kopfhörern und klassischer Musik.

Kurz zuckte er mit einer Schulter und ließ Yoji hinein. Er war zu müde, um sich zu streiten, und wollte den Dialog mit dem blonden Mann schnell hinter sich bringen.

„Du überweist mir ein Haufen Geld und sagst nichts dazu?“ Ran lehnte sich unbeeindruckt an ein Fensterbrett und beobachtete wie Yoji auf und abging. Er hatte sich wohl so sehr an seine Rolle als Unterstützer gewöhnt, dass es ihm jetzt schwerfiel, dass Ran seine Hilfe wortlos zurückzahlte. Das war ganz offensichtlich und Ran wartete nur auf die ersten sorgenvollen Worte.

„Kommst du wirklich zurecht?“ Er musste lächeln. Da waren sie ja schon. Schneller als erwartet. Knapp nickte er.

„Nutz dein Geld jetzt lieber für deine Freundin.“

„Tammy.“

„Was?“

„Meine Freundin heißt Tammy. Hast du das etwa vergessen?“ Ein schelmisches Lächeln schlich sich auf die geschwungenen Lippen des Dedektivs und er richtete sich selbstbewusst auf. Eilig wandte Ran den Blick ab und Yoji schnaufte.

„Du hast gar nicht zugehört“, stellte er fest und Ran schob sich die Kapuze vom Kopf.

„Hör‘ mal. Ich habe dir zugehört. Ich weiß, dass sie die Eine ist und du dich endlich wieder richtig verliebt hast. Ich weiß, dass du mit ihr glücklich bist und sie dir guttut. Was muss ich da mehr wissen?“, fragte er leise und der Blonde lächelte schief.

„Erst hatte ich Sorge, dass es komplett an dir vorbei geht. Danke, dass du mir trotzdem zugehört hast.“ Ran nickte gutmütig.
 

„Und wie war’s?“, wurde er plötzlich aus seinen abschweifenden Gedanken gerissen. Starr überlegte er, was er wirklich erzählen sollte.

„Gut“, murmelte er dann und hoffte, nicht zu viel Farbe auf seinen Wangen zu bekommen, wenn er an die Nacht dachte. Wenn er daran dachte, wie gut sie zusammen harmoniert hatten, wie gut es sich angefühlt hatte und wie einfach ihre Kommunikation war.

„Wow! So gut?“ Ran schnappte innerlich nach Luft, gönnte seinem Freund nur einen finsteren Blick, der ihm verbot, auch nur noch eine einzige Frage in diese Richtung zu stellen.

„Sehr ihr euch wieder?“ Er überlegte. Sehen war definitiv das falsche Wort.

„Wir haben einen neuen Termin ausgemacht, ja“, korrigierte er und Yoji nickte anerkennend.

„Und das, wo du dich erst so sehr dagegen gewehrt hast.“ Das stimmte. Es war ihm einem Pakt mit dem Teufel gleich gekommen, als man ihm die Kategorie C angeboten hatte. Allerdings hatte er sich auch gewehrt, weitere Jobs in der Kategorie anzunehmen. Zwar wollte Jay ihm den Mund wässrig machen, in dem er ihm immer wieder erzählte, was für Urlaube er buchen konnte, wie entspannt er lebte und dass er wieder eine kleine Spielerei für seine Wohnung gefunden hatte. Rans Blick huschte durch seinen Wohnraum. Er mochte es hier und war kein Freund von opulenten Dingen. Was machte er da Spielereien? Er lebte gern sparsam, hatte es immer. Ihn reizte es nicht, im Geld zu schwimmen. Warum auch? So verfiel er wenigstens nicht sinnlosem Kaufrausch und überlegte sich jede Investition sehr genau. Natürlich sparte auch er für schlechte Zeiten oder irgendwelche Notfälle. Doch was schon auf ihn zukommen? Er war allein. Keine Familie, die abgesichert werden musste. Kein Freund, den man mit Kleinigkeiten erheitern musste. Gut. In wenigen Tagen hatte Ken Geburtstag. Doch das Geschenk hatte er schon gekauft.

