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Die Unsterblichen und ich

von

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Prolog

Prolog
 

Ein schwarzer Schatten legte sich über die Stadt. Jeder normale Mensch würde sich in seinem Haus verstecken, weil es nach Regen aussah. … Aber das wäre wohl noch angenehm im Gegensatz zu dem, was vor ihr lag. Sie hatte ihren Eltern versprochen Dylen in Sicherheit zu bringen und doch war alles anders gekommen.

Das kleine Baby lag in ihrem Arm und war ganz still. Am liebsten hätte sie alles vergessen und hätte ihrer kleinen Schwester beim Schlafen zugesehen, aber sie musste gegen die Schatten kämpfen, damit ihre kleine Schwester leben konnte.

Vorsichtig legte sie Dylen auf den Boden und stellte sich den schwarzen Schatten. Ihr Körper vibrierte und verwandelte sich rasend schnell. In wenigen Sekunden war sie in ihrer Wolfsgestalt und stand über dem Baby. Sie knurrte und starrte dem Schatten entgegen, als er langsam auf sie zu kam. Er bewegte sich flach auf dem Boden und sah harmlos aus, wie ein normaler Schatten, doch das war er nicht. Er war ein Dämon, den sie vernichten musste. Mit einem Hechtsprung stürzte sie sich auf die Gestalt. In diesem Moment materialisierte sich der Dämon und griff sie ebenfalls an.

Ares, bitte hilf mir.

Die Wölfin verbiss sich in dem Arm des Dämons, wurde aber von diesem gepackt und weg geschleudert. Sie kam auf ihren Pfoten auf, knurrte ein weiteres Mal und preschte wieder auf ihren Gegner zu. Jetzt ging alles schnell … viel zu schnell. Die Wölfin hatte keine Chance, denn plötzlich tauchten weitere Schatten auf, die sich auf sie stürzten. Sie war in der Unterzahl und würde diesen Kampf nicht überleben und das hieß auch, dass Dylen in die Hände dieser Dämonen geriet.

„AIDEN!“, schrie sie gen Himmel.

In diesem Moment geschahen zu viele Sachen auf einmal. Dylen fing an, zu schreien, einer der Dämonen zog ein Messer und stach es der jungen Wölfin in die Brust und ein heller Blitz schnellte zu Boden.

Die Wölfin rang nach Atem und wurde auf den Boden fallen gelassen. Sie verwandelte sich zurück in einen Menschen und erlag ihrer Stichwunde. Die Schatten waren verschwunden, stattdessen kniete sich ein Mann neben sie, den sie nur zu gut kannte.

„Aiden“, hauchte sie ganz leise, aber sie wusste, dass er sie verstand.

„Ich bin hier, Daphne“, flüsterte er mit leiser Stimme und schlang einen Arm um sie.

„Du hast dir … aber Zeit gelassen.“

„Es tut mir leid.“ Sanft legte er seine Hand auf ihre Wange und sah ihr in die Augen. „Ich bringe dich zu meiner Mutter.“

„Nein“, wisperte sie. „Dylen, bitte Aiden.“ Er war hin und her gerissen, aber wie konnte er ihr eine Bitte ausschlagen? Das hatte er noch nie gut gekonnt. Also nickte er, beugte sich zu Daphne herunter und küsste sie. „Pass auf sie auf, Ares, mein Gott des Krieges“, hauchte sie mit letzter Kraft.

Kapitel 1

Kapitel 1
 

„Komm schon, Dylen, mach mal schneller!“

Ich verdrehte die Augen und trat aus dem Haus. Es war ja schon schlimm genug, dass wir zu diesem Fest eingeladen worden waren, warum sollte ich mich dann auch noch beeilen, um dort hin zu kommen?

„Wollt ihr nicht schon mal vorgehen?“, fragte ich hoffnungsvoll und zog die Haustüre zu. Meine Mutter drehte sich sofort zu mir um und stemmte die Hände in die Hüfte.

„Ist das dein Ernst?“ Ich seufzte und ließ die Schultern hängen.

„Nein, mein Klaus.“ Mom fing sofort an zu strahlen, weil sie dachte, dass ich einen Witz gemacht hatte. Was nicht wirklich wahr war.

„Dann ist ja gut. Komm.“ Mit gesenkten Schultern folgte ich meiner Familie … notgedrungen.

Es dauerte nicht lange bis zu den Freunden meiner Eltern, sie wohnten fast um die Ecke. Das hieß auch, dass wenn ich keine Lust mehr hatte, einfach verschwinden konnte … und doch war dieser Gedanke total bescheuert, da es sofort auffallen würde, wenn ich weg war. Und Mom wusste bestimmt, das ich zuhause sein würde. Ich musste noch weiter weg ziehen, das war das einzige, was ich tun konnte … aber als Werwolf brauchte man ein Rudel. Man blieb so lange bei der Familie bis man verheiratet wurde. Und ich war gerade letzten Monat erst 19 geworden. Also würden meine Eltern auch bald zu mir kommen und mir berichten das ich schon jemandem versprochen war, wenn das nicht schon längst passiert war. Selbst mein kleiner Bruder war schon versprochen worden und ich war mir hundert prozentig sicher, dass meine Eltern schon seit meiner Geburt wussten, wen ich heiraten sollte. Genauso war es auch bei Daphne gewesen.

Daphne.

Immer und immer wieder träumte ich von dem Tod meiner Schwester, was eigentlich nicht möglich war, denn ich war ja nicht wirklich dabei gewesen. Ich war ein Baby gewesen, wie sollte ich mich an diesen Tag erinnern. An diesen Tag vor genau 19 Jahren. Ich sah sie immer wenn ich die Augen schloss, um schlafen zu gehen. Ich sah, wie sie als Wolf über mir stand und knurrte. Das alles war immer so real und jedes Mal wachte ich mit einem lautlosen Schrei auf. Nachdem ich sie da auf dem Boden liegen sah, blutend. Es war immer das gleiche. Meine Eltern hatten mir erzählt, dass Daphne mich beschützt hatte. Aber warum, wusste ich nicht. Ich begriff nicht, warum meine Eltern sie alleine mit mir weggeschickt hatten. Sie hätten doch alle zusammen …

„Hi, Dylen!“

Ich blinzelte und sah neben mich. Ein kleines Blondes Mädchen kam auf mich zugelaufen. Ihr Kleid flatterte im Wind und dann sprang sie in die Luft und mir in die Arme.

„Was ist denn mit dir los? Hast du keine Lust?“, stichelte sie mich; ich streckte ihr einfach die Zunge raus. „Mein Bruder freut sich schon richtig auf dich.“

„Ja, das kann ich mir vorstellen, Lisa.“ Lisa war die Tochter der Freunde meiner Mutter und irgendwie sprang sie mich immer an, wenn wir uns sahen. Sie war ja eigentlich ganz nett, die ganze Familie war nett … aber ich hatte heute eigentlich mit meiner besten Freundin was vor gehabt und nur wegen diesem Fest, konnte ich nicht mit. Und ich hatte schon so im Hinterkopf, worum es ging.

Lisa nahm meine Hand und zog mich weiter in ihren Garten, wo schon ein paar Leute waren. Dieses Fest war eigentlich Tradition bei uns Werwölfen. Das machten wir jeden Monat, damit das Rudel auch zusammenhielt. Ich fand diese Feste ja eigentlich auch ganz lustig, aber je älter ich wurde, desto langweiliger wurden diese Feste. Es war nun mal so, dass alle älter wurden und wir vermählt wurden. Und die Jungs in meiner Altersgruppe waren schon seit Jahren dran mich irgendwie herum zu bekommen. Wenn ich wollte, hätte ich jedes Wochenende ein Date. Und dabei wusste ich noch nicht mal, warum die alle so scharf auf mich waren. Ich fand mich nicht perfekt. Ich war eben normal. Mein dunkelblondes Haar war lang und ging mir bis zum Kreuz, was mich an manchen Tagen einfach nur nervte und an anderen wieder nicht. Meine Figur war auch normal. Ich will jetzt nicht sagen, dass ich eine Bohnenstange war, aber ich war auch nicht dick. Ich war ein Mittelding, dünn und doch hatte ich Rundungen. Das alles fand ich nicht so berauschend, nichts wo ich sagen würde: Ja, alle Welt muss auf mich stehen. Das einzige, was ich an mir richtig liebte, waren meine strahlend blauen Augen, sie waren schon fast grau. Dabei hatte keiner aus meiner Familie so helle Augen.

Als Lisa und ich bei den anderen angekommen waren, sagte ich erst mal Hallo und wurde auch von den anderen begrüßt. Mom grinste mich sofort an, so nach dem Motto: So schlimm wird es nicht. Ich tat ihr einfach den Gefallen und lächelte auch. Glücklich drehte sie sich wieder um und unterhielt sich mit Lisas Mutter.

„Hast du Durst?“, fragte mich eine mir bekannte Männerstimme und hielt mir ein Glas Cola vor die Nase. Ich nahm es an und nickte.

„Danke, Bec“, meinte ich und sah ihn an. Immer wenn ich ihn ansah, war ich geplättet. Er war wirklich unglaublich schön. Bec war nicht der größte und doch etwas größer als ich … was eigentlich auch kein Wunder war. Ich war gerade mal 1,67 m groß. Aber sonst war Bec einer der schönsten Menschen, die ich je gesehen hatte. Sein Gesicht war weich und er hatte auch immer ein Lächeln auf den Lippen. Seine Augen waren braun und wirkten dadurch sehr dunkel. Seine Haare waren lang und braun, aber ihm stand das irgendwie. Heute trug er sie offen, normalerweise waren sie immer zusammengebunden, aber das gefiel mir. Es stand ihm irgendwie. Genauso wie das Hemd, was er heute trug. Es war nichts besonderes, aber ich kannte Bec nur in T-Shirt und Lederjacke. Aber es sah gut aus.

Und jetzt als ich ihm ins Gesicht sah, fiel mir ein Piercing an seiner rechten Augenbraue. Es war sehr schlicht, einfach nur ein silberner Ring.

„Ist der neu?“, fragte ich Bec und zeigte auf sein Piercing.

„Ja, ich hab es erst vorgestern machen lassen, sieht gut aus, oder?“ Ich nickte und sah ihn mir noch mal an. Es passte einfach zu ihm. „Ich hab gehört, du wolltest dich heute mit Skyler treffen.“

„Ja, wir wollten in einen neuen Club gehen, der erst letzte Woche aufgemacht hatte.“

„Das könnt ihr morgen ja auch noch machen.“

„Ja, stimmt auch wieder.“ Bec stupste mich mit seinem Ellbogen an und grinste breit.

„So wie ich dich kenne, wolltest du gar nicht hier her kommen.“ Ich streckte ihm die Zunge raus und wurde leicht rot.

„Musst du das so laut sagen?“ Bec lachte und legte mir seinen Arm um die Schulter.

„Weißt du, du bist richtig süß, wenn du rot wirst.“ Sofort wurde ich noch roter und drehte meinen Kopf weg.

„Das ist nicht lustig“, murmelte ich. Er lachte nur und wir suchten uns einen Platz, wo wir uns hinsetzten konnten. Bec ging auf eine Hollywoodschaukel zu. Ich folgte ihm einfach und setzte mich zu ihm.

Mom und Dad waren mitten im Getümmel und unterhielten sich mit den anderen. Es ging eigentlich immer um den neusten Klatsch oder um irgendeine Hochzeit die anstand oder so einen Kram. Die Männer unterhielten sich allerdings immer über Frauen, Autos oder der Jagt. Wir Werwölfe jagten keine Menschen oder sonst irgendetwas, aber wir liefen zusammen durch die Wälder. Das war auch so ein Ritual. Genauso wie heute Nacht um Punkt zwölf Uhr. Das war eigentlich das Beste an den ganzen Festen. Man konnte ausgelassen durch den Wald laufen und all seinen Frust ablaufen. Es beruhigte mich immer, wenn ich Wolfsgestalt rennen konnte.

„Da sind ja die zwei Turteltauben!“, rief jemand und plötzlich standen sechs kleine Jungs vor uns, einer von ihnen war mein kleiner Bruder Gabriel.

„Halt die Klappe“, fauchte ich ihn an. Er kicherte nur.

„Ich würde deine Schwester nicht so ärgern, du weißt doch, wie stark sie ist“, mischte sich Bec ein. Gabriel sah ihn sofort an. „Sie kann euch alle mit nur einem Schlag erledigen.“ Ich lächelte und nahm einen Schluck von meiner Cola. In der zeit hatte Bec meinem Bruder und seinen Freunden eine Geschichte aufgetischt, von der ihnen die Knie wackelten.

„Das stimmt doch gar nicht!“, rief Gabriel.

„Oh doch, deine Schwester ist der größte Wolf den ich je gesehen habe.“

„Da hat Bec recht, sie ist wirklich groß und gruselig“, meinte einer von Gabriels Freunden. Ich nahm noch einen Schluck von meiner Cola.

„Quatsch, sie ist wunderschön.“ Sofort spuckte ich die Cola aus und starrte Bec an. Dieser grinste nur und legte mir wieder einen Arm um die Schulter.

„Iiih, kommt Leute, wir gehen“, kommandierte mein Bruder und lief mit den anderen Jungs weg. Sobald sie weg waren, boxte ich Bec in die Seite.

„Was sollte das denn?“, fragte ich ihn.

„Was denn?“, grinste er. „Es war nur die Wahrheit.“

„Übertreib nicht.“

„Tu ich doch gar nicht.“

„Doch, tust du!“

„Ihr streitet ja schon wie ein altes Ehepaar.“ ich wollte Bec schon weiter anschnauzen, wie er sowas sagen konnte, aber da merkte ich erst, dass meine Mutter sich zu uns gesellt hatte und uns jetzt glücklich anlächelte.

„Wie kommst du denn auf sowas?“, fragte ich verblüfft. Sie lächelte nur und drehte sich wieder um.

Kapitel 2

Kapitel 2

 

„Und er hat dir die ganze zeit Komplimente gemacht?“

„Ja, das hat er sonst nie so oft gemacht.“

„Vielleicht steht er wirklich auf dich, Dylen.“

„Sei nicht albern. Ich verstehe mich zwar mit Bec, aber ich glaube nicht, dass er auf mich steht.“

„Dy, du verkaufst dich immer unter deinem Wert, weißt du das? Seit wir hier sind, haben dich schon fünf Typen angegraben.“ Ich seufzte und nahm einen Schluck von meinem Cocktail.

Ich hatte mich heute mit Skyler, meiner besten Freundin getroffen, um in diesen Neuen Club zu gehen. Wir saßen jetzt schon eine Stunde hier. Die Musik war gut und die Cocktails schmeckten echt lecker.

„Das sind doch alles Idioten.“ Skyler lachte und trank auch von ihrem Glas.

„Der letzte war doch süß.“

„Bitte was? Dieser Vampir wollte doch nur mein Blut.“

„Trotzdem war er süß.“ Ich verdrehte nur die Augen.

Dieser Club war einzig und allein für uns Anderswesen gedacht. Wir lebten zusammen mit Menschen, aber die wussten nichts von unserer Existenz. Wir hielten uns lieber bedeckt. Was brachte es auch den Menschen zu sagen, dass wir da waren? Sie würden eh Angst vor uns haben, also verbargen wir uns und taten so, als wären wir normale Menschen.

Zudem gab es nicht nur uns Werwölfe. Hier lebten auch noch Werdrachen, Gestaltenwandler, Feen, Elben, Hexen, Magiern, Najaden, Nynphen, Sirenen, Geistern, Zwerge und viele weitere. Früher war es so, dass wir friedlich mit den Menschen leben konnten. Doch vor 19 Jahren hatten sich Gruppen gebildet, die sich bekämpften. Die Dämonen hatten sich gegen uns gestellt und angefangen alles zu verwüsten. Sie wollten nicht mehr unter den Menschen leben und rekrutierten sämtliche Wesen. Also mussten wir alle vorsichtig sein, wem wir vertrauten, es könnte immer einer von der anderen Seite vor uns stehen. Selbst die friedlichsten von uns, waren auf der Seite der Dämonen. Feen und Elben, die mehr Macht erlangen wollten oder auch Nynphen. Es spielte einfach alles verrückt.

„Du könntest doch auch mal drauf anspringen, Dy. Mindestens ein bisschen flirten“, meinte Skyler und strich sich eine Strähne ihres langen roten Haares hinter ihr Ohr. Sie war eine Elbin. Eine wunderschöne noch dazu. Ihr liefen die Männer Reihenweise hinter her. Und sie wollte mir sagen, dass ich mal einen Mann ran lassen sollte? Obwohl mir schon ein paar Männer hinterher sahen, wollte ich doch nicht einfach nur einen One-Night-Stand. Ich war da eher der romantische Typ.

„Du weißt genau, dass ich das nicht mache.“

„Aber du könntest. Es ist doch nur flirten. Du musst doch nicht mit ihnen ins Bett steigen.“

Ja, okay gegen ein bisschen flirten war ja nichts einzuwenden. Skyler stupste mich mit ihrem Ellbogen an. „Trau dich doch mal. Der nächste Typ, der hier in den Club kommt, sprichst du an.“ Sollte ich darauf eingehen? Schaden konnte es ja nicht.

„Ja, okay“, gab ich nach. Sky grinste zufrieden.

„Geht doch.“ Sie sah zur Türe und sah gespannt, wer als nächstes herein kam. Ich hoffte, dass es nur so ein mittelmäßiger Typ war, mit dem ich einfach reden konnte und der nicht auf das alles anspringen würde. Doch … das wurde mir wohl nicht gegönnt.

Denn im nächsten Moment wurde im vorderen Bereich des Clubs getuschelt. Skyler stand auf, um zu sehen, wer da herein gekommen war, als sich die Masse ein bisschen löste und einen großen Mann vorbei ließen. Meine Augen weiteten sich und auch Skyler holte Luft.

Dieser Mann war kein normaler und ich werde ganz bestimmt nicht zu ihm gehen und ihn ansprechen, geschweige denn mit ihm flirten!

„Auf keinen Fall, Sky!“, sagte ich sofort, verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf.

„Warum denn nicht?“ Ich riss meine Augen auf und sah sie verwundert an.

„Das ist doch nicht dein ernst.“

„Doch, das ist doch ein super Training für dich.“

„Er ist ein Unsterblicher!“

„Na und?“ Meine Kinnlade fiel herunter und ich starrte meine beste Freundin nur sprachlos an. Wusste sie eigentlich, was sie da von mir verlangte? Dieser Mann gehörte zu den stärksten Wesen, die überhaupt auf der Erde lebten. Und das zurecht, denn seine Mutter war die Göttin unserer Welt. Sie war somit nicht zwingend unsere Herrscherin, aber sie war stark, sehr stark.

„Das kannst du vergessen“, stritt ich ab.

„Aber Dy, er ist doch schnuckelig.“ Ich sah an Skyler vorbei und beobachtete den Unsterblichen, wie er sich langsam zur Bar begab und sich dort hinsetzte. Er war größer, als alle anderen Männer hier im Raum. Sein braunes Haar war ziemlich kurz und nach oben gegeelt. Sein Gesicht hatte ich noch nicht so gut sehen könne, aber seine Körpersprache sagte schon, dass man sich von ihm fernhalten sollte. Sein Kreuz war breit und seine Arme Muskel bepackt. Das schwarze Shirt was er trug, spannte um seine Arme und um seinen Brustkorb.

„Geh, sprich ihn an“, spornte Sky weiter und drückte mich von dem Sofa auf dem wir saßen.

„Nein, ich kann doch nicht ...“

„Doch, doch, das schaffst du schon.“ Sie drückte mich weiter, bis ich ein bisschen vorwärts stolperte. Ich schluckte und ging dann langsam auf die Bar zu. Skyler zeigte mir ihre Daumen und grinste. Super, das half mir jetzt auch weiter.

Langsam kam ich immer näher und stellte mich dann einfach neben ihn an die Bar. Okay, ich musste ihn ansprechen und danach konnte ich überlegen, ob ich ein bisschen flirtete oder nicht. Oh Gott, ich hasse dich, Skyler!

Ich stieß die Luft aus und drehte meinen Kopf zu ihm.

„Cooler Schuppen, oder?“, fragte ich und lächelte. Der Unsterbliche drehte mir seinen Kopf zu und musterte mich. Ich blieb locker stehen und beobachtete ihn. Sein Gesicht war so gar nicht, wie ich es mir vorgestellt hatte. Er war schön, keine Frage, aber nicht so wie Bec. Seine Gesichtszüge waren härter, er hatte auch kein Lächeln auf den Lippen. Im Gegensatz zu Becs weichem Gesicht, war seines eher hart. Sein Kinn war markant und seine Nase war auch nicht mehr gerade. Auch hatte er eine Narbe am Auge, die durch seine Augenbraue lief. Das hätte auch ins Auge gehen können. In dunkelgrüne Augen. Sie waren unglaublich. So ein dunkles grün hatte ich noch nie gesehen.

Plötzlich sah der Unsterbliche auf und sah mir in die Augen. Ich hielt seinem durchdringenden Blick stand.

„Ja, ist okay hier“, meinte er mit einer leicht rauen, aber melodischen Stimme. Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Ich hatte mit einer tiefen, grollenden Stimme gerechnet, weil er von außen schon so hart und unerbitterlich wirkte. Aber vielleicht war das einfach nur, weil alle dieses eine Bild eines Unsterblichen im Kopf hatten.

So und jetzt, Dy? Du sollst mit ihm flirten. Okay, reiß dich zusammen, tu einfach so, als wenn er ein ganz normaler Typ ist. Er ist nichts besonderes.

„Du bist neu in der Stadt oder?“ Der Unsterbliche hatte sich wieder weg gedreht, aber als ich ihn jetzt wieder ansprach, drehte er sich zu mir um und sah mir genau in die Augen. Hatte ich was falsches gesagt?

„Ich bin wieder her gekommen.“

„Oh, dann kennst du dich ja hier aus.“ Er nickte bloß. „Ich war noch nie woanders“, murmelte ich und sah auf die Theke.

„Es sieht überall gleich aus.“

„Kann schon sein, aber es ist doch was anderes, wenn du dein ganzes Leben lang nur an einem Ort warst.“

Was laber ich hier für einen Mist?

Im nächsten Moment kam der Kellner und fragte mich, was ich gerne haben wollte. Ich war total perplex und bestellte einfach noch zwei Sex on the Beach für Skyler und mich. Es sollte ja nicht so aussehen, als sei ich hier her gekommen, um mit dem Unsterblichen zu reden. Als die Cocktails dann kamen, bezahlte ich und nahm sie an.

„Na ja, dann viel Spaß noch“, meinte ich und ging zurück zu Skyler. Die sah mich schon von weitem böse an. „Was sollte ich denn machen? Er hatte einfach keine Lust zu flirten“, redete ich mich heraus.

„Ja, klar“, brummte Skyler, packte mich an den Schultern und drehte mich um. Sobald ich gegangen war, waren zwei Blondinen zu dem Unsterblichen gegangen und baggerten ihn sofort an … und er redete wirklich mit ihnen!

„Er steht eben auf dumme Blondinen“, zuckte ich die Schultern und setzte mich wieder.

„Oh man, sowas kannst ja auch nur du.“ Ich lächelte nur und trank von dem Cocktail.

 

Meine Uhr zeigte mir drei Uhr an, als ich auf dem Weg nach Hause war. Es war stockdunkel und überall liefen noch vereinzelt Leute herum. Seien es Menschen oder Anderswesen. Ich bog in eine etwas kleinere Straße ein und sah mir drei Typen entgegen kommen. Ich dachte mir nichts, ging einfach an ihnen vorbei, als ich plötzlich gepackt wurde.

„Hey, was soll das?“, rief ich und zog an meinem Arm.

„Hab dich doch nicht so“, meinte der Typ der mich fest hielt und grinste mich breit an. Sofort schossen aus seinem Kiefer zwei spitze Reißzähne.

Vampir, na super. Muss ich mich auch noch mit denen herum schlagen. Man, es war wohl doch keine so gute Idee einen Minirock anzuziehen.

„Wow, die riecht aber lecker“, säuselste einer von den dreien.

Ich tue was? Hat der eine Schraube locker?

„Finger weg!“, knurrte der, der mich fest hielt und kam mit seinem Kopf etwas näher. Ich wich zurück. Ich kannte die Angewohnheit von Vampiren, sie leckten ihrem Opfer sehr gerne über die Halsschlagader, um zu spüren, wie schnell der Puls hämmerte. Darauf hatte ich echt keine Lust. Ich wollte keine Vampirspeichel an meinem Hals haben. Ich machte mich fertig, um dem Idioten zwischen die Beine zutreten, aber anscheinend bemerkte er es und befahl seinen zwei Begleitern mich fest zuhalten.

„Aber, Chef, bekommen wir auch einen Schluck?“, fragte der von eben.

„Nein!“, knurrte der Anführer. „Sie ist mir“, flüsterte er, als er an meinem Hals angekommen war. Ich zerrte an meinen Armen, aber die zwei anderen hielten mich eisern fest. Also doch zwischen die Beine. Ich ließ den Anführer ein bisschen näher kommen, damit er sich in Sicherheit wiegen konnte und trat ihm dann zwischen die Beine. Er ging keuchend zu Boden, allerdings machte das die anderen zwei wütend. Meine Arme versuchte ich, aus ihren Griffen zuziehen, aber sie hielten mich sofort fest. Der eine biss mich ins Handgelenk und der andere verbiss sich in meinem Hals. Ich schrie auf und wehrte mich gegen die beiden.

Plötzlich wurden die beiden still. Ich wusste nicht warum und eigentlich war mir das auch egal, ich war nur froh, das sie aufhörten mein Blut zusaugen. Also nutzte ich meine Chance, packte den einen an meinem Handgelenk und schleuderte ihn weg. Den anderen rollte ich über meine Hüfte und knallte ihn zu Boden.

„Weg hier“, rief der eine, der von meinem Handgelenk getrunken hatte, schnappte sich seinen Anführer und lief los. Der andere direkt hinter her. Keuchend drehte ich mich um und stand dem Unsterblichen gegenüber. Super! 

Kapitel 3

Kapitel 3

 

Schnell strich ich meinen Rock glatt.

„Was machst du denn hier?“, fragte ich.

„Das fragst du mich?“

„Ja, ich bin klar gekommen.“

„Das habe ich gesehen.“ Er zog seine rechte Augenbraue hoch und sah mich skeptisch an.

„Ich hab es geschafft“, bestand ich darauf und von irgendwoher kam ein leises Knurren, aber da viel mir auf, dass ich das war. Ich ignorierte es einfach und starrte ihm in die Augen. „Ich hätte das auch alleine geschafft, ich brauche keinen großen Beschützer.“

Idiot, nur weil er so stark ist muss er sich doch nicht so aufspielen.

Ich drehte mich wieder um und wollte gehen, doch er packte mich an meinem unverletzten Handgelenk und drückte mich gegen die Hauswand. Vor Schreck keuchte ich auf und presste die Augen zusammen.

Als ich sie wieder öffnete stand er unmittelbar vor mir. Unsere Körper berührten sich und ich spürte seinen heißen Atem an meinem Gesicht; meine Hand presste er neben meinen Kopf an die Wand. Ich schluckte und sah ihm in die dunkelgrünen Augen.

„Wären diese Typen nur ein bisschen stärker gewesen, hätten sie dich ausgesaugt“, flüsterte er.

„Dann hätte ich etwas gefunden.“

„Wirklich?“ Seine Stimme war normal, in ihr schwang kein Spott. Was wollte er nur von mir? Eben im Club hatte er kaum ein Wort mit mir gesprochen und jetzt? Jetzt rettete er mich? Das passte doch nicht.

Vielleicht hatte er eben auch nur Angst, dass du ihn abweist, weil er so stark ist.

Quatsch, auf keinen Fall.

Was wenn doch?

Ach, lass mich in Ruhe.

Ich ballte meine Hand und versuchte, ihm meine Hand zu entziehen, aber er war zu stark. Dann hob ich eben mein Bein und trat ihm zwischen die Beine, das half bei Männern immer. Aber das sah er auch schon kommen. Er zwängte sein Bein zwischen meine und gab mir so keine Chance meine Beine zu benutzen.

„Lass mich los“, rief ich jetzt und versuchte mich aus seinem Griff zu lösen, obwohl ich genau wusste, dass er zu stark war. Trotzdem versuchte ich es immer weiter. Es war nutzlos, er würde mich erst los lassen, wenn er es wollte. Und genau das war es, er wollte mich sicher nicht los lassen.

Oh nein, er ist bestimmt so ein perverser, der es mag, wenn sich sein Opfer wehrt.

Hallo? Gehts noch? Was denke ich hier.

„Das war alles?“, fragte er mit rauer Stimme und kam immer näher. „Egal was ich wollte, ich würde es jetzt von dir bekommen.“ Bei seinem Satz stellten sich meine Nackenhaare auf und meine Augen weiteten sich. Was er von mir wollte, bekommt er? Was hatte er vor?

„Was meinst du?“, hörte ich mich sagen. Aber er gab mir keine Antwort, stattdessen beugte er sich vor und küsste mich. Ich war total perplex und stand einfach nur da. Den Kuss erwiderte ich allerdings. Keine Ahnung warum ich das tat, aber ich tat es … und es war gut. Wir küssten uns lange und intensiv. Er ließ meine Hand los und legte sie mir auf die Hüfte.

Doch dann war es auch schon vorbei. Im einen Moment stand ich noch hier und wurde von diesem Unsterblichen geküsst und im nächsten Moment war es auch schon vorbei.

„Du solltest schnell nach hause gehen und das reinigen lassen“, meinte er und drehte sich um. Ich war total sprachlos und starrte seinen Rücken an. Er allerdings ging.

„Warte! Was sollte das?“, rief ich ihm nach, aber er ging einfach weiter und ließ mich zurück. Was fällt dem ein? Mich küssen und dann einfach abhauen. Blödmann!

 

Noch den ganzen Weg nach Hause dachte ich über diesen Unsterblichen nach. Es kann doch nicht angehen, dass er mich einfach küsste und dann verschwand. Ich kannte den Typen noch gar nicht. Was hat er sich nur dabei gedacht?

Zuhause angekommen ging ich erst mal in mein Schlafzimmer. Ich wohnte zum Glück nicht ganz bei meinen Eltern. Mein Haus stand in einer Nebenstraße unserers Blocks, wo unser Rudel lebte. Es war eigentlich ganz simpel geschnitten. Unten waren Wohnzimmer, Küche, ein kleines Büro und ein Badezimmer. Und oben befand sich nur mein Schlafzimmer mit einem angrenzenden Bad. Es war das Haus meiner Schwester und ihres Verlobten gewesen. Doch als vor 19 Jahren dieses Chaos ausgebrochen war, hatten viele sterben müssen. Nicht nur Anderswesen, auch Menschen. Bei diesem Chaos war auch Daphnes Verlobter gestorben … und sie. Daher stand das Haus leer und als ich 18 wurde, hatte ich ein bisschen Privatsphäre gebraucht und war in das Haus gezogen. Anfangs war es komisch gewesen, aber nach einiger Zeit ging es. Ich meine, ich hatte meine Schwester kaum gekannt, also hatte ich auch keine Erinnerungen an sie.

Im Badezimmer sah ich mir erst mal meinen Hals an. Dieser Vampir hatte sich richtig in meinem Fleisch verbissen und danach sah es auch aus. Super, ehrlich. Unter dem Waschbecken holte ich einen Erste-Hilfekasten heraus, dann holte ich noch einen Waschlappen, mit dem ich erst einmal das Blut von meinem Hals und Dekolleté wischen konnte. Dann säuberte ich die Wunde mit ein bisschen Desinfizierzeug und verband sie dann. Das gleiche machte ich auch mit meinem Handgelenk.

Diese Typen hatten mich wirklich erwischt. In der Gasse hatte ich es mir nicht eingestanden, aber wäre der Unsterbliche nicht gekommen, dann hätten diese Vampire mein ganzes Blut ausgesaugt. Ich musste mich bei ihm für mein Verhalten entschuldigen und mich auch entschuldigen.

Aber danach scheuerst du ihm eine, weil er dich ungefragt geküsst hat.

Ja, darüber kann ich ja noch mal nachdenken.

Ja, das solltest du.

Nach einem Blick in den Spiegel bemerkte ich erst, wie blass ich geworden war. Ja, diese Vampire hatten mir wirklich zugesetzt. Aber durch das Adrenalin und die Wut gegenüber dem Unsterblichen hatte ich es nicht so bemerkt und konnte noch nach Hause kommen … ohne weitere Vorkommnisse. Allerdings sollte ich lieber ins Bett gehen, bevor ich hier wirklich umkippe.

Mit diesem Ziel ging ich aus dem Bad zu meinem Schrank, um meinen Schlafanzug heraus zu holen; lediglich eine Hot-Pan und ein Top. Als ich dann auch angezogen war und mein Bett schon nach mir rief, klingelte mein Telefon.

Was soll das denn? Wer ruft denn so spät nachts noch an?

Schnell lief ich runter ins Wohnzimmer zum Telefon, nur um dort erst einmal die Augen zu schließen. Das war zu schnell gewesen. Mein Umfeld drehte sich ein zweimal und dann war wieder alles okay.

„Hallo?“, fragte ich in den Hörer.

„Dylen O´Conner! Hast du etwa vergessen, mich anzurufen?“

Oh, hehe, ich hatte vergessen Skyler anzurufen, wenn ich zuhause angekommen war. Das hatten wir eben ausgemacht, da sie nicht so weit von dem Club wohnte, hatten wir uns getrennt.

„Hehe“, machte ich und kratzte mich verlegen am Kopf. „Tut mir leid, Sky.“

„Ich hab einen Herzinfarkt bekommen. Ich dachte, dir wäre etwas passiert.“ Na ja, mir war ja auch etwas passiert.

„Ähm … ja. Ich habe es vergessen, tut mir leid.“ Hoffentlich beließ sie es dabei. Ich wollte ihr nichts von dem Kuss erzählen … wenn man das überhaupt so nennen konnte.

