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after Weiß

von

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Akt VIII


 

„Es war ein sehr schöner Abend, Aya“, hörte Ran Mikos Stimme, als sie ihm vor ihrem Haus die Hand reichte.

„Das fand ich auch“, erwiderte er und war um ein Lächeln bemüht. Dabei taten ihm fast schon die Wangen weh, so oft hatte er es in den letzten vier Stunden getan. Gelächelt. Die Dame erwiderte die Geste und ging dann ins Haus. Nun war Ran doch etwas unsicher. Er wuusste, dass es sich eigentlich verbot, jemanden nach Geld zu fragen, aber ...

„Hier.“ Ran sah erst auf den Mann, der neben ihn getreten war und dann auf den Briefumschlag, den dieser ihm reichte.

„Danke.“ Mehr sagte er nicht und der Mann ging ins Haus. Ungesehen steckte Ran den dicken Briefumschlag ein und ging um die nächste Ecke. Das Geld noch vor dem Haus zu zählen war einfach unhöflich und er konnte sich gut genug verteidigen, dass er im Licht der Laterne einen Blick hineinwerfen konnte.

Ran stockte. Also das ... war definitiv mehr, als er sich für vier Stunden Oper zahlen würde. Noch dazu hatte Miko die Karten bereits bestellt und bezahlt, als sie in die Oper traten. So wusste er nicht genau, wie viel die Karten gekostet hatten, doch er hatte eine grobe Ahnung und das musste er jetzt im Kopf auf seinen ‚Lohn‘ drauf rechnen. Gott! So viel hatte er für manchen Auftrag von Kritiker bekommen. Schnell zückte er sein Handy und schrieb Yoji eine Nachricht. So hatten sie es sich angewöhnt, seit der Schnüffler wieder voll in seinen Beruf, inklusive Undercover-Geschichten, eingetaucht war. Er würde sich dann melden, wenn er Zeit hatte. Langsam lief Ran weiter, verstaute den Brief in der Innentasche seiner Jacke und schlug die Richtung seiner Wohnung ein. Natürlich könnte er sich ein Taxi leisten, doch es war nicht weit und er wollte sein erstes Geld nicht für unnötigen Luxus verplempern. Erst musste er seine Schulden begleichen. Bei Yoji und seiner Hausverwaltung. Mit Letzterem würde er gleich morgen früh beginnen. Dann war wenigstens seine Wohnung sicher.

Sein Handy klingelte und Ran nahm den Anruf entgegen.

„Hey! Wie lief’s?“, wurde er gefragt und Ran war von den möglichen Antworten ein wenig überfordert.

„Gut“, sagte er daher und lauschte, dem ungläubigen Geräusch aus dem Hörer.

„Nur gut? Veralber mich nicht. Dabei heißt es, die alte Dame sei großzügig.“

„Sie heißt Miko. Bitte etwas mehr Respekt. Und ja. Sie war großzügig und eine nette Person.“ Nun schien auch Yoji erleichtert.

„Dann ist dir erst mal eine Sorge genommen?“ Ran nickte und murmelte eine Bestätigung, ehe er den Schlüssel aus seiner Hosentasche zog und die Haustür aufschloss. Die letzten Stunden und der Stress der vorherigen Wochen, krochen ihm allmählich in die Knochen.

„Sehr schön. Dann kommst du morgen zur Unterzeichnung des Arbeitsvertrages?“ Gerade fiel die Wohnungstür hinter ihm zu und er lehnte sich mit dem Rücken daran.

„Eigentlich dachte ich, dass ich das heute tun sollte. Hast mich ganz schön ins kalte Wasser geschmissen.“ Ein drohendes Knurren entkam ihm, doch Yoji lachte nur. Sicher aufgrund der Entfernung zwischen ihnen und der Tatsache, dass Ran kaum durchs Telefon greifen würde.

„Manchmal brauchst du das“, hörte er Yoji feixen und knurrte lauter.

„Das mag ich nicht, das weißt du.“

„Stimmt. Aber manchmal ist das, was du brauchst, um dich zu motivieren, etwas zu tun, nicht unbedingt das, was du gern magst.“ Stumm musste Ran ihm zustimmen. Er wusste ja, dass er hin und wieder ... naja ... nicht ganz einfach und handzahm war.

