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after Weiß

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Oh mein Gott, sie lebt noch! Ja. Tut sie. Und sie schämt sich sehr, dass erst jetzt ein neues Kapitel auftaucht. Das Leben kam mir dazwischen, ihr wisst ...
Nun bin ich zurück und hoffe, dass da draußen noch ein paar Leute sind, die sich an dieser Geschichte erfreuen können. In diesem Sinne. Have fun! Komplett anzeigen

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Akt VII


 

 

Das Klingeln seines Weckers riss ihn aus seinem Schlaf. Träge tastete er nach dem Störenfried und schaltete den Alarm aus. Für einen Moment überlegte er sich, ob er nicht einfach weiter schlafen wollte, doch dann fiel ihm sein heutiger Termin ein. Mürrisch erhob er sich und schlürfte in die Küche um sich einen Tee zu machen und die Musik anzuschalten. Blind bediente er die Anlage und warf gleichzeitig einen Teebeutel in die Tasse. Normalerweise bevorzugte er losen, edlen Tee, aber den konnte er sich im Moment nicht leisten.

Nachdem der Wasserkocher seinen Dienst getan hatte, goss Ran sich den Tee auf und zupfte an der Schnur des Teebeutels. Lustlos sah er zu, wie sich das Wasser verfärbte. Er war es gewohnt sparsam zu leben, doch das er sich nun nicht mal mehr seinen Tee leisten konnte, ließ ihn sich bettelarm vorkommen. Die paar Yen, die der Tee kostete … Aber nein! Ran verbot sich jeden weiten Gedanken an diesen Luxus.

Die sanfte Musik beruhigte seine Gedanken und er machte sich ein kleines Frühstück. Ein bisschen Obst, seinen Tee und die Zeitung, die er neuerdings von deiner Nachbarin bekam. Sah man ihm etwa an, dass er dringend einen Job brauchte? Jedenfalls sah die alte Dame ihn immer etwas mitleidig an, wenn er von ihr die Zeitung bekam. In solchen Momenten wünschte Ran es sich, hin und wieder Gedanken lesen zu können. Ein freudloses Lachen kam über seine Lippen, als er an den einen Telepaten dachte, den er kannte. Ob er vielleicht noch lebte?

Mit einem Blick von den Stellenanzeigen zur Uhr, verwarf er alle Überlegungen in diese Richtung und erhob sich. Schnell zog er sich an und verließ die Wohnung.
 

„Hallo. Sie sind sehr pünktlich. Das ist schon mal gut“, wurde er eine knappe halbe Stunde später in dem kleinen Laden begrüßt und nickte der jungen Frau zu.

„Guten Morgen.“ Damit zog Ran sich die Jacke aus und kam auf sie zu.

„Sie können ihre Sachen im Büro ablegen. Dort liegt auch schon eine Schürze für Sie bereit.“ Dabei deutete sie auf den hinteren Bereich des Ladens, der für die Kundschaft unzugänglich war. Erneut nickte Ran und brachte seine Jacke hinter, zog die Schürze an und kam wieder zum Tresen.  Als die Türglocke des Ladens ging, wurde er am Arm angestupst.

„Dann lagen Sie mal los.“ Mit einem höflichen Gruß ging er auf den Kunden zu, während die junge Frau ihn beobachtete.
 

Die Stunden gingen ins Land und als Ran den Laden nach dem letzten Kunden schloss hörte er einen überlegen Laut hinter sich.

„Sie haben sich heute wirklich gut gemacht und sie wären eine wirkliche Hilfe hier im Laden.“ Ran bemühte sich, nicht zu streng zu gucken.

„Aber?“

„Aber obwohl Sie schon zehn Jahre Erfahrung haben ... Sie haben keine Ausbildung und ich kann Ihnen nur einen winzigen Lohn zahlen. Das fände ich nicht gerecht, für die Arbeit, die Sie hier leisten sollen.“ Ran nickte. Er hatte diesen Satz schon so oft gehört. So oft scheiterte es an der fehlenden Ausbildung. Dennoch vermied er es, unwillig zu schnaufen. Er ging in das Büro, legte die Schürze ab und zog seine Jacke an.

„Sein Sie bitte nicht zu sehr enttäuscht“, meinte die Frau hinter ihm gutmütig und Ran hörte sich eine beschwichtigende, höfliche Floskel sagen, ehe er mit einem Gruß den Laden verließ und nach Hause lief. Schöner Mist. Nun gingen ihm wirklich die Optionen aus. Als Kellner wollte man den ‚böse dreinblickenden‘ Mann nicht und als Florist ... Na ja. Am Ende war jede Probearbeit gleich.