„Das glaube ich dir nicht“, zerschlug sie meine Hoffnungen. „Oder hast du noch einen Mann getroffen?“ Ihre Stimme ging ein bisschen höher und ich hörte sie freudig klatschen. Ich blinzelte ein zweimal, doch dann seufzte ich und schleppte mich die Treppe nach oben hoch. „Sag schon, da war doch was“, drängte sie mich.

„Da war nichts“, meinte ich genervt und fiel auf mein Bett.

„Klar war da was.“

„Skyler!“, stöhnte ich.

„Sag! Hast du noch jemanden getroffen?“

„Ich bin noch auf den Unsterblichen getroffen.“ Sky quietschte mir ins Ohr. „Er hat mich gerettet“, redete ich ihr durch das Gequietsche. Sofort wurde es leise.

„Gerettet?“

„Mich haben drei Vampire angegriffen, also nicht wirklich angegriffen, aber sie haben mir was Blut abgezapft.“ Erst war Sky leise und ich dachte, sie würde gleich herum schreien, dass sie mich nie wieder alleine nach Hause gehen lassen kann oder sie würde mich zur Sau machen. Von wegen ich sei ein Werwolf und hätte mich nicht so einfach überfallen lassen sollen. Aber nichts dergleichen kam, stattdessen quietschte sie wieder.

„Na dann ran an den Mann! Kennst du jetzt seinen Namen?“ Sie war Feuer und Flamme, das merkte ich sofort.

„Von dem Unsterblichen?“

„Jahaaaaa!, rief sie.

„Nein, weiß ich nicht. Er hat mich nur gerettet.“ Sie kicherte und ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie sie in ihrem Bett lag und fies grinste.

„Da versteckt sich noch ein UND.“

„Nein, tut es nicht.“

„Doch!“

„Nein!“

„Doch!“

„Nein.“

„Doch.“

„Ja, okay.“

„Doch!“ Ich lächelte, weil sie einfach weiter stritt. „Oh. Das war doch gerade ein: Ja, okay, oder?“ Ich seufzte und klatschte mir meine freie Hand aufs Gesicht.

„Ja“, nuschelte ich.

„Dann schieß los, was ist passiert?“

„Wir … also … wir ...“, druckste ich herum. Ich wollte es ihr nicht sagen. Wie kam das denn rüber?

„Ihr ja?“

„Haben uns geküsst“, murmelte ich so leise und hoffte, dass sie es nicht verstanden hatte.

„IHR HABT WAS?!“

Das Telefon fiel mir aus der Hand und ich hielt mir meine schmerzenden Ohren. Verdammt, warum musste sie so schreien?

„Mein Trommelfell“, jammerte ich. Als Sky sich wieder beruhigt hatte, konnte ich auch – ohne Angst mein Gehör zu verlieren – wieder den Hörer an mein Ohr halten. „Gehts jetzt wieder?“, fragte ich vorsichtig.

„Nein, du hast ihn geküsst?“

„Nein, er hat mich geküsst, aber im Endeffekt kommt das gleiche raus.“

„Wow“, wisperte sie.

„Hey! Was soll das denn jetzt heißen?“, regte ich mich auf. Skyler kicherte.

„Ich meine ja nur, weil du sowas ja nicht wirklich oft machst.“ Das stimmte wohl.

Bis auf das eine Mal.

Erinnere mich bloß nicht daran.

„Aber es ist schon lustig, dass es schon wieder ein Unsterblicher ist.“ Ich seufzte und gab einen genervten Ton von mir. „Komm schon, Derek war doch süß.“ Wieder ein seufzten von mir. Es war jetzt schon ein halbes Jahr her, als ich Derek begegnet war. Ich hatte ihn kennengelernt, als ich an einem Wochenende gekellnert hatte. Er hatte sofort angefangen mit mir zu flirten. Ich war sofort auf ihn herein gefallen und hatte mich auf ihn eingelassen. Eine ganze Woche war ich mit ihm zusammen gewesen, es war keine richtige Beziehung gewesen, aber diese eine Woche war die schönste, die ich je gehabt hatte. Allerdings war es nach dieser Woche vorbei und Derek war wieder abgehauen. Er war anders, wie der den wir in dem Club gesehen hatten. Derek war das genaue Gegenteil von dem Unsterblichen von heute. Derek war nicht so groß und dazu ein echter Schönling. Seine schwarzen Haare mussten immer perfekt sitzen und er trug nie eine Sache zwei Mal. Eigentlich waren sie alle gleich, aber Derek hatte mir von seinen unzähligen Schlachten erzählt und er hatte immer darauf geachtet, dass ihn nichts im Gesicht traf, anders wie bei seinem Bruder. Dessen Narbe über seinem Auge, sah ich noch deutlich vor mir. Das hätte wirklich ins Auge gehen können.

„Aber vielleicht ziehst du die Jungs auch magisch an“, kicherte Sky und holte mich so aus meinen Gedanken.

„Meinst du?“

„Ich meine, dass du es ausnutzen solltest. Diese Typen sind gutaussehend, stark und gut im Bett.“

„Das sich alles bei dir nur darum dreht“, stöhnte ich.

„Warum auch nicht? Männer sind nun mal für nichts mehr gut. Man sollte sie so behandeln, wie sie auch uns behandelten.“ Fing das schon wieder an. Nur weil sie einmal verlassen worden war, flippte sie immer aus, wenn es um Männer ging. Seit ein paar Jahren hatte sie deswegen nur noch One-Night-Stands. Ich stimmte ihr eigentlich immer zu, damit ich mir ihre Triaden nicht zum tausensten Mal anhören musste. Aber es ging um einen Mann, den ich gerade mal seit ein paar Stunden kannte. Ich konnte nicht sofort mit ihm in die Kiste springen. Bei Derek hatte es auch gedauert, bis ich ihn ran gelassen hatte.

„Du hast ja recht“, räumte ich ein, damit sie Ruhe gab. Sie seufzte.

„Trotzdem solltest du es dir noch mal überlegen.“

„Das mache ich, wenn ich ihn noch mal sehe.“

„Dann bete ich dafür.“ Ich lachte und schüttelte den Kopf.

„Wir sehen uns morgen, Sky.“

„Ja, bis morgen.“ Wir legten gleichzeitig auf und ich legte das Telefon auf meinen Nachttisch.

Unsterbliche … ich glaube, die machen nur ärger. 

Kapitel 4

Kapitel 4

 

Um uns herum waren alles schwarze Schatten. Vor mir stand eine wunderschöne Frau mit langen braunen Haaren. Unter ihr lag ein kleines Baby, gehüllt in eine rosane Decke. Es schrie nicht, weil es genau wusste, dass es in Sicherheit war. Die Frau mit den langen Haaren knurrte und verwandelte sich in einen braunen Wolf.

Daphne.

Mein Traum. Aber es war anders als sonst. Ich stand hier, mitten auf dem Schlachtfeld und sah den Geschehnissen zu. Meine Schwester stand über dem Baby und knurrte die Schatten an. Und dann ging alles sehr schnell. Sie kämpfte gegen die Schatten, die sich jetzt zu Dämonen verwandelten. Sie biss dem einen ins Bein und riss es ab, dem anderen riss sie die Kehle heraus und dem dritten riss sie einen Arm ab, aber sie war alleine und nicht stark genug, gegen so viele Gegner.

Daphne!“, schrie ich, aber ich hatte keine Stimme. Was?

Ich packte mir an den Hals und versuchte noch einmal zu schreien, aber es klappte nicht. Erst da sah ich, dass ich unsichtbar war. Sie konnte mich gar nicht hören. Ich war nutzlos, ich hätte ihr helfen können, aber es ging nicht.

Ares, hilf mir, hörte ich jemanden flüstern. Ares? Ares, der Gott des Krieges? Warum ruft sie nach ihm?

Die Lage meiner Schwester verschlimmerte sich. Die Dämonen stürzten sich zusammen auf sie und setzten ihr zu. Sie blutete auch schon aus etlichen Wunden. Und plötzlich krachte es und ein Blitz schlug auf dem Boden ein. Es war total hell und die Dämonen schrien. Und jetzt schrie auch das Baby. Das Licht erlosch und plötzlich stand da ein Mann. Das war neu. Sonst sah ich immer nur, wie meine Schwester auf dem Boden lag und verblutete, aber das sie gerettet wurde? Von einem Mann? Nein, das war neu.

Ich konnte den Unbekannten nicht sehen, weil er nur mit dem Rücken zu mir stand. Sein lederner Mantel wehte hin und her und dann stürzte er auch schon auf meine Schwester und die Dämonen zu. Ich schrie wieder, weil ich Angst um Daphne hatte.

„DAPHNE!“, schrie ich und schreckte hoch. Keuchend sah ich mich um, aber ich war nicht mehr in der dunklen Gasse, ich war in meinem Bett, in meinem Zimmer, in meinem Haus. Oh Gott, was war das denn? Ein Traum, ein schrecklicher Traum. Aber wie konnte das sein? Welcher der beiden Träume war denn nun der Richtige? Das verwirrte mich jetzt.

Aber vielleicht spielte mir mein Verstand auch nur einen Streich.

Ja, vielleicht war es ganz anders gelaufen und ich stellte mir alles nur so vor. Wie konnte ich genau wissen, was passiert war, wenn ich nur ein kleines Baby gewesen war? Ich konnte mich an das alles nicht erinnern.

Gerade als ich mich wieder beruhigt hatte, bekam ich den Nächsten Schrecken. Plötzlich fing das Telefon an, zu schellen. Mir wäre beinahe das Herz stehen geblieben, so hatte ich mich erschrocken. Schnell schnappte ich es mir vom Nachttisch und ging ran.

„Dylen O`Conner“, meldete ich mich.

„Hey, du ich wollte nur schnell bescheid sagen, dass ich heute ein bisschen später in die Bar komme“, meldete sich Skyler. Das war so typisch sie. Keinen Namen, man musste einfach wissen, dass Skyler dran war.

„Guten Morgen, Skyler“, meinte ich nur.

„Jaja, du weißt doch, dass ich mich nicht melden brauche. Die Leute erkennen mich eben immer.“

„Dein Glück. Wann kommst du denn?“

„Ich muss gucken, Mikel hat eben angerufen und mich gefragt, ob ich noch einen Artikel schreiben könnte und ich meine, ihm kann ich keine Bitte abschlagen.“ Ich verdrehte nur die Augen.

„Er nutzt dich aus“, meinte ich nur. Skyler kicherte.

„Dafür bekomm ich ja auch was.“

„Und trotzdem nutzt er dich aus, nur für Sex.“

„Ist doch meine Sache.“

„Ich weiß, ich weiß, ich wollte es ja auch nur noch mal gesagt haben.“

Skyler und ich arbeiteten zusammen bei der Zeitung der Stadt und seit ein paar Monaten war es so, dass Skyler etwas mit unserem Boss hatte. Nichts ernstes, wie sie mir versichert hatte, aber irgendwie war es schon etwas komisch, wenn man mit dem Boss ins Bett ging. Aber wenn sie damit klar kam und auch nicht bevorzugt wurde, war das ja okay.

„Wann musst du denn heute arbeiten?“, fragte Skyler und ich hörte, wie sie durch ihre Wohnung lief.

„Um drei. Ich mach die Bar zusammen mit Nick auf“, meinte ich und sah aus dem Fenster. Es schien schon die Sonne und dabei hatten wir gerade mal halb zehn. „Ich denke, es werden heute auch viele zum Eis essen kommen.“

„Stimmt, es wird langsam richtig warm hier.“ Am Wochenende jobte ich in einer Bar, die Tagsüber eher ein Café war und sich abends in eine Cocktailbar verwandelte. Und Sonntags war es immer so, dass ich mich mit Skyler traf und sie mir ein bisschen Gesellschaft leistete. Sie bekam dann natürlich ihren Kaffee mit Caramel und war glücklich. Und ich war glücklich, dass ich mit einer Freundin reden konnte. Allerdings würde es auch Spaß machen, wenn sie nicht da war.

 

 

Um halb drei stand ich vor der Bar, damit ich sie zusammen mit Nick auf machen konnte. Allerdings war Nick schon da und stellte schon die Stühle von den Innentischen herunter.

„Hey“, begrüßte ich ihn und stellte meine Tasche schnell hinter die Theke.

„Bist du auch schon da?“ Ich streckte Nick die Zunge raus und stellte auch die Stühle herunter.

„Jetzt werd nicht unverschämt.“ Nick grinste nur und stieß mich mit dem Besen in den Rücken. Nick war nicht so wie andere Männer, sage ich jetzt mal so. Er war für mich wie ein Bruder, mit dem ich einfach total viel Spaß hatte. Nicht dass er nicht gut aussah, aber er war eben nicht mein Typ. Mit seinen braunen Rasterlocken und seinen braunen Augen, war er schon süß, aber er war nunmal nicht mehr als ein Bruder für mich.

„Wie waren deine freien Tage?“, fing Nick sofort einen Plausch an.

„Schrecklich“, lachte ich und zwinkerte ihm zu. „Mein Rudel hatte am Freitag wieder ein Fest.“ Nick war ein Greif. Natürlich konnte er sich auch in einen Menschen verwandeln, damit er unter den Menschen leben konnte. Wie eigentlich alle Anderswesen.

„Okay, ja, das ist wirklich schrecklich“, stimmte er mir lachend zu. „Familien können einem echt auf die Nerven gehen.“

„Du sagst es.“

„Und was ist passiert?“ Ich verstand erst nicht, was er von mir wollte. Was sollte denn auch passiert sein? Bei einem Fest meines Rudels, ging nie was schief. Aber da machte es klick und meine Hand fuhr sofort zu meinem Hals.

„Du meinst das“, murmelte ich.

„Hat dir jemand was getan?“

„Hmm, so in etwa. Gestern Abend haben mich drei Vampire angezapft, war nicht so schlimm.“

„Okay, okay, du willst nicht drüber reden. Du lebst ja noch, mehr brauche ich nicht wissen.“

„Du bist wirklich unmöglich.“

Zusammen gingen wir raus und stellten dort die Tische und Stühle auf. Nick spannte drei Sonnenschirme auf und wir verteilten die Tische gleichmäßig, sodass welche im Schatten und welche in der Sonne standen. Um drei waren wir dann fertig und machten die Theke ordentlich. Es dauerte nicht lange, da wurde es immer voller und Nick und ich bekamen etwas zu arbeiten. Ich lieb herum, bediente alle und Nick blieb hinter der Theke. Er konnte das Eis einfach viel besser herrichten als ich … obwohl man denken sollte, dass man das als Frau eigentlich hinbekommen sollte.

„Wow, sexy Po“, pfiff jemand und klatschte mir dann auf diesen. Ich verdrehte nur die Augen und seufzte.

„Na, meine Lieblings Freundin“, meinte ich und drehte mich leicht nach hinten. Ich stand gerade an der Theke und stützte mich auf dieser ab. Skyler stellte sich neben mich und grinste breit. „Den Artikel geschrieben?“

„Ja und er ist der Hammer! Ich habe mich selbst übertroffen.“ Sie klopfte sich auf die Schulter.

„Wie immer“, lachte ich. Sie streckte mir nur frech die Zunge raus und bestellte sich dann bei Nick einen extra großen Eisbecher.

„Einen extra großen Eisbecher, für die selbstverliebte Skyler, kommt sofort“, neckte Nick sie und machte sich sofort an die Arbeit.

„Ihr zwei seid doch nur neidisch“, meckerte sie.

„Ja genau“, grinste ich und verschwand wieder nach draußen, da sich zwei neue Gäste an einen freien Platz gesetzt hatten. Als ich die Bestellung dann aufgenommen hatte, ging ich wieder zurück zu Skyler und Nick. Die erstgenannte hatte schon ihren extra großen Eisbecher vor sich. Grinsend löffelte sie das Eis aus dem Glasbecher. Ja, wenn sie ihr Eis hatte, war sie immer glücklich … aber auch sehr nervig.

„Übrigens, du siehst gut aus“, schmatzte Sky und wischte sich etwas Schokoladensoße vom Kinn. Ich allerdings, sah an mir herunter. Ich hatte lediglich eine Jeans Hot-Pan und das T-Shirt der Bar an. „Du hast einen süßen Arsch in der Hot-Pan.“ Achso, das schon wieder. Das sagte sie immer, egal was ich anhatte. Sie war einfach der Meinung, dass ich der perfekten Po hatte.

„Du stehst auf Hintern oder?“, sprach Nick es aus.

„Etwas“, grinste Sky. „Wenn er nicht schön knackig ist und nicht in die Hand passt ist es doch doof. Wofür ist er denn sonst da, wenn man nicht reinzwicken kann?“ Schnell drehte ich meinen Po von Sky weg.

„Wage es dich“, warnte ich sie, überkreuzte meine beiden Zeigefinger, sodass sie ein Kreuz ergaben und ging Schritt für Schritt zurück. „Weiche Satan!“

Skyler löffelte einfach weiter und redete mit Nick, sie tat so, als sei ich nicht mehr da. Ich lachte nur und brachte den Kaffee zu den Neuankömmlingen.

„Ich bleibe trotzdem dabei“, meinte Sky, als ich wieder rein kam. Ich verdrehte nur die Augen und stellte mich wieder neben sie.

Es wurde immer voller und ich bekam etwas zu tun. Skyler kam nach einiger Zeit auch nach draußen, wo wir uns einen Stehtisch von innen geholt hatten, den wir neben den Eingang stellten, damit wir immer noch mit Nick reden konnten und er nicht so alleine war. Skyler flirtete auch schön mit ihm, was mich einfach nur zum Kopfschütteln brachte. Sie baggerte einfach jeden Typen an. Aber so war sie nunmal.

Ich kam gerade von der Toilette wieder und sah nur im Augenwinkel, dass ein Neuer Gast sich gesetzt hatte. Also nahm ich mir meinen Block und ging erst Mal zu einem anderen Tisch, um zu fragen, ob diese etwas wollten.

„Guten Tag, wissen Sie schon, was Sie möchten?“, begrüßte ich den Neuen Gast und sah auf meinen Block.

„Du wärst mir sehr recht.“ Ich erstarrte und sah langsam von meinem Block auf. Das konnte nicht sein, aber diese Stimme war unverkennbar. Sie war sanft und sehr melodisch. Sie hatte auch einen leichten französischen Akzent, da er am liebsten in Frankreich lebte. Weil er da die Frauen am besten herum bekam. Es konnte nur er sein, kein anderer Mann sprach so. Und als ich dann endlich aufgesehen hatte, bestätigte sich meine Gedanken.

Der Mann der da an dem Tisch saß war kein normaler Typ, der einfach nur flirten wollten. Nein, es war ein Unsterblicher und nicht irgendeiner, es war Derek. Sein kurzes schwarzes Haar, was ordentlich nach oben gegelt war, erkannte ich sofort. Seine hellblauen Augen, wurden von einer dunklen Markensonnenbrille verdeckt. Seine perfekten und weißen Zähne strahlten mir entgegen und mit einer geschmeidigen Bewegung zog er sich die dunkle Sonnenbrille von der Nase. Ich sah in seine hellblauen Augen und fühlte mich zurück versetzt, als ich ihn das erste Mal getroffen hatte. Zu der Zeit hatte ich in einem angesagten Club gekellnert. Die Szene spielte sich vor meinem inneren Auge ab, als sei es gestern erst passiert. Ich sah, wie ich in dem Outfit des Clubs – ein kurzer Rock und ein T-Shirt – durch die tanzende Menge lief. Immer hin und her zwischen dem VIP-Bereich und dem normalen Bereich. Mein Outfit war einfach einladend und so bekam ich von fast jedem dritten Typ einen Anmachspruch ins Ohr geflüstert. Aber mich hatte es nie interessiert. Ich hatte dann immer nett gelächelt und war gegangen. Aber so wie es kommen sollte, hatte mir dann an dem Abend jemand auf den Hintern geklatscht und ich war vor Schreck über einen Fuß gestolpert … direkt in Dereks Arme. Sofort hatte ich in dieses hellblau gestarrt und mich in diesen Unsterblichen verliebt. Wie Derek nun mal so wahr, hatte er mich mit einem lässigen Spruch zum Lachen gebracht und mir dann auch noch einen Drink spendiert. Gentleman eben … oder auch nur seine Masche, wer weiß das schon?

Aber jetzt war ich wieder in der Gegenwart und starrte Derek nur an.

„Was tust du hier?“, fragte ich ein bisschen verwirrt. Derek zuckte die Schultern, die von einem Poloshirt verdeckt waren.

„Einfach nur so, war gerade in der Nähe. Es kann aber auch sein, dass ich mich nach dir gesehnt habe.“

„Blödmann“, murmelte ich und wurde leicht rot. Derek grinste nur und legte seinen Arm auf die Rückenlehne seines Stuhles.

„Willst du dich nicht was zu mir setzten?“

„Ich muss arbeiten, Derek. Also, was kann ich für dich tun?“

„Spielverderberin, dann wenn du Schluss hast?“

„Kaffee?“, fragte ich und drehte mich schon zum Gehen um.

„Schwarz.“

„Wie auch sonst?“

„Du hast es nicht vergessen.“ Wie könnte ich auch? Jeden Morgen trank er einen Kaffee, immer wenn wir zusammen bei mir aufgestanden waren. Wie könnte ich seine Macken vergessen?

„Nein, nein, nein. Das ist er nicht, oder?“, fragte Sky sofort, als ich bei ihr ankam. „Du hast es auch gedacht, oder?“

„Sky, er ist es“, murmelte ich und gab Nick dann die Bestellungen durch.

„Nein!“

„Doch.“ Ich hatte jetzt mit einem „Nein – Doch“ - Battle gerechnet, aber Sky blieb still. Solange bis Nick die Bestellungen fertig hatte.

„Was machst du denn mit dem anderen?“, fragte sie dann, als ich mich schon umgedreht hatte. Ich stockte und starrte zu Derek, aber ich sah ihn nicht wirklich. Ich erinnerte mich eher an letzte Nacht, wo ich seinen Bruder kennengelernt hatte. Diesen großen, rohen, gefährlich aussehenden Unsterblichen, dessen Name ich immer noch nicht kannte. Ich sah ihn vor mir, wie er mich mit seinen Muskel bepackten Körper gegen die Hauswand drückte und mir immer näher kam. Seine dunklen Augen hatten mich magisch angezogen und wenn ich wirklich ehrlich zu mir war, hatte ich mir schon gewünscht, dass er mich küsste … allerdings würde ich das nie zugeben.

„Lass das Tablett bloß nicht fallen“, hauchte mir eine dunkle Stimme ins Ohr. Ich erschreckte mich und ließ – wie der Zufall es so will – das Tablett fallen. Es schepperte laut und die Gäste drehten sich zu uns um. „Ich sagte doch, nicht fallen lassen.“ Mein Kopf schnellte zur Seite und meine Augen weiteten sich. Ein großer, bedrohlicher Mann ging an mir vorbei und lächelte mich von der Seite an. Erst hatte ich ihn nicht erkannt, aber dann sah ich die Narbe über seinem Auge, die über die Augenbraue verlief und wusste genau, wer er war.

Warum war er hier? War er mir gefolgt?

Sprachlos folgte ich ihm mit meinem Blick und sah, wie er zu Derek an den Tisch ging. Oh Gott, ich hatte wirklich gedacht, er sei wegen mir hier.

„Uh, das war ja elektrisierend“, meinte Skyler und stand neben mir, mit einem Eimer für die Scherben in der Hand. Ich wurde sofort rot, schnappte mir den Eimer und hockte mich hin, um die Scherben einzusammeln. Sky kicherte nur. „Der wirft dich ja voll aus der Bahn. Nur wegen einem Kuss?“

„Psst, halt die Klappe“, zischte ich sie an. Daraufhin lachte sie nur.

Skyler redete noch weiter auf mich ein, dass der Unsterbliche mir den Kopf verdreht hätte und das es einfach zum schreien ausgesehen hatte, wie ich das Tablett vor Schreck fallen gelassen hatte. Ich allerdings ignorierte sie einfach und hob die Glassplitter auf. Wie konnte ich nur so dumm sein und das Tablett fallen lassen? Wie konnte ich mich von einem Mann, den ich noch nicht mal kannte, so verwirren lassen. Ich wurde immer wütender und achtete nicht mehr darauf, was ich tat. Und plötzlich hatte ich einen stechenden Schmerz in meinem Finger.

„Au“, murmelte ich und sah auf meine Hand herunter. Ich hatte mich geschnitten, ein langer roter Streifen verlief über meine Handfläche und das Blut rann nur so aus der Wunde heraus.

„Dy, was machst du auch für einen Mist?“, fragte Sky und lief schnell nach innen, um mir ein Taschentuch und Pflaster zu holen. Ich realisierte das gar nicht und starrte nur auf meine verletzte Hand. Ich war total neben der Spur. Erst Derek und jetzt sein Bruder ... zog ich Unsterbliche magisch an, oder was war hier los? Und viel wichtiger war, warum ließ ich mich so gehen? Ich hatte noch nie so verrückt reagiert, nur weil ein Mann mich geküsst hatte. ... Ja, bei Derek war es was anderes, weil ich mich wirklich in ihn verliebt hatte .. aber das mit seinem Bruder verstand ich nicht wirklich. Ich schüttelte den Kopf und sah wieder auf meine Hand.

„Und schon wieder verletzt“, sagte die gleiche dunkle Stimme, die mir eben auch ins Ohr geflüstert hatte. Ich sah auf und sah in das harte Gesicht des Unsterblichen. Er hob die Hand und ich dachte schon, er würde wieder irgendetwas versuchen, aber so war es nicht. Er nahm meine Hand in seine und ich war total überrascht. Seine Hände sahen rau und schwielig aus, aber das waren sie nicht. Sie waren weich und klar, von seinen ganzen Kämpfen von Früher hatte er auch ein paar Wunden, aber im allgemeinen, waren sie sanft. Er hob meine Hand an und strich mit seinem Zeigefinger über meine Wunde. Ich zuckte leicht zusammen, weil es ein bisschen zog.

„Ich habe wirklich nicht gedacht, dass du es wirklich fallen lässt“, meinte er, sah mich aber nicht an. Ich sah in sein Gesicht, sah mir die Narbe an seiner Augenbraue an und studierte seine harten Gesichtszüge. Man sah seinem Gesicht einfach an, dass er schon viel erlebt hatte. Wenn man weiter weg von ihm stand, sah man nur seine krumme Nase und diese große Narbe über seinem Auge. Aber jetzt, wo ich näher bei ihm stand und richtig zeit hatte ihn mir an zusehen, sah ich kleine Narben an seinen Wangen, auf seiner Nase, auf der Stirn und am Hals. Es waren kleine Narben, aber viele ... allerdings machte ihn das nicht hässlich. Er war nicht so schön, wie Derek, aber er war auf seine eigene Weise gut aussehend. Und ich wusste immer noch nicht, wie er hieß.

"Du musst mehr aufpassen." Erst als er mich wieder ansprach, war ich wieder in der Realität und sah ihn verwirrt an.

"Du bist das doch schuld", motzte ich ihn an und zog meine Hand aus seinem Griff.

"Hier ich ...", kam Skyler angelaufen, stoppte aber sofort, als sie mich und den Unsterblichen sah. Ich ballte meine Hand zu einer Faust und stand auf. Allerdings zuckte ich zusammen, weil ich einen Schmerz erwartete ... aber er kam nicht

Sofort sah ich auf meine Hand. Die Wunde war noch da, aber sie blutete nicht mehr. Was ...? Mein Blick schnellte hoch und ich sah zu dem Unsterblichen. Er stand auch gerade auf und hob den Eimer mit den Scherben hoch.

"Was hast du gemacht?", fragte ich und sah wieder auf meine Hand.

"Ich hab zwar keine Heilkräfte, aber ich kann dir für einen Moment die Schmerzen nehmen." Meine Augen weiteten sich und da begriff ich erst. Deswegen war ich unbeschadet nach hause gekommen, weil er mir die Schmerzen genommen hatte. Sonst hätte ich es kaum nach hause geschafft.

"Dann hast du gestern ..."

"Ja. Du hättest mir nicht erlaubt, dich nach hause zu bringen, also musste ich sicher sein, dass du unbeschadet nach hause kommst." Ich ballte wieder meine Hand und wollte ihm schon eine Beleidigung an den Kopf werfen.

Nein, du bedankst dich.

Ich will ihm aber sagen, dass er sich seine Führsorge in seinen Allerwertesten stecken kann. Ich bin doch kein kleines Baby, was Hilfe braucht.

Ja, schon ein bisschen oder hatten wir nicht ausgemacht, dass wir uns entschuldigen, wenn wir ihn noch mal treffen?

Nein, hatten wir nicht.

Doch hatten wir, also sag DANKE!

Nein, ich will nicht danke sagen, der ist doch nur von sich eingenommen. Er will doch nur, dass ich klein bei gebe.

"Danke", murmelte ich und nahm ihm den Eimer ab. Dann drehte ich mich um und wollte wieder rein gehen.

"Ach, ich hätte gerne einen Eiskaffee." ich blieb wieder stocksteif stehen. Dieser ...

"Klar", blieb ich nett und ging weiter rein. "Ein Eiskaffee und die Bestellung von eben noch ein mal. Bitte danke schön, Nick", knurrte ich, als ich an der Theke vorbei ging, um die Scherben weg zuschmeißen. Skyler hörte ich nur kichern. Blöde Pute. Wenn sie an meiner Stelle wäre ... dann würde sie auf die zwei eingehen und Spaß mit ihnen haben. Ihr würde das sicher gefallen, aber ich war definitiv damit überfordert. Einmal von dem plötzlichen Auftauchen von Derek, der mich so sehr verletzt hatte und dann auch noch das Auftauchen seines Bruders, der mich total verwirrte. Erst sein Desinteresse im Club, dann der Kuss in der Gasse, dann die Gleichgültigkeit von eben und dann die fürsorgliche Art, mit der er meine Hand behandelt hatte. Er wechselte von Distanz zu Nähe wieder zur Distanz. Ich verstand es einfach nicht.

Als ich dann wieder kam, hatte Nick die Bestellungen fertig und ich konnte noch einen Versuch starten. Diesmal hielt ich das Tablett aber richtig fest.
 

 

Kapitel 5

Kapitel 5

 

Als ich auf die vielen Tische zuging, sah ich unbewusst zu Derek und seinem Bruder, der mich ansah. Ich sah ihn grimmig an und ging zuerst zu dem jungen Paar, was zuerst bestellt hatte.

„Es tut mir leid, dass Sie so lange warten mussten“, entschuldigte ich mich.

„Macht nichts. Ich war auch so tollpatschig, als ich verliebt war“, lächelte mich die junge Frau liebevoll an.

„Was?“, fragte ich unintelligent und war ein bisschen geschockt, was die Frau kichern ließ.

„Machen Sie sich nichts draus, das legt sich wieder.“ Ich blinzelte und ging zu den Jungs. Verliebt? Sehe ich so aus als sei ich verliebt? Nie im Leben!

Als ich bei den Jungs ankam, knallte ich das Tablett auf den Tisch.

„Bist du sauer?“, fragte Derek.

„Hier euer Kaffee“, meinte ich nur und ging erst gar nicht auf seine Frage ein. Dann stellte ich den Eiskaffee vor Dereks Bruder und vor Derek seinen schwarzen Kaffee. Das Tablett schnappte ich mir dann auch noch schnell und wollte gehen, aber Derek hielt mich noch mal auf.

„Dy, willst du dich nicht zu uns setzten?“

„Nein, ich muss arbeiten.“ Was war ich froh, diese Ausrede zu haben.

„Gleich?“ Oh mist!

„Ja, wir gesellen und gleich gerne zu euch“, rief Skyler und war auch schon neben mir. Ich schüttelte den Kopf.

„Ich will mich nicht zu denen setzten“, flüsterte ich ihr zu. Sie grinste aber nur und setzte sich zu den beiden.

„Sky!“, rief ich fast und packte sie am Arm.

„Ich darf doch wohl hier bleiben, oder nicht Jungs?“ Sie drehte sich zu diesen und lächelte verführerisch. Derek sprang natürlich sofort darauf an. Lächelte genauso verführerisch zurück, allerdings sah er nur kurz zu Sky und dann zu mir.

„Lass sie doch, Dy.“ Dieser Schlingel!

„Nur damit ich gleich auch dazu komme“, warf ich ihm vor und bekam als erste Antwort ein verschmitztes Lächeln.

„Erraten“, meinte er dann noch. Stöhnend drehte ich mich um und schleifte mich zu Nick. Wie konnte sie mir nur so in den Rücken fallen? War ich so eine langweilige Freundin, dass wir uns zu DENEN setzten mussten? Blöde Pute!

 

Um halb sechs hatten Nick und ich dann Schluss. Zwei unserer Mitarbeiter hatten uns abgelöst. Nachdem wir von hinten unsere Sachen geholt hatten, gingen Nick und ich zusammen raus.

„Ähm ...“, fing Nick an und ich sah ihn an. „Bleibst du noch hier?“ Ich schulterte meine Tasche und seufzte erledigt.

„Ich muss ja“, stöhnte ich und ließ die Schultern hängen.

„Hast du nicht Lust mit mir ins Kino zu gehen?“

„Heute nicht, Nick. Ich hab Sky versprochen noch etwas mit ihr zu machen, obwohl ich nicht wirklich glaube, dass wir alleine bleiben werden“, entschuldigte ich mich. „Aber du kannst doch auch bleiben.“

„Nein, nein, schon okay. Wollte dich ja nur vor den anderen retten“, lächelte er. Ich lachte und bedankte mich.

„Aber davor kann mich keiner retten.“

„Ich habs versucht.“ Ich winkte Nick noch zum Abschied.

Bei den anderen setzte ich mich neben Skyler. Dann muss ich wohl mit meinem Schicksal leben.

Ich will aber nicht!

Da müssen wir aber jetzt durch.

Sky will mich doch nur ärgern.

Das ist wohl der Punkt.

Derek lächelte mich sofort an.