„Ach“, meinte er dann und ging ins Schlafzimmer. Von dort holte er das Geschenk und reichte es an den verdutzten Yoji weiter.

„Ich kann zu Kens Geburtstag nicht. Bitte gib ihm das“, sagte er und Yoji nickte geistesabwesend. „Nimm es mir nicht übel, aber ich muss dann ins Bett.“ Für einen Moment sah Yoji ihn kritisch an.

„Verkriech dich nicht wieder in deinem Schneckenhaus. Das hast du früher gern gemacht, wenn du einsam warst. Lass zu, dass es dir gut gehen kann“, meinte er und seiner Stimme schwang die Sorge offen mit. Ran nickte nur und wenige Augenblicke später hörte er, wie die Tür ins Schloss gezogen wurde.

Ran verschränkte die Arme und lehnte sich an die Wand hinter ihm. Wie sollte es ihm jemals wirklich gut gehen? Mit seiner Vergangenheit war er doch nie in der Lage sich einem Menschen ganz und gar anzuvertrauen. Welcher Mann würde sich schon auf einen Ex-Killer ohne Familie und einem Job, wie seinem, einlassen? Keiner. Da war er sicher. Er müsste immer ein Geheimnis aus seiner Vergangenheit machen, und daran würde letztlich jede Beziehung scheitern. Er wollte seinen Partner nicht anlügen, das hatte er schon zu oft getan. Zu viele Lügen und Halbwahrheiten lagen auf ihm und würden niemals bereinigt werden können.
 

Das Klingeln seines Handys riss ihn aus seinen Gedanken und er nahm das Gespräch an. Vielleicht hatte Yoji etwas vergessen oder wollte ihm weiter ins Gewissen reden.

„Gut, dass ich Sie noch erreiche. 379 hat den Termin für morgen etwas nach hinten geschoben. Wenn es für Sie in Ordnung ist, wäre das Treffen um 22 Uhr. Der Treffpunkt bleibt derselbe.“ Ran gab eine kurze Zusage von sich. Was machten schon zwei Stunden? Wohlweislich hatte er sich für diesen und den nächsten Tag keine Termine eingeplant. Da war es egal, wann ihr Treffen stattfand.

„Sehr gut. Dann sprechen wir uns übermorgen?“ Auch das bestätigte Ran, und versuchte nicht mit den Augen zu rollen. Dieser Hype um diesen einen Mann verstand er einfach nicht. Vielleicht war sie bei anderen Premiumkunden auch so, doch das wollte er sich gar nicht vorstellen, und hoffte gleichzeitig, dass die Kundschaft das nicht mitbekam. Umsorgt werden, schön und gut. Aber wenn man ihm ständig hinterherlaufen würde, fände er das enorm albern.

Sie beendeten das Gespräch und Ran ging ins Bett. Er war müde und hoffte, dass er schnell einschlafen konnte. Die Nervosität in ihm durfte ihn einfach nicht davon abhalten, sich auszuruhen.
 

Als er am nächsten Abend vor dem angegebenen Hotel stand, schluckte er. Es hatte zwar einen Stern weniger, war dennoch ebenfalls nobel und Ran begann sich zu fragen, wie dieser Mann sich diese Kategorie Hotels nur jedes Mal leisten konnte. Vielleicht war er ja nicht der Einzige, den er bestellte. Wenn er dann doch an die Vergütung dachte, schwirrte ihm der Kopf. Vielleicht würden sie sich heute nur in der Lobby treffen. Dann konnte Ran sich den Mann einmal ansehen, der ihn so aus dem Konzept brachte.

Mit einem Blick auf die Uhr, betrat er das Haus und ging an die Rezeption. Dieses Mal fiel es ihm schon wesentlich einfacher, nach der Keycard zu fragen. Dabei nannte er seinen Decknamen und bekam die kleine Karte über den Tresen geschoben.

„Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt“, sagte die Frau und deutete eine Verbeugung an. Ran nickte ihr zu und ging zu den Fahrstühlen. Wieder war das Zimmer in der obersten Etage und Ran drückte den Knopf, der mit einem kurzen Geräusch aufleuchtete. Der Flur war mit dickem, roten Teppich ausgelegt. Das Licht war sehr angenehm. Hier fühlte er sich seltsam wohl.

An der Tür des Zimmers klebte eine kleine Karte und ein Lächeln huschte über Rans Lippen. Diese kleinen Dinger waren vertraut. Immer wieder hatte er sich die Karten angesehen, die er erhalten hatte. Vielleicht aus dem Bedürfnis und der Neugier heraus, mehr über den Mann zu erfahren. Doch Fehlanzeige. Die Texte waren zu kurz, um irgendwelche Vermutungen anzustellen. Dennoch reichten sie, um ihn heute weniger nervös zuzugreifen.

„Lass das Licht aus und komm auf den Balkon“, las er sich vor und trat in das Zimmer ein. Finsternis umfing ihn und er vermutete, dass die Lichter der Stadt kaum bis zum Balkon kommen würden. Also würde er ihn auch heute nicht sehen.

„Meinst du nicht, dass es auf Balkon etwas kalt ist?“, fragte er mutig in die Dunkelheit und legte die Schlüsselkarte auf den kleinen Tisch, dessen Umrisse er gerade noch erkennen konnte.

„Das Essen wird dich wärmen“, hörte er eine kratzige Stimme und Ran zog die Augenbrauen zusammen. Das folgende, unterdrückte Husten bestätigte Rans Vermutung, dass der Mann wohl erkältet war. Sicher klang er sonst anders. So war seine Stimme ganz schwach und glich eher einem Reibeisen, als einer menschlichen Stimme. Für eine Sekunde fand er die Stimme passend für einen Drohanruf, doch er verwarf den Gedanken sofort wieder. Ran trat auf den Balkon und warf einen neugierigen Blick auf die Person, die am Tisch saß. Sie war in eine dicke Jacke gewickelt und die Kapuze verdeckte jeden Blick in sein Gesicht. Der Mann schob mit kurzen Bewegungen des Kopfes den Schal höher. Ran musste schmunzeln.

„Du bist verrückt. Komm. Wir essen drinnen“, meinte er und erhaschte eine kurze Bewegung, die er als stille Skepsis deutete. Jetzt musste Ran vorsichtig sein.

„Wir machen eine Kerze an, damit wir uns nicht in die Finger schneiden, und lassen sonst alles dunkel. Aber dann holst du dir hier draußen nicht den Tod.“ Der Mann wandte seinen Blick über die Stadt und Ran war der Meinung etwas sehnsüchtiges in der Geste zu erkennen. Er folgte dem Blick, wagte sich an das Geländer und begann, zu verstehen. Unter ihnen glitzerte die Stadt, und der sanft beginnende Schneefall, versprach Ruhe und Abstand von der Welt. Wir essen drinnen und dann setzen wir uns mit Decken wieder hinaus. Oder?“, bot er an. Schließlich erhob sich der Mann und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Etwas in Ran sprang darauf an. Seine Vermutungen bestätigten sich. Der Mann war groß. Trotz der dicken Jacke konnte er erkennen, dass er sportlich war. Ran ging zu ihm und wartete auf eine Entscheidung.