„Nun ab mit dir ins Bett und gib nicht gleich das ganze Geld auf einmal aus.“

„Ja, Mama!“, murrte er und verabschiedete sich dann von seinem Freund. Im Laufe des Gespräches hatte Yojis Stimme sich aufgehellt und Ran war sich fast sicher zu wissen, wem das zu verdanken war.

Er schnaufte anerkennend und zog sich noch auf dem Weg ins Bad aus. Nur noch duschen und ins Bett. Sein Körper verlangte Ruhe, sein Geist Zeit, um den heutigen Tag zu verarbeiten. Ab morgen währe er Mitarbeiter in einem Begleitservice.
 

Die Tage wuchsen zu Wochen und Ran merkte schnell, dass er weit weg von dem Leben eines gut bezahlten Begleiters war. Zwar konnte er sich mit den Treffen mit Miko seine Miete leisten, doch darüber hinaus wurde es hin und wieder wirklich knapp.

Nun saß er auf der alten Ledercouch in Yojis Büro und drehte die leere Bierflasche nachdenklich in der Hand.

„Vielleicht solltest du mal nach höherpreisigen Dates fragen“, sinnte der blonde Mann und ließ sich neben Ran auf das Polster fallen.

„Hmmm“, machte er, sah weiter auf die Falsche. Er wusste, was das führ ihn hieß, denn die Agentur, für die er unterwegs war, hatte Kategorien, in denen sich die Mitarbeiter bewegten. Auf der billigsten Stufe, Kategorie A, standen die reinen Begleiter.  A1 waren die normalen Männer und Frauen, die man in eine Bar oder ins Kino mitnahm. A2 dagegen war schon ein wenig teurer und bot Begleitung für gehobene Events oder Veranstaltungen an. In dieser Kategorie befand Ran sich zur Zeit.

Danach wurde es intimer. Kategorie B1 bis B3 beinhalteten schon diversen Körperkontakt. Vom Kuss vor der Haustür zum Abschied, bis zur Knutscherei auf dem Sofa des Kunden. In Kategorie C ging man dann einen großen Schritt weiter. Sie war die teuerste aber auch die lukrativste Kategorie.

„Ich weiß, wo ich hinmuss, um alles bezahlen zu können. Momentan stopfe ich ein Loch mit einem anderen“, gab er preis und Yoji nickte nur verstehend. Er kannte Rans finanzielle Lage und wusste genauso gut, dass ein einziger Fehltag Ran das Genick brechen konnte.

„Ich gebe es ungern zu, aber dir bleibt nicht viel. Ja! Gerade schaffst du es, dich irgendwie über Wasser zu halten. Aber das schaffst du keine Monate mehr. Du bist jetzt jeden Tag bei einem kleinen Date und krebst vor dich hin.“ Er schnaufte und stellte seine frisch angefangene Flasche auf den Tisch vor ihnen.

„Du musst erst mal wieder auf die Beine kommen. Ich weiß, dass dir dieser Gedanke überhaupt nicht gefällt. Und ehrlich: mir auch nicht ganz. Aber ...“ Er brach ab. Was sollte er noch sagen? Sie beide wussten, wie es um Ran bestellt war. Sagte nur ein Kunde spontan ab, fiel sein Kartenhaus in sich zusammen.

„Also mindestens einen Kategorie C-Deal.“ Fast unauffällig sanken Rans Schultern ab.

„So ein Scheiß!“, fluchte er leise und Yoji starrte ihn entsetzt an. So hatte er ihn noch nie gehört, das wusste Ran, dennoch. Es musste mal gesagt werden. Gute Kinderstube hin oder her.

„Du weißt, dass du bei denen nichts vorgesetzt bekommst. Es geht immer im beidseitigen Einverständnis. Gut Miko war eine Ausnahme, aber da musste es auch echt schnell gehen. Denk einfach darüber nach, ja?“ Ran nickte, als er sich erhob und heimging. Dabei dachte er über Yojis Worte nach. Zwar hatte er in dem Punkt recht, dass er keinen Auftrag vorgesetzt bekam, aber es gab auch keine Details zu den Kunden. Keine Fotos. Nichts. Die ältere Dame war ein Glücksgriff gewesen, das stimmte. Aber würde Ran noch einmal so viel Glück haben? Er war sich da überhaupt nicht sicher.