„Na endlich“, meinte er. „Ich habe gehört, dass mein großer Bruder und du schon eine sehr nette Begegnung hattet.“ Blinzelnd sah ich zu dem großen Unsterblichen. Hatte er ihm von dem Kuss erzählt? Was fällt diesem Blödmann ein?! … Aber so wie es aussah, interessierte es ihn kein bisschen. Denn er hatte einfach seinen Eiskaffee in der Hand – schon den dritten den er heute trank – und starrte in diesen. Es kam keine Reaktion von ihm. „Er ist kein Freund er großen Worte, deswegen bin ich mir sicher, dass er dir noch nicht mal seinen Namen gesagt hat.“ Jetzt sah er hoch.

„Das ist doch gar nicht wahr. Ich bin ein Mann großer Worte.“ Sky stupste mich an und grinste. Was hatte sie denn jetzt schon wieder in ihrem Kopf?

Bestimmt nichts gutes.

„Dann stell dich doch mal vor.“ Ich wollte Derek schon widersprechen, aber da redete sein Bruder auch schon.

„Aiden“, sagte er und streckte seine Hand über den Tisch. Ich sah ihm in die dunkelgrünen Augen und sah mich selber, wie ich ihm gegenüber saß und nicht wirklich wusste, was ich hier machte. Ich wollte eigentlich gar nicht hier sein, weil ich nicht wirklich wusste, was Derek hier wollte. Und außerdem war ich noch verwirrter wegen Aiden … dem Kuss und alldem was gestern und auch eben passiert war.

Dennoch nahm ich seine Hand an. Ich wusste noch genau, wie sich seine Haut anfühlte. Warm und sanft, ganz untypisch für sein Äußeres. Es war wirklich unglaublich. Er trug ein schwarzes Shirt, was sich um seine Muskeln an Armen und Brust spannten und eine Jeansshort. Er sah gut aus, aber auf seine eigene Art. Wenn ich mir Derek ansah, war er einfach überwältigend schön, da hätte er auch einen Lumpensack anziehen können und doch war er einfach nur schön, aber bei Aiden war es etwas anderes. Die ganzen Narben in seinem Gesicht und seine krumme Nase, sein starrer und bedrohlicher Blick, die Muskeln, seine Größe und seine bedrohliche Ausstrahlung. Und das war auch nur so, weil jeder wusste, wie gefährlich er war, weil er ein Unsterblicher war. … Aber im Großen und Ganzen kam er dem Image der Unsterblichen ja auch nach, er ließ keinen an sich ran und war eher verschlossen. Wenn er nicht angesprochen werden wollte, glaube ich, würde das auch keiner tun, weil sich keiner mit ihm anlegen wollte. Bei Derek war es wiederum anders. Vor ihm hatten die Leute auch Angst, keine Frage, aber man wich ihm nicht aus, so wie es gestern Abend im Club bei Aiden gewesen war.

„Dylen“, antwortete ich ihm dann endlich und drückte seine Hand. Es war komisch seine Hand zu halten. Ich kannte ihn noch nicht lange und irgendwie war es, als seien wir verbunden … nur durch unsere Hände. Allerdings war es nicht unangenehm und genau das war das komische. Ich kannte ihn kaum und doch gefiel es mir, wenn er mich berührte.

Bitte was?

Halt einfach die Klappe, ich weiß es doch auch nicht.

Schnell ließ ich Aiden los und grub meine Hände zwischen meine Beine, die ich zusammen presste.

„Was habt ihr heute noch vor?“, fragte Derek und spielte mit seiner Tasse herum. „Skyler hat uns erzählt, dass ihr was zusammen machen wolltet. Vielleicht können Aiden und ich uns anschließen.“ Ich sah sofort zu Derek, genauso wie Aiden.

„Ich muss passen“, meinte dieser dann auch schon sofort. Das verpasste mir einen leichten Schlag. Er muss passen? Also wollte er nichts mit uns machen? Wie sollte ich das denn jetzt verstehen?

„Ach, bist du dir zu fein für uns?“, neckte ich ihn und lächelte. Dann reizen wir ihn doch ein bisschen. … Doch Aiden reagierte überhaupt nicht darauf. Er trank den letzten Schluck des Eiskaffees aus und lehnte sich zurück.

„Ich habe noch etwas zu tun, aber sonst wäre ich gerne mit euch gekommen“, lächelte er mich an.

„Alles Ausreden.“

„Ausreden?“ Er zog die Augenbraue mit der Nabe nach oben und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ja, du hast Angst. Ganz einfach. Oder aber du bist dir zu fein, um mit so mittelklassigen Wesen abzuhängen. Ich meine, ich bin nur ein Werwolf und Sky ist nur eine Elbin.“

„Was heißt hier NUR?“, regte Skyler sich auf, aber ich ignorierte sie einfach.

„Nur ein Werwolf“, wiederholte Aiden und schüttelte den Kopf. „Wir können morgen ja etwas machen, wenn du denkst, dass ich mir zu fein bin.“

„Dann lass dir was schönes einfallen.“

„Ich hab genug Ideen.“

„Fein.“

„Fein.“

…..

Warte … hatte ich mir gerade ein Date mit ihm zurecht gemacht? Hatte ich gerade echt eine Verabredung?

Tja, selber Schuld.

Du hast da bestimmt mit gewirkt, sowas würde ich nie tun.

Nein, das warst du diesmal ganz alleine.

Super … du bist ich.

Auch wieder wahr.

 

Kapitel 6

Kapitel 6

 

Sie hat mich wirklich ausgetrickst. Sie hatte mich so sehr geneckt, dass ich darauf angesprungen war und jetzt hatte ich ein Date mit ihr. Mit ihr.

Wie konnte ich mich nur darauf einlassen? Wieso war ich ihr gestern gefolgt? Wieso hatte ich sie geküsst? Diese Fragen schwebten mir schon den ganzen Tag durch den Kopf.

Es war schon stock dunkel und ich ging immer noch durch die Stadt, nur um nachzudenken.

Ich war schon lange nicht mehr hier gewesen, bestimmt schon neun Jahre nicht mehr.

Echt schon neun Jahre?

Sie war echt groß geworden. Groß und wunderschön.

Auf dem Boden lag ein Stein, den ich anfing vor mir her zu treten. Aber trotzdem schwirrte sie mir immer noch im Kopf herum. Dieses lange dunkelblonde Haar war noch dunkler geworden, seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte und ihre unglaublichen hellblauen Augen, die schon fast grau waren. Und dann ihr Gesicht. Sie ähnelte Daphne so sehr. Ich sah gen Himmel.

Daphne. Du hättest mich früher rufen sollen. Ich hätte dich und Dylen retten können. Zusammen hätten wir es geschafft. Aber stattdessen musste ich auf deine Schwester aufpassen, die so sehr wie du ist. Manchmal habe ich gedacht, dass du in ihr seist. Neun Jahre habe ich auf sie aufgepasst, war immer im Hintergrund, hab sie aus Ärger rausgehalten, aber so wie es aussieht hat das alles nichts gebracht.

Mist! Das brachte doch alles nichts. Daphne würde mich nicht hören … und doch sprach ich so oft zu ihr. Ich sollte damit aufhören.

Also trat ich den Stein wieder und lief weiter. Aber trotzdem dachte ich wieder an Dylen. Ich musste an gestern denken, wo ich sie so bedrängt hatte. Ich wollte sie nicht küssen, ich wollte ihr nur demonstrieren, dass sie nicht so stark war, wie sie dachte … aber ich hatte es doch getan. Ich hatte mir danach eingeredet, dass ich das nur getan hatte, um ihr die Schmerzen zu nehmen … obwohl das gar nicht nötig gewesen war. Ich hätte sie einfach nur mit einem Finger berühren müssen. Und doch hatte ich sie geküsst … und hatte es genossen. Sie hatte süß geschmeckt und meinen Hunger nach mehr geweckt. Aber das ging nicht. Ich musste auf sie acht geben und nichts anderes. Sie war etwas besonderes.

„Aiden!“ Nicht.

Seufzend blieb ich stehen und sah auf den Stein herunter, der vor meinem linken Fuß liegen geblieben war.

„Derek“, meinte ich nur. Er war schnell bei mir und schlang einen Arm um meine Schulter.

„Du Spielverderber. Was war eben los?“

„Ich kann nichts mit ihr machen, Derek.“

„Aiden, du denkst viel zu viel nach.“

„Wenn sie herausbekommt wer genau ich bin, dann wird es eh vorbei sein.“

„Ich hab ja auch nicht gesagt, dass du mit ihr ins Bett gehen sollst. Das ist mein Part.“ Ich sah Derek an und hätte ihm am liebsten den Hals umgedreht. Er spielte mit jeder Frau und aus irgendeinem Grund wollte ich nicht, dass er Dylen wehtat oder sie derart benutzt, wie er es sonst immer mit Frauen tat. Und bei dem Gedanken, dass er ihr wohl schon mal wehgetan hatte, stellten sich mir meine Nackenhaare auf und ich ballte unwillkürlich meine Hände. Sie hatten sich nicht frisch kennengelernt. Zwar hatte Derek mir nie von ihr erzählt, aber so wie er sie angegrinst hatte, hatten die zwei schon mal etwas gehabt. Und das machte mich wirklich wütend.

„Nein, ich passe“, meinte ich und ging weiter.

„Aber dann kannst du besser auf sie aufpassen.“

„Sie ist alt genug und auch stark genug.“

„Deswegen musstest du sie gestern auch retten?“ Ich blieb stock steif stehen. Warum hatte ich ihm das erzählt? Ich hatte ihm noch nie von ihr erzählt. Derek grinste und ich wollte ihm eigentlich irgendetwas sagen, aber ich konnte mich nicht heraus reden. Er hatte ja Recht, wenn ich wirklich der Meinung gewesen war, dass sie es schaffen würde, dann wäre ich ihr gestern nicht gefolgt … obwohl ich doch wusste, dass sie es schaffte, aber die Angst um sie war einfach zu groß gewesen.

„Warum bist du dann hier?“, wechselte ich das Thema.

„Ich gehe gleich wieder zu ihr, wenn Skyler weg ist. Dann sind wir alleine“, grinste er. Ich ballte mein Hände noch mehr. Ich wollte nicht, dass er zu ihr ging. Derek war mein Bruder, ja, aber wenn es um Frauen ging, dann war er unberechenbar. Er sah in Dylen doch nur das kleine, süße und hübsche Mädchen, dass ihm eh nicht widerstehen konnte. Sie war nur für sein großes Verlangen da.

Ich gebe zwar zu, dass ich auch einfach mit Frauen ins Bett gehe, um einfach Dampf abzulassen, aber ich stellte immer alles klar. Nur One-Night-Stands und damit hat es sich, wenn sie damit nicht zurecht kam, dann war ich weg.

„Meinst du ich sollte eine Flasche Wein kaufen, damit sie ein bisschen in Stimmung kommt?“, fragte Derek und lief neben mir her.

„Wenn du meinst.“

„Ja, wäre wohl besser.“ Während Derek überlegte, welchen Wein er wohl am besten für Dylen besorgen sollte, bogen wir von der Hauptstraße in eine kleinere Gasse ein. Erst merkte ich es nicht und Derek war viel zu sehr mit der Weinart beschäftigt, um zu merken, dass wir verfolgt wurden. Ich sagte nicht sofort etwas, weil ich mir erst ganz sicher sein wollte. Derek und ich waren eine mit der stärksten Wesen hier und eigentlich traute sich keiner uns anzugreifen geschweige denn zu folgen. Aber da tauchten drei Typen am Ende der Gasse auf und kamen auf uns zu.

„Wollen die zu uns?“, hatte Derek es jetzt auch endlich bemerkt.

„Ich denke. Uns verfolgen auch schon zwei Typen.“ Derek grinste.

„Sind die dumm.“ Er ballte seine Hände zu Fäusten und ließ die Knochen knacksen, da sah ich einen Schatten, der an der Häuserwand entlang flitzte. Nein, nicht nur einen … Dämonen?

„Hey, das ist unser Revier“, rief einer der Typen, die uns entgegen kamen.

„Ach ja?“, fragte Derek. „Vielleicht haben wir ja auch nur Lust uns ein bisschen zu schlagen.“ Je näher die Typen kamen, desto besser konnte ich sie erkennen. Die drei vor uns waren noch nicht mal von einer Spezies. Der linke war ein Elb, der Rechte ein Vampir und der in der Mitte war … ein Werwolf?

„Aiden“, flüsterte Derek. Und erst als er es sagte, wusste ich, wo genau wir waren. Wir waren vielleicht drei Blocks von Dylens Haus entfernt. „Dann beenden wir das hier mal.“ Derek machte noch einen Schritt nach vorne und preschte dann auf die drei zu. Der Elbe bekam sofort große Augen. Er drehte sich zu dem Werwolf um und sagte ganz schnell: Unsterbliche. Doch das schien den Werwolf nicht zu interessieren.

Die drei überließ ich Derek und drehte mich zu unseren Verfolgern um. Das waren drei Gestaltenwandler, die sich gleichzeitig in Wölfe verwandelten. Ich seufzte nur, packte hinter mich in meinen Hosenbund und holte ein Messer heraus. Der erste kam auf mich zu und seine Freunde folgten ihm. Dem ersten stach ich das Messer in die Brust, dem zweiten schnitt ich die Kehle auf und dem dritten brach ich erst das Bein und stach ihm dann das Messer in die Brust. Alle drei Körper verwandelten sich zurück und blieben auf dem Boden liegen. Plötzlich zuckten sie unkontrolliert und aus ihren Mündern entwichen schwarze Schatten. Dämonen. Jetzt gingen sie schon so weit? Ich hätte nichts anderes tun können, als sie zu töten. Dämonen konnten nur in tote Körper schlüpfen und sie kontrollieren. Aber wenn die Dämonen schon so weit gingen und in Wesen hineinfuhren, dann muss es wohl noch schlimmer geworden sein.

„Alles okay?“, fragte Derek mich und ich drehte mich zu ihm um.

„Ja, bei dir?“

„Auch, die drei sind verschwunden … so wie es aussieht, hast du nicht wirklich Gnade walten lassen.“

„Sie waren besessen.“

„Sie waren was?! Jetzt gehen sie aber zu weit.“ Ich kniete mich zu einem der Gestaltenwandler und drehte sein Gesicht zu mir. Er war noch jung gewesen. Je jünger desto besser. „Das sieht nicht gut aus.“

„Ich werde zu Mutter gehen“, meinte ich und stand wieder auf. „Kommst du mit?“

„Ich werde nach Dylen sehen. Es wäre bestimmt komisch, wenn du zu ihr gehen würdest.“ Ich ballte eine Hand und schluckte meine Wut herunter. Jetzt musste ich erst einmal die drei Leichen wegschaffen. Derek half mir dabei, bevor er sich grinsend auf den Weg zu Dylen machte. Ich brauche mir keine Sorgen um sie zu machen. Sie wird sich schon gegen ihn wehren können. Wie eben schon gesagt, sie war alt und stark genug … und davon mal abgesehen, wollte sie ja gar nicht gerettet werden. Sie wäre eh wieder sauer auf mich, wenn ich dazwischen ging. Wie sie wohl reagiert, wenn sie weiß, wer ich war?

Mit diesem Gedanken konzentrierte ich mich, um meinen Körper zu teleportieren. Meine Brüder und ich hatten diese Fähigkeit, allerdings konnten wir uns nur von der Erde zu unserer Geburtsstädte und wieder zurück teleportieren. Unsere Geburtsstädte nannten die meisten Himmel, weil sie zu meiner Mutter beteten … die die Göttin war. Aber das war schon lange nicht mehr so. Meine Mutter war einst das mächtigste Wesen der Welt gewesen und hatte mit meinem Vater für das Gleichgewicht auf der Welt gesorgt. Man hatte zu ihnen aufgesehen und zu ihnen gebetet, aber das alles hatte sich geändert, als sich ein Dämonenfirst erhoben hatte und uns angriff. Meine Mutter hätte beinahe ihre Kräfte verloren und um das zu verhindern, hatte sie mit letzter Kraft ihre Macht gespalten und sie auf die Erde geschickt. Ihre Macht hatte sich dann Wirte gesucht, damit unser Feind die Kraft meiner Mutter nicht bekam.

Zudem war meine Geburtsstädte auch nicht der Himmel. Wir hatten nichts damit zu tun. Ich konnte auch nicht sagen, wo genau dieser Ort lag, den ich mein Zuhause nannte. Er war irgendwo im Kosmos. Ein Ort den meine Eltern geschaffen hatten, um von Oben auf die Welt aufzupassen.

„Besuchst du deine alte Mutter auch mal wieder?“, wurde ich begrüßt, als sich mein Körper im Thronsaal meiner Mutter materialisierte.

„Ich war doch erst letzten Monat hier“, meinte ich und sah Mutter an, die quer auf dem Thron saß. Ihre Füße baumelten über der Lehne und wurden von meine kleinen Schwester Loona rot lackiert.

„Er hat Recht, Mama. Letzten Monat ist er doch gar nicht erst gegangen“, meinte sie frech und streckte mir die Zunge raus.

„Mir wäre es auch lieber, wenn alle fünf hier bei mir wären, dann müsste ich mir keine Sorgen machen.“

„Mom, diese Holzköpfe machen eh was sie wollen. Wenn sie hier wären, dann würde das Haus nicht mehr stehen.“

„Das ging doch am Anfang auch und da waren sie noch wilder, als jetzt.“

„Wilder? Rumgeschreie von zehn-jährigen die Kämpfen spielen, okay. Aber jetzt würden sie die Bude auseinander nehmen, nur weil keine hübsche Frau in Sicht ist.“ Ich lachte los und schüttelte den Kopf.

„Du schätzt deine Brüder total falsch ein.“ Ich musste mir ein weiteres Lachen verkneifen. Für Mom waren wir einfach noch die kleinen Hosenscheißer, die ihre Hilfe brauchten und nicht erwachsene Männer, die jede Nacht eine andere Frau hatten. „Stimmt doch, oder Aiden?“ Jetzt sah Loona mich an und grinste sich eins ins Fäustchen.

„Also ...“, fing ich an. Mein Hirn ratterte, was konnte ich ihr denn jetzt sagen, ohne das sie ausrastet?

„Ja?“, hackte Loona nach, nur um mich zu ärgern.

„So ganz Unrecht hat Loona ja nicht.“

„Ha, sag ich doch.“ Sie beugte sich wieder über Mutters Füße und lackierte ihre Zehennägel weiter. Ich ging zu den beiden und küsste Mutter zur Begrüßung die Wange.

„Ihr seid eben keine Kinder mehr“, meinte Mom und zuckte die Schultern. „Wo wir gerade dabei sind. Wann bringst du mal eine Frau mit nach Hause? Es wird langsam Zeit, findest du nicht?“ Sie packte mich am Ohr und zog mich zu sich runter, damit ich ihr in die Augen sah. Ihre Augenfarbe war unglaublich, sie sah aus, wie ein Regenbogen. „Oder nicht?“

„Weißt du … ich hab es nicht so mit Frauen“, sagte ich schnell und neigte meinen Kopf etwas, damit sie nicht so an meinen Ohren zog.

„Das kann nicht sein, Adam heiratet bald und er ist dein Zwilligsbruder, da wird doch wohl irgendwo eine Frau sein, die dir gefällt.“ Sanft trennte ich ihre Finger von meinem Ohr und ging ein paar Schritte zurück, damit sie mich nicht mehr packen konnte. „Es gibt doch Frauen in deinem Leben oder?“ Sofort sah ich Daphne vor meinen Augen, wie sie mich anstrahlte, wenn wir uns sahen. Aber dann verwandelte sie sich in ein kleines Mädchen. Ihre Haare wurden heller und ihre Augen wurden blau, bis sie ein helles blau annahmen.

Dylen.

Schnell schüttelte ich den Kopf, um das Bild nicht mehr sehen zu müssen.

„Deswegen bin ich nicht hier“, lenkte ich vom Thema ab und sah Mutter an. Loona war mit ihren Füßen fertig, also setzte sie sich richtig auf den Thron. Ihr langes rotes Haar warf sie über ihre Schulter und überschlug die Beine. Wie immer trug sie ein langes Kleid, was an der Rechten Seite einen langen Schlitz hatte.

„Du wirst irgendwann mit mir darüber reden müssen, was da zwischen dir und Daphne gelaufen ist“, seufzte Mutter. Was?! Sie wusste davon? „Weswegen bist du dann hier?“

„Derek und ich wurden eben angegriffen.“

„Nichts neues, bei eurem Verhalten“, meinte Loona und stellte sich neben Mutter. Ich sah Loona an. Ich musste ja zugeben, dass sie Recht hatte, in allem was sie uns vorwarf. Wir fünf waren nunmal Männer, die auf Kampf und Frauen standen. Es war nun mal so.

„Diesmal war es anders“, meinte ich. „Wir sind verfolgt worden und dann wollten uns die Typen angreifen. Es war eine Gruppe einfach wahllos zusammen gemixt … allerdings waren drei von ihnen besessen.“

„Besessen?!“, hauchte Loona und weitete ihre weißen Augen.

„Das klingt nicht gut“, meinte Mutter. „Wir müssen etwas dagegen tun.“ Ich nickte zustimmend. 

Kapitel 7

Kapitel 7

 

„Ich weiß gar nicht was du hast. Die zwei sind doch so etwas von süß“, meinte Sky und nahm einen Schluck von ihrem Wein.

Nachdem auch Derek uns alleine gelassen hatte, waren Sky und ich erst einmal etwas essen gegangen und waren dann zu mir gegangen. Ich hatte noch eine Flasche Wein, die wir auf gemacht hatten und jetzt fing Sky wieder an, über die beiden Unsterblichen zu reden.

„Schön das sie süß sind, Sky, aber ich hab einfach keine Lust noch weiter reingelegt zu werden. Derek ist doch nur wieder auf eine schnelle und unkomplizierte Nacht aus. Und Aiden? … Ihn kann ich einfach nicht einschätzen.“

„Tatsache ist, dass er auf dich steht, sonst hätte er dich letzte Nacht nicht geküsst.“ Ich wurde leicht rot und trank schnell von meinem Wein. Nein, ich werde nicht wegen dem Kuss rot, nein, das ist nur der Wein. Zu viel Wein ist nicht gut für mich.

Jaja, rede dich nur raus.

Lass mich in Ruhe!

„Warum denkst du eigentlich immer, dass die Typen auf mich stehen?“, fragte ich Skyler. Diese zuckte nur die Schultern.

„Du bist hübsch und du müsstest mehr aus dir machen … also nicht etwas aus dir machen, aber du brauchst mehr Selbstbewusstsein gegenüber Männern. Du kannst sie super anschnauzen und du weißt auch, wie du dich in Szene setzt. Du lässt dir ja auch nichts sagen, aber sobald es an die Liebe geht, denkst du, du bist nicht gut genug.“ Ich streckte ihr die Zunge raus und trank von meinem Wein. „Meinst du Derek kommt noch mal vorbei?“

„Wenn er das sagt, dann macht er das auch“, seufzte ich. „Also darfst du nicht gehen.“ Sky lachte und schüttelte den Kopf.

„Lass ihn doch kommen.“

„Nein, lieber nicht. Wenn er kommt knicke ich bestimmt wieder ein und das will ich nicht. Sky, er hat mir weh getan, er ist einfach so gegangen, als sei ich eine von seinen Bettgeschichten ...“ Skyler legte mir einen Hand aufs Knie.

„Ich weiß, Süße. Für Derek ist es eben nur ein Spiel, aber vielleicht solltest du es auch so sehen?“

„Das kann ich nicht, Sky. So bin ich eben nicht.“ Ich war nicht so jemand, der einfach nur auf Sex aus war. Ich sah die Sachen eher romantischer, mit Dates und einer Beziehung … auch wenn das auch nicht das wahre war. Ich hatte mich schon oft mit Jungs eingelassen, aber das hielt nie lange. Vielleicht hing das auch damit zusammen, dass ich einfach noch zu jung war, aber ich glaubte einfach daran. Anders wie Skyler. Sie nahm einen Mann, wann er kam. Sie wollte einfach nur ihren Spaß, genau wie Derek und wahrscheinlich der Rest der Unsterblichen.

„Du findest schon deinen Traumprinzen“, lächelte Sky. Das entlockte mir allerdings ein genervten Ton.

„Ich bekomme meinen Traumprinz, den der meine Eltern für den Richtigen halten. Wenn ich Pech habe, bin ich schon längst einem aus dem Rudel versprochen.“ Sie drückte mein Bein und trank ihren Wein aus.

„Du armes kleines Wölfchen.“ Sie lachte und stand auf, ich trat sie leicht in den Po.

„Blöde Kuh.“

„Hey, das wird lustig. Wer macht das rennen? Der gut aussehende Derek, der dir schon mal den Kopf verdreht hat. Der schöne Bec, mit dem du durch die Wälder laufen kannst und kleine Wolfbabys zeugen kannst. Oder der unbekannte, unheimliche Aiden über den wir nur wissen, dass er gerne fremde Mädchen in dunklen Gassen küsst.“ Ich trat Skyler wieder in den Po.

„Halt die Klappe und verschwinde“, lachte ich. Sie grinste nur und schlüpfte in ihre Schuhe.

„Ich meine ja auch nur.“ Bevor ich sie noch mal treten konnte, sprang sie schnell aus meiner Reichweite. „Schlaf mal eine Nacht drüber, vielleicht wählst du ja wirklich einen der drei.“ Sie zwinkerte mir zu und schnappte sich ihre Tasche. „Bis morgen, Süße.“

„Ja, mach das du verschwindest“, rief ich ihr nach, als sie die Türe schloss. Seufzend rutschte ich weiter in die Kissen meines Sofas.

Derek wartete bestimmt schon unten und lauerte Skyler auf, damit er sofort hoch kommen konnte, sobald sie weg war. Ich musste ja zugeben, es war schön gewesen ihn heute zu sehen … ihn wieder zu sehen, aber anderseits ist es eben schmerzhaft. Ich hatte ihn geliebt, aber jetzt … ich wusste einfach nicht, was ich denken oder tun sollte, in seiner Gegenwart. Ich nahm noch einen Schluck von meinem Wein und stellte das Glas dann auf den kleinen Tisch vor dem Sofa.

„Aber zu warten bringt mich jetzt auch nicht weiter“, seufzte ich und räumte den Wein und die angefangene Chipstüte weg.

Kaum hatte ich die Sachen weggepackt, klingelte es an der Tür. Hmm, ich konnte einfach nicht auf machen. Vielleicht würde er dann abhauen … nein, Derek würde nicht abhauen. Also schleifte ich mich zur Tür, atmete noch mal tief durch und machte sie dann auf. Derek lehnte an der Veranda, die an der Vorderseite des Hauses war.

„Hey, hübsche Frau“, lächelte er mich mit einem verführerischen Lächeln an.

„Derek, ich habe keine Zeit. Ich muss morgen arbeiten und deswegen schlafen gehen.“

„Wir können ja zusammen schlafen gehen, was hältst du davon?“ Ich verdrehte die Augen und ging zurück ins Haus. Derek folgte mir natürlich und schloss hinter sich die Tür.

„Hast du nicht noch andere Mädels auf deiner Liste zu denen du gehen kannst?“ Mit schnellen Schritten war ich in der Küche und hatte plötzlich eine Dose und Zucker in der Hand. Hmm, die könnte ich doch umfüllen, dann hab ich wenigstens was zu tun und muss Derek nicht ansehen, der einfach mal wieder unglaublich aussah.

„Da gibt es bestimmt ein paar Mädels, die meine Gesellschaft bevorzugen.“ Arrogantes Arsch.

„Dann geh doch zu denen, ich habe wirklich keine Zeit. Meine Arbeit ist mir wichtig, Derek, und ich ...“, fing ich an, aber plötzlich packte er mich am Arm und drehte mich um. Der Zucker fiel mir aus der Hand und verstreute sich über den Boden. Aber Derek interessierte das nicht. Er drückte mich mit seinem Körper an die Küchenzeile und hielt mich weiter am Arm fest. Allerdings tat es nicht weh. „Derek“, hauchte ich.

„Bist du dir sicher, dass du nicht doch lieber etwas mit mir machst?“, flüsterte er mir ins Ohr und küsste mich dahinter. Ich bekam sofort eine Gänsehaut und meine Knie wurden weich. Genau das wollte ich verhindern. Wenn er mir so nah war hatte ich einfach keine Chance gegen ihn. Mein Körper reagierte einfach auf ihn, wurde weich und willig.

„Bitte, tu das nicht.“

„Ich möchte nur hier bei dir sein, Dylen. Ich habe dich vermisst.“ Meine Beine wurden immer weicher und ich knickte schon fast ein. Mein ganzer Verstand war schon auf ihn eingestellt, aber ein kleiner Teil meines Verstandes rebellierte noch.

Ich will nicht schon wieder auf ihn hereinfallen.

Aber er ist soooo süß.

Ist er nicht. Er will nur seinen Spaß und dann verschwindet er wieder.

So sind Männer doch immer. Also warum jetzt Anfangen Nein zu sagen?

Weil es nicht richtig ist, dann meint er, er könnte immer ankommen, wenn er es gerade braucht. Nein, ich werde ihn nicht ran lassen. Nie wieder!

Ich riss meinen Arm los und drückte ihn mit all meiner Kraft von mir. Derek war total perplex und starrte mich an.

„Zwing mich nicht irgendetwas zu tun, was ich bereuen werde“, bat ich ihn.

„Bereuen? Dylen, wir beide wissen doch, dass du es genauso genießen würdest, wie ich.“

„Nein, nicht mehr, Derek. Ich möchte das nicht mehr, nie mehr. Du bist gegangen, obwohl du genau wusstest, was ich für dich empfinde, weil du mit jeder Frau so verfährst, aber ich kann das nicht. Ich kann nicht dein Betthäschen sein, das bin ich nicht und das werde ich nie sein.“

 

 

Schande, Schande, Schade über mich!!!

Ich hab dir gesagt, das schaffst du nicht.

Wann hast du das bitte gesagt?

Ach, das hab ich bestimmt irgendwann mal gesagt.

Hast du nicht!

Doch, bestimmt.

Der Grund für meinen Inneren Streit? Derek hatte es doch wieder geschafft. Ich lag hier, in ein Lacken eingewickelt in meinem Bett und presste das Lacken noch extra fest an mich. Derek lag neben mir und schlief seelenruhig. Schon seit einer geschlagenen Stunde überlegte ich, wie es dazu kommen konnte?

Ich hatte ihn beiseite geschoben. Abgehackt.

Ich hatte ihm meine Meinung gesagt. Abgehackt.

Ich hatte mich von ihm fern gehalten. Abgehackt.

Und doch war ich mit ihm im Bett gelandet, weil er mich mit seinem super leckeren Chardonnay abgefüllt hatte. Wie peinlich.

Das kannst du wohl laut sagen.

Halt die Klappe, du warst auch nicht besser. Man müsste meinen, dass du mich vor so etwas warnst, aber nein, du warst genauso fasziniert von ihm!

Ich bin du, ich kann dich eigentlich gar nicht warnen.

Ach, lass mich in Ruhe.

Ich durfte auch nicht mehr darüber nachdenken. Es war passiert und jetzt musste ich schnell sehen, dass ich von Derek weg kam, sonst würde er mich wieder überreden im Bett liegen zu bleiben und nicht zur Arbeit zu gehen und das durfte ich nicht zulassen. Also sprang ich schnell aus dem Bett, schnappte mir was zum anziehen und lief ins Bad. Schnell noch abschließen und schon hatte ich Abstand zu Derek. Erleichtert lehnte ich mich an die Badezimmertür und rutschte sie herunter. Mein Gehirn setzte in seiner Nähe einfach aus und wollte einfach nur noch seine Wärme spüren. Abstand.

Vielleicht sollte ich mich schnell fertig machen und dann einfach gehen. Ich konnte ja irgendwo was frühstücken gehen und Derek eine Nachricht da lassen, dass er in Ruhe duschen konnte und dann wenn ich nach Hause komme, heute Nachmittag, dann ist er weg. … Ja, ich glaube, das mache ich.

Nachdem ich dann geduscht und mir ein schickes Kleid angezogen hatte, machte ich mir noch die Haare und schlich dann aus dem Bad. Bloß leise sein, damit Derek nicht wach wurde. Ich schaffte es noch, meine Ballerinas zu holen und dann war ich auch schon unten, um Derek einen Zettel in die Küche zu legen.

 

Guten Morgen,

ich hoffe du hast gut geschlafen. Ich wollte dich nicht wecken, aber ich musste zur Arbeit. Dusch dich in Ruhe und lass dir Zeit, ich werde heute wohl länger machen.

Dylen

 

Genau, perfekt. Ich legte den Zettel auf die Kücheninsel und ging dann gut gelaunt aus dem Haus. Ich hatte es wirklich geschafft. Zum Glück.

Vielleicht war Skyler ja schon wach und wir konnten uns zum Frühstück treffen. Auf dem Weg in die Stadt, schrieb ich ihr eine Sms, dass ich schon unterwegs sei und auf sie in unserem Lieblings Bistro wartete. Zu meinem Glück war sie auch noch wach und schrieb mir sofort zurück, dass sie auch schon auf dem Weg sei. Zwei Dumme, ein Gedanke.

Als ich an dem Bistro ankam, sah ich schon, wie Skyler sich auf unseren Stammplatz setzte, der recht abseits war, damit wir nicht mitten in der Masse saßen und uns in Ruhe unterhalten konnten. Das Bistro lag auf unserem Weg zur Arbeit und meistens aßen wir hier auch zu Mittag.

„Guten Morgen“, grinste Sky mich an und ich ließ mich neben sie fallen. „Hübsches Kleid.“ Ich sah an mir herunter und zuckte nur die Schultern. Es war nichts besonderes. Es war schwarz-weiß gestreift und hatte um die Taille eine braune Schnur. Ein einfaches Hängerchen, was aber wirklich hübsch war. „Da wird Aiden sich aber freuen“, grinste sie fies. Was?! Ich wollte ihr schon etwas böses an den Kopf werfen, aber der Kellner rettete sie. Skyler bestellte für uns zwei kleine Frühstücksteller und etwas Rührei, dazu Kaffee und Orangensaft. „Sag nicht, du hast euer „Date“ vergessen.“ Ich streckte ihr die Zunge raus.