Als es an der Tür klopfte, ging Ran vor. Er sah es als seine Aufgabe an, das Essen aufzutragen. So nahm er es an der Tür entgegen und gab dem Portier ein Trinkgeld. Als er sich umdrehte, stand der Mann mitten im Raum und hielt zwei dicke Kissen hoch.  Ein Nicken, dann landeten die Kissen auf dem Boden und der Mann ließ sich auf eins nieder. Einmal mehr musste Ran feststellen, dass es angenehm war mit dem Fremden. Es war einfach mit ihm und kam ihm sehr entgegen. So nahm er die Teller und das Besteck und ließ sich im Schneidersitz auf das zweite Kissen nieder, reichte einen Teller weiter und setzte sich seinen auf den Schoß. Still aßen sie. Die Kerze wurde einfach vergessen. Hin und wieder unterdrückte der Fremde ein Husten. Warum tat er sich das an? Warum hatte er nicht einfach abgesagt, als er bemerkte, dass er erkältet war? Der Japaner verstand es nicht. Gleichzeitig war er froh, dass er nicht abgesagt hatte. Nicht wegen des Geldes. Das war nicht vorrangig. Nein. Es war diese Stimmung zwischen ihnen. Obwohl sie schwiegen, war da keine Kälte zwischen ihnen. Ran fühlte sich wohl.

Ein Räuspern sollte ein neues Husten verdecken und Ran stellte seinen Teller weg und stand auf. Er spürte den Blick auf sich, sagte jedoch nichts. Leise suchte er nach der winzigen Küchenzeile und brühte, im Halbdunkel einer winzigen Lampe, einen Tee auf. Zu seiner Freude, fand er Honig und rührte einen Löffel davon in das Heißgetränk, ehe er das Licht abschaltete und um einiges langsamer wieder zurückging. Seine Augen brauchten etliche Momente, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Das minimalistische Licht der Stadt half ihm dabei überhaupt nicht.

Als eine warme Hand über sein Schienbein strich, hielt er an, ging in die Hocke und tastete sich den Arm entlang bis zur Schulter des Mannes. Dann reichte er die Tasse weiter. Er musste nichts sagen, das gefiel ihm. Dennoch ließ der Mann ihn nicht los. Seine Hand strich über sein Knie zum Ellenbogen und weiter über Rans Schulter zu seinem Nacken. Zärtlich und dankbar begannen die Finger ihn zu kraulen. Ran war zufrieden. Sie brauchten keine Worte, verstanden sich auch so. Er wurde mutiger, ließ sich neben dem Mann nieder, der vorsichtig an seinem Nacken zog, ihm deutete, seinen Kopf an die fremde Schulter zu lehnen. Ran folgte, hörte, wie der Mann an dem Tee nippte und dann seine warme Wange an seine Haare schmiegte. Der warme Atem trug eine Note Tee und Honig mit sich und Ran konnte nicht widerstehen, die Augen zu schließen. Zu lange hatte er sich diese Schwäche verboten. Bei Weiß hätte er sich niemandem öffnen können. Er hätte nie eine zärtliche oder gar liebevolle Beziehung eingehen können. Sex war einfach. Ein Onenightstand fragte nicht, wer man war und was man außerhalb der wenigen Stunden machte. Es war sehr einfach, an jemanden zu kommen, wenn man seinen Trieben folgen wollte. Einfach, aber nicht schön. Was auch der Grund war, warum er es nur sehr selten getan hatte.

„Du riechst heute gar nicht nach Kaugummi“, murmelte er und schloss die Augen, ließ sich den Nacken streicheln und lauschte zufrieden, wie der Mann den Tee in kleinen Schlucken trank. Dann wurde die Tasse abgestellt und Bewegung kam in den Mann. Es raschelte, doch Ran wollte vertrauen, ließ die Augen geschlossen und seine Stirn an der Schulter.

Erneut schmiegte sich eine Wange an sein Haar und ein Lächeln zog sich über das fremde Gesicht. Ran spürte, die leichten Kaubewegungen und erhaschte den Geruch nach Kaugummi. Es war alber, das wusste Ran, aber dieser Geruch in Verbindung mit dem Duft des Mannes in dieser vertrauensvollen Dunkelheit entspannten ihn. Als Dank ließ er seine Finger unter die Jacke schlüpfen und streichelte über die erhitzte Haut. Hatte der Mann etwa Fieber? Dann sollte er das Treffen hier vielleicht abbrechen? Andererseits war der Mann an seiner Seite erwachsen. Wie zur Bestätigung wurde er enger an den Mann gezogen und streichelte sanft weiter.



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