„Sie sind nett, aber ...“

„Sicher würden Sie gut in unser Team passen, aber ...“

„Ihre Erfahrung reizt uns, aber ...“ Immer wieder diese ‚aber‘. Ran konnte es nicht mehr hören.

Er schloss die Tür zum Wohnhaus auf und stieg die Treppen hinauf. Er war missmutig. Das würde er zwar nie zeigen, aber er war es. Missmutig und mit dem Latein am Ende. Er war seit Wochen arbeitslos, war sich aber gleichzeitig sehr sicher, dass die Bösen genug Aufträge hatten. Crawford und seine Spinnertruppe lachten sich unter Garantie gerade ins Fäustchen oder kamen vor Schadenfreude nicht mehr in den Schlaf. Sollten sie doch! Dann starben sie wenigstens irgendwann an ihren Lachkämpfen oder wegen Schlafmangels.

Gerade so konnte er sich ein Schnaufen verkneifen, als er stockte. In wenigen Schritten war er an seiner Wohnungstür und riss den auffällig roten Zettel ab, sah sich hektisch um und ging schnell in die Wohnung. Licht blieb erst mal aus! Er ging ins Bad und griff nach der Taschenlampe unter seinem Waschbecken, um den Zettel zu lesen. Eigentlich ahnte er schon, was darauf stand, doch es zu lesen brachte auch den kühlen Japaner aus der Ruhe. Es war eine Räumungsandrohung. Verdammt! Und nun? Sollte er sich jetzt noch vor seinem Vermieter verstecken? Vielleicht sogar nur noch übers Fenster in seine Wohnung einsteigen, wie ein Dieb? Schwerfällig rutschte Ran an der Fliesenwand herunter, holte sein Handy aus der Tasche und starrte ungläubig über sich selbst auf Yojis Telefonnummer. Trotz des gewaltigen Widerwillens in ihm, rief er an und ihm zog sich der Magen zusammen, als er Yojis Stimme hörte.

„Wie genau soll das mit dem Job laufen?“, hörte er sich selbst sagen und ließ den roten Zettel kraftlos zu Boden sinken.

„Hast du einen Anzug?“ Er nickte, ehe ihm bewusst wurde, dass sein Freund diese Geste nicht sehen konnte, und antwortete dann knapp. Sein Hals wurde eng, doch er ließ sich nichts anmerken. Das wäre ja noch schöner.

„Gut. Dann zieh ihn an und komm in vier Stunden zu der Adresse, die ich dir gleich schicke. Dann hast du den Job“, hörte er Yoji fast schon freudig erzählen, dann legte er auf. Wie konnte dieser Mensch sich nur so darüber freuen, dass er sich prostituierte? Ok. Ja. Es war ein Begleitservice, doch was war es anderes als ein Job als Callboy? Und wozu sollte er sich in einen Anzug zwängen? Die Kleidung wurde er sicher gleich wieder los, warum also diesen Aufwand betreiben?

Ran schnaufte, als er sich erhob und aus dem Bad ins Schlafzimmer ging. In seinem Schrank hing ein schwarzer Anzug mit rotem Kummerbund und schneeweißem Hemd. Den Kummerbund würde er einfach ignorieren. Das war nun wirklich zuviel. Das Hemd bügelte er sorgfältig und aus der Hose des Anzuges dampfte er alle ungewollten Falten. Danach ging er ausgiebig duschen und gönnte sich eine gründliche Rasur.

Als er sich abtrocknete, fiel sein Blick nachdenklich erst auf den Anzug, dann auf die Uhr und er sprach sich Mut zu. Es war doch auch nichts anderes, als eine Mission. Ein Auftrag, der erledigt werden musste. Die letzten Wochen in dieser trügerischen Freiheit hatten Ran weich gemacht. Weich und schwach. Das musste ein Ende haben. Er hatte seine Schwester, seinen Job und seine Bestimmung verloren. Er durfte nicht auch noch sich selbst verlieren. Nicht schon wieder.

Leise und sehr konzentriert, zog er sich an. So hatte er es auch vor jeder Mission getan. Konzentration, den Blick auf das Ziel gerichtet. Er zog die Schuhe an, putzte noch einmal über das schwarze Leder und ging los. Sein Handy gab einen Ton von sich und Ran las sich die Adresse durch. Sie war nicht weit von seiner Wohnung. So konnte er laufen und sich sein letztes Geld für danach aufheben, wenn er sich entweder schnellstens mit dem Taxi heimbringen ließ, oder sich in irgendeiner Bar besoff. Nicht die besten Optionen, das wusste er, aber momentan waren es wohl seine einzigen Optionen.
 