„Um ehrlich zu sein, habe ich es wirklich vergessen“, gestand ich leise. „Ich meine, ich habe seine Nummer nicht und wir haben auch nicht wirklich etwas aus gemacht … das ist gar kein Date.“ Ski lachte und schüttelte den Kopf.

„Wenn du meinst, aber ehrlich? Du solltest mit ihm weg gehen … außer du hast ein schlechtes Gewissen, weil du letzte Nacht mit Derek dreckige Sachen gemacht hast“, grinste sie. Ich wurde sofort rot und boxte Sky gegen den Arm.

„Sag sowas nicht so laut!“, motzte ich sie an und sah mich schnell um, ob uns jemand gehört hatte. Sky lachte nur und tätschelte meinen Kopf.

„Dy, du machst dir viel zu viele Gedanken. Das habe ich dir gestern schon gesagt. Nimm doch beide, außer du willst wirklich einen los werden. Ich kann ja mal versuchen, ob ich einen der Süßen in mein Bett locken kann.“ Erst wollte ich widersprechen, weil ich es nicht so gut fand, so über Menschen zu reden, aber dann ließ ich es doch. Sie hatte ja Recht. Sky war genauso wie die Jungs. Warum sollte sie mir nicht einen vom Hals schaffen? Das Problem war nur … wen von den beiden? Oder beide?

 

Kapitel 8

Kapitel 8

 

Bei einem langen Spaziergang hatte ich genug Zeit, um den heiß begehrten Jungstar unserer Zeit zu interviewen. Und ich muss sagen, er war schon charmant. Ihr habt mir genug Fragen gemailt, die ich ihn fragen soll und genau das habe ich auch getan. Was mich allerdings ein bisschen gewundert hat war, dass er ein bisschen schüchtern war. Hätte man von ihm nicht gedacht. Also von aussehen kann ich nichts negatives sagen, Mädels. * Zwincker * Sahneschnitte sage ich nur dazu. Und dieser Kuss erst, ich wusste nicht, wie mir geschah, als er mich gegen die Häuserwand …

 

„Dy, was schreibst du denn da für Schundromane in deinen Blog?“ Ich schreckte hoch und wäre beinahe mit meinem Bürostuhl umgekippt.

„Was?“, fragte ich total unintelligent und sah Skyler an, die neben mir stand und ihre Hände in die Hüften stemmte. Ihr giftiger Blick hängte an meinem PC, auf dem ich gerade meinen Onlineblog schrieb, wo ich mich über ein paar Sachen ausließ oder meine eigene Meinung vertrat. Das machte ich jetzt schon ein halbes Jahr und es kam bei den Lesern richtig gut an. Aber jetzt musste ich selber auf den Bildschirm starren und schlucken. WAS ZUM TEUFEL?! „Also doch Aiden?“ Ich schüttelte den Kopf und löschte das Geschriebene. Wie peinlich. Das ich das noch nicht mal gemerkt habe, dass ich plötzlich gar nicht mehr über das Thema geschrieben habe. Wie konnten meine Gedanken nur so abstreifen und so einen Mist schreiben? Was wäre passiert, wenn Sky mich nicht unterbrochen hätte und ich aus Gewohnheit einfach auf "Posten" gedrückt hätte? Glück im Unglück.

"Also doch Aiden?", meinte Skyler und setzte sich auf meinen Schreibtisch.

"Nein, nicht Aiden."

"Wer hat dich denn noch in einer Gasse geküsst?" Ich machte den Mund auf und wollte schon irgendetwas sagen ... aber ich konnte nicht. Es gab nur den einen, der mich in einer Gasse geküsst hatte. Und das war nun Mal Aiden gewesen. "Ich glaube, du brauchst eine Pause. Dein Blog kann noch etwas warten." Sie packte mich am Arm und zog mich aus dem Stuhl. Seufzend machte ich meinen Pc auf Standby und schaltete den Monitor aus. Dann nahm ich mir meine Tasche und ging mit Skyler runter.

Unten in der Eingangshalle drehte Skyler sich plötzlich um und sah mich an.

"Aber jetzt mal ehrlich, wenn du schon Tagträume von Aiden hast und gestern mit Derek im Bett warst, wann kommt dann Bec?" Ich boxte sie.

"Bist du bescheuert?", kreischte ich fast. Sky kicherte und ging Rückwärts weiter.

"Wir sind doch erwachsen. Komm sag, ist Derek gut im Bett?" Sie lief einfach weiter, aber ich blieb erstarrt stehen und weitete meine Augen. "Oder würdest du gerne mal mit Aiden? Er sieht unter seinem Shirt bestimmt richtig gut aus und ich muss sagen, seine Narbe über seinem Auge sieht ja schon sexy aus und nach deinem Tagtraum eben, kann ich mir auch gut vorstellen, dass du es dir auch bildlich vorst ... Dy, warum guckst du denn so entgeistert, ist doch nicht so, dass er hinter mir steht." Sky drehte sich um und stand direkt vor Aiden, der bei ihrem Gerede in die Agentur gekommen war. Ich schluckte und lief rot an. Ich glaube sogar, dass ich einem Feuerlöscher Konkurrenz gemacht hätte.

"Hallo", meinte Aiden trocken und sah an Skyler vorbei zu mir

"Aiden", murmelte ich. Das konnte ja auch nur mir passieren. Das war so klar. Skyler machte sich klein und verschwand ganz langsam Richtung Ausgang. "Ähm ... entschuldige Skyler, sie ... sie redet immer so einen Mist, wenn sie lange keinen Mann mehr hatte", meinte ich und trat ein bisschen näher zu ihm, damit das nicht jeder mitbekam.

"Schon gut", meinte er nur. Verdammt, jetzt hatte er ein schlechtes Bild von mir.

"Was kann ich denn für dich tun?"

"Ich habe Derek gefragt, wo du arbeitest, weil ich ... dieses Date oder was auch immer wir da gestern abgemacht haben, absagen muss." Ich dachte erst, es sei irgendetwas belangloses, aber als er das sagte, war ich schon ein bisschen betroffen. Also wollte er gar kein Date mit mir ...

"Jaja, das war ja auch nur albern von uns gewesen", winkte ich ab und lächelte ihn an.

"Ja, albern."

"Okay, wir sehen uns dann", sagte ich und ging schnell an ihm vorbei. Skyler stand aufgeregt vor der Türe und grinste mich ganz breit an.

"Und? Und? Und? Sag, was hat er gesagt. Ich hoffe, er hat nicht so viel darauf gesagt, was ich eben von mir gegeben habe." Ich ging einfach an ihr vorbei.

"Ich brauche jetzt ein großes Stück Kuchen", murmelte ich und steuerte in Richtung Stadt.

"Oh, nicht gut." Skyler kam mir nach und als sie neben mir war, sah sie mich mitleidig an. "Was ist passiert? Bin ich es schuld?"

"Nein, er wollte das "Date" absagen."

"Und das kränkt dich? Ich dachte, du wolltest da nicht hin." Ja, das hatte ich auch gedacht, aber irgendwie schmerzte es doch, von einem Mann abgewiesen zu werden. "Jaja, jede Abfuhr kratzt an dem Stolz einer Frau."

"Und dank dir, kann ich es jetzt ganz vergessen. Was soll er denn von mir denken? Ich gehe erst mit seinem Bruder ins Bett und hab dann mit ihm ein Date? Super Sache."

"Es kommen noch andere Männer. Du hast doch noch Bec und Derek. Die reichen doch erst einmal für den Anfang." Ich seufzte und nickte. Vielleicht hatte sie Recht. Ich meine, ich kannte Aiden erst zwei Tage. Das war total bescheuert, ich hatte noch kein richtiges Gespräch mit ihm gehabt und doch kränkt es mich, dass unser Date jetzt nicht stattfand.

Ha, du bist eben doch scharf auf ihn.

Ich bin nicht scharf auf ihn.

Aber schon ein bisschen.

Nein, auch nicht ein bisschen. Es ist nur schlimm zurück gewiesen zu werden.

Ja, genau.

 
 

Nach einem großen Stück Schokoladenkuchen, der nur so von flüssiger Schokolade triefte hatte ich mich wieder an meinen Blog gesetzt und diesmal hatte ich ihn ohne Komplikationen schreiben können. Wäre auch zu schön gewesen, wenn ich heute zu nichts mehr gekommen wäre. Skyler hatte mir vorgeschlagen vielleicht auch einen Blog zu schreiben, der darüber handelte, wenn man verliebt sei. Sie meinte, dass ich diesen Zustand am besten kennen würde. Dafür hatte ich sie mal wieder geschlagen. Blöde Pute. ... Aber ich wusste, dass sie mich damit nur auf andere Gedanken bringen wollte und mich natürlich auch nur aufmuntern wollte. Und ich muss zugeben, dass ich wirklich darüber nachgedacht hatte. Ja, ich war so dumm und hatte darüber nachgedacht, also hatte ich eine Umfrage gestartet, wie meine Leser so etwas finden würden. Na dann bin ich mal gespannt.

Jetzt allerdings lag ich in meiner Badewanne und gönnte mir ein schönes Bad. Das gute war auch noch, dass ich Derek noch nicht gesehen hatte. Als ich um sechs, nach der Arbeit, nach hause gekommen war, war er nicht mehr da gewesen ... allerdings hatte er mir einen Brief da gelassen. Er müsse was besorgen und er wüsste nicht, wann er wieder da sein würde. Natürlich. Also wer zwischen den Zeilen lesen kann, der wusste sofort, dass er nicht mehr wiederkommen würde, denn das war nun mal Dereks Masche. Aber mir konnte es nur Recht sein, ich konnte mein Bad genießen und brauchte mir keine Sorgen um einen weiteren Kampf meiner Gefühle zu machen. Dieser ständige Wechsel von "Ja, ich will" zu "Nein, ich will nicht" wieder zu "Ja, ich will".

Vielleicht sollte ich der Männerwelt abschwören und alleine bleiben.

Schönes Wunschdenken. Du weißt genauso gut wie ich, dass du dir Aiden und Derek so oder so abschminkten kannst. Du wirst einen aus dem Rudel heiraten und mit diesem süße kleine Werwolfbabys zeugen.

Man wird doch wohl noch träumen dürfen.

Nein, nicht in deiner Position.

Ja, stimmt ja. Ich hatte das total vergessen. Die Freiheit sich den Mann selber auszusuchen ist mir ja verwehrt. Und ich wette, dass meine Eltern schon seit meiner Geburt den "Richtigen" für mich ausgesucht haben. Das heißt, ich hab keine Chance. Die hatte ich noch nie gehabt.

Mit diesen trüben Gedanken erhob ich mich aus dem schönen warmen Wasser. Das hatte mir wirklich die Stimmung vermiest.

Mit einem Handtuch um meinem Körper ging ich in mein Zimmer und zog mir etwas bequemes an. In dem Fall eine Stoffhot-pants und ein Top. Zu meinem Entsetzten sah ich auf die Uhr. Ich hatte ehrlich drei Stunden in der Wanne gelegen und einfach nur entspannt. Draußen war es schon dunkel und ich musste noch ein bisschen aufräumen. Super Sache.

Ich schleppte mich in die Küche und holte erst mal die Mülltüte aus dem Mülleimer, band sie zu und brachte sie raus. Meine großen Mülltonnen standen in einer kleinen Gasse neben meinem Haus, die jetzt Stock dunkel war. Wir hatten nur ein kleines Licht angebracht, damit man ein wenig sehen konnte ... aber diese Lampe war schon Jahre in Betrieb und dadurch noch schwacher, als sie sonst schon ist. Aber Angst hatte ich nicht. Ich ging zu den großen Müllcontainern und schmiss den Sack hinein. Mit einem lauten Geräusch viel der Deckel auf den Container und ich konnte wieder ins Haus gehen.

Doch vor mir tauchte eine Gestalt auf, was mich im ersten Moment gar nicht interessierte, da auch die Container meiner Nachbarn hier in der Gasse standen. Aber als es hinter mir knackste, wurde ich ein bisschen misstrauisch. Mein Schritt wurde ein bisschen schneller. Auf gleicher Höhe mit dem Unbekannten, lächelte ich ihn an und wollte an ihm vorbei gehen, aber er zeigte mir seine lange, weißen Fänge und packte mich unsanft am Arm.

"Lass mich los, Blutsauger", schnauzte ich ihn an und versuchte mich los zureißen. Das gelang mir auch, also trat ich auf ihn zu und trat ihm zwischen die Beine. Der Vampir ging in die Knie und ich rammte ihm meines ins Gesicht. So hart, sodass ihm, seine Beißerchen auf dem Gebiss fielen. Aber ich hatte den Typen hinter mir vergessen. Der packte mich jetzt an den Haaren zu sich. Ich wollte aufschreien, aber er hielt mir sofort den Mund zu. Ich versuchte trotzdem einen Laut von mir zu geben, als ich aber nichts herausbekam, rammte ich dem Typen meinen Ellbogen in den Magen. Er stöhnte und taumelte zurück. Keuchend machte ich zwei Schritte vor, stockte aber dann, als ich sah, wie drei Schatten an den Häuserwänden entlang huschten. Ein weiterer materialisierte sich vor mir am Anfang der Gasse. Der Typ hinter mir hatte sich auch wieder aufgerappelt.

"ich würde dir raten, dich nicht zu wehren, Dylen", sagte der Dämon vor mir. Ich beugte mich leicht vor und knurrte ihn bestialisch an. Mein ganzer Körper stand unter Spannung und war bereit sich zu verwandeln.

"Woher kennst du meinen Namen?", knurrte ich. Er gab mir keine Antwort, kam nur auf mich zu. "Bleib stehen", grollte ich. Er tat es natürlich nicht. Also ließ ich meinen Körper freien lauf und verwandelte mich in einen Wolf. Mein Körper explodierte und im nächsten Moment stand ich als großer und schneeweißer Wolf vor dem Dämonen. Dieser grinste und zog ein Messer aus seiner Lederjacke. Also er machte Ernst und er kannte meinen Namen. Das alles bedeutet nichts gutes. Allerdings wusste ich noch nicht, was genau sie vor hatten. Vielleicht war es auch nur irgend so eine Perversion und diese Dämonen haben mich schon etwas länger auf dem Kicker. Aber das glaubte ich eher weniger. Sie hatten genug zeit um mich an zufallen und wenn sie mich töten wollten, dann wäre das schon längst geschehen. Ich wusste nur nicht, was so besonders an mir war. Egal, darüber konnte ich mir nachher Gedanken machen.

Der Dämon packte das Messer fester und ich sprintete auf ihn los, was keine gute Idee gewesen war, weil er genau darauf gehofft hatte. Er ließ mich auf sich zu kommen, damit er mir das Messer in die Brust rammen konnte. Ich jaulte auf.

Ares!, schrie ich in Gedanken.

Der Schmerz brannte in meinen Gliedern, aber dennoch sprang ich auf Seite. Der Dämon lächelte und kam wieder auf mich zu. Ich knurrte, aber das machte ihm keine Angst. Auch der Typ hinter mir kam wieder näher. Unter mir breitete sich eine kleine Blutlache aus und der Schmerz lähmte mich. Aber meine Wolfsinstinkte waren immer noch bereit und genau deswegen knurrte ich die beiden immer noch an.

„Als Schoßhündchen würde sie sich auch gut machen“, lachte der Vampir hinter mir. Schoßhündchen? Dem zeig ich gleich, was für ein Schoßhündchen ich bin. Schnell sprang ich auf und knurrte bestialisch. Der Vampir erschreckte sich, aber im nächsten Moment sackte ich auch wieder zusammen und der Vampir lachte. „Ich würde das lassen. An der Klinge war Dämonenblut und das ist für alle anderen Wesen schmerzhaft, wenn es in den Blutkreislauf gerät.“

„Halt die Schnauze und verabreich ihr endlich das Schlafmittel, damit wir abhauen können“, bellte der Dämon. Sie wollten mich mitnehmen? Auf keinen Fall. Ich versuchte, wieder auf die Beine zu kommen und wenigstens weg zulaufen, aber der Schmerz lähmte mich vollkommen. Ich presste meine Augen zusammen und dachte schon, es sei vorbei, aber da schoss ein Lichtstrahl zu Boden und ich hörte nur noch ein stöhnen. Sofort riss ich die Augen auf und sah meinen Retter vor mir.

„Aiden, es war klar, dass du nicht lange brauchst um hier zu sein“, spottete der Dämon. Aiden stand mit dem Rücken zu mir in Angriffsstellung.

„Ich hätte wissen müssen, dass du hier auftauchst, Logan“, meinte Aiden mit kühler Stimme. Sie kannten sich? Und was machte Aiden überhaupt hier?

„Also haben meine Leute wohl versagt.“ Versagt? Was meinte … aber da sah ich es. Aiden atmete viel schneller als sonst und das war nicht von dem kleinen Kampf gegen den Vampir, der tot hinter mir lag. Er war verletzt! „Na ja, nicht ganz versagt. Dein Bruder ist ja noch nicht hier.“ Aidens Hand ballte sich zu Fäusten.

„Willst du hier stehen und reden?“, knurrte er und dieser Logan lachte.

„Vielleicht beim nächsten Mal.“ Er verwandelte sich zurück in Schatten und ich dachte schon, wir seien ihn los. Aber da kam er plötzlich auf Aiden zugeflogen, dieser sprang zur Seite, aber der Schatten verfolgte ihn und … flog durch ihn hindurch. Ein markerschütternder Schrei ertönte und ich verwandelte mich sofort zurück in einen Menschen. Ich war zwar nackt, aber das machte mir gerade sehr wenig. Eine Hand presste ich auf die Wunde, die der Dämon mir verpasst hatte. Sie hatte nichts wichtiges getroffen, aber trotzdem tat das Dämonenblut in meinem Organismus weh. Mit zusammengepressten Lippen lief ich auf Aiden zu, der zu Boden gegangen war und sich auf den Armen abstützte. Er keuchte und im nächsten Moment spuckte er Blut.

„Aiden“, rief ich und war bei ihm. Meine Schmerzen unterdrückte ich einfach und presste meine Hand weiter auf die Wunde, die unter meiner linken Brust prankte. Er verkrampfte sich etwas und spuckte noch mal etwas Blut. Ich hatte keine Ahnung was dieser Logan mit ihm gemacht hatte, aber irgendetwas musste ja passiert sein.

Ich legte meine Hand auf seinen Rücken und sofort spannten sich seine Muskeln an. Ich wollte irgendetwas sagen oder machen, damit es ihm besser ging, aber ich wusste nicht was. Alles was ich heraus bekam, war ein Hauchen.

„Aiden“, hauchte ich. Er reagierte nicht, aber es dauerte nicht lange, da setzte er sich auf und war wieder die Ruhe selbst. Seine Muskeln waren bis zum zerreißen angespannt und er keuchte auch noch ein bisschen, aber sonst gab es keine Äußerlichen Anzeichen, dass es ihm nicht gut gehen sollte. Langsam drehte er seinen Kopf zu mir und musterte mich. Jetzt war ich es, die sich verkrampfte. Ich saß hier nackt neben ihm.Bis eben hatte es mich nicht geschert, aber jetzt, als er anfing mich zu mustern, wurde mir das schon ein bisschen unangenehm. Ich rechnete mit einem blöden Spruch, der auch immer von Derek kam, aber er kam nicht. Aiden sah sich nicht meinen Körper an, um sich an ihm satt zu sehen, er untersuchte ihn auf weitere Wunden. Und jetzt, wo er fertig war, knöpfte er sein Hemd auf und gab es mir.

„Wir sollten dich rein schaffen“, sagte er monoton. Ich nickte bloß und schlüpfte in das übergroße Hemd. Aiden kniete sich hin und schob seine Arme dann unter mich.

„Aiden, was ...“, rief ich aus, aber da war ich schon auf seinem Arm. „Hör auf, ich kann alleine gehen“, beschwerte ich mich.

„Du solltest dich nicht viel Bewegen. Dämonenblut breitet sich aus, wenn man sich bewegt.“ Ich machte den Mund auf und wollte widersprechen, aber ich ließ es. Mein Körper schaltete sofort um, als ich so nah bei ihm war. Meine Nackenhaare stellten sich auf und mir wurde etwas wärmer. Heimlich holte ich Luft, um zu gucken wie gut er roch. Und das tat er. Ich konnte nicht gleich sagen, nach was er roch, aber mein Körper reagierte darauf. Mein Herz klopfte ein bisschen schneller und ein Lächeln zauberte sich auf mein Gesicht. Aber das war es nicht. Ich kannte diesen Geruch, ich hatte ihn schon öfter gerochen und doch wusste ich nicht, woher. Vor meinem inneren Auge tauchten etliche Bilder auf, wie ich als kleines Kind im Sandkasten gespielt hatte oder auf dem Weg zur Schule war. Dieser Geruch war immer da gewesen. Egal wo ich hin gegangen war, ich konnte immer diesen markanten Geruch wahrnehmen. Er war nicht süß, aber auch nicht herb, so ein Mittelding. Kein nasses Moos und auch kein Lagerfeuer. Früher hatte ich immer geschnüffelt und gehofft, diesen Geruch wieder zu riechen, aber irgendwann war er dann verschwunden … doch jetzt … jetzt war er wieder da. Aiden roch genauso. Aber ich konnte nicht weiter darüber nachdenken, weil wir schon im Haus angekommen waren und Aiden mich schnurstracks ins Wohnzimmer aufs Sofa legte. Ich wollte ihm sagen, wo er das Verbandszeug fand, aber da war er auch schon unterwegs ins Bad und holte den Erste-Hilfe-Kasten. Ich war total perplex, aber dachte nicht weiter darüber nach. Es war immer leicht das Bad in einer Wohnung zu finden.

Als Aiden zurück kam erschrak ich erst mal. Draußen in der Dunkelheit hatte ich nicht gesehen, wie er aussah, aber jetzt sah ich die Spuren, von dem Kampf, von dem dieser Dämon geredet hatte. 

Kapitel 9

Kapitel 9

 

Neben der Narben in seinem Gesicht waren jetzt auch neue Wunden, die noch leicht bluteten und das restliche Blut war an seinem Kinn und Hals getrocknet. Sein Hals hatte auch eine längere Schnittwunde abbekommen und dazu färbte sich seine leicht gebräunte Haut schon bläulich … das waren Würgemale!

Mein Blick wanderte weiter herunter zu seiner Brust, wo eine ältere Narbe prangte. An seinem rechten Arm hatte er eine Stichwunde, die immer noch blutete. Das Blut lief seinen Arm herab und passierte weitere Narben, die allerdings schon älter waren. Aber was dann kam raubte mir den Atem. Diese Narbe war auch schon älter, aber diese wurde nicht von einem Messer oder Schwert verursacht. Es war eine Brandnarbe und das keine kleine. Sie verlief an seiner linken Körperhälfte von seinem Hosenbund bis hoch unter die Brust. Das war bestimmt schmerzhaft gewesen.

„Kannst du das Hemd etwas beiseite tun?“, holte Aiden mich aus meiner Starre. Ich nickte und knöpfte das Hemd wieder auf und schob es zur Seite, damit Aiden an die Stichwunde kam. Sanft legte er seine Finger auf meine Seite und tupfte das Blut mit einem Wattepat weg. Seine Finger waren warm und sanft auf meiner Haut und ich bekam sofort eine Gänsehaut. „Ich mache schnell, dann kannst du dich anziehen gehen“, sagte Aiden sofort und ich schüttelte den Kopf.

„Schon gut“, hauchte ich. Als das Blut dann weg war, legte Aiden den Wattepat weg und sah sich die Wunde noch mal an.

„Ich muss das Dämonenblut etwas aus der Wunde saugen, sonst könnte es kritisch werden.“ Ich schluckte hart und starrte Aiden in das markante Gesicht. Er will was?!

Seine vollen Lippen unter deine Brust pressen und das Dämonenblut aussaugen. Sag JA! Sag JA!

„O … okay“, stotterte ich und nickte, wie ein kleines Kind. Oh man, wie peinlich. Mir wurde richtig heiß und mein Herz klopfte schneller in meiner Brust. Er würde also das Blut aussaugen … mit seinen Lippen … unter meiner Brust … verdammt, ich hoffe ich schaffe das.

Aiden beugte sich vor und legte sanft seine Lippen auf meine Haut. Ich wusste ja, wie sanft seine Lippen waren, aber jetzt spürte ich es noch mehr, da diese Stelle noch empfindlicher war, als meine Lippen. Er saugte und ich hielt die Luft an. Es war eigenartig, dieses Gefühl. Ich konnte es nicht einordnen. Mein Verstand wollte nicht, dass es sich gut anfühlte, aber mein Körper schon. Mein Verstand schrie, dass ich diesen Mann erst seit zwei Tagen kannte und diese Aktion sehr unpassend war. Mein Körper war da allerdings anderer Meinung. Dieser wollte mehr von Aiden, viel viel mehr. Ich wollte ihn auf mir spüren, seine weichen Lippen nicht nur an dieser einen Stelle spüren. Ich wollte seine starken Muskeln berühren und die Muskelstränge an seinen Armen und Beinen entlang küssen …

Bitte, was denkst du hier?

Ich … ich weiß nicht.

Es war einfach unglaublich, was für ein Gefühlschaos Aiden in mir verursachte. Ich kannte ihn kaum, aber doch war er mir so vertraut. Dazu kam aber noch, dass ich nicht verstand, warum er doch hier war, warum er mich gerettet hatte und warum er diesen Dämon kannte. Mir war unklar, warum mir sein Geruch so bekannt vorkam und mir war unklar, warum mein Körper so eindeutig auf ihn reagierte.

Es dauerte nicht lange, da trennte Aiden sich wieder von mir und spuckte das Blut in eine kleine Schüssel, dann legte er wieder seine Lippen an die Wunde und saugte wieder. Das machte er noch drei Mal.

„Der größte Teil müsste draußen sein“, meinte er dann und träufelte ein bisschen Iod auf ein Wattepat, dass er mir auf die Wunde legte. Ich zuckte leicht zusammen, aber dann ging es wieder. Nachdem er die Wunde dann verbunden hatte, durfte ich mich aufsetzten. Aiden wollte aufstehen, aber ich packte ihn am Arm und hielt ihn auf.

„Jetzt bist du dran. Du bist schlimmer verletzt als ich, Aiden.“

„Das ist nichts ...“

„Doch“, bestand ich darauf und drückte ihn auf das Sofa. Das Hemd von ihm ließ ich an und knöpfte es nur schnell zu. „Du bleibst sitzen“, befahl ich und lief schnell in die Küche, um etwas warmes Wasser und ein Handtuch zu holen.

„Ich mache dein Sofa dreckig“, rief er mir nach.

„Dann gehe ich ein neues holen“, meinte ich nur und kam wieder. Aiden lehnte sich zurück und sah mich an. Diesmal musterten mich seine Augen auf eine andere Art. Sein Hemd reichte mir gerade so über den Po und darunter trug ich ja nichts … aber das fand ich nicht schlimm. Bei Derek fühlte ich mich immer wie ein Ausstellungsstück, aber Aiden sah mich nicht so an. Seine dunkelgrünen Augen liebkosten eher meinen Körper. Ich biss mir auf die Lippe und kam langsam auf Aiden zu. Die Schüssel Wasser gab ich Aiden, damit er sie festhalten konnte, dann nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und stellte mich zwischen seine Beine. Das Handtuch tauchte ich mit der Spitze in das Wasser und tupfte dann das getrocknete Blut von Aidens Kinn. Danach war sein Hals dran. Mit der anderen Seite des Handtuchs machte ich ihn dann trocken. Als sein Kinn und Hals wieder sauber waren, machte ich auch das Blut an seiner Halswunde weg. Dafür neigte Aiden seinen Kopf etwas zur Seite.

Oh Gott, diese Stille war schrecklich.

„Ich dachte, du hättest heute keine Zeit“, fing ich ein Gespräch an.

„Ich hatte auch etwas vor.“

„Und doch bist du hier.“

„Diese Typen haben mich in einer Gasse angegriffen. Sie dachten, dass wir Freunde seien, weil ich dir am Samstag auch geholfen hatte und haben mich damit aufgezogen, dass sie dir etwas antun wollten. Ich konnte nicht einfach zulassen, dass sie dir wehtun.“ Ich hielt in der Bewegung inne.

„Das sie mir wehtun?“, fragte ich und sah Aiden in die Augen. „Du kennst mich doch erst seit ein paar Tagen, wie kann es dir so wichtig sein, dass mir nichts passiert?“

„Das ist kompliziert.“

„Ich hab genug zeit.“ Vorsichtig machte ich mit den Wunden in seinem Gesicht weiter. Aiden allerdings blieb still. Ich seufzte und tupfte das Blut weg. „Ich verstehe das ganze nicht, Aiden. Du sagst mir ab und kommst dann doch her, um mich zu beschützen. Woher kommt der Beschützerinstinkt? Wir kennen uns gerade mal zwei Tage.“

„Das ist meine Aufgabe. Es sind schlimme Zeiten und ich und meine Brüder müssen dafür sorgen, dass die Welt im Gleichgewicht bleibt.“ Wollte ich ihm das so abkaufen? Oder konnte ich ihm das so abkaufen? Die Unsterblichen waren schon dafür da, dass sie Frieden schafften, aber …

Aber was? Ich sollte froh sein, dass er da war, um mich zu retten. Wäre er nicht da gewesen, wäre ich jetzt bestimmt in irgendeiner Zelle und würde bald sterben. Jetzt bedank dich doch einfach mal, so schwer ist das nicht.

„Ich … es tut mir leid. Du wolltest ja nur mein Bestes und ich stehe hier rum und halte dir Vorträge, dabei bin ich es schuld, dass du so zugerichtet bist.“

„Dylen, das ist nicht deine Schuld.“

„Ein bisschen aber.“ Ich lächelte ihn an und machte weiter mit seinem Arm. Diese Wunde war ziemlich tief und als ich mit dem Handtuch an diese kam, zuckte Aiden zusammen. „Wohl doch nicht so taff, wie er immer tut“, schmunzelte ich.

„Das tut weh“, beschwerte er sich und ließ auch mal ein Lächeln zu. Das machte ihn direkt viel sympathischer … obwohl ich zugeben musste, dass er auch sonst nicht zu verachten war. Ja, durch die Narben und seine distanzierte Art könnte man Angst vor ihm haben, aber so schien er nur nach außen. Er konnte auch ganz nett sein.

„Stell dich nicht so an. Du bist ein Mann“, stichelte ich ihn weiter.

„Bin ich das, ja?“

„Ja, du siehst zumindest danach aus.“ Ich war fertig und legte das Handtuch auf den Boden und nahm mir dann Iod und Wattepats. Sanft tupfte ich Aidens Armwunde mit Iod voll und verband sie dann ordentlich.

„Warst du mal Krankenschwester?“

„Weil ich so sexy aussehe, oder was?“

„Ja, vielleicht liegt es daran.“ Ich hielt in der Bewegung inne. Hatte er das gerade wirklich gesagt? Ich sah Aiden an. Ich hatte mir das bestimmt nur eingeredet, dass er das gesagt hatte. Wir sahen uns in die Augen und Aiden kam immer näher. Er würde mich wieder küssen, er würde mich wieder KÜSSEN!

Es dauerte nicht lange, da saß Aiden wieder aufrecht. Er legte seine eine Hand auf meine Seite und die andere auf meine Hüfte. Ich schluckte und wartete einfach nur noch darauf, dass er mich küsste … und dann war es soweit. Er küsste mich wirklich und es war unglaublich. Sein undefinierbare Duft stieg mir in die Nase und ich fühlte mich sofort Zuhause, seine Lippen teilten sich und ich hieß seine Zunge willkommen. Der Kuss wurde immer wilder und ich hielt mich an seinen Schultern fest. Ein kleines Feuer entfachte in meinem Bauch und um ehrlich zu sein, ich hätte ihn noch Stunden weiter küssen können. Aber so sollte es nicht sein. Aiden trennte sich plötzlich von mir und starrte mir in die Augen. Ich blinzelte und hielt mich immer noch an seinen Schultern fest.

„Ich … es tut mir leid“, meinte er, ließ aber seine Hände wo sie waren.

„Muss es nicht“, hauchte ich und beugte mich vor, um ihn noch mal zu küssen.

„Nein, das geht nicht“, hielt Aiden mich auf. Was? … Okay, vielleicht war ihm jetzt aufgefallen, dass ich doch nicht sein Typ war … was mache ich hier überhaupt? Darüber nachdenken, ob ich sein Typ war oder nicht? Das ist doch lächerlich.

„Okay.“ Ich ging von ihm weg und nahm mir das Handtuch und die Schüssel Wasser. „Ich zeihe mir gerade was anderes an.“ Nach dieser weiteren Abfuhr, wollte ich nicht mehr so entblößt vor ihm stehen … ich meine, er war auch nur ein Mann und bei so viel nackter Haut, konnten da schon mal die Sicherungen durchdrehen … Oh mein Gott, vielleicht hatte er eine Freundin!

Schnell flitze ich nach oben und suchte mir eine Pyjamahose und ein Top raus. Bloß nicht zu viel Haut zeigen. Als ich dann fertig war, ging ich wieder runter zu Aiden, der sich gerade ein Pflaster auf die Halswunde klebte. Auf die Wunden in seinem Gesicht hatte er nur etwas Salbe drauf geschmiert.

Mein Blick blieb wieder auf seinem Bauch hängen, an dieser Brandwunde. Ohne genau zu wissen, was ich tat, stand ich schon vor ihm und strich mit den Fingerspitzen über die Brandnarbe. Aiden verkrampfte sich sofort.

„Was ist passiert?“, hauchte ich. „Das muss wehgetan haben.“

„Es ging“, gestand er.

„Haben sie dich gefoltert oder woher hast du sie?“ Ich sah hoch, um in seinem Gesicht irgendeine Reaktion zu lesen, aber da kam keine.

„Nein, ich bin in ein brennendes Haus gelaufen, um jemanden zu retten.“

„Jemanden den du geliebt hast oder irgend jemanden?“

„Jemanden den ich geliebt habe.“ Ich nickte und strich dann über eine weitere Narbe auf seiner Brust.

„Und die?“

„Was soll das, Dylen?“

„Ich weiß nicht. Es muss schlimm gewesen sein für so viele Menschen kämpfen zu müssen und nie etwas dafür zu bekommen.“ Meine Finger strichen zu der nächsten Narbe.