Gleich am nächsten Morgen machte er sich auf zur Agentur. Zum einen musste er seine Abrechnung vorbei bringen. Zum Anderen hatte er über Nacht genug Mut angesammelt, um seine Chefin unverbindlich zu fragen, wie es gerade in der Kategorie C aussah.

Sein Blick fiel, als er an das große Gebäude in der Innenstadt ankam, auf das dezente, polierte Schild. Kein Außenstehender würde erahnen können, was sich hinter dem klangvollen Namen ‚Serviceagentur‘ verbarg. In kleinerer Schrift standen die Nachnamen der beiden Besitzer darunter. Mehr nicht. Diskretion wurde hier großgeschrieben. Noch einmal atmete er durch und ging in das Gebäude, fuhr mit dem Fahrstuhl ein paar Etagen und wurde, als die Türen sich öffneten, freundlich von der Empfangsdame begrüßt.

„Aya. Wie schön sie zu sehen“, gab die Dame lächelnd von sich. Es klang gleichermaßen vertraut und geschäftlich distanziert.

„Guten Morgen“, meinte er und ging an ihr vorbei, in Richtung Büro. Hinter der Glasfront konnte er seine Chefin telefonieren sehen. Davor war ein Großraumbüro mit Mitarbeitern, welche die einzelnen Dates terminierten. Still wartete Ran, bis die schlanke Frau ihn vor der Glaswand sah, ihm winkte und dabei war, ihr Gespräch zu beenden. Sie war gerade erst zwanzig, wenn Ran sie schätzen müsste, und hatte sich ihre fröhliche Art bewahrt. Dabei konnte sie eine genauso toughe Geschäftsfrau sein. Irgendetwas an ihr erinnerte ihn an Omi. Er mochte sie.

„So jetzt zu Ihnen“, sagte sie freundlich, als sie Ran die Tür öffnete und ihn mit einer einladenden Geste hereinbat.

„Danke. Ich habe meine Abrechnung dabei“, erklärte er und setze sich auf einen der weichen Sessel vor dem Schreibtisch. Seine Chefin nahm dahinter Platz.

„Sie sind einer von den Guten, Aya. Auf Sie ist wirklich Verlass“, lobte sie ihn und nahm die Papiere entgegen, um sie gleich durchzusehen.

„Sagen Sie ...“, fing Ran an und sah betont entspannt aus dem Fenster. „Wie sieht es denn gerade in den höheren Kategorien aus?“ Das plötzliche Seufzen ließ ihn überrascht aufsehen. Die junge Frau wirkte mit einem Mal gut zehn Jahre älter und schob enttäuscht die Blätter vor sich her.

„Sie wissen es wohl schon?“, fragte sie und Ran schüttelte nur den Kopf.

„Wir haben einen treuen Kunden. Sehr treu und sehr ...“ Sie überlegte offenbar, welche Formulierung passend war.

„Gewinnbringend?“, half Ran aus, ohne eine Wertung in der Stimme. Seine Chefin wiegte leicht den Kopf, nickte dann aber.

„Er ist unglaublich pflegeleicht gewesen. Unsere Mitarbeiter waren stets zufrieden mit der Bezahlung und der Behandlung.“

„Aber jetzt?“, wollte er von den Schwärmereien für den Kunden auf das aktuelle Problem kommen.

„Es ist schwer zu sagen. Er weißt unsere Mitarbeiter ab. Einen nach dem Anderen. Egal ob groß oder klein. Mann oder Frau. Einfach jeden und das ganz plötzlich und ohne eine Erklärung. Und nun gehen mir die Mitarbeiter aus.“ Erneut seufzte sie. Etwas in Ran witterte seine Chance. Er war neugierig geworden.

„Was ist das denn für ein Kunde?“, fragte er und hoffte, vermitteln zu können, dass er zwar Interesse hatte, aber nicht an einen Verrückten geraten wollte.

„Oh, er ist wirklich höflich. Vielleicht ein wenig seltsam, was seine Kommunikation angeht.“ Ran hochte auf. Was war das denn für einer?

„Er telefoniert nicht, schreibt nur Emails oder mal ein Fax.“

Gerade, als Ran nachhaken wollte, klopfte es an der Tür und ein Mann steckte seinen Kopf ins Büro.