Als er an der Adresse ankam, atmete er tief durch. Er war jetzt Dienstleister. Sein Kunde war König. Bestimmt drückte er auf den einzigen Klingelknopf an dem doch recht vornehmen Haus und Augenblicke später öffnete ihm ein älterer Mann die Tür. Ran versuchte sich an einem Lächeln. Der Herr passte überhaupt nicht in sein eigenes Beuteschema, doch er würde es ertragen.

„Meine Schwester kommt sofort. Möchten Sie vielleicht drinnen warten?“, wurde er gefragt und nickte, dankte höflich und trat ein. Wie irritiert er über diese Aussage war, zeigte er nicht.

Der Mann verschwand und Ran gönnte sich einen kurzen Moment, in dem er sich etwas umsah. Die Bewohner dieses Hauses hatten Geld, dass sah man. Es war nicht alles luxuriös, aber sie hatten definitiv keine Geldsorgen.

„Ah, Sie müssen Aya sein“, hörte er und blickte zur Treppe hinauf. Eine elegante Dame stand mitten auf der Treppe. Sie hatte die fünfzig bestimmt schon hinter sich gelassen, dennoch hatte sie die Ausstrahlung einer toughen Frau. Sie trug ein dunkelblaues Kleid, dass nur knapp über dem Boden endete.

„Ja“, gab er zurück und verbeugte sich höflich. Nun war er doch neugierig. Yoji hatte alles eingefädelt, ihm aber kaum eine Info zukommen lassen. Dennoch. Ran wusste zu improvisieren.

„Es freut mich, Sie kennenzulernen. Mein Name ist Miko.“ Nun richtete Ran sich wieder auf. Die Frau kam auf ihn zu und deutete mit einer kleinen Bewegung auf einen Mantel, der an der Garderobe bereit hing. Wortlos griff Ran danach und half Miko in den Mantel.

„Mein Bruder wird uns fahren.“ Erneut nickte Ran und sah, wie der Mann wieder kam, wortlos an ihnen vorbei ging und die Haustür öffnete. Auch Miko setzte sich in Bewegung und Ran hielt ihr die Tür auf, ehe er sie hinter sich ins Schloss zog. Auch als der Wagen vorfuhr zeigte er Anstand, hielt der Frau die Tür auf und ging ums Auto, um sich zu ihr auf die Rückbank zu setzen. So schlecht hatte der Abend gar nicht angefangen. Er musste sich nicht gleich wieder ausziehen und offenbar hatte die Dame neben ihm noch etwas anderes vor. Ihm sollte es recht sein.

„Mein Mann ist vor mehr als zehn Jahren gestorben“, begann die Frau leise, lächelte seicht und sah weiter nach vorn. „Wir haben die Oper geliebt und sind jeden Monat zusammen hingegangen. Auch als wir kaum Geld hatten, hat er es immer irgendwie möglich gemacht, dass wir es uns leisten konnten. Jeden Monat, seit wir uns das erste Mal begegnet sind.“ Ran hörte aufmerksam zu. Dann sah Miko ihn an. Trauer stand in ihren Augen, doch auf ihren geschwungenen Lippen lag weiterhin dieses leichte Lächeln.

„Für mich allein würde ich nicht hingehen und meinen Bruder interessiert die Oper nicht.“ Ein verstehendes Nicken.

„Sicher haben Sie spannendere Kundschaft, als mit einer alten Frau in die Oper zu gehen ...“ Sie lachte leise und auch Ran lächelte ein wenig.

„Ich habe meine Mutter früher ein paar Mal mit in die Oper begleitet und fand es gar nicht so langweilig“, gestand er und das Lächeln auf Mikos Lippen wurde weicher.

„Warum gehen Sie nicht mehr mit Ihrer Mutter hin?“

„Sie kam ums Leben. Danach hat mich nicht mehr viel dazu getrieben. Vielleicht ein wenig, wie bei Ihnen“, sinnte er und Miko nickte, ehe der Wagen hielt und Ran ausstieg, um Miko die Tür aufzuhalten und ihr die Hand zu reichen. Sie bedankte sich und als der Wagen abfuhr sah Rand auf das Opernhaus, dann hielt er Miko den Arm hin und geleitete sie hinein.

Wenn der Abend so weiterging, hatte Ran nichts gegen diesen Job. Ganz und gar nicht.



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