„Nicht.“ Er packte mein Handgelenk und hielt mich davon ab, ihn noch mal anzufassen. Er nahm mir sein Hemd aus der Hand und drehte sich um und was mir da zu Gesicht kam, gefiel mir gar nicht. Ich schnappte nach Luft und hielt mir die Hand vor den Mund. Da waren noch mehr Narben, hässliche Narben, die schon Wulste gebildet hatten, aber das war nicht das, was mich so erschreckt hatte. Auf Aidens Rücken war ein schwarzes Siegel. Es war ein Dreieck, was in der Mitte ein komisches Zeichen hatte, es sah fast so aus, wie ein Kreuz, wo ein Auge mit Hörnern drauf war.

„Es sind nur Narben, Dylen.“

„Nein, ich glaube nicht, dass das eine Narbe ist.“ Aiden drehte sich sofort um und sah mich an. „Das sah wie ein Siegel aus.“

„Logen“, brummte Aiden. 

Kapitel 10

Kapitel 10

 

„Logan?“, fragte Dylen, aber dann viel ihr ein, wer Logan war. „Der Dämon?“ Ich nickte nur und zog mir schnell mein Hemd wieder an. Ich konnte nicht noch mehr verwirrter Stimmungen gebrauchen.

Gott, ich hatte sie eben nur noch packen wollen und küssen wollen. Als sie nur in meinem Hemd vor mir stand und so fürsorglich meine Wunden versorgt hatte. Ihre langen Beine waren perfekt und ihre Haut war so weich. Sie war wirklich wunderschön geworden.

„Woher kennst du ihn eigentlich?“ Ja, genau, woher kenne ich diesen Dämon. Ich konnte ihr ja schlecht sagen, dass ich schon mal mit ihm gekämpft hatte, um sie zu beschützen. Ich sollte auch gar nicht hier sein, ich hätte sie gar nicht treffen sollen. Mich einfach davon machen und Derek den Part des Beschützers überlassen sollen. Aber nein, ich war hier und musste mir irgendeine Antwort zurecht legen, damit sie nicht darauf kam, dass ich mal etwas mit ihrer Schwester hatte, die aber schon verlobt war. Sie würde mich hassen, wenn sie es erfahren würde. Und sie würde mich dafür hassen, dass ich sie immer beschützt hatte. Sie war so eigen geworden, in den Jahren, die ich nicht hier gewesen war. Eigen und stark und wunderschön.

Ich drehte mich zu Dylen um und sah sie an. Sie lief vor mir auf uns ab, dabei biss sie auch noch auf ihrer Lippe herum. Ich war zwar froh, dass sie sich etwas längeres angezogen hatte, sonst würden wir uns nur noch küssen … doch das Bild von ihr ging nicht aus meinem Kopf. Sie wusste wahrscheinlich gar nicht, dass sie sich eben so dermaßen sexy bewegt hatte, dass ich nur noch ihre Hüften im Kopf hatte, die sich sanft hin und her bewegten und diese unglaublich langen Beine.

Reiß dich zusammen! Sie ist tabu, verstanden! Sie ist nicht zu haben.

„Ich habe früher mal gegen ihn gekämpft. Er ist kein leichter Gegner und unterschätzen sollte man ihn auch nicht. Er wusste, dass Derek und ich hier waren und hat uns für einen kurzen Moment aufgehalten. Es ist wichtig, dass du nicht mehr alleine irgendwohin gehst.“

„Ich kann schon auf mich aufpassen, Aiden.“

„Das habe ich eben gesehen.“ Sie drehte sich blitzschnell zu mir um und funkelte mich böse an.

„Was? Ich bin gut zurecht gekommen!“

„Er hat dich mit seinem Messer getroffen, das voll von seinem Blut war, welches dich getötet hätte“, sagte ich jetzt sauer und ging einen Schritt auf sie zu. Sie machte ein abwertendes Geräusch.

„Ich bin zäh, ich weiß, was ich tu.“

„Wäre ich nicht gekommen, dann wärst du jetzt in einer Zelle und sie würden mit dir machen worauf sie gerade Lust hätten.“

„Ach, willst du jetzt den großen Beschützer raus hängen?“

„Darum geht es doch gar nicht, es geht darum, dass du in Gefahr bist.“

„Ich bin nicht in Gefahr, du musst nicht den Retter spielen.“ Das reichte mir jetzt. Ich packte sie am Arm und drückte sie gegen die nächste Wand, die mir in den Weg kam. Sofort wurde sie still, das Einzige was zu hören war, war unser Atem, der ein bisschen schneller ging. Dylen schluckte und sah mir stur ins Gesicht. „Küsst du mich jetzt wieder und haust danach ab?“ Ich sah ihr in die strahlend blauen Augen und sah mich schon, wie ich ihre weichen Lippen ein weiteres Mal kostete.

„Ich hätte das nie tun dürfen.“

„Und warum hast du es getan?“ Warum ich es doch getan hatte? Fragte sie mich das gerade wirklich? Wenn ich es wüsste, dann wäre ich auch schlauer. Aber das Problem war nur, dass ich sie wieder küssen wollte.

Sie ist tabu!

Ich musste sie wieder küssen. Es war wie ein Bedürfnis, dass ich stillen musste.

Sie ist TABU!

Ich überhörte die Zweifel einfach, überbrückte die letzten Zentimeter und küsste sie wieder. Aber anstatt mich weg zudrücken, erwiderte Dylen den Kuss … wieder.Jeden meiner Küsse hatte sie erwidert. Sie legte ihre Hand an meinen Hals und ich zog sie etwas näher an mich. Meine Hand machte sich irgendwie selbstständig und fuhr unter ihr Shirt, nur um ihre weiche Haut an ihrer Hüfte zu streicheln. Ich wollte sie schon auf meinen Arm nehmen und sie in ihr Schlafzimmer tragen, als sich ein Schlüssel im Türschloss drehte. Dylen und ich trennten uns und sahen Richtung Türe. Zum Glück konnte man nicht sofort ins Wohnzimmer sehen, wenn man durch die Türe kam, denn ich wusste genau, wer das war. Aber woher hatte Derek den Schlüssen für ihre Haus?

„Dy, ich bins. Dylen?“, rief er durchs Haus.

„Was macht er hier?“, fragte sich Dylen und richtete schnell ihr Top, dann fuhr sie sich durchs Haar und ging zwei Schritte auf die Wohnzimmertüre zu, aber da stand Derek schon im Türrahmen. Sein Blick lag erst auf Dylen und musterte sie, ob sie verletzt war. Dann sah er erst mich an und nickte. Mit meiner Anwesenheit wusste er, dass ihr nichts passiert war. „Woher hast du einen Schlüssel?“, fragte Dylen sofort. Nein, sie fragte nicht, ob es ihm gut ging. Sie fragte erst nach dem Schlüssel, wie passend. Dafür musterte ich Derek schnell. Er war richtig übel zugerichtet worden. Sein Auge war leicht angeschwollen und überall an seiner Kleidung war Blut, mal davon abgesehen, dass sein Hemd auch nicht mehr wirklich als Hemd durchging, so viele Risse hatte es.

„Ich hab ihn mir heute morgen mitgenommen, damit ich nicht klingeln muss“, antwortete Derek ihr und ging auf sie zu. „Ist euch etwas passiert?“ Derek legte Dylen eine Hand auf die Wange und sah ihr in die Augen. Stimmt … letzte Nacht war er ja hier gewesen. Für einen kurzen Moment hatte ich das zwischen ihnen wirklich vergessen.

„Aiden war noch rechtzeitig da“, meinte Dylen nur und legte ihre Hand auf Dereks Brust. „Du siehst schrecklich aus, wir sollten deine Wunden behandeln.“

„Oh ja, spiel Krankenschwester für mich“, grinste Derek, schlang seine Arme um sie und presste dann seine Lippen auf ihre. Mein Körper versteifte sich sofort und ich drehte mich um.

„Ich gehe dann jetzt“, meinte ich und ging an den beiden vorbei.

„Aiden“, hielt mein Bruder mich auf.

„Ja?“

„Ich komme kurz mit raus.“ Ich nickte bloß und ging schon auf die Türe zu. Derek folgte mir sofort und schloss hinter sich die Türe. Nachdem wir die Veranda herunter gegangen waren drehte ich mich um und bekam sofort Dereks Faust ins Gesicht. Ich taumelte nach hinten und spuckte etwas Blut aus. Auch aus meiner Nase rann etwas Blut.

Ich fragte nicht, wofür das war, denn ich wusste es genau. Er holte noch mal aus und verpasste mir noch eine. Dann packte er mich am Kragen meines Hemdes und donnerte mich gegen einen Pfosten der Veranda.

„Sie gehört mir, okay?“, knurrte er mich an. „Ich hab dir eben gesagt, dass ich etwas für sie empfinde. Und trotzdem bist du Stunden später bei ihr und küsst sie. Ich habe dich überall auf ihr gerochen.“ Ich gab ihm keine Antwort, sah ihn nur an.

Ja, ich war älter als Derek, aber hier ging es um eine Frau und da hatten wir unsere Regeln. Wenn einer von uns sich verliebte, dann hieß das für die anderen: Finger weg. Bei einer normalen Frau wäre das noch okay gewesen, aber nicht bei Dylen. Sie war etwas besonderes. Sie war eine Göttin, sie hatte die Macht meiner Mutter und somit war sie auch für einen von uns bestimmt. Derek war Herakles, der Gott der Athletik Und ich war Ares, der Gott des Krieges. Meine Mutter hatte herausgefunden, dass Dylen das Gegenstück zu Derek war. Hebe, Göttin der ewigen Jugend. Und deswegen hatte ich die Finger von ihr zu lassen, was ich nicht getan hatte. Also hatte Derek das Recht mich zu verprügeln und seinen Hass an mir auszulassen.

„Derek!“ Ich hörte Dylens leichtfüßigen Gang und schloss die Augen. „Was ist hier los?“

„Das geht nur uns was an“, meinte Derek.

„Oh nein. Ihr seid hier auf meinem Grundstück, das geht mich etwas an.“

„Nein, du würdest das nicht verstehen.“

„Derek, lass ihn los“, schrie sie ihn an. Derek starrte mich an und ließ mich dann endlich los. Er ging ein paar Schritte zurück und ballte die Hände neben seinem Körper. Ich wollte das Blut, was aus meiner Nase lief, mit meinem Hemd wegwischen, aber da war Dylen schon bei mir und drückte meinen Arm weg. „Lass mal sehen. Alles okay?“, fragte sie besorgt und sah nach meiner Nase.

„Dylen“, knurrte Derek und bevor er handeln konnte, nahm ich Dylens Hände weg.

„Mir geht es gut. Du solltest wieder rein gehen“, redete ich sanft auf sie ein, aber sie sah nur zwischen Derek und mir hin und her.

„Was ist hier los? Ihr seid Brüder, warum tut ihr so etwas?“

„Du gehörst mir und das heißt, dass er dich nicht mehr anfassen darf“, versuchte Derek in normaler Stimmlage zu sagen, allerdings kam ein kleines Knurren mit heraus.

„Ich bin doch nicht dein Eigentum und woher weißt du das überhaupt?“, regte Dylen sich auf und sah Derek böse an. Das war nicht so gut, sie als sein Eigen zu nennen. Dylen war nunmal eine sehr stolze Frau und ich glaube nicht, dass sie als Eigentum eines Mannes bezeichnet werden wollte.

„Ich habe ihn auf dir gerochen.“

„Gerochen? … Okay, okay, hör zu. Aiden hat mich gerettet und dadurch, dass ich meine Kleider zerreiße, wenn ich mich verwandle, war ich nackt. Aiden hat mir lediglich sein Hemd geborgt, damit ich nicht nackt auf der Straße stehe.“

„Und ihr habt euch … geküsst.“

„Und das hast du geschmeckt oder was?“

„Ja, habe ich.“

„Wie lächerlich!“ Sie warf ihre Arme in die Luft und drehte sich zu mir. „Ist das euer Ernst? Wenn ja, kann mir mal bitte jemand erklären, was hier los ist?“

„Nicht hier“, meinte Derek nur und ging an uns vorbei zurück ins Haus. Dylen wollte einen Schritt auf mich zu machen, aber Derek nahm sie am Arm und schleifte sie mit rein.

„Derek, lass das!“, wehrte sie sich und riss ihren Arm los. Dieser drehte sich um und sah mich an.

„Ich überlasse dir, das Erklären“, meinte ich nur, drehte mich um und wollte gehen.

„Oh nein, du bleibst auch hier“, meinte Dylen.

„Lass ihn gehen“, meinte Derek nur und ging ins Haus. Ich erwiderte nichts mehr darauf und ging weiter.

„Aiden, lass mich nicht alleine mit ihm“, flüsterte Dylen leise, was mich augenblicklich erstarren ließ. Sie wollte nicht mit ihm alleine sein? „Bitte.“ 

Kapitel 11

Kapitel 11

 

Gott, wo war ich mit meinen Gedanken als alles aus den Fugen geriet? Ich verstand nichts mehr. Warum schlugen die zwei sich? … Naja, so wie es aussah, hatte nur Derek draufgeschlagen und Aiden hatte es einfach zugelassen. Also hatten auch Unsterbliche einen Dachschaden.

Zum Glück hatte Aiden sich nach meiner Bitte wieder umgedreht und war ins Haus gekommen. Ohne ihn wäre ich wahrscheinlich wieder mit Derek im Bett gelandet. Und das wollte ich nicht …

„So und jetzt die ganze Wahrheit“, fing ich an und gab Aiden das nasse Handtuch von eben, damit es sich das Blut aus dem Gesicht waschen konnte. Ich machte mir allerdings Sorgen um seine Nase. Man sah nicht wirklich, ob sie gebrochen war oder doch nicht, weil sie ja eh schon ein bisschen krumm war … von den anderen Schlägereien.

„Du gehörst zu mir“, meinte Derek nur.

„Ich bin nicht dein Eigentum, Derek!“ Wenn ich das jetzt noch mal sagen musste, dann werde ich verrückt. Es war doch nicht so schwer zu verstehen, dass ich nicht irgendeine Sache bin, die man besitzen konnte.

„Es ist ein bisschen komplizierter“, fing Aiden an. Derek ging einen Schritt auf seinen Bruder zu, aber ich lief schnell zwischen die beiden und legte Derek eine Hand auf die Brust.

„Er will es mir nur erklären, Derek. Du kannst das ja nicht“, schlichtete ich. Aiden hob die Hände und überließ so Derek die Führung. Dieser seufzte nur und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. Er war nicht so feinfühlig, hatte ich das Gefühl und so wie er reagierte, wusste er auch nicht, wie er es mir erklären sollte.

„Also … unsere Mutter und du … ihr seid gleich … also nicht gleich gleich, ich meine … das du außergewöhnlich bist und …“, fing Derek an, aber ich verstand kein Wort.

„Was?“ Derek schluckte hart. Ihm fiel das wirklich schwer. „Kann Aiden es mir erklären?“, fragte ich ruhig und legte ihm beide Hände auf die Brust, damit er wusste, dass ich bei ihm war. Aiden war auch zurück gewichen und lehnte an der Wand.

Okay Dylen, du musst jetzt den ganzen Ärger runter schlucken. Auch wenn es dir nicht passt so zu Derek zu sein, aber anders bekommst du keine Antworten.

„Ja, okay“, brummte Derek. Ich lächelte ihn an und zog ihn mit aufs Sofa, damit ich seine Wunden behandeln konnte.

„Eigentlich ist es genauso, wie er gesagt hat. Du weißt doch bestimmt wer unsere Mutter ist“, fing Aiden an. Ich nickte und sah ihn an.

„Eure Mutter ist die Göttin unter allen Göttinen. Es heißt, dass sie ihre Kraft nach einem Angriff aufgeteilt hat.“

„Ja, und ein Teil davon ist in dir.“

„Bitte was?!“, rief ich aus. „Also deswegen wollten die Typen mich heute mit nehmen?“

„Ja, und damit bist du eine Göttin. Hebe, die Göttin der ewigen Jugend, das Gegenstück zu Herakles, dem Gott der Athletik.“ Bitte was?

„Das heißt, ich bin für ihn bestimmt?“

„Ja, das heißt es“, meinte Aiden und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Deswegen flippt er so aus?“ Er nickte.

„So ist das nun mal.“ Na super, also war ich doch an ihn gebunden? … Aber das ging doch gar nicht. Ich konnte mich nicht erinnern, dass schon mal vor mir jemand die Kraft von Dragana besessen hatte.

„Wie geht das?“, fragte ich total perplex.

„Es gibt keine bestimmte Reihenfolge, Dylen. Die Kraft unserer Mutter wandert immer weiter, wenn der Wirt stirbt.“

„Okay, okay … keine Reihenfolge, also sucht diese „Kraft“ sich einfach jemanden aus und damit war es das?“

„So in etwa.“

„Und was hat das jetzt mit euch zutun?“

„Als unsere Eltern angegriffen worden sind, gab es uns noch nicht. Zum Schutz für sich entschied sie sich ihre Kraft in Weibliche Wesen zu bündeln. Aber diese Göttinen, die dadurch entstanden sind, brauchten auch ein Gegenstück“, erklärte mir Aiden.

„Und somit seid ihr dann geboren worden?“

„Ja, mit der aufgeteilten Kraft unseres Vaters.“

„Das ist verwirrend, aber okay … und jetzt noch eine Frage. Das heißt, ich bin Dereks Gegenstück.“ Aiden nickte. „Aber ich bin nicht unsterblich. Ich altere und werde mit 90 sterben, dann müsste er seine Göttin doch wieder suchen.“

„So funktioniert das nicht“, mischte sich jetzt auch Derek ein. Oh … jetzt ging es um ihn und mich, da würde er Aiden nicht mehr die Führung überlassen.

„Und wie funktioniert es dann?“, fragte ich ihn und tupfte seine Wunden mit Jod ab.

„Wenn wir uns gefunden haben und entschieden haben, dass wir unser Leben zusammen verbringen wollen, dann gibt es ein Ritual, um uns zu verbinden. Nach diesem Ritual wirst du Unsterblich.“ Ein Ritual? Irgendwie wollte ich es wissen, aber irgendwie auch nicht. Das ganze war einfach nichts für mich … ich konnte einfach nicht mit Derek zusammen sein. Er hatte mir zu sehr weh getan, als dass ich ihm verzeihen könnte.

„Wie sieht dieses Ritual aus?“, fragte ich vorsichtig.

„Es ist nichts schlimmes. Man spricht einen Satz zusammen, etwas Blut wird ausgetauscht und das wars auch schon.“ Ich räusperte mich und fummelte an dem Wattepat herum, was ich in der Hand hielt.

„Mehr nicht? Kein … also … kein Sex?“ Ich wurde immer leiser, weil mir das wirklich peinlich war zu fragen. Das Ritual hörte sich so normal an und ich dachte, dass noch irgendetwas kam. Wie zum Beispiel das Einbrennen eines Symbols oder Sex, wie es in den meisten Büchern immer beschrieben wurde … aber die Realität sah wohl anders aus.

„Wir können gerne Sex danach haben“, hauchte Derek mir ins Ohr und küsste mich dahinter. Mein Blick glitt sofort zu Aiden. Es war anders seit diesen küssen zwischen uns. Ich spürte immer noch seine Lippen auf meinen und schmeckte ihn in meinem Mund. Herb und doch süß.

Diese Küsse waren einfach unglaublich gewesen und wenn Derek nicht rein geplatzt wäre, dann hätte ich ihn noch stundenlang weiter küssen können. Es war anders bei Aiden. Seine Hände auf meiner Haut waren warm und sanft. Auch als er mich verarztet hatte, war er so sanft gewesen. Ich bekam sofort eine Gänsehaut, wenn ich an ihn, unsere Küsse und seine sanften Finger auf meiner Haut dachte. Bei Derek hatte ich das Gefühl nicht mehr. Er hatte mir einfach zu weh getan, als dass ich ihm verzeihen könnte. Er hatte mit meinen Gefühlen gespielt und mich ohne ein Wort verlassen. Wie konnte er erwarten, dass ich mich einfach wieder in ihn verliebte , nur weil ich jetzt zu ihm gehörte? Ich konnte doch nicht einfach alles vergessen.

"Aber woher wisst ihr das ich das bin?", fragte ich, um meinen Gedanken zu entfliehen. Ich wollte nicht über Derek nachdenken. Nicht darüber nachdenken, dass ich vielleicht mein ganzes Leben mit ihm zusammen sein musste.

"Du bist einfach besonders", meinte Derek. Ich verdrehte die Augen und sah zu Aiden.

"Bitte", bat ich ihn, weil ich eine richtige Antwort haben wollte.

"Derek hat Recht", meinte er. "Du bist anders wie andere und du siehst auch anders aus." Ich wollte erst widersprechen, dass ich gar nicht anders war, aber da begriff ich, was er meinte. Meine Wolfsgestalt. Ich war größer als alle aus unserem Rudel und ich war schneeweiß. Keiner meines Rudels war schneeweiß. Jetzt verstand ich auch, warum meine Eltern sich einmal gestritten hatten, als ich mich das erste mal verwandelt hatte. Ich hatte mitbekommen, wie sie sich abends im Wohnzimmer angeschrien hatten. Dad hatte Mom etwas vorgeworfen. Früher mit fünf Jahren hatte ich es nicht verstanden, aber jetzt schon. Sie hatten sich wegen mir gestritten, wahrscheinlich hatte mein Vater meiner Mutter vorgeworfen, fremd gegangen zu sein. Ich war nur froh, dass sie sich wieder vertragen hatten.

„Also bin ich deswegen ein schneeweißer Wolf?“ Aiden nickte.

„Und du bist viel stärker, als normale Werwölfe“, meinte Derek.

„Das wage ich zu bezweifeln“, murmelte ich ganz leise und hoffte, dass die beiden es nicht gehört hatten. Wenn ich wirklich so stark war, warum hatte ich mich dann von diesen Typen eben beinahe erwischen lassen?

„Du musstest alleine gegen drei Männer kämpfen, die schon viel länger kämpfen als du“, meinte Aiden. Mist, er hatte mich gehört. „Und dafür hast du dich gut geschlagen. Ich meine, du hast nur einen Kratzer abbekommen.“

„Ein Kratzer?“, rief Derek aus und musterte mich sofort. Ich schluckte und sah Aiden in die Augen. Wenn wir ihm jetzt sagten, dass Aiden das Dämonenblut aus der Wunde UNTER meiner Brust saugen musste, dann würde Derek Aiden umbringen … und das wollte ich nicht. Ich wollte nicht, dass Derek Aiden schlug. Als ich eben den beiden gefolgt war und gesehen hatte, wie Derek auf Aiden einschlug hatte ich wirklich Angst bekommen.

„Nichts schlimmes“, winkte ich nur ab und machte eine weg werfende Handbewegung.

„Wo ist er?“ Ich sah zu Aiden, aber das war ein Fehler gewesen. Derek hatte es bemerkt und sprang vom Sofa auf. „Was ist passiert“, knurrte er und ging auf Aiden zu. Ich sprang auch schnell auf und hielt Derek am Arm fest.

„Hör auf mit dem Mist, das bringt doch nichts.“

„Das bringt sehr viel.“

„Nein, Aiden hat mich nur gerettet, mehr brauchst du nicht wissen.“ Darauf ging Derek aber nicht ein, er löste meine Hand von seinem Arm und ging weiter auf Aiden zu.

„Antworte mir, Aiden.“

„Logen hat sie mit seinem Messer getroffen, dass er mit seinem Blut benetzt hat“, antwortete Aiden ihm. „Ich musste es raus saugen, damit sie nicht stirbt.“ Derek spannte sich an und ballte die Hände zu Fäusten.

„Wo ist diese Wunde?“ Ich musste handeln. Schnell lief ich zwischen die beiden.

„Das ist doch sowas von egal. Hauptsache mir geht es gut, oder?“ Ich sah Derek in die Augen. „Bitte, Derek.“

„Nein Dylen, das ist mein Recht. Ich hatte ihm gesagt, dass ich mehr für dich empfinde und er wusste, dass du zu mir gehörst und doch hat er dich geküsst.“

„Bitte was?“ Ich sah zu Aiden, der immer noch an der Wand lehnte und seine Arme vor der Brust verschränkt hatte. Diese zwei machten mich wirklich verrückt. Wie konnte Aiden mich nur küssen, obwohl er wusste, dass sein Bruder Gefühle für mich hatte? Aber um ehrlich zu sein, wusste ich eh nicht, was hier los war. Wie konnte Derek überhaupt behaupten irgendetwas für mich zu empfinden? Er hatte mich verlassen und jetzt auf einmal hatte er Gefühle für mich? Das konnte ich irgendwie nicht glauben.

Er ist ein Mann. Männer brauchen immer ein halbes Jahr, um sich ihrer Gefühle klar zu werden.

Klar doch. Aber ich hatte keine Gefühle mehr für ihn.

„Lass es einfach. Für mich“, bat ich Derek. Er ballte seine Fäuste noch mehr, sodass seine Knochen knacksten. Dann nickte er und setzte sich wieder aufs Sofa.

„Wir sollten sie nach oben zu Mutter bringen, damit Logan nicht mehr an sie heran kommt“, meinte Derek dann. „Wenn er sie schon einmal ohne Schutz gefunden hat, dann wird er es auch ein zweites Mal können und wir können ihr nicht auf Schritt und Tritt folgen.“

„Hallo! Ich werde mich auch nicht einsperren lassen“, redete ich ihm dazwischen, aber Derek ignorierte mich total.

„Oben bei Mutter ist sie sicherer und Mutter könnte sie auch ein bisschen trainieren.“

„Ich werde hier nicht weggehen, Derek.“ Er sah mich zwar nicht an, aber dafür antwortete er mir endlich.

„Du wirst das machen, was ich dir sage. Du gehörst jetzt zu mir.“

„DAS war ein Fehler“, meinte Aiden und dem konnte ich nur zustimmen. Was fiel ihm eigentlich ein soetwas zu sagen?

„Ich bin nicht dein Eigentum“, schnauzte ich Derek an. Ich drehte mich zu ihm und ballte meine Hände zu Fäusten. „Ich hab immer noch meinen eigenen Willen. Ich bin doch nicht deine Putzfrau, die dich jetzt bedienen wird und alles tut was du sagst“, knurrte ich ihn an und auf meinen Armen wuchs schneeweißes Fell. Dieser Typ regte mich auf. Er hatte echt die Frechheit sich hier hin zu stellen und zu behaupten, dass ich sein Eigentum war. „Was fällt dir ein? Du hast mich benutzt und mich fallen gelassen. Meinst du, nur weil ich letzte Nacht mit dir geschlafen habe, habe ich ...“, wütete ich, aber dann legte sich eine Hand auf meinen Arm und ich stoppte. Aiden hatte mir eine Hand auf den Arm gelegt und trat jetzt neben mich.

„Sei nicht so hart zu ihm“, bat er mich. „Ich halte es auch für eine gute Idee, wenn wir fürs erste zu unserer Mutter gehen. Damit du jetzt erst einmal in Sicherheit bist. Dann sehen wir weiter. Würdest du damit einverstanden sein?“ Was … was war denn jetzt los? Mein Körper reagierte sofort auf Aiden. Das Fell auf meinem Arm verschwand sofort und ich wurde etwas ruhiger. Er fragte mich, ob ich mit ihnen gehen wollte und befahl es nicht. Er war so anders wie Derek. Aber dabei verstand ich es noch nicht mal. Derek war sonst immer liebenswürdig und Aiden sah eher danach aus, dass er schnell zuschlug .. aber gerade war es anders herum. Woran lag das nur?

„Okay, aber ich sage euch jetzt schon, ich werde nicht da bleiben und mich verstecken. Wenn dieser Logan so gefährlich ist, wie ihr es sagt, dann müssen wir etwas gegen ihn tun“, meinte ich. 

Kapitel 12

Kapitel 12

 

Oh Gott, war mir schwindlig. Mein Kopf drehte sich und ich musste mich irgendwo fest halten. Zum Glück stand Derek neben mir. Ich packte seinen Arm und hielt mich fest.

„Du hättest mich ja auch vorwarnen können“, warf ich Derek vor.

„Für uns ist es nicht so unangenehm“, verteidigte Derek nur und legte mir seinen Arm um die Taille. Das machte er schon zum dritten Mal.

Als ich zugestimmt hatte, her zu kommen, war er mir die ganze Zeit hinterher gelaufen und hatte mich bei jeder Gelegenheit angefasst. Es war mir richtig unangenehm, aber das konnte ich ihm irgendwie nicht sagen. Ich redete mir ein, dass ich vielleicht doch noch irgendetwas für ihn empfinden könnte … wenn ich nichts mehr für ihn empfinden würde, dann hätte ich nicht mit ihm geschlafen. Also musste da doch noch irgendetwas sein.

„Jetzt weißt du, dass es für nichtunsterbliche nicht so ist“, meinte ich und löste mich von ihm. Mein Blickfeld drehte sich nicht mehr, also konnte ich auch wieder alleine stehen und brauchte mich nicht mehr an ihn klammern.

Jetzt konnte ich mir meine Umgebung ansehen, was mich schon nach dem ersten Blick nach Luft schnappen ließ. Ich meine, ich wusste, wo es hin ging, aber so hatte ich mir das Vorreich des Himmels nicht ausgemalt. Ich dachte, das es einfach etwas berauschendes war, etwas was man sich nicht vorstellen konnte, mit bunten Farben und ungewöhnlichen Formen … aber ich stand einfach nur in einem großen Thronsaal. Alles hier sah so alt aus und trotzdem schien es … normal.

„Deinem Blick zu urteilen bist du überrascht“, ertönte hinter uns eine sanfte Frauen Stimme. Sofort reagierte ich auf die Stimme. Ich wurde ruhiger und entspannter. „Ich wollte nichts außergewöhnliches, ein Schloss reichte mir“, lachte die Stimme und trat an uns vorbei.

„Mutter, ein Schloss ist etwas außergewöhnliches“, meinte Derek. Ich konnte nicht antworten. Ich musste sie einfach ansehen und Bauklötze staunen. Die Frau zu der diese wunderschöne Stimme gehörte, war selber wunderschön. Jetzt wusste ich auch, woher Derek sein Aussehen hatte. Aber das war nebensächlich. Die Göttin aller Göttinen ging auf ihren Thron zu und setzte sich galant hin. Ihr langes weißes Kleid war bis eben noch über den Boden geschliffen und lag jetzt zu ihren Füßen. Ihre langen roten Haare waren geflochten und fielen ihr über die Schulter und dann sah ich ihr in die Augen. Ich hatte Gerüchte gehört, dass sie weiße Augen haben sollte, aber diese Gerüchte waren falsch. Ihre Augen waren ganz anders. Sie sahen aus, wie ein Regenbogen, weil sie alle möglichen Farben hatten. Sie war eine richtige Schönheit. Es gab kein Makel an ihr, kein Gramm Fett, keine Haut Unreinheiten. Nichts.

Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Verbeugte man sich vor ihr? Leicht beugte ich meinen Oberkörper nach unten.

„Kind, lass das“, lachte sie plötzlich und ich stellte mich schnell wieder auf.

„Es tut mir leid, Mam … ähm … Göttin … ähm ...“ Oh man, wie peinlich. Ich wusste noch nicht mal, wie man sie ansprach. Die Göttin aller Göttinen lachte wieder.

„Dragana, Süße“, meinte sie nur und ich nickte. Am besten ich sagte nur noch das Nötigste.

„Sie ist ein bisschen aufgeregt“, meinte Derek und legte mir seine Hand auf den Rücken. Ich lächelte verkrampft und biss mir dann auf die Lippe. „Das ist Dylen O´Conner.“

„Das habe ich mir schon gedacht. Dein Bruder sagte mir schon, dass ihr in den nächsten Stunden da sein würdet.“

Aiden hatte sich eben schon von uns verabschiedet und war hier her gekommen. Er hatte gemeint, dass er uns nicht stören wollte und das er noch etwas erledigen musste. Ich hatte das nicht so gut gefunden, da ich Angst hatte, dass Derek mich wieder überwältigte und ich irgendeine Dummheit begehen würde … zum Glück war das nicht passiert.

Derek ließ einen Laut ertönen und drückte mich weiter auf seine Mutter zu.

„Wir müssen ...“, fing er an, aber Dragana hob die Hand und stoppte ihn so.

„Aiden sagte schon, dass Logan aufgetaucht ist.“

„Was hat er denn noch alles erzählt?“, murmelte Derek und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich biss mir auf die Lippe. Hoffentlich hatte er nicht erzählt, dass wir uns geküsst hatten.

„Also ich möchte mich schon mal im Voraus bedanken, dass ich ein bisschen hier bleiben darf“, meinte ich und lenkte Draganas Aufmerksamkeit auf mich. Sie sah mich auch sofort an und musterte mich. „Die Jungs haben mich sehr gedrängt unter zu tauchen.“

„Mit Logan ist nicht zu spaßen, Dylen. Aiden hatte es schon mal mit ihm zutun.“

„Und das hat nicht gut geendet“, meldete sich eine weitere Stimme. Ich drehte mich um und eine weitere Frau betrat den Saal. Ich erkannte sie sofort, sie konnte man nicht verwechseln. Durch ihr langes weißes Haar und diese unglaublichen weißen Augen, war sie unverkennbar. Loona, die Mondgöttin. Ich hatte Geschichten von ihr gehört, dass sie nur ein weißes Wesen war, dass in den Träumen von Kindern erschien … aber so sah sie nicht aus. Sie war ein Mensch, nur dass sie so ungewöhnliche Haare und Augen hatte, aber genau das machte sie wunderschön.

„Er war ein bisschen verletzt, ja, aber er ist doch wieder aufgestanden“, meinte Derek und zuckte gleichgültig die Schultern.

„Und du siehst scheiße aus, Derek. Die Typen haben dir echt zugesetzt, kann das sein? Aiden sah auch nicht besser aus.“ Sofort hielt ich inne. Aidens Rücken … hatten sie ihn schon untersucht?