„Ah! Jay! Bloß gut, dass Sie gerade da sind. Können Sie Aya über unseren Kunden 379 aufklären?“ Der Mann mit dem gepflegten braunen Haar, trat irritiert ein und nickte dabei. Nur kurz musterte Ran ihn. Gepflegtes, sportliches Äußeres, schulterlange Haare, die in einem Zopf zusammengefasst waren. Einzig die Aktentasche störte das Bild des jungen Mannes irgendwie.

„Er ist sehr höflich und keinesfalls egoistisch.“ Das folgende Lächeln bescherte Ran eine Gänsehaut. Ok. Es war schön, dass dieser Mann nicht an seinen Dates bediente. Dass es aber dabei um bezahlten Sex ging, störte Ran enorm.

„Meißt läd er sich jemanden in ein Hotelzimmer ein, da er nicht aus der Stadt ist.“

„Und dann?“, platze es aus Ran heraus und Jay sah ihn offen an.

„Ganz ehrlich? Er redet. Also eigentlich ist es sogar eine sehr ausgeglichene Unterhaltung. Über Stunden sitzt man mit ihm zusammen und redet. Manchmal isst man was zusammen, manchmal trinkt man zusammen. Kommt etwas auf die Tageszeit an.“ Jay zuckte mit den Schultern. Dann bekam er einen leichten Glanz in die Augen.

„Bei mir hat es gut vier Treffen zu je drei Stunden gedauert, bis wir uns näher gekommen sind. Es war ganz entspannt und ich bin mir sicher, es wäre nichts passiert, wenn ich nicht gewollt hätte. Mein Vorgänger Hat über ein halbes Jahr nur mit ihm geredet. Von meinem Nachfolger weiß ich, dass es in den beiden Dates jeweils recht heiß herging.“ Erneut zuckte er mit den Schultern, dann sah er seine Chefin an.

„Ist er etwa wieder frei?“ Sie schüttelte den Kopf.

„Ich habe Sie ihm schon angeboten, aber er scheint gerade nicht in der Stimmung zu sein. Und da er ein Premiumkunde ist, darf er sich so einige Launen erlauben. Immerhin ist er Ion der Preisklasse tatsächlich als Kunde König. Tut mir leid“, sagte sie und er nickte enttäuscht. Offenbar schien dieser Kunde 379 eine wirklich gute Partie zu sein.

Der junge Mann legte seine Abrechnungen vor und verschwand, als die junge Frau seine Unterlagen abnickte. Als sie wieder allein waren, atmete Ran unbemerkt durch. Er brauchte dringend dieses Geld und der Kunde schien keinen so großen Sprung in der Schüssel zu haben, wie er befürchtet hatte.

„Wegen diesem Kunden“, fing Ran an und erhaschte sofort die volle Aufmerksamkeit seiner Chefin.

„Denken Sie, sie könnten ihm vielleicht mein Portfolio anbieten?“ Erleichterung trat in ihr Gesicht. Hatte sie etwa darauf spekuliert? Wie dreist! Aber es zeigte einmal mehr, wie gut sie in ihrem Geschäft war. Schnell warf sie einen Blick auf die Uhr und nickte.

„Wenn wir es jetzt gleich machen, könnten wir sofort eine Antwort bekommen.“ Unsicher nickte Ran. Er hatte nicht gedacht, dass es so schnell gehen würde und allmählich verließ ihn der Mut. Das war nichts, was er nach außen hin zeigen würde, dennoch. Sein Herz klopfte deutlich schneller an seine Rippen, als die Frau eine Email schickte und nur eine Minute später, kündigte ein Geräusch eine Antwort an.

Die Frau laß sich den Text durch, der kaum mehr als eine Zeile betragen konnte, wenn Ran die Augenbewegung seines Gegenübers richtig deutete, dann drehte sie den Bildschirm.

Das Hotel, dass in der Email genannt wurde, war kaum zwei Straßen weiter und unglaublich nobel. Dazu stand nur: ‚20:30 Uhr, in zwei Tagen‘

Kurz, prägnant. Das mochte Ran. Kein langes Drumherum oder höfliche Floskeln. Keine Anrede, keine Unterschrift. Ran spürte, wie er nickte und war ab diesem Moment ungewohnt aufgeregt.



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