„Ihr solltet euch erst einmal frisch machen und eure Wunden behandeln lassen, danach reden wir weiter“, meinte Dragana. „Wir werden Dylen mitnehmen.“ Was?! Ich alleine mit …

„Ist das okay für dich?“, holte Draganas Stimme mich aus meinen Gedanken.

„Wir beißen auch nicht“, lächelte Loona.

„Bei den beiden bist du gut aufgehoben“, meinte auch Derek, beugte sich vor und küsste meine Wange. Ich war total perplex. Meine Hand fuhr an meine Wange. Er konnte also auch sanft sein. Aber bevor ich noch etwas sagen konnte, drehte er sich um und ging.

„Er ist schon süß, oder?“, lächelte Dragana mich an, als Derek schon längst weg war. Ich sah sie an. Ich wollte nichts schlechtes sagen, aber … mein Bild von Derek war nun mal geprägt und ich konnte ihm von jetzt auf gleich nicht verzeihen.

Dragana und Loona kamen auf mich zu und Dragana schnappte sich einfach meinen Arm.

„Wir gönnen uns jetzt ein Bad und deine Wunden werden versorgt“, meinte sie.

„Mir geht es aber gut“, sagte ich und wurde dann auch schon von Dragana begutachtet.

„Wo du es sagst, du siehst gar nicht so mitgenommen aus. Aiden erzählte, dass du angegriffen worden bist.“

„Das bin ich auch, aber bevor diese Typen mir ernsthaft schaden konnten, war Aiden da und hat mich gerettet.“

„Egal, wir nehmen trotzdem ein Bad.“ Sie zog mich mit aus dem großen Saal in einen langen Gang. Dieser war aus dem gleichen Stein, wie auch der Thronsaal. Das ganze Schloss musste aus diesem Stein sein. Die Wände waren nämlich nicht gestrichen oder tapeziert, nein, sie waren einzig aus dem Stein, aus dem das Schloss erbaut wurde. Und genau das machte es so schön und ließ es alt wirken. An den Wänden hingen in regelmäßigen Abständen Kunstwerke … also was genau das alles darstellen sollte, wusste ich nicht, aber genau dann waren es doch Kunstwerke … oder?

„Schenk den Gemälden keine Beachtung“, meinte Loona neben mir.

„Warum? Sie sind doch hübsch, allerdings kenne ich mich mit Kunst nicht so aus. Von wem sind sie?“, fragte ich ernsthaft, aber ich bekam nur ein Lachen von Dragana als Antwort. „Was ist denn so lustig?“ Jetzt verstand ich gar nichts mehr.

„Das sind Bilder, die meine Brüder und ich gemalt haben, als wir noch kleine Hosenscheißer waren. Mom fand sie so toll, sodass sie sie einrahmen ließ und aufhängte.“

„Meine kleinen Künstler“, meinte Dragana lächelnd und voller Stolz. Was?! Das waren Gemälde von Aiden und Derek? … Deswegen sah es auch nach nichts aus. Und doch musste ich lächeln. Es war so normal, sich die Bilder seiner Kinder an die Wand zu hängen, auch wenn es unsterbliche Kinder waren … oder Götterkinder, wie auch immer.

Wir gingen den langen Gang noch etwas weiter, bis Lonna nach links abbog und eine Treppe nach unten nahm. Dragana folgte ihr, aber ich blieb erst einmal stehen. Auch rechts führte eine Treppe nach unten und ich fragte mich, ob diese beiden Teile des Kellers zusammen gehörten.

„Dylen kommst du?“, rief Loona. Ich nickte bloß und folgte ihnen.

„Das Schloss ist schon groß“, meinte ich, als ich bei ihnen ankam.

„Ein bisschen Luxus muss doch auch vorhanden sein, oder?“, grinste Dragana. Ich lächelte auch und stimmte ihr zu. Sonst hätte sie ja auch auf der Erde leben können. Aber vielleicht war es unten auf der Erde viel gefährlicher für sie.

„Aber stör dich nicht daran“, meinte sie und ging auf eine Türe zu. Loona machte diese auf und wir gingen in ein riesiges Badezimmer … wohl eher ein Erholungscenter. Der Raum war riesig und gefliest. Zu unserer Rechten waren drei Massageliegen, weiter vor uns war ein großer Whirlpool, links war ein Pool in den Boden eingelassen und weiter hinten befanden sich noch zwei Türen.

„Die Türen führen zu zwei Duschen“, meinte Loona, als sie sah, wie ich zu diesen gesehen hatte.

„Ein bisschen Luxus, was?“, scherzte ich. Dragana lachte nur und zuckte mit den Armen.

„Es ist auf jeden Fall praktisch“, meinte sie. Loona holte uns Handtücher und dann zogen wir uns auch schon aus, um uns in den Whirlpool zu setzten. Erst zogen sich die beiden einfach aus und setzten sich in das warme Wasser. Ich brauchte eine Weile, um mich dann endlich auszuziehen. Ich meine, ich kannte die beiden gerade mal ein paar Minuten und dann sollte ich mich schon vor ihnen ausziehen?

Und was war das eben mit Aiden?

Das …

Jetzt sag nicht, das ist was anderes.

Ja, okay, das war nichts anderes.

Nachdem ich mich dann auch in den Whirlpool gesetzt hatte, war es erst still zwischen uns. Ich meine, ich wusste noch nicht mal was ich hier machen sollte. Das hier war noch alles ein bisschen unwirklich für mich. Ich saß hier mit zwei Göttinen in einem Whirlpool und sollte Smaltalk mit ihnen machen.

Hey, wenn du Derek heiratest, dann sind das deine Schwiegermutter und deine Schwägerin.

Halt die Klappe. Ich will noch nicht darüber nachdenken müssen.

„Das ist ja schrecklich hier“, holte Loona mich aus meinem innerlichen Zwiegespräch. „Wie hast du die Jungs denn kennengelernt?“

„Hat Derek noch nie von mir gesprochen?“, war ich total perplex.

„Nein, er redet nicht von Frauen … also nicht mit uns.“

„Und vor allem nicht mit mir“, meinte Dragana, lächelte aber dabei. „Wahrscheinlich ist ihr Vater da eher der Ansprechpartner, obwohl die fünf sich nicht oft hier blicken lassen.“ Ja, weil sie sich bestimmt lieber mit Frauen beschäftigten. „Aber sie kommen ab und zu her. Die längste Zeit war Aiden nicht hier gewesen.“

„Stimmt. Er war mal neun Jahre nicht hier gewesen“, stimmte Loona zu.

„Neun Jahre?“, fragte ich verblüfft.

„Vielleicht hatte er in dieser Zeit ja eine Freundin“, grinste Loona. Dragana schüttelte den Kopf.

„Das glaube ich weniger. Da war sie schon tot gewesen“, sagte Dragana. Mir stockte der Atem und sofort fiel mir ein, was er eben zu mir gesagt hatte, als ich seine Brandnarbe erkundet hatte.

Jemanden den ich geliebt hatte.

Geliebt hatte … vielleicht hatte er neun Jahre lang getrauert.

„Also, woher kennst du Derek?“, nahm Loona ihre Frage wieder auf. Ich seufzte, drehte mich um und verschränkte die Arme auf dem Whirlpool Rand.

„Ich hab Derek vor einem halben Jahr in einem Club kennengelernt. Ich hab gekelnert an dem Abend und mich haben viele Typen angegraben und mich belästigt“, erzählte ich los.

„Also hat er dich vor diesen Typen gerettet“, freute sich Dragana und klatschte begeistert in die Hände.

„Ja, so in etwa. Ich war gestolpert und er hat mich aufgefangen, danach fing unsere … wie nenn ich es denn jetzt? .. Romanze an.“

„Romanze?“, hackte Loona nach. Ich nickte seufzend und legte meinen Kopf auf meine verschränkten Arme.

„Wir waren eine Woche zusammen und dann ist er verschwunden und dann habe ich ihn erst gestern wieder getroffen.“

„Wie nett“, sagte Loona sarkastisch und da begriff ich erst, was ich gesagt hatte. Schnell drehte ich mich wieder um und sah Dragana an.

„So war das nicht gemeint, also … Derek ist ganz nett und er … also er ...“, wollte ich mich heraus reden, aber Dragana schüttelte nur den Kopf.

„Ich weiß schon. Derek war noch nie so tiefgründig … das war eigentlich noch keiner von den fünfen, außer Adam. Er konnte schon immer gut mit Frauen. Vielleicht braucht ihr beide noch etwas zeit, um euch noch besser kennenzulernen.“ Ich glaube nicht, dass das was brachte, aber ich wollte nicht jetzt schon blöd bei den beiden da stehen. „Ich wusste gar nicht, dass Derek sich überhaupt verliebt hatte, aber als er gestern bei mir gewesen war, war er irgendwie ganz anders.“ Ich lehnte mich zurück und fuhr mit den Fingern durch das Wasser. „Weißt du, ich kann zwar nicht in die Zukunft sehen, aber ich kann in den Sternen lesen. Derek hat mich gefragt, ob ich das für ihn tun könnte.“

„Was genau können Sie denn in den Sternen lesen?“, fragte ich jetzt neugierig.

„Es bleibt bei du, Dylen“, lächelte Dragana, allerdings fühlte ich mich noch nicht so wohl dabei.

„Mom, kann Verbindungen zwischen Menschen lesen“, informierte Loona mich. „Sie konnte sehen, welche Göttin du bist.“

„Hebe, die Göttin der ewigen Jugend. Haben die Jungs mir schon erzählt“, nickte ich.

„Und ich muss sagen, du wirst deinem Titel gerecht“, lächelte Loona und sank noch ein bisschen tiefer ins Wasser. „Auch wenn du noch nicht so alt bist. Schön bist du trotzdem.“ Ich wurde sofort rot und sank bis zur Nase ins Wasser.

„Ihr zwei seid aber auch wunderschön“, blubberte ich vor mich hin. Die beiden lächelten nur.

„Aber um zurück auf die Jungs zu kommen. Ist das die Wunde, die Aiden behandelt hat?“, fragte Loona und zeigte auf den Verband, den ich erst einmal dran gelassen hatte. Ich schluckte und sah zu meinen Brüsten herunter.

„Ja“, murmelte ich.

„Dann ist es ja kein Wunder, dass Aiden ein dickes blaues Auge hat“, lachte Loona und machte eine wegwerfende Handbewegung. Ich sah sie nur verständnislos an. „Seine Nase war auch ein bisschen rampunierter als sonst.“ Wie konnte sie das nur so auf die leichte Schulter nehmen.

„Ich fand es nicht so schön, zu sehen, wie Derek Aiden verprügelte.“

„Männer sind nunmal so, Dylen“, wollte Dragana mich beruhigen. „Ich denke, die beiden haben das geklärt. Es war ja nur ein Missverständnis. Derek neigt dazu, schnell auszurasten.“ Missverständnis? Ach du scheiße. Wenn sie raus bekamen, warum Aiden und Derek sich wirklich geschlagen hatten … dann war ich dran. Loona stupste ihre Mutter an und lächelte.

„Und wie hast du Aiden kennengelernt?“, fragte sie ganz neugierig. Super, wie sollte ich das denn erzählen? Also ich hab ihn in einem Club angebaggert und dann hat er mich in einer Gasse gerettet und mich dann geküsst. Ja, klar, das war eine super Geschichte.

„Wir … also … irgendwie hat er es damit, mich zu retten“, zuckte ich die Schultern. Loona grinste sofort breit.

„Bist du dir sicher, dass du nicht doch die Liebesgöttin bist?“, lachte sie.

 

Kapitel 13

Kapitel 13

 

Das Bad hatte mir schon gut getan. Ich war viel entspannter und ich hatte für eine kurze Zeit ausspannen können, auch wenn Loona und Dragana mich ausgefragt hatten. Ich nahm ihnen das nicht übel. So wie es aussah, brachten die Jungs nicht oft Frauen mit. Obwohl ich mir das gar nicht vorstellen konnte. Auch wenn ich nur Derek und Aiden kannte, war ich mir doch sicher, dass die anderen drei genauso waren wie sie. Ihnen liefen die Frauen doch in Scharen hinter her. Und doch bekam Dragana diese Massen bestimmt nicht mit, weil die Jungs nur unten auf der Erde ihr Unwesen trieben. Um ehrlich zu sein, würde ich – wenn ich so viele Bettgeschichten hätte – auch nicht jeden meinen Eltern vorstellen.

Jetzt nach dem ganzen Entspannen hatte Loona mich in ein Zimmer gebracht, wo auch schon meine Tasche gestanden hatte. Ich hatte erst gedacht, dass es Dereks Zimmer sei, aber hier standen keine Persönlichen Sachen. Kein Foto gar nichts. Erst hatte ich erleichtert ausgeatmet, aber dann kam der Schrecken, dass er vielleicht gar keine Fotos besaß. Aber nach einem Blick in den Kleiderschrank war ich wieder beruhigter. Besagter war nämlich leer. Ich wollte nunmal nicht zusammen mit ihm in einem Zimmer schlafen. Das alles war einfach noch Neuland für mich und vor allem, graute es mir wirklich davor mich mit Derek einzulassen.

Seufzend zog ich mir mein T-Shirt über den Kopf und schlüpfte dann in meine Chucks. Eben war mir aufgefallen, dass ich die falschen Sachen eingepackt hatte. Ich war hier bei der Göttin schlecht hin und trage Jeans und T-Shirt … armselig. Aber was konnte ich jetzt schon daran ändern? Gar nichts, also ließ ich es dabei. Nachdem dann auch meine Schuhe zugeschnürt waren ging ich langsam aus dem großen Schlafgemach hinaus und stand wieder in dem langen Gang, allerdings eine Etage höher. Loona hatte mir erzählt, dass es im Erdgeschoss nur der Thronsaal, ein kleinerer Ballsaal, ein Speisesaal und die Küche befand, mehr nicht. Unten im Keller gab es einmal den Ost- und Westflügel. Im Westflügel war ich mit Dragana und Loona gewesen, wo dieses unglaubliche Bad war. Außerdem hatten sich die Jungs, als sie größer geworden waren, ein Fitnessstudio eingerichtet. Zudem gab es noch eine kleine Bibliothek. Über den Ostflügel hatte sie nicht mit mir reden wollen. Und genau deswegen hatte ich eine kleine Ahnung, was da sein könnte. Ich meine, dass hier war ein Schloss und Dragana lebte schon lange und wer weiß, was früher hier gewesen war. Ich wette, dort waren Kerker. Und die musste ich wirklich nicht sehen.

Hier im ersten Stock gab es nur Gemächer. Von klein bis mittel bis groß und jedes Zimmer hatte noch ein Badezimmer. Wie Dragana schon sagte, ein bisschen Luxus muss auch sein.

Ich ging die große Treppe hinunter zum Erdgeschoss, wo ich dann erst einmal nach links und rechts schauen musste, wo ich überhaupt lang musste. Aber da erkannte ich eines der Bilder, die ich mir angesehen hatte, als ich mit Loona und Dragana zu den riesigen Bad gegangen war. Mit schnellen Schritten war ich bei diesem Bild und sah es mir noch einmal an. Es war nicht so ein Krikelkrackel, es sah schon nach etwas aus. In der Mitte war eine kleine Insel mit zwei Palmen, wo eine Hängematte gespannt war. Rechts und links an der Insel war Wasser und oben rechts in der Ecke, war die Sonne.

„Wunschdenken eines kleinen Kindes“, ertönte hinter mir eine Stimme, die mir seit den letzten Tagen sehr bekannt geworden war. Seine dunkle Stimme war einfach unverkennbar. Aiden.

„Ich hätte nie gedacht, dass du alleine auf eine Einsame Insel fliehen würdest.“

„Als Kind weiß man nie, wie man später wird.“ Ich sah neben mich. Aiden stand recht nah neben mir. Wenn ich mich ein bisschen zu ihm lehnen würde, dann würden sich unsere Arme berühren. Es wäre so einfach, mich einfach an ihn zu lehnen, aber ich tat es nicht. Stattdessen musterte ich ihn. Er trug eine schwarze Jeans und eine schwarze Tunika mit einem V-Ausschnitt. Dieser war mit goldenen Ranken faziert. Er sah richtig gut aus.

„Aber das Kind bleibt doch in einem“, meinte ich und sah wieder auf das Bild. Es sah so fröhlich aus, das genaue Gegenteil von Aiden. Er hatte einen grimmigen Gesichtsausdruck und auch seine Körperhaltung war verschlossen.

„Es ist viel zu viel passiert.“ Wie von selbst bewegte sich meine Hand und legte sich auf seine Schulter. Aiden sah zu dieser und dann mir ins Gesicht. Er sagte kein Wort, nahm meine Hand nur in seine und löste meinen Griff von seiner Schulter. Dann ließ er meine Hand los und ging an mir vorbei. Jedes Kribbeln, was ich gestern gespürt hatte, als er mich geküsst hatte, war dahin. Er stellte auf unnahbar und ließ niemanden an sich heran.

Was war nur mit ihm passiert?

Leise folgte ich ihm bis wir zum Thronsaal gelangten. Aiden machte die Türen auf und ließ mich zuerst eintreten. Dragana saß wieder auf ihrem Thron. Sie trug wieder das Kleid von eben und hatte die Beine überschlagen. Links neben ihr stand Loona und rechts stand ein Mann, den ich noch nicht kannte, aber das machte auch nichts. Sobald ich ihn sah, wusste ich genau, wer er war. Er war Draganas Mann, der Gott aller Götter oder besser bekannt als Zeus. Er war fast genauso, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Groß, voller Muskeln und schön, allerdings sah man ihm seine Jahre auch etwas an. Es waren keine Falten in seinem Gesicht, aber man sah, dass er schon sehr alt war. Was ich mir allerdings nicht so vorgestellt hatte, waren seine Haare. Wenn ich an den Gott aller Götter dachte, sah ich weiße lange Haare, die einfach so herunter fielen, aber was er da auf seinem Kopf hatte, war ein bisschen … unvorstellbar. Er hatte Dreadlocks. Rabenschwarze Dreadlocks. Allerdings sahen sie nicht ungepflegt aus, es sah ziemlich gut aus.

„Er hat sich nicht daran gehalten“, holte mich Dereks Stimme aus dem Staunen. Ich sah zu ihm, da er direkt vor uns und dem Thron stand. Er trug genauso wie Aiden eine Tunika, allerdings war seine weiß. Aiden und ich traten neben ihn.

„Worum geht es?“, fragte Aiden mit einer monotonen Stimme.

„Das weißt du ganz genau“, schnauzte Derek ihn an. Mir wurde sofort schlecht. Ging es wieder um den Kuss? Wie konnte er nur die ganze Zeit darauf herumreiten?

„Derek, meinst du nicht, dass du ein bisschen ...“, fing ich an, aber Derek hob die Hand, damit ich still wurde und redete mir auch noch hinein.

„Du hältst dich daraus“, befahl er mir. Bitte was? Wie redete er denn mit mir? Meint er, nur weil seine Mutter behauptet, dass wir zwei zusammen gehörten, ich mich ihm unterordnete?

„Wie redest du mit mir?“, herrschte ich ihn an.

„Sei einfach still.“ Mir klappte die Kinnlade herunter. Das war echt die Krönung.

„Weißt du worum es geht, Aiden?“, meldete sich jetzt auch Zeus zu Wort und sofort waren alle still. Seine Stimme und die Wucht dahinter haute mich einfach um. Ich starrte diesen Mann einfach nur an und musste mich anstrengen, dass mir meine Kinnlade nicht herunter viel. Seine Stimme war hart, stark, dunkel und sowas von rau … unglaublich.

„Ja, weiß ich, Vater“, meinte Aiden und neigte den Kopf zu einer leichten Verbeugung.

„Willst du uns erklären, was passiert ist und warum dein Bruder so außer sich ist?“ Aiden ballte eine Hand zur Faust und sah dann seinen Vater unverwandt an.

„Mit dem Wissen, dass Dylen Dereks Seelenverwandte ist, habe ich sie geküsst.“ Meine Augen weiteten sich und ich wurde stock steif. Ach du Scheiße, was geht denn hier ab?

„Etwas zu deiner Verteidigung?“

„Nein.“

„Derek?“

„Sein Geruch war an ihrem ganzen Körper“, meinte Derek nur.

„Sie wurde angegriffen und musste sich in einen Wolf verwandeln, nach dieser Verwandlung sind Werwölfe immer nackt. Ich habe ihr mein Hemd gegeben, damit sie nicht nackt auf der Straße stand“, meinte Aiden nüchtern. Ging das gerade wirklich hier ab? Verlangte Derek eine Bestrafung, weil Aiden mich angefasst hatte? Weil er mir sein Hemd gegeben hatte? Aiden war sofort ehrlich gewesen und hatte Derek gesagt, dass wir uns geküsst hatten und jetzt stand er hier und nahm alles auf sich und trotzdem setzte Derek noch einen drauf. Wie konnte er nur? „Außerdem musste ich das Blut des Dämonen aus ihrer Wunde saugen“, berichtete Aiden weiter. Und jetzt wurde ich Feuer rot. Wollte er das wirklich erzählen?

„Und wo war diese Wunde?“, brummte Derek. … Das wusste er nicht … oh man, das war doch alles nur ein Scherz. Ich musste etwas tun. Schnell legte ich meine Hand auf Dereks Oberarm.

„Muss das sein?“, fragte ich ihn. „Es war ein Einmaliger Ausrutscher.“

„Wo ist die Wunde, Dylen?“, fragte er jetzt mich, etwas netter und sanfter, als er eben mit mir geredet hatte.

„Dafür darfst du ihn nicht verantwortlich machen, Derek. Egal wo die Wunde war. Hätten wir auf dich gewartet, wäre ich tot gewesen.“

„Ich will wissen, wo sie ist.“ Ich schluckte.

„Unter meiner Brust“, murmelte ich. Sofort ballte er seine Hände und fixierte Aiden mit seinem Blick. „Derek, ist das wirklich nötig?“

„Halt dich einfach daraus.“ Er drückte mich auf Seite und ging auf Aiden zu. Ich war doch in einem falschen Film. Warum griff Dragana nicht ein. Die Küsse waren vielleicht nicht zu verzeihen, aber Aiden hatte mich doch nur retten wollen.

Ich machte einen Schritt auf Derek zu, aber er packte auch schon Aiden, am Kragen der Tunika. Aiden ließ, wie auch eben bei mir, zu, dass Derek ihn unsanft packte. Dann holte Derek aus und verpasste Aiden noch einen Kinnhacken.

„Derek!“, schrie ich, aber er hörte nicht auf mich. Er holte noch einmal aus und ich dachte schon, mit diesem Schlag würde er Aiden endgültig die Nase brechen. Ich konnte das doch nicht zulassen. Diese beiden Holzköpfe stritten sich hier wegen mir. Wie dumm war das denn? Und überhaupt, was war das für eine Logik? Ich darf meinen Bruder windelweich schlagen, wenn er meine Freundin anfasst? Das ist doch Hirnverbrand.

Ich wollte dazwischen gehen und war auch schon bei Derek angekommen, da fegte ein Windstoß durch den Thronsaal. Ich starrte auf das Szenario vor mir. Denn Zeus war zwischen Aiden und Derek getreten und hatten Dereks Schlag mit seiner Hand abgefangen.

„Es reicht“, sagte er herrschend.

„Derek, reg dich ab“, meinte dann auch Dragana und stand auf. Dieser starrte Aiden immer noch an, aber dann von jetzt auf gleich ging er zwei Schritte zurück. „Ist dir das so wichtig? Dein Bruder hat sich all deiner Schläge gestellt. Willst du immer noch, dass er weitere Schläge aushält?“ Mein Blick schwenkte zu Dragana und dann wieder zu Derek.

„Ist das dein Ernst?“, fragte ich ihn. „Es war ein Kuss.“

„Du bist die meine“, meinte Derek nur.

„Ich bin die deine?“ Jetzt sah ich Rot. Ich klatschte ihm eine und starrte ihn wütend an. „Hast du noch alle Tassen im Schrank? Du kommst in mein Leben, bereitest mir eine schöne Woche und verschwindest dann ohne ein Wort und dann hast du echt die Eier dazu ein halbes Jahr danach wieder aufzutauchen und zu behaupten, dass du mich liebst? Wie krank ist das?“

„Es ist die Wahrheit.“

„Ein Dreck ist das“, rief ich aus.

„Ich kam wegen dir zurück, Dylen.“ Ich sah ihn nur ungläubig an. „Ich musste wissen, ob du zu mir gehörst, also habe ich Mutter gebeten die Sterne zu lesen. Ich musste einfach Gewissheit haben.“

„Und was bringt dir das jetzt? Du bist ohne ein Wort gegangen. Glaubst du, ich würde dir nachlaufen, wie all die anderen Mädels, die du dir in dein Bett holst? Ich bin keine deiner Bettgeschichten. Hast du mal darüber nachgedacht? Du hast mich verletzt, Derek. Ich komme nicht mit eingezogenem Schwanz zu dir zurück.“ Ich tobte richtig vor Wut, aber das schien Derek nicht zu beeindrucken, denn er beugte sich lächelnd zu mir herunter und flüsterte mir ins Ohr.

„Deswegen haben wir auch gestern miteinander geschlafen.“ Ich boxte ihn auf die Brust, weil ich schon wieder spürte, wie meine Beine weich wurden. Ich durfte jetzt nicht einknicken, vor allem wollte ich nicht schon wieder nachgeben. Ich wollte ihn nicht gewinnen lassen.

„Lass das“, motzte ich ihn an und drückte ihn von mir. Er grinste mich aber nur weiter an.

„Ich stimme Dylen zu. Es reicht doch endlich“, meinte Loona und verschränkte ihre Arme vor der Brust. „So wie Aiden eben ausgesehen hat, hast du ihm doch schon gewaltig deine Meinung gegeigt. Und außerdem, kannst du Aiden nicht vorwerfen Dylen gerettet zu haben, auch wenn es dich zum rasen bringt.“ Ich sah dankend zu Loona. Endlich mal jemand der mitdenkt.

„Sehe ich auch so“, stimmte Dragana zu. „Was denkst du, Xander?“

„Du solltest es ruhen lassen, Derek“, sagte auch sein Vater und ging zurück auf seinen Platz, neben Dragana. Wo ich fand, dass er falsch war. Ganz sicher hatte er hier mehr zu sagen, als Dragana und doch sahen alle zu ihr.

„Du hast deinen Standpunkt schon genug zur Geltung gebracht“, entschied sie.

„Aber ...“, fing Derek an.

„Meine Güte, er hat doch nichts falsches getan“, regte ich mich auf.

„Es reicht“, sagte Dragana etwas lauter und das brachte Derek dann auch zum Schweigen. Wie konnte man nur so stur sein? Ich ging zu Aiden, aber er drehte sich nur zu seinen Eltern und wischte sich mit dem Handrücken das Blut von der Nase. „Also eigentlich hatte ich ja gehofft, dass wir ein schönes harmonisches Abendessen genießen können“, lenkte Dragana ab. „Schatz, ich wollte dir eigentlich die reizende Dylen vorstellen.“ Sofort lagen alle Augenpaare auf mir. Wie was?

„Hehe“, machte ich und wurde ein bisschen kleiner. Reizend? Ich und reizend?

Wie kommt sie denn darauf, dass du reizend bist?

Halt die Klappe!

Was denn? Ist doch so.

Ich ignorierte einfach die Stimme in meinem Kopf.

„Dylen, das ist mein Mann Xander. Xander, das ist Dylen“, machte Dragana einfach weiter. Ich lächelte Xander an und kam mir ein bisschen blöd vor. Vor ein paar Minuten hatte ich Derek noch angeschrien und jetzt sollte ich als reizend vorgestellt werden?

„Also reizend ist sie ja schon“, meinte Xander und lächelte mich an. Bitte was?! War ich im falschen Film? Es war, als hätte er einen Schalter umgelegt. Gerade musste er noch den strengen Vater spielen und jetzt war er so liebevoll und nett. Diese Familie war wirklich unglaublich. 

Kapitel 14

Kapitel 14

 

Essen mit der Familie? Um ehrlich zu sein, ich hatte ein bisschen Angst davor. Was wenn wieder so Themen kamen, die einfach nur unangenehm waren. Und trotzdem musste ich dort hin.

Loona war mit mir in mein Zimmer gegangen und hatte mir ein Kleid gegeben, was ich anziehen sollte. Es war ein wunderschönes mittelalterliches Kleid, dass man am Rücken zuschnüren musste. Loona hatte mich alleine gelassen, damit ich mich in Ruhe umziehen konnte. Das hatte ich getan und stand jetzt vor einem Spiegel, um mich zu betrachten. Das Kleid war rot, ein schönes dunkles rot. Es schmiegte sich an meinen Körper und ich wette, wenn ich es auch zu machte, würde sich das Kleid noch mehr an meinem Körper schmiegen und diesen zur Geltung bringen. Der obere Teil war ein Korsett zum Schnüren. Leicht hob ich meine Arme, um die Trompetenärmel so betrachten. Es war wirklich wunderschön.

„Kann man helfen?“Erschrocken drehte ich mich zur Tür um, in der Derek lehnte. Er musterte mich mit seinen hellblauen Augen und hatte ein Lächeln im Gesicht. Er trug immer noch die schwarze Jeans und die weiße Tunika.

„Auch wenn ich noch ein bisschen sauer auf dich bin … aber könntest du das Kleid zuschnüren?“, fragte ich und drehte ihm wieder meinen Rücken zu. Ich hörte, wie er näher trat und dann spürte ich seine Finger an meinem Rücken. Er machte natürlich noch nicht das Kleid zu. Nein, Derek musst erst mit seinen Fingerspitzen über meine Haut fahren, damit ich eine Gänsehaut bekam und ihn damit zufrieden stellte. Ich konnte mir gut sein grinsen vorstellen, als sich meine Haare auf meinem ganzen Körper aufstellten. Das war eine Genugtuung für Derek, weil mein Körper auf ihn reagierte.

Leicht beugte er sich zu mir herunter und hauchte mir einen Kuss hinters Ohr.

„Warum bist du noch sauer auf mich?“, flüsterte er und fuhr mit seinen Händen von hinten in mein Kleid. Seine Finger strichen über meine Seite bis zu meinem Bauch, den er dann anfing zu streicheln.

„Du weißt genau warum, Derek.“

„Nein, ich habe dir nur meine Liebe gestanden.“ Ich ging einen Schritt nach vorne, sodass seine Hände aus dem Kleid fuhren und ich mich zu ihm umdrehen konnte.

„Nur die Art und Weise, wie du sie mir gestanden hast, war nicht wirklich passend. Findest du nicht auch?“ Derek sah mich von oben bis unten an und blieb dann an meinen Augen hängen.

„Ja, ich gebe zu, dass es nicht der passendste Zeitpunkt war.“

„Nicht der passendste Zeitpunkt?“, schrie ich fast.

„Ja, aber die Dinge standen ja auch nicht gerade gut. Ich meine, ich war auf dem Weg zu dir und wurde angegriffen und als ich bei dir war, hatte Aiden mich schon verraten. Anders ging es nunmal nicht.“

„Anders ging es nunmal nicht?“ Derek nickte. Oh Gott, wenn er nicht gleich damit aufhört werde ich richtig sauer, denn seine scheinheilige Art brachte mich echt zum Kochen. Derek setzte an, etwas zu sagen, aber ich hob einfach nur die Hände um ihn zu stoppen. „Mach mir einfach das Kleid zu und dann gehen wir. Ich habe wirklich keine Lust auf eine Diskussion mit dir.“ Damit drehte ich mich wieder um und Derek befolgte meinen Befehl. Ohne weitere Probleme schnürte er das Kleid zu und wir konnten uns auf den Weg zum Speisesaal machen. Auf dem Weg dorthin redete ich kein Wort mehr mit Derek. Vielleicht war das auch ein bisschen hart …

Ja, ist es auch.

Ach, halt die Klappe. Er benimmt sich, wie ein Blödmann, der jede haben kann.

Das kann er auch.

Ja, aber nicht mich. Auf sowas falle ich nicht rein. Ich meine, er kann doch nicht sagen, dass er mich liebt. Wir hatten erst zwei Dates und beide endeten mit meinem Bett … nein, nach dem was er sich geleistet hat, kann er nicht erwarten, dass ich ihm in die Arme springe. Vor allem nicht, nachdem er seinen Bruder geschlagen hat und das damit begründet hatte, dass er mich liebe. Auf keinen Fall. Welche Frau will denn so erobert werden?

Aber gewaltsam geküsst werden, ist besser?

Aiden wollte mich nur mit dieser Situation testen und ich hatte sie nicht bestanden.

Aiden, was?

Ja, Aiden.

Ich seufzte. Ich glaub es nicht, jetzt diskutierte ich auch noch mit mir selbst. Das muss dringend aufhören.

Derek öffnete mir ganz Gentleman-like die Türe. Ich nickte ihm nur dankend zu und trat in einen riesigen Speisesaal ein. Vor mir erstreckte sich eine lange Tafel, wo bestimmt 30 Leute platz fanden. Der Tisch war aus wunderschönem dunklen Holz und passte gut zu dem grauen Stein, aus dem das Schloss gemacht war.

„Ich wusste, dass du wunderschön darin aussehen wirst“, grinste Loona mich an und winkte uns zu sich. Der Tisch war weiter hinten für uns gedeckt und Dragana und Xander saßen am Kopf. Hinter ihnen erspähte ich eine Türe, die gerade aufschwang und eine schlanke, junge Frau heraus trat. Sie trug ein weißes, trägerloses Kleid und ihre braunen Haare waren zu einer kunstvollen Hochsteckfrisur hochgesteckt. In ihren Händen hatte sie eine Glaskarafe, wo wahrscheinlich Wasser drin war.

Loona klopfte neben sich auf den Stuhl und sagte mir so, dass ich mich neben sie setzten sollte. Ich lächelte sie an und kam ihrer Forderung nach. Zum Glück war neben mir kein Platz mehr gedeckt, also musste Derek auf die andere Seite des Tisches. Das war mir nur Recht. Derek setzte sich mir schräg gegenüber, sodass er neben seinem Vater saß. Dadurch hatte ich noch mal Zeit mir Xander anzusehen und mit Derek zu vergleichen. Zuerst fand ich keine Gemeinsamkeiten. Derek hatte zu weiche Gesichtszüge und Xander zu harte. Ich sah zu Dragana und da waren Dereks Gesichtszüge. Also hatte er mehr von ihr. Da müsste man meinen, dass er ein bisschen einfühlsamer sein würde … aber dem war nicht so.

„Ich muss Loona zustimmen, dir stehen solche Kleider wirklich außerordentlich“, holte Dragana mich aus meinen Gedanken. Ich sah sie an und lächelte.

„Danke, ich muss zugeben, dass es sehr bequem ist“, meinte ich.

„Ja, das sind sie. Was möchtest du trinken?“ Neben mir tauchte die junge Frau mit der Karafe auf und schüttete mir Wasser in ein Glas. „Wir haben einen wunderbaren Wein da“, empfiel mir Dragana und hob ihr Weinglas an, in dem eine rote Flüssigkeit schwamm.

„Den probier ich gerne“, nickte ich. Die junge Frau nickte, ging zu einem kleineren Tisch, der in der Ecke stand und holte eine Flasche Wein. Mit schnellen Schritten war sie wieder neben mir und schüttete den Rotwein in ein Weinglas.

„Du musst gucken, ob er dir schmeckt“, mischte sich nun auch Xander in das Gespräch ein. „Dragana macht ihn selber und manchmal verkommt er ein bisschen.“ Sofort bekam er von seiner Frau einen Stoß in die Seite.

„Was redest du da für einen Unsinn? Mein Wein verkommt nicht!“, rief sie aus. Loona kicherte leise.

„Aber ich muss Vater recht geben, manchmal schmeckt er nach Stinkesocken“, meinte sie und grinste ihre Mutter frech an. Die junge Frau neben mir kicherte.

„Das ist ja unerhört. Lasst Dylen doch erst einmal probieren, bevor ihr ihr einen Bären auf den Bauch bindet.“ Ich lächelte.

„Aber sie sollte auch vorgewarnt sein. Mom hat wirklich Stinkefüße.“

„Loona!“ Diese drehte sich zu Dragana und streckte ihr die Zunge raus. Ich schüttelte nur den Kopf und steckte meine Nase ins Weinglas, um zu erschnüffeln was in dem Wein wohl alles enthalten war. Auf meine Nase prallten etliche Gerüche. Ich roch verschiedene Gewürze, aber auch ein bisschen Aprikose, süße Trauben und doch war das noch nicht alles. Ich roch etwas, was ich nicht ausmachen konnte.

„Meine Geheimzutat ist ein bisschen Vanilleschote“, meinte Dragana und nahm einen Schluck von ihrem Glas. „Man schmeckt es nicht sofort, aber das rundet es ein bisschen ab.“ Jetzt hatte sie mich neugierig gemacht. Ich schwenkte den Wein noch mal in dem Glas hin und her und nahm dann einen Schluck. Der fruchtige Geschmack war unglaublich, aber die Vanille schmeckte ich noch nicht. Erst als ich schluckte hatte ich einen leichten Nachgeschmack von Vanille.

„Der ist unglaublich“, meinte ich und nahm noch einen Schluck. Dragana sah ihre Tochter und ihren Mann überlegen an.

„Stinkefüße, was?“ Wir alle mussten anfangen zu lachen.

Im nächsten Moment ging wieder die Türe hinter Dragana und Xander auf und die junge Frau kam mit gefüllten Suppentellern zurück in den Saal. Sie stellte zuerst Xander und Dragana ihre Suppenteller hin und verschwand dann wieder in der Türe.

„Das ist Sadie“, flüsterte Loona mir zu.

„Also habt ihr auch Bedienstete?“

„Es wäre ein bisschen anstrengend das Schloss alleine zu verwalten.“

„Und was sind sie?“

„Meistens Feen. Mutter hatte Bedienstete gebraucht und unten auf der Erde gefragt. Nur die, die wollen können mit hoch kommen und helfen.“ Ich nickte und beobachtete Sadie, wie sie wieder aus der Tür trat und zu Loona und mir kam. Jetzt viel mir erst auf, dass sie keinen laut machte, wenn sie ging … sie schwebte. Feen hatten sich angewöhnt ihre Flügel zu verstecken, seit sie unter Menschen lebten und deswegen sah man diese nur sehr selten. Obwohl ich gerne mal diese Flügel sehen würde. Waren sie so, wie in Geschichten. Glitzernd und transparent oder so wie bei Engeln, mit Federn? Das würde mich wirklich interessieren. Aber bevor ich mich entschließen konnte, Sadie danach zu fragen, war sie auch schon wieder weg.

„Wo bleibt denn eigentlich Aiden?“, holte Loona mich aus meinen Überlegungen über Flügel heraus. Erst da fiel es mir auch auf. Neben Derek war noch ein Platz gedeckt.

„Er sagte, dass er sich etwas verspäten würde, wir sollten aber nicht auf ihn warten“, meinte Xander mit seiner dominanten Stimme und damit war das Thema erledigt.

Aber lange mussten wir nicht auf Aiden warten. Denn genau in dem Moment gingen die Speisesaaltüren auf und Aiden trat ein … und er sah als erstes mich an. Ich sah ihm in die dunkelgrünen Augen und von weitem, sahen sie noch dunkler und gefährlicher aus. Aber ich wusste, dass er nicht so gefährlich war, wie er nach außen schien … also mir gegenüber.

Aber dann unterbrach Aiden den Blickkontakt und verbeugte sich leicht.

„Entschuldigt meine Verspätung“, entschuldigte Aiden sich mit seiner rauen Stimme. Xander nickte bloß und Aiden setzte sich neben Derek, mir direkt gegenüber.

Sadie kam wieder aus der Türe, blieb aber sofort stehen. Sie sah Aiden an, biss sich auf die Lippe und ging schnell wieder zurück. Wahrscheinlich um noch einen Teller Suppe fertig zu machen. Und genau so war es auch. Als sie das nächste Mal wieder heraus kam, hatte sie zwei Teller in den Händen. Sie schwebte zwischen Derek und Aiden.

„Danke Sadie“, sagte Aiden, als sie ihm seinen Teller vor die Nase stellte.

„Bitte“, murmelte sie mit ganz leiser Stimme und wurde leicht rot um die Nase. Oh mein Gott. Wie süß. Schnell verschwand sie und stellte sich neben den Extratisch, wo die Getränke drauf standen.

„Setzt dich doch zu uns, Sadie“, bat Aiden sie, aber sie wurde nur wieder rot und schüttelte heftig den Kopf.

„Nein, nein, schon okay. Ich habe eben mit den anderen gegessen.“

„Sie ist schon in ihn verschossen, seit sie her gekommen ist“, flüsterte Loona mir zu. Ich lächelte und sah Aiden an.

„Was musstest du denn so wichtiges erledigen, Bruder?“, fragte Derek und rührte in seiner Suppe herum.

„Derek, reicht es nicht langsam?“, ermahnte Dragana ihn. Dieser zuckte nur die Schultern. Was war bloß los mit ihm? Er war so anders. Als ich ihn vor einem halben Jahr kennengelernt hatte, war er viel charmanter gewesen.

„Ich wollte doch nur fragen.“

„Gott, ihr zwei habt euch mal so gut verstanden.“

„Vielleicht sollte Aiden sich einfach mal eine Frau suchen und nicht immer die Frauen von anderen Männern nehmen. Ist ja nicht das erste Mal gewesen, nicht Bruderherz?“ Was? Aiden hielt sofort in seiner Bewegung inne und starrte auf seine Suppe hinunter.

„Derek!“, mischte sich nun auch Xander ein. Wie konnte Derek so gemein sein? Ich meine, es war doch auch meine Schuld, ich hatte Aiden auch geküsst, ich hatte es doch zugelassen. Und ich hatte es auch gewollt.

„Mehr als mich entschuldigen kann ich mich nicht, Derek“, meinte Aiden nur und nahm einen Löffel seiner Suppe. Was? Sich entschuldigen? Für die Küsse? Das tat weh. … Aber was sollte er auch schon sagen? Dass es ihm gefallen hatte? Dann würde er bestraft werden und das wollte ich auch nicht.

Derek machte nur ein abfälliges Geräusch und aß auch weiter.

Stille.

„Die Stille ist ja nicht auszuhalten“, meinte Dragana und klatschte in die Hände.

„Wir sollten über etwas wichtiges reden“, meinte Aiden und sah seine Eltern an. Dragana seufzte.

„Ich hab mir das unten mal angesehen und es sieht wirklich schlimm aus“, meinte jetzt auch Xander.

„Was genau ist denn los?“, wollte ich wissen.

„Aiden und ich sind am Sonntag angegriffen worden und zwei von ihnen waren von Dämonen besessen“, erklärte Derek mir.

„Besessen?“

„Ja. Dämonen können einen Körper übernehmen, aber nur wenn dieser schon tot ist“, sagte Aiden.

„Das ist nicht gut.“

„Nein, zudem kommt auch noch, dass sie alle möglichen verbündeten haben.“

„Und warum war Logan dann hinter mir her?“

„Du bist eine Göttin. Jemand will meine Macht, die ich unter euch aufgeteilt habe“, erklärte Dragana mir und massierte sich die Schläfen. „Aber woher wusste er von Dylen?“ Ich sah zu Derek und zu Aiden, aber die zuckten nur die Schultern.

„Wissen die Auserwählten nicht, dass sie Göttinen sind?“, fragte ich. Weil ich hatte es ja auch nicht gewusst. Dragana sah mich an und seufzte.

„Manche wissen es, manche nicht. Aber sie bleiben immer verborgen.“

„Logan hatte aber meinen Namen gewusst.“

„Ich weiß nicht, wie er es herausgefunden hat, aber das ist schlecht.“ Ich schluckte und sah Aiden an.

„Alleine schaffen wir das nicht“, mischte sich auch Derek ein.

„Ihr solltet eure Brüder suchen“, schlug Xander vor. „Auch wenn Adam bald heiraten will, müssen wir dafür sorgen, dass Jessica in Sicherheit ist. Wenn die Dämonen schon von Dylen wissen, dann wird es nicht mehr lange dauern, bis sie Jessica finden.“

„Ihr wollt sie einfach so aufhalten?“, fragte ich.

„Wir müssen endlich etwas tun. Wir haben jetzt schon so lange gewartet und einfach nur zugesehen, wie immer mehr Wesen auf die Seite des Bösen wechseln“, meinte Dragana nur. Ich nickte und sah Aiden an. Er sah mich auch an und für einen Moment versank ich in seinen wunderschönen dunkelgrünen Augen.

„Dann will ich helfen“, entschied ich.

„Auf keinen Fall!“, rief Derek fast aus und stand auf. Ich sah ihn an.

„Warum? Wenn ich doch eine Göttin bin und die Stärke habe, dann kann ich euch auch helfen. Ich werde mich nicht hier verstecken, das geht nicht.“

„Nein, dass verbiete ich.“ Er tut was? Jetzt stand ich auch auf und starrte ihn wütend an.

„Du verbietest es mir? Habe ich das richtig verstanden? Du bist nicht mein Mann, mein Vater oder sonst jemand, der mir etwas vorschreiben kann.“ Derek ballte seine Hände zu Fäusten und gab ein brummen von sich. Aiden legte seinem Bruder eine Hand auf den Arm.

„Beruhig dich. Wir sind bei ihr und werden auf sie aufpassen und so dumm ist das gar nicht. Wir brauchen jeden den wir bekommen können. Das wird kein einfacher Kampf und Dylen ist kein verwöhntes kleines Mädchen“, meinte Aiden und brachte Derek dazu, sich wieder zu setzten.

„Ich finde das trotzdem nicht gut“, brummte er.

„Ich auch nicht.“ Mein Blick schweifte zu Aiden, der mich ansah. „Mir gefällt das ganze genauso wenig wie dir, aber wir brauchen sie.“

„Sie könnte dabei ...“, fing Derek wieder an.

„Wir alle können dabei sterben“, unterbrach Aiden ihn. „Bist du dabei?“, fragte er nun mich. Ich brauchte nicht lange überlegen. Ich wollte die beiden nicht meinen Kampf kämpfen lassen und vor allem würde ich sie nicht im Stich lassen.

„Auf jeden Fall“, nickte ich. 

Kapitel 15

Kapitel 15

 

„Ist es so schwer etwas Richtig zu machen?“, hallte es durch den Saal. Mein Master stand von seinem Thron auf und lief auf und ab. Mit einem Nicken befahl er seinen zwei Wachen, dass sie den Dämon vor seinen Füßen weg schaffen sollten. Dieser schrie um Vergebung und dass er es noch einmal versuchen wolle. Die zwei Riesen schleiften den Dämon an mir vorbei und schlossen die riesigen Türen hinter sich. „Nur von Idioten umgeben“, seufzte mein Master und drehte sich zu mir um. „Logan, sag mir, dass du die kleine hast.“ Mit schnellen Schritten war ich vor der kleinen Treppe, die hoch zu dem Thron meines Masters führte und kniete mich vor ihn.

„Leider nicht, Master. Aiden konnte sie im letzten Moment retten“, sagte ich demütig und neigte den Kopf.

„Aiden?“ Ich nickte. „Er wird zur Plage. Erst letzten Monat hat er meine Rekruten befreit.“ Ein Schlag ertönte und ich sah auf. Mein Master hatte sich auf seinen Thron gesetzt und auf die Armlehne geschlagen.

„Allerdings konnte ich ein Sigel an Aiden anbringen.“ Sofort wurde mein Master hellhörig und sah mich an.

„Du kannst ihn orten?“

„Und in meiner Anwesenheit ist er ein Haufen schmerzen“, grinste ich.

„Das ist erfreulich. Und was ist mit dem Mädchen?“

„Darum kümmere ich mich. Ich habe schon eine Idee, wie ich sie und ihre Kraft in Ihre Hände spielen kann.“

„Wenigstens einer, der weiß was er tut.“ Als dank neigte ich meinen Kopf respektvoll. „Ich verlasse mich auf dich.“

„Ja, Master.“ 

Kapitel 16

Kapitel 16

 

Nach der Diskussion, ob ich Aiden und Derek helfen sollte, ihre Brüder zu suchen, war es sehr still geworden. Loona hatte zwar versucht die Stimmung ein bisschen zu heben, aber Derek hatte immer einen blöden Kommentar gebracht und alles zu Nichte gemacht. Ich wusste nicht, was mit ihm los war. Er war so anders.

Nachdem wir dann alle aufgegessen hatten, war er auch sofort aufgesprungen und war gegangen. Ich hatte ihm nach laufen wollen, aber Dragana hatte mich aufgehalten. Er brauchte vielleicht auch etwas Zeit für sich. Das hatte ich eingesehen.

„Er ist komisch“, meinte ich, als Aiden und ich in Richtung der Schlafgemächer gingen. Wir waren gerade oben angekommen und den ganzen Weg vom Speisesaal bis hier her hatten wir kein Wort miteinander geredet. Aber ich ertrug die Stille nicht.

„Ja, ist er. Seit Sonntag, seit er weiß, dass du zu ihm gehörst.“ Ich sah Aiden an und irgendwie hörte sich das alles nicht so gut an. Er starrte vor sich her und sah mich kein Mal an.

„Wie meinst du das jetzt? Ist das gut oder schlecht?“

„Eigentlich ist das gut, dann kommt er endlich von seinem hohen Ross herunter … aber irgendwie ist es doch schlecht.“ Aiden seufzte. „Nicht wegen dir, Dylen. Ich denke einfach, dass er damit nicht zurecht kommt. Er war schon immer der Alleingänger und eine Frau hat er auch nie länger als eine Woche gehabt und jetzt auf einmal soll er gebunden sein?“

„Stimmt … du hast Recht“, murmelte ich. Aiden zuckte die Schultern und bog links ab, wo sein Zimmer war. Meins war rechts rum und da ging ich nun auch hin. Gerade als wir mit den Rücken zueinander standen, redete Aiden weiter.

„Aber ihm wird schnell klar werden, dass du gut für ihn bist.“ Ich blieb stock steif stehen. Was hatte er da gesagt? Ich bin gut für Derek? Woher kann er sowas wissen? Er kannte mich doch kaum.

Schnell drehte ich mich um, aber Aiden war schon weg.

„Gut für ihn?“, hauchte ich und sah auf den Fleck, an dem Aiden eben noch gestanden hatte. Er hatte sich anders angehört. Nicht niedergeschlagen, aber resigniert. … Aber diese Worte, die er eben gesagt hatte, hatten mich berührt. Mein Herz hatte sofort etwas schneller geschlagen und tat es immer noch. Ich wusste nicht warum, aber Tatsache war nun mal, dass es so war. Langsam drehte ich mich um und ging in mein Zimmer.

Das alles war doch einfach nur komisch. Derek war so anders, aggressiver und ich? Ich war gereizter in Dereks Gegenwart, aber total aufgewühlt in Aidens.

Seufzend fiel ich auf mein Bett und klatschte mir die Hände aufs Gesicht. Kaum hatte ich die Augen geschlossen, spürte ich Lippen auf den meinen. Ich musste sofort an eben denken, als Aiden und ich uns geküsst hatten. Wie seine Hand auf meiner Hüfte gelegen hatte und er angefangen hatte mich zu streicheln. Dieser Kuss war unglaublich gewesen und ich hatte ihn richtig genossen. Und meine Gefühle dabei waren ganz anders, wie bei Derek. Ich weiß noch, wie Derek mich das aller erste Mal geküsst hatte. Es war aufregend gewesen, ja und Derek hatte wirklich gut geküsst … aber wenn ich jetzt an den Kuss mit Aiden dachte, war es nichts Vergleichbares gewesen. Ich brauchte nur an ihn zu denken, da spürte ich auch schon wieder seine Lippen auf meinen, seine Finger auf meiner Haut. Sofort bekam ich eine Gänsehaut.

Ich war total in Gedanken, als plötzlich etwas vibrierte und Musik machte. Ich schreckte auf und saß im Bett. Die Musik spielte weiter und ich brauchte erst einmal ein paar Sekunden, um zu realisieren, dass da mein Handy klingelte. Schnell war ich aufgesprungen und kramte in meiner Tasche herum. Als ich es dann endlich gefunden hatte, drückte ich auf den Grünen Hörer und sagte schnell meinen Namen. Zeit aufs Display zu gucken hatte ich nicht.

„Das hat aber lange gedauert“, ertönte Moms Stimme. Oh nein, die brauchte ich jetzt am wenigsten.

Die? Das ist immer noch deine Mutter.

Ja, aber sie wird wissen wollen, wann ich mich das nächste Mal blicken lasse und das geht jetzt schlecht.

Okay, hast Recht.

„Ich hab mein Handy nicht gefunden.“

„Ja, und ich habe dich nicht gefunden. Wo bist du, Dylen? Wolltest du heute nicht zum Essen kommen?“ Mir viel es wie Schuppen von den Augen. Das hatte ich total vergessen. Montags war doch immer Familien Abend.

„Oh Mist. Ich hab das total vergessen, Mom. Ich hatte so viel zu tun, dass ich das total vergessen habe.“

„Jetzt ist es auch egal. Ich möchte nur wissen, wo du bist. Ich mache mir Sorgen.“ Ja … was sage ich ihr denn, wo ich bin? Ich kann ihr auf keinen Fall sagen, dass ich bei der Göttin aller Göttinen war. Und ich war mir auch nicht wirklich sicher, ob Mom auch wusste, was genau ich war. Aber das glaubte ich eher nicht, wenn ich an den Streit meiner Eltern zurück dachte, den sie gehabt hatten, als ich mich das erste Mal verwandelt hatte.

„Ähm … ich bin bei Skyler. Wir waren eben essen gewesen und sind dann zu ihr gegangen.“

„Okay, aber denk daran, dass ihr morgen arbeiten müsst. Und, Dylen, morgen vergisst du nicht den Geburtstag deines Vaters.“ Oh ja, der war ja auch morgen. Und Mom liebte Partys. Verdammt.

„Nein, habe ich nicht vergessen.“

„Also hast du auch ein Geschenk?“ Ich erstarrte und bekam immer größere Augen. „Was für ein Glück, dass du mir schon Geld für einen neuen Rasierapperat gegeben hast.“ Stimmt, Mom lag mir schon seit Wochen in den Ohren. Und auch schon wie sie es gesagt hatte: Zum Glück.

„Stimmt.“

„Wo hast du nur deinen Kopf, Dylen?“ Sie seufzte.

„Tut mir leid, Mom.“

„Komm nicht zu spät. Das ganze Rudel wird kommen und ich habe Bec heute morgen getroffen.“ Bec? Nicht auch noch der. Ich hab doch schon genug mit Aiden und Derek an der Backe. „Er freut sich schon, dich wieder zusehen.“ Seufzend fiel ich zurück ins Bett. „Ich finde ja, ihr seid ein wunderbares Pärchen.“

„Mom, bitte“, stöhnte ich.

„Jaja, schon gut. Sei einfach morgen pünktlich, zieh dir was nettes an und vergiss es nicht schon wieder“, bat Mom.

„Jaha, ich werde schon da sein.“ Sie verabschiedete sich und legte dann auf.

Wie konnte ich nur so dumm sein und unseren Familienabend vergessen? Aber wie konnte ich es schon nicht vergessen, bei dem ganzen Stress, den ich seit dem Wochenende habe. Seit Derek und Aiden aufgetaucht waren. Und das wird noch lustig werden. Aber was mich doch ein bisschen erstaunen ließ war, dass mein Handy hier oben funktionierte.

 

Am nächsten Morgen zog ich – nach einer warmen Dusche – meine Klamotten an. Ich musste zur Arbeit und zum Geburtstag meines Vaters. Hier verstecken passte also nicht in den Plan. Als ich dann angezogen war und mir meine Haare zu einem hohen Zopf gebunden hatte, lief ich aus meinem Zimmer und die Treppe herunter. Was allerdings dumm gewesen war. Ich war schnell und plötzlich bog jemand auch auf die Treppe ein und wir knallten gegeneinander. Ich taumelte zurück und machte mich schon mal für den Schmerz bereit, aber dieser kam nicht, weil mein Gegenüber schnellere Reaktionen hatte und mich sofort an beiden Armen packte und mich zu sich zog. Ich hatte die Augen fest zugekniffen, aber als der Schmerz wie gesagt nicht kam, machte ich sie langsam auf und sah in ein Meer aus dunkelgrünem Wasser.

„Was bist du denn schon so schnell unterwegs?“, fragte er mit seiner rauen Stimme und sah mich musternd an. Im ersten Moment konnte ich ihm noch nicht antworten, da mein Verstand einfach noch nicht in der Lage dazu war. Ich stand immer noch nah an Aidens Körper und hatte sogar meine Hände auf seiner Brust. Er strahlte eine unglaubliche Wärme aus, in die ich mich gerne gekuschelt hätte. Dazu kam noch sein unbeschreiblicher Geruch, der mich an meine Kindheit erinnerte. Dieser markante Geruch, kein nasses Moos, aber auch kein Lagerfeuer. Nicht süß, aber auch nicht herb. Unbeschreiblich, aber dieser Geruch ließ mein Herz schneller schlagen. Ich fühlte mich einfach zuhause.

„Ich … ich … ich wollte zu Derek“, brachte ich dann endlich heraus. Meine Hände lagen immer noch auf seiner Brust und wir waren uns auch immer noch sehr nahe, aber Aiden ließ auch nicht meine Arme los, was ich sehr begrüßte. Ich wollte ihm so nahe sein, ich wollte diesen Geruch in der Nase haben und ich wollte seine Wärme spüren.

„Er ist gegangen.“

„Wie er ist gegangen?“

„Er braucht etwas Zeit, Dylen.“ Hatte er meinen Namen schon immer so ausgesprochen? Der Klang meines Namens aus seinem Mund verhieß etwas, ein Versprechen, Sehnsucht. Es gefiel mir, es gefiel mir sehr. Oh Gott, ich musste meine Gedanken ordnen und nicht so rumdrucksen.

„Okay, aber ich muss runter.“

„Das hatten wir doch besprochen, dass du erst Mal hier bleibst.“ Ich blinzelte und schüttelte den Kopf.

„Ich muss arbeiten gehen, Aiden, und mein Dad hat heute Geburtstag, da kann ich nicht fehlen.“ Aiden sagte dazu nichts, sah mich nur an. „Meine Mom macht sich schon Sorgen, sie hat mich gestern schon angerufen, was mich ein bisschen verwirrt hat, aber egal. Bitte, ich muss wieder runter.“ Ich sah in Aidens Augen, wie er überlegte, ob er mich wirklich gehen lassen konnte. Und genau das machte mich noch nervöser. Zu wissen, dass er sich Sorgen um mich machte, war einfach zu schön. Und da kam mir die Idee. „Du kannst ja mitkommen und auf mich aufpassen.“ Das warf ihn aus der Bahn.

„Was?“

„Ja, auf die Arbeit musst du nicht wirklich mitkommen, aber heute Abend zu dem Geburtstag meines Vaters.“ Ja, super Idee, Dylen. Dann kann ich ihn weiter betrachten und vielleicht auch eine Runde mit ihm tanzen … oder auch zwei oder drei.

„Das ist keine gute Idee“, meinte er.

„Aber du willst auf mich aufpassen.“ In seinen Augen blitzte es. Er hatte erkannt, was ich vorhatte. Schade, aber aufhören würde ich nicht. „Also musst du in meiner Nähe bleiben.“

„Derek ist dafür zuständig.“

„Aber er ist nicht da. Du bist derjenige, der mich nicht gehen lassen will.“ Ich sah auf seine Hände, die immer noch an meinen Armen lagen. Er folgte meinem Blick und sah mich dann wieder an. Da war keine Scheu oder Erstaunen, dass er mich immer noch festhielt. Er wusste und wollte mich weiter festhalten. Und nach dieser Erkenntnis sah ich ihm wieder in die Augen. Ich war jetzt erstaunt, aber genau das änderte die Schwingungen zwischen uns. „Also kommst du mit mir?“, flüsterte ich und trat ein bisschen näher an Aiden heran. Ich wollte ihn wieder küssen, mein ganzer Körper sehnte sich nach seiner Nähe, aber mein Verstand wehrte sich immer noch dagegen. Nur der hatte im Moment nicht wirklich etwas zusagen. Denn Aiden und ich kamen uns immer Näher, bis wir uns wieder küssten. Es war ein leidenschaftlicher Kuss, den ich sehr genoss. Meine Hände fuhren von seiner Brust zu seinem Hals. Auch Aidens Hände wanderten von meinen Armen zu meiner Hüfte, die er etwas fester packte und mich noch mehr an sich zog. Ich ließ es zu und presste mich noch mehr an seinen warmen Körper. Als ich dann nah genug bei ihm war, löste er eine Hand von meiner Hüfte und legte sich an meine Wange, seine Fingerspitzen fuhren in mein Haar.

Nach einiger Zeit lösten wir uns und keuchten. Aber das hielt uns nicht davon ab, uns noch mal zu küssen. Diesmal ein bisschen wilder. Aiden packte mich und drückte mich gegen die Wand. Ich hielt mich an seinem Hals fest und küsste ihn ein bisschen härter, dann zog ich ihn näher an mich, damit ich seine Wärme spüren konnte. Mit einer Hand stützte Aiden sich an der Wand ab, mit der anderen fuhr er langsam unter mein Shirt und streichelte meine Haut. Als wir uns dann ein weiteres Mal trennten, keuchten wir nicht mehr so sehr, aber mein Herz schlug definitiv schneller als beim letzten Kuss. Ich sah Aiden in die Augen, doch er mir nicht in meine. Seine Pupillen bewegten sich schnell von links nach rechts und wieder zurück. Bereute er es etwa? Ich biss mir auf die Lippe und hob langsam meine Hand, um über seine Wange zu streicheln.

„Alles … okay?“, flüsterte ich und als ich seine Haut berührte, sah er mich an.

„Wir müssen damit aufhören.“ Ich schluckte. Ich musste es wagen. Also strich ich mit einem Finger zu seiner Lippe und fuhr leicht über seine Oberlippe, die von unseren Küssen leicht geschwollen war.

„Ich möchte nicht damit aufhören.“ Er löste seine Hand von der Wand und strich mir eine verirrte Strähne aus dem Gesicht. Diese Geste war einfach sanft. Er streifte nur leicht meine Wange und das brachte meinen Körper nur noch mehr zum erbeben. Und dann beugte er sich wieder zu mir herunter und gab mir einen sanften, kurzen Kuss. Ich hatte keine Zeit ihn zu erwidern, so brachte er mich dazu noch mehr von ihm zu wollen. „Willst du wirklich damit aufhören?“, hauchte ich. Nein, sag nein, sag nein.

„Wir sollten aufhören.“ Mein Herz machte einen Sprung. Er hatte nicht direkt gesagt, dass er das hier nicht mehr wollte.

„Sollten?“, hauchte ich. Ich musste einfach wissen, wie ernst ihm das hier war. Er wollte gerade ansetzten, da hörten wir Schritte. Wir sahen uns in die Augen, aber dann trennte Aiden sich von mir und drehte mir den Rücken zu. Ich sah wie er sich durch Gesicht und dann durch die Haare fuhr.

Im nächsten Moment bog auch schon Loona um die Ecke und stockte.

„Huch, was macht ihr denn hier?“, fragte sie und sah zwischen Aiden und mir hin und her.

„Wir … ich bin die Treppe zu schnell runter und bin dann umgeknickt. Aiden kam zum Glück gerade vorbei und hat mich aufgefangen“, meinte ich schnell und lächelte Loona an.

„Oh, hast du dir wehgetan?“ Ich streckte mein linkes Bein aus und bewegte den Fuß.

„Nein, tut schon gar nicht mehr weh.“ Aiden drehte sich wieder zu uns und sah mich an. Lächelnd strich ich mir die verirrte Strähne, die Aiden eben schon mal hinter mein Ohr gestrichen hatte, wieder hinters Ohr und drückte mich von der Wand ab. „Ich hab Hunger. Wann wird gefrühstückt?“

„Ich wollte dich gerade holen kommen“, meinte Loona, drehte auf dem Absatz wieder um und ging voraus. Und ich nahm meinen Verstand wieder in die Hand und folgte ihr. Allerdings drehte ich mich noch mal zu Aiden um und lächelte ihn an.

„Kommst du?“ Er sah mich an und schüttelte dann den Kopf. „Was? Du findest, ich bin unmöglich“, lächelte ich und stupste ihn an, als er neben mir war.

„Ja“, stimmte er mir zu, lächelte aber dabei. Ich biss mir auf die Lippe und folgte ihm dann. 

Kapitel 17

Kapitel 17

 

 

Sie haute mich um. Sie haute mich regelrecht um. Wie konnte ich nur so mit ihren Gefühlen spielen? Wie konnte ich sie küssen und mehr wollen, wenn ich sie doch gar nicht erst begehren durfte. Sie gehörte zu Derek, aber irgendwie war das nicht richtig. Sie fühlte sich in meinen Armen so gut an. Ihre Haut unter meinen Fingern fühlte sich so richtig an. Je länger ich in ihrer Nähe war, desto mehr wollte ich von ihr. Ich wollte sie nicht mehr nur küssen, ich wollte sie an meinem Körper spüren, ihre Haut unter meinen Fingern spüren.

Dylen saß mir gegenüber und ich konnte einfach nicht aufhören sie anzusehen. Sie unterhielt sich zwar mit Loona und Mutter, aber ihr Blick schweifte immer und immer wieder zu mir. Als sich unsere Blicke dann trafen, lächelte sie immer und drehte sich wieder zu Loona um.

Unbewusst strich ich mit meiner Zunge über meine Lippen und musste so an den Kuss von eben denken. Wäre Loona nicht aufgetaucht hätten wir uns wahrscheinlich noch öfter geküsst. Auch wenn ich gesagt hatte, dass wir das lassen sollten, hatte ich sie eigentlich wieder küssen wollen. Immer und immer wieder. Sie schmeckte einfach so süß und so verlockend, dass ich einfach das Bedürfnis hatte, sie näher an meinen Körper zu ziehen und sie noch wilder zu küssen, als vorher. Und ich wollte noch mehr von ihr. Ich wollte sie ganz.

Aber das ging nicht. Ich verstand gar nicht, wie ich mich so zu ihr hingezogen fühlen konnte. Sie war Dereks Gegenstück, nicht meins. Sie gehörte zu ihm, nicht zu mir. Und doch beobachtete ich Dylen die ganze Zeit … und es gefiel mir. Mein ganzer Körper reagierte auf ein kleines Lächeln von ihr. Dieses kleine, süße Lächeln, dass sie auch schon als kleines Kind gehabt hatte. Sie zog einfach jeden in ihren Bann, mit nur einem kleinen Lächeln. Ich wusste noch, wie sie sich früher immer von Zuhause weggeschlichen hatte, um auf irgendeinen Spielplatz zu gehen. Sie hatte nie mit den Kindern aus dem Rudel spielen wollen. Was wohl auch daran lag, dass sie kein richtiger Wolf war. Sie war etwas besonderes.

Sofort kam mir eine Szene in den Kopf. Ich sah sie vor meinem Auge, als würde ich wieder in dem Gebüsch stehen und Dylen beschützen. Sie war gerade mal acht Jahre alt gewesen und hatte sich auch schon wieder aus dem Haus geschlichen, um auf dem Spielplatz zu spielen. Allerdings war sie immer alleine auf diesem und musste erst warten, bis die anderen Kinder auch spielen kamen. Sie hatte sich immer sofort auf eine der vielen Schaukeln gesetzt und angefangen leicht zu schaukeln. Wie gerne ich zu ihr gegangen wäre, nur um sie ein bisschen fester anzuschuppsen, um bei ihr zu sein. Aber es dauerte nie lange bis die Eltern mit ihren Kindern kamen und dann fand Dylen auch schnell jemanden, der mit ihr spielte. Sie hatte sofort Spaß und konnte den Tag einfach genießen. Und abends? Nein, da wollte keiner nach hause. Alle Kinder wollten weiter spielen. Aber wie Eltern nun mal so waren, wurden die Kinder mitgeschliffen und Dylen war wieder alleine.

„Erde an Aiden, Erde an Aiden.“ Ich zuckte zusammen, als plötzlich die große Hand meines Vaters vor meinem Gesicht auftauchte und herum wirbelte. Ich blinzelte und sah zu meinem Vater herüber. „Bist du wieder unter den lebenden?“, fragte er und lächelte mich an.

„Ich ...“, fing ich an, aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte. „Ich war in Gedanken“, sagte ich dann … was ja auch stimmte. Aber welche Gedanken, musste ich ja nicht sagen.

„Dylen hat uns gerade erzählt, dass ihr Vater heute Geburtstag hat und eine Party veranstaltet wird“,erzählte Mom.

„Und sie hat gesagt, dass du mit ihr hingehen willst“, meinte Dad. Mein Blick huschte zu Dylen, die mich angrinste. Ich konnte nicht mit ihr zu ihrer Familie gehen. Das ging einfach nicht.

„Wo ist Derek überhaupt?“, wechselte ich das Thema, aber dabei konnte ich Dylen nicht ansehen, also sah ich zu Mom und Dad. Ich wusste, dass sie das nicht gut heißen würde.

„Er ist auf jeden Fall nicht mehr hier“, meinte Loona. Ja, das wusste ich auch. „Und erreichen kann ich ihn auch nicht.“

„Er sollte hier sein und sich um Dylen kümmern“, meinte ich ein bisschen leiser, obwohl mir das sehr missfiel.

„Er ist überfordert mit der Situation“, meinte Mom nur und sah dann Dylen an. „Süße, das legt sich wieder. Keine Sorge.“ Ich sah zu Dylen, die nur auf den Tisch starrte.

„Ich weiß nicht, ob es das sollte“, meinte Dylen. Sie sah bei dem Gedanken an Derek nicht wirklich glücklich aus … was mich sehr zum rasen brachte. Er hatte ihr so weh getan und jetzt spielte er sich so dermaßen auf.

„Ich weiß, dass Derek dich schon einmal verlassen hat, aber wenn er ein bisschen Dampf abgelassen hat, dann wird er das nie wieder tun“, versuchte Mom sie aufzumuntern, aber das gelang nicht. Weil ich glaubte, dass sie noch nicht mal deswegen so traurig war. Nein, es hatte nichts mit Derek zu tun, weil sie nichts mehr für Derek empfand. Klar, reagierte sie in seiner Nähe, sie hatten ja auch eine Vergangenheit miteinander, aber sie küsste mich … und das nicht nur einmal.

„Das wird schon“, meinte Mom und lächelte. Dylen lächelte sie nur aus Höflichkeit auch an.

In dem Moment kamen die Bediensteten aus der Küche, um aufzuräumen. Sadie war auch dabei und trat neben mich, um meinen Teller wegzuräumen. Sie streifte meinen Arm und zuckte dann zusammen.

„Tut mir leid“, murmelte sie.

„Kein Problem, Sadie“, lächelte ich sie an. Sie lief sofort rot an und biss sich auf die Lippe. Aus Mutters Richtung kam ein Geräusch und erst als Sadie wieder in der Küche verschwunden war kicherte sie. Wir alle sahen sie an und Dad verdrehte die Augen. Sie stupste ihn an und streckte ihm die Zunge raus.

„Sadie steht so was von auf dich, Aiden und du bekommst es gar nicht mit“, meinte sie.

„Klar, weiß er es, nur er lässt sie nicht an sich ran, weil er einfach selbstgefällig ist“. Regte Loona sich auf und funkelte mich böse an.

„Das ist nicht wahr“, verteidigte ich mich. Ich wusste zwar, dass Sadie auf mich stand, aber ich ging einfach nicht darauf ein, weil ich sie nicht verletzten wollte. Ich kannte Sadie jetzt schon etwas länger und sie war eine der Frauen, die eine Beziehung brauchten und keinen Mann für eine Nacht, denn genau das konnte ich ihr nur bieten … denn mein Herz war nicht mehr zu verschenken.

„Dein Bruder ist nicht selbstgefällig“, nahm Mutter mich in Schutz. „Er liebt nur sein Leben und massenhaft Frauen.“ Ich seufzte und lehnte mich zurück.

„Nein, ich kann ihr einfach nichts bieten, also lasse ich sie erst gar nicht an mich heran“, meinte ich nur und mein Blick traf den von Dylen. Ja, Aiden, du bist echt ein Held. Lässt Sadie nicht ran knutschst aber mit Dylen herum. Das ist wirklich edel. Verdammt.

Dylen sah kurz wieder auf den Tisch, stand aber dann auf.

„Ich mache mich dann fertig“, meinte sie und sah meine Eltern an. „Wir werden uns ja noch mal sehen.“ Mom nickte und Dylen ging.

„Also wirst du sie nicht begleiten?“, fragte Vater, als Dylen aus dem Saal war. Ich ballte meine Hände und stand auch auf, ohne ihm zu antworten.

„Aiden?“, fragte Mom.

„Ich kann nicht mit zu ihrer Familie“, meinte ich nur.

„Das ist auch vernünftig“, mischte sich auch Loona ein. „Du solltest dich von ihr fernhalten.“ Ich sah sie an, sagte aber nichts. Mutter und Vater standen auch auf und gingen an mir vorbei.

„Hört auf euch zu streiten“, meinte Mom nur und dann waren die zwei auch schon aus dem Speisesaal verschwunden. Zwischen mir und Loona wurde es still. Aber nicht für lange. Sie war auch aufgestanden und hielt sich jetzt an ihrem Stuhl fest. „Ich weiß, dass ihr euch eben geküsst habt“, sagte sie leise. Ich ballte meine Hände noch fester zu Fäusten, sah Loona aber nicht mehr an. „Wenn du weiter gehst, wird Derek erst Recht ausflippen und Vater wird dich auspeitschen, Aiden.“ Ich nickte.

„Ich weiß.“

„Warum lässt du es dann nicht? Wenn Dylen erfährt, dass du etwas mit ihrer Schwester hattest, wird sie das nicht so toll finden.“

„Ich kann nicht anders, Loona. Ich weiß auch nicht, was das ist, aber ich muss in ihrer Nähe sein.“

„Und dann? Sie wird früher oder später erfahren, was du alles getan hast. Das du auf sie aufgepasst hast und wenn sie wirklich etwas für dich empfinden sollte, wird sie dich hassen, weil du ihr keine andere Wahl gelassen hast, als das sie sich in dich verliebt.“ Ich wollte widersprechen, aber Loona hatte Recht. Ich hatte Dylen keine Chance gegeben, mich kennen zulernen. Ich hatte sie bei der erst Besten Gelegenheit geküsst. Ich hatte nicht daran gedacht, dass sie mich nicht kannte. Ich war für sie ein Fremder gewesen, der sie einfach so küsste, der einfach so in ihr Leben platzte und ihr einen Kuss stahl, der sie total verwirrt hatte. Und irgendetwas musste dieser Kuss ja ausgelöst haben, sonst würde sie mich nicht küssen … würde sich keine Sorgen um mich machen. Mir kam wieder die Szene in der Gasse in den Kopf. Ich hatte gegen diese Dämonen gekämpft, aber plötzlich hatte mich jemand gerufen. Ich hatte ihre Stimme sofort erkannt. Dylen hatte mich gerufen, aber sie hatte nicht meinen Menschlichen Namen benutzt, nein, sie hatte den Gott gerufen. Ares. Sie konnte nicht wissen, wer ich war. Ich hatte nicht darüber nachgedacht, ich hatte nur noch an sie denken können und daran sie zuretten. In Windeseile hatte ich die Dämonen besiegt und hatte mich auf den Weg zu ihr gemacht. Einen Schock hatte ich bekommen, als ich sie auf dem Boden kauern sah.

„Bitte tu nichts falsches“, holte Loona mich zurück und ging auf die Türen zu. „Ich will nicht, dass dir etwas passiert.“ Das war schon zu spät. Wenn Derek nur in Dylens Nähe kam, würde er wissen, dass ich sie wieder angefasst hatte. Er würde mich auf ihren Lippen schmecken. Und wenn das geschah, würde ich nicht mehr davon kommen. Ich wusste, dass Dylen zu Derek gehörte und hatte sie trotzdem wieder geküsst. Das hieß: auspeitschen. Und Derek würde darauf bestehen.

Ich musste mich wirklich von ihr fernhalten. Ich musste ihre sanfte Haut unter meinen Fingerspitzen vergessen, musste ihren süßen Geschmack vergessen, musste ihren süßen Duft vergessen. Sie war tabu!

 

Nachdem ich mich umgezogen hatte – ich konnte mit der königlichen Tunika nicht runter auf die Erde – hatte ich mich auf den Weg in den Thronsaal begeben. An der großen Flügeltreppe war ich allerdings stehen geblieben und hatte zu der Zimmertür gesehen, hinter der Dylens Zimmer verborgen war. Ich war so froh gewesen, dass sie nicht bei Derek einquartiert war. Wenn er nicht verschwunden wäre, hätte er sie sicher wieder zu Sachen gezwungen, die sie nicht machen wollte. Denn mit ihm zu schlafen hatte sie bestimmt nicht noch einmal gewollt. Ich erinnerte mich an gestern, wie sie und Skyler darüber geredet hatten und Dylen hatte nicht wirklich glücklich ausgesehen. Und doch hatte sie es zugelassen, weil ihr Körper einfach noch auf Derek reagierte. Sie hatte ihn wohl wirklich geliebt und er war – wie immer – einfach abgehauen, weil er es einfach nicht schätzen konnte, eine Frau für länger zu behalten. … Obwohl ich ja nicht anders war. Nur der Unterschied zwischen ihm und mir war, dass ich klarstellte, dass ich nichts festes wollte. Ich blieb auch nicht eine Woche lang bei einer Frau, damit sie sich in mich verliebte. Eine Nacht und dann war es vorbei. Nur einmal hatte ich jemanden an mich heran gelassen … ein einziges Mal.

Daphne.

Ja, und wäre sie nicht gestorben hätte ich ihre Familie gespalten. Sie hatte ihren Verlobten verlassen wollen, um mit mir zusammen zu sein. Und nicht nur ihren Verlobten. Sie wollte ihr Rudel und ihre Familie verlassen, die sich um noch ein Mädchen vergrößern sollte. Ich hatte sie gebeten noch zu warten, sich alles noch mal zu überlegen. Ich hatte sie geliebt, mehr als mein Leben und genau deswegen, wollte ich nicht, dass sie ihres nur für mich aufgab. Dazu kam noch, dass ich genau wusste, dass sie nicht mein Gegenstück war und doch hatte ich sie geliebt.

Aber Derek spielte nur mit den Frauen. Allerdings kam er damit bei Dylen nicht weit. Durch ihre Abwehrhaltung und das ständige Anmotzen wusste ich, dass sie eigentlich nichts mehr für Derek empfand. Dafür hatte er ihr einfach zu weh getan. Und ein weiterer Grund waren unsere Küsse, unsere Berührungen. Sie würde das alles nicht zulassen, wenn sie noch Gefühle für ihn hatte … oder überhaupt bereit dafür war, wieder etwas für ihn zu empfinden.

„Wirst du sie jetzt begleiten?“, fragte Mutter sofort, als ich in den Thronsaal eintrat.

„Hast du heraus gefunden, wo Derek steckt?“, stellte ich eine Gegenfrage.

„Er hat sich gemeldet“, antwortete mir Vater. „Er macht sich auf den Weg um Seth zu suchen.“

„Und was ist mit Dylen? Er fängt einfach so an unsere Brüder zu suchen, ohne einen Gedanken an Dylen zu verschwenden?“Das war komisch. Er war doch so erpicht darauf, dass sie jetzt zu ihm gehörte. Warum sollte er sie also alleine lassen?

„Doch, hat er“, ertönte hinter mir Dylens sanfte und melodische Stimme. Ich schloss die Augen und ließ es zu, dass ich den Klang ihrer Stimme genoss. „Er hat mich angerufen und gefragt, ob ich mit ihm gehe.“

„Und jetzt bist du hier, um dich zu verabschieden?“, stellte Mutter fest.

„Ja, aber ich werde ihn nicht begleiten.“ Sofort machte ich meine Augen wieder auf und sah Dylen an, die mittlerweile neben mir stand. Sie trug immer noch die Jeans und das T-Shirt, allerdings hatte sie sich noch einen Blazer angezogen. „Ich muss arbeiten gehen und zu dem Geburtstag meines Vaters.“ Sie machte eine kleine Pause und sah mich dann an. „Würdest du mich runter bringen?“ Zu ihren Füßen hatte ich schon ihre Tasche erblicken können, also war sie Start klar.

„Du kannst nicht alleine nach unten“, protestierte meine Mutter. „Es ist zu gefährlich.“ Vater nickte.

„Du solltest sie begleiten, Aiden“, sagte er, meinte es aber als einen Befehl und dem hatte ich eigentlich nichts gegen zu bringen, aber ich musste.

„Vielleicht sollte ich mit Derek tauschen“, meinte ich, aber Dylen rief sofort dazwischen.

„Nein!“, rief sie und sofort lagen alle Blicke auf ihr. Sie wurde leicht rot und biss sich auf die Lippe. „Also … Ich meine … also.“ Ich wusste, was sie meinte, aber wenn Mom das auch herausfand, war das nicht so gut. Auch Loona funkelte mich an. Sie hatte auch verstanden, worum es ging.

„Das ist eine gute Idee“, mischte sie sich auch ein, aber keiner hörte ihr so wirklich zu. Dylen sah hilfesuchend zu mir. Aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte.

„Lass Derek da mal aus dem Spiel. Ich denke, er muss erst einmal mit dem Gedanken klar kommen, dass er jetzt eine Frau zuhause hat“, meinte Vater und lächelte Dylen an. Allerdings gefiel mir dieses Lächeln nicht wirklich. Es sagte irgendetwas aus. Aber was wusste ich nicht.

„Dann verschwindet, aber Aiden“, hielt meine Mutter uns noch auf. „Lass dich auch blicken und melde dich. Ihr müsst das nicht alleine meistern.“ Ich verdrehte die Augen und Dylen hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht zu kichern.

„Ja, Mutter“, meinte ich nur und nahm mir Dylens Tasche. Dann hielt ich ihr meine Hand hin, aber sie schlang sofort ihre Arme um meine Mitte und drückte sich an mich. Ihre Augen kniff sie ganz fest zu.

„Bitte kein Schwindelgefühl“, bat sie mich bestimmt zwanzig Mal. Ich lächelte nur, legte meinen Arm um sie und dematrealisierte uns. 

Kapitel 18

Kapitel 18

 

„Ob das gut geht“, murmelte Loona, als sie ihr Kleid hoch hob und zur Tür trottete. Erst achtete ich nicht auf ihr Gesagtes, weil ich immer noch auf die Stelle starrte, an der mein Sohn und Dylen eben noch gestanden hatten. Sie hatte sich sehr an Aiden geklammert und auch sonst lächelte sie ihn immer so an.

„Hast du das auch bemerkt?“, holte Xander mich aus meinen Gedanken. Ich strich mir über die Wange und starrte immer noch auf die Stelle.

„Was genau meinst du?“, fragte ich. Ich wusste, was er meinte, aber irgendwie wollte ich es nicht wahr haben.

„Aiden und Dylen.“

„Ich habe noch nie diesen Ausdruck in seinen Augen gesehen“, murmelte ich und erinnerte mich an das Frühstück heute morgen. Er hatte sie die ganze Zeit beobachtet und dieser Blick in seinen Augen hatte einfach Bände gesprochen.

„Was ist bloß los mit ihm? Kann er sich nicht mal in eine ungebundene Frau verlieben?“, verzweifelte ich. „Ihm wird nur weh getan.“

„Aber hast du auch Dylen gesehen?“, stupste Xander meine Gehirnzellen an und schlenderte vor meinem Thron hin und her. Dylen? Sie … oh Gott. Sie hatte ihn genauso angesehen.

„Meinst du, da läuft was?“, fragte ich ihn. Xander drehte sich zu mir um und zuckte die Schultern.

„Aber da ist etwas zwischen ihnen.“

„Aber das kann nicht sein, die Sterne lügen nicht, Xander!“ Er kam auf mich zu, stützte sich auf den Lehnen den Throns ab und küsste erst meine Linke und dann meine Rechte Wange.

„Vielleicht hast du sie auch nur falsch gelesen“, flüsterte er und küsste mich dann auf die Lippen. Die Sterne falsch gelesen? Das kann nicht sein. 

Kapitel 19

Kapitel 19

 

„Und du hast ihn nicht in dein Bett geschleift und es mit ihm getrieben?“

„Sky!“, rief ich aus und sah mich in meinem Büro um, aber die Türen waren fest verschlossen. „Lass den Quatsch.“

„Warum? Du knutschst die ganze Zeit mit ihm rum und dabei kommt nichts raus?“ Ich hatte ihr von Aiden erzählt, von den Küssen, nach denen ich mich immer mehr sehnte, aber mehr auch nicht. Ich wusste nicht, ob ich ihr erzählen sollte, dass ich eigentlich zu Derek gehörte und eine Göttin war. Aber auf der anderen Seite war sie meine Beste Freundin und mit irgendjemanden musste ich darüber reden … und meine Familie war bestimmt die letzte Anlegestelle, wo ich darüber reden würde. Also musste Skyler wohl herhalten.

„Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist“, murmelte ich und knetete meine Hände. Sollte ich es ihr sagen, oder sollte ich es ihr nicht sagen? Ich musste es ihr sagen, ich musste es irgendjemanden erzählen.

„Warum das denn? Deine Eltern haben noch kein Wort davon gesagt, dass du Bec versprochen bist oder sonst einem Werwolf, also kannst du dir doch jeden Mann nehmen auf den du stehst“, meinte sie und sah mich böse an. Und bevor ich noch etwas sagen konnte, hob sie die Hand. „Und du kannst mir auf keinen Fall sagen, dass du nicht auf Aiden stehst. Nachdem du diesen Text über ihn und euren Gassen-Kuss geschrieben hast, war mir schon klar, dass er deinen Verstand vernebelt hat und jetzt redest du von vielen Küssen. Verdammt, Dylen, schnapp ihn dir.“

„Das geht nicht, Sky“, murmelte ich wieder leise und biss mir auf die Lippe. „Ich gehöre zu Derek“, versuchte ich noch leiser zu sagen, aber durch den Aufschrei von Skyler wusste ich, dass sie es gehört hatte.

„Wie du gehörst Derek? Derek ist kein Wolf.“

„Psst“, machte ich und legte mir meinen Zeigefinger auf die Lippen. „Sei doch leise.“ Sie presste die Lippen zusammen, machte sich etwas kleiner und nickte dann.

„Okay“, sagte sie in einem Flüsterton. „Aber was hat das zu bedeuten? Derek?“ Sie machte eine kleine Pause und als ich es ihr erklären wollte, redete sie auch schon weiter. „Ich meine, du warst erst vorgestern mit ihm im Bett, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass du mit ihm zusammen sein willst, geschweige denn, ihn heiraten.“

„Darf ich auch was dazu sagen?“, fragte ich ganz schnell, bevor sie weiter brabbeln konnte. Ein weiteres Nicken gab mir die Erlaubnis zu reden. „Ich weiß, es hört sich komisch an, aber du musst sofort verstehen, weil ich es nicht tausend Mal erklären will. Also: ich bin eine Göttin, Hebe die Göttin der ewigen Jungend, und somit das Gegenstück zu Derek oder auch Herakles Gott der Athletik“, sagte ich in höchst Geschwindigkeit, aber ich war mir ganz sicher, dass Skyler mich verstanden hatte, da ihr keine Sekunde später der Kiefer herunter klappte und ich glaubte, dass sie ihn jetzt für eine Weile nicht mehr benutzen würde. Aus ihrem Mund kamen irgendwelche Laute oder auch Wörter, aber durch ihren schlaffen Unterkiefer, konnte ich kein Wort verstehen.

Aber dann, plötzlich, schossen ihre Hände nach oben, ihr Mund ging wieder zu und sie schloss ihre Augen.

„Warte, warte, warte, warte“, sagte sie bestimmt acht Mal hintereinander. „Kein Aiden? Derek? Du, Göttin der ewigen Jugend?“ Bei jedem der drei Dinge nickte ich. Das erste traf mich am meisten. Ich weiß, es war lächerlich, ich kannte Aiden noch nicht so lange und doch … hatte ich das Gefühl, dass er schon lange in meinem Leben war. Ich hatte keine Angst vor ihm und meine Haut kribbelte immer, wenn er in der Nähe war. Ich musste ihn einfach necken oder mich mit ihm streiten und doch konnte ich meine Finger nicht von ihm lassen. Er machte einem Angst, ja, weil er einfach diese Ausstrahlung hatte, aber seit der ersten richtigen Begegnung mit ihm in der Gasse … war es um mich geschehen. Dieser Kuss. Wenn auch ungewollt. Er hatte mich und dann auch wieder nicht. Es war zum Haare ausreißen … was ich lieber nicht wörtlich tat.

„Aber du liebst Derek nicht … nicht mehr“, hörte ich Skyler wieder zu. Ich wusste nicht, ob sie noch etwas davor gesagt hatte. Die Erkenntnis, dass Aiden mich um seinen kleinen Finger gewickelt hatte, war einfach … wahr. Und wenn ich ehrlich war, war es mir auch egal. Ich wollte an seinem kleinen Finger hängen, egal wie, ich wollte zu ihm. „Oder doch?“ Ich schüttelte den Kopf.

„Derek ist super, versteh mich nicht falsch, aber als er mich verließ, hat er mir so wehgetan … ich kann ihm nicht verzeihen.“

„Musst du mit ihm zusammen kommen? Ich meine er ist unsterblich und du bist es nun mal nicht ...“

„Nein, muss ich nicht. Es ist so, dass die Macht in mir auch verschwindet. Ich bin auserwählt ja, aber wenn ich mich nicht mit meinem Gegenstück verbinde, dann sucht sich die Macht nach meinem Tod jemanden anderen. Ich müsste mich nicht mit Derek verbinden“, erklärte ich. Skyler hob wieder eine Hand.

„Zu Derek kommen wir gleich wieder“, räumte sie ein. „Aber die Macht? Also ist es wahr, dass die Göttin aller Göttinen ihre Macht gespalten hat und diese ist in verschiedenen Frauen?“ Ich nickte.

„Und diese sind die Gegenstücke, zu den Unsterblichen.“ Sie nickte und blieb still.

Eine Minute verstrich.

Zwei.

Drei.

„Okay, okay. Zurück zu Derek. Du musst dich nicht mit ihm verbinden ABER?“ Ich seufzte und lehnte mich auf meinem Stuhl zurück. „Aber?“, drängte mich Sky.

„Aber Dragana und Xander wissen von unserer Affäre und Derek hat mich auch schon als Sein abgestempelt … ich kann nichts mehr dazu sagen.“

„Als Sein?“ Ich nickte. „Wie krank. Und er nimmt an, nur weil du wieder mit ihm geschlafen hast, dass du ihn liebst?“

„Verdammt, ich hab alles getan, damit er das nicht mehr denkt und doch ist er der festen Überzeugung, dass ich zu ihm gehöre.“

„Dabei willst du ganz allein Aiden gehören“, meinte Sky in einer hohen Stimme, faltete die Hände zusammen und blinzelte übertrieben mit ihren Wimpern. Ich streckte ihr die Zunge raus und wurde leicht rot.

„Ich darf das nicht mehr mit ihm tun.“

„Was?“ Skyler grinste mich an. Sie wollte, dass ich wieder an Aiden dachte, sie wollte mich damit ärgern.

„Du weißt genau, was ich meine.“

„Nein, das ist mir gerade entfallen.“ Sie grinste noch breiter. „Meinst du Aiden?“ Ich biss mir auf die Lippen und hatte sofort sein Bild vor Augen. Dieser große, rohe, gefährlich aussehende Unsterbliche, der eigentlich total lieb und sanft war. Sah sein braunes kurzes Haar, durch das meine Finger einfach so hindurch glitten, sah seine dunkelgrünen Augen, in denen ich versinken konnte, in denen ich mich zuhause fühlte. Spürte seine Lippen auf den meinen. Schmeckte seinen markanten Geschmack auf der Zunge, seinen herben und doch süßen Geschmack.

„Hör auf. Ich muss mich mit Derek einlassen.“

„Okay, okay, jetzt ernsthaft. Aber du musst doch etwas dagegen tun können.“

„Ich müsste mit Derek mal darüber reden, aber das wird schwer. Er ist der Meinung, dass ich ihn einfach lieben muss. Er hat Aiden einfach so geschlagen und angenommen Aiden hätte mich mit Gewalt geküsst, dabei habe ich ihn ja auch geküsst.“

„Warte, warte, stopp. Geschlagen?“

„Ja, ich weiß auch nicht, aber irgendwie ist das bei denen so. Aiden wusste, dass ich Dereks „Seelenverwandte“ bin und hat mich trotzdem geküsst und dafür muss Aiden bestraft werden.“

„Wie hirnverbrannt.“

„Du sagst es. Gestern ist er noch mit einem blauen Augen davon gekommen … aber die Küsse von heute Morgen.“ Ich brach ab, weil ich sofort wieder an Aiden denken musste. Diese elektrisch geladene Stimmung zwischen uns war einfach überwältigend.

„Ihr habt euch heute Morgen schon wieder geküsst?“ Skyler bekam wieder große Augen. „Ich glaube, dich hat es wirklich erwischt.“ Seufzend vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen.

„Es ist so anders mit Aiden. Zwar habe ich noch nicht viel mit ihm geredet, weil ich einfach nur an seine warme Haut und seine Küsse denken muss, aber die haben es echt in sich.“ Meiner Kehle entlockte sich ein leises Stöhnen. Aus Skylers Richtung hörte ich ein Kichern, also nahm ich meine Hände von meinem Gesicht und sah sie an.

„Erzählt weiter“, meinte sie nur. Ich wurde leicht rot im Gesicht, lächelte aber.

„Hör auf“, fuhr ich sie an. Sky zuckte nur mit den Schultern und lächelte.

„Ich will dir doch nur helfen.“

„Das hilft mir nicht.“

„Doch, du musst herausfinden wen von den dreien du liebst.“ Drei? Ich sah sie bestimmt total verwirrt an, denn Skyler erklärte mich die Drei. „Derek, Aiden und Bec.“ Stöhnend sank ich etwas weiter auf dem Stuhl herunter.

„Also Bec können wir streichen. Für ihn empfinde ich nur Freundschaft.“ Skyler malte in die Luft einen Hacken. Den hätte sie schon am Anfang machen können.

„Kommen wir zu Derek.“ Dafür setzte ich mich ordentlich auf den Stuhl. „Wenn du an ihn denkst, was spürst du da?“ Sofort wurde ich wütend und seine Befehle hallten in meinem Kopf wieder.

Du wirst das machen, was ich dir sage. Du gehörst jetzt zu mir.

Du hältst dich daraus.

Sei einfach still.

Du bist die meine.

Meine Hände ballten sich von selbst und mein Gesichtsausdruck wurde härter.

„Wow, das war jetzt mal eine Reaktion“, war Sky erstaunt.

„Hätte er nicht einen auf Obermacker gemacht und mich als sein Eigentum abgestempelt, wäre die Reaktion vielleicht anders“, brummte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Aber ich musste ehrlich sein. „Allerdings reagiert mein Körper noch auf ihn“, räumte ich ein. Wie sollte er auch nicht? Die Woche vor einem halben Jahr mit Derek war wunderbar gewesen. Wir hatten stundenlang geredet, klar hatten wir auch Sex, aber wir hatten auch viel gelacht. Und dieses ganze Paket hat mich einfach schwach gemacht. Als ich mir dann wirklich sicher war, hatte ich ein Festmahl gekocht, aber Derek war nicht aufgetaucht. Er hatte mich sitzen lassen und mir das Herz gebrochen. Das konnte er einfach nicht wieder gut machen. Und mit seinem besitzergreifenden Verhalten hatte er nur noch alles schlimmer gemacht.

„Ihr habt ja auch eine Geschichte. So einfach wirst du ihn nicht vergessen.“ Ja, das war mir auch klar … aber ich konnte mich nicht an ihn binden. Wir gehörten nicht zusammen, weil ich ihn einfach nicht mehr liebte. Aber ich konnte den einen – zu dem ich wohl gehörte – nicht abweisen und mir den anderen nehmen. Dieser Gedanke der darauf folgte kam schnell und schmerzte, sodass ich es nicht wagte es auszusprechen oder in einen wirklichen Gedanken zu fassen. „Also musst du dich von beiden trennen und doch Bec nehmen“, sprach Skyler meine Gedanken dann doch aus.

„Ja“, murmelte ich und starrte auf den Bildschirm meines PCs.

Plötzlich klopfte es an meiner Bürotür und Sky und ich schreckten hoch.

„Ich bezahle euch nicht zum quatschen“, ertönte die Stimme von Mikel, unserem Boss. Er meinte das nicht böse, das sah man an dem Zwinkern, was er uns als nächstes zuwarf. Skyler erwiderte das Zwinkern und lächelte ihn verführerisch an. „Dylen, bist du schon mit deinem Blog fertig?“, fragte Mikel mich und blieb in der Türe stehen.

„Ja, ich wollte ihn nach meiner Pause noch mal überarbeiten und dann stelle ich ihn rein“, lächelte ich und Mikel nickte.

„Sehe ich dich heute Abend, Sky?“

„Heute nicht, Mikel, ich bin auf dem Geburtstag von Dylens Vater eingeladen“, meinte Skyler. „Aber morgen habe ich zeit.“ Er lächelte sie an und ging dann nickend raus.

„Schon wieder?“, fragte ich und machte meinen PC an. Skyler grinste nur und nickte heftig. „Das wird aber so langsam ernst, oder?“

„Nein, nein. Nur Sex.“ Ich verdrehte nur die Augen und schüttelte den Kopf. „Was du auch mal versuchen könntest. Nicht nachdenken, nur machen.“

„Auf keinen Fall“, stritt ich ab.

„Tu es doch einfach mal.“ Ich stritt es schon wieder ab. Sky seufzte. „Aber du hast Recht. Du verliebst dich einfach zu schnell.“ Jetzt seufzte ich.

 

Nach der Arbeit war ich zufuß nach hause gegangen. Obwohl Aiden gesagt hatte, dass ich ihn anrufen sollte, wenn ich Feierabend hatte, aber ich hatte einfach diese zwanzig Minuten Heimweg für mich alleine gebraucht. Aber ich hatte eh nur an Aiden gedacht, an ihn und unsere Beziehung und wie ich das alles hier schaffen sollte. Ob ich mich wirklich auf Derek einlassen sollte oder ob ich einen klaren Schlussstrich ziehe und einfach den Werwolf heirate, den meine Eltern für mich bestimmt hatten. Wer wohl oder übel Bec sein würde.

„Du solltest mich anrufen“, wurde ich von Aiden begrüßt, als ich zuhause ankam. Er saß auf den Treppen die zur Veranda führten. Ich biss mir auf die Lippe und sah ihn an. Sein Gesicht war etwas grimmig und dadurch krümmte sich die Narbe über seinem Auge ein bisschen.

„Es tut mir leid, aber ich … ich musste nachdenken“, meinte ich und ging an ihm vorbei.

„Nachdenken?“ Als ich die Türe aufschloss, hörte ich wie Aiden aufstand und direkt hinter mir stehen blieb. Mir stieg sein unglaublicher Duft in die Nase. Nicht süß, auch nicht herb. Kein nasses Moos und auch kein Lagerfeuer. Ich konnte es nicht beschreiben, aber mein Körper reagierte sofort darauf. Mein Herz schlug schneller und die Haare auf meinen Armen stellten sich auf. Ich konnte gerade noch verhindern, dass ich anfing zu keuchen.

„Ja, was ich gleich anziehe“, redete ich mich schnell raus … was total bescheuert war, weil darüber hätte ich auch nachdenken können, wenn er mich abgeholt hätte.

„Was du anziehst?“ Ich hörte aus seiner Stimme argwohn. Verständlich, aber ich wollte ihm nicht die Wahrheit sagen. Also drehte ich mich zu ihm um und stemmte die Hände in die Hüfte.

„Ja, was ich anziehe. Für Frauen ist so etwas wichtig“, motzte ich ihn an. Ich wollte ernst bleiben, aber irgendwie ging das nicht, als sich ein Lächeln auf Aidens Gesicht schlich. Er sah gut aus, wenn er lächelte, nicht mehr so bedrohlich. Aber ich wollte ihn weiter ärgern. „Was lächelst du denn jetzt so blöd?“

„Ich lächle blöd?“

„So ein bisschen“, grinste ich. Aiden schüttelte nur den Kopf, ABER er lächelte immer noch. Ich drehte mich um und ging ins Haus, Aiden folgte mir.

„Und worüber hast du wirklich nachgedacht?“ Ich blieb sofort stehen, mit dem Rücken zu ihm. Konnte ich es ihm sagen? Wollte ich es ihm sagen? „Wenn es etwas mit Derek zutun hat, dann kannst du mir das sagen. Er wird nicht immer so bleiben.“ Mit Derek? Was war los mit ihm? Wir hatten uns eben doch noch geküsst, warum dachte er, dass mir Dereks Verhalten nahe ging?

„Derek“, murmelte ich und drehte mich zu Aiden um. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und lehnte in der Eingangstür. „Warum denkst du, dass ich an Derek und sein Verhalten denke? Wir haben uns eben schon wieder geküsst, Aiden, meinst du, dass ich Derek wirklich lieben würde, wenn ich deine Küsse erwidere?“ Er hatte das Lächeln nicht mehr auf seinen Lippen. Warum auch? Das war ein unangenehmes Thema, da konnte man nicht lächeln.

„Wir müssen damit aufhören.“

„Das sagtest du schon auf der Treppe“, murmelte ich. „Willst du, dass ich ihn liebe?“

„Das hat mich nicht zu interessieren.“ Ja, das war klar.

„Und warum nimmst du Derek in Schutz?“

„Weil er mein Bruder ist.“ Ich warf meine Arme in die Luft und schüttelte den Kopf.

„Ist das dein Ernst? Er hat dich verprügelt ...“

„Weil ich dich angefasst habe, das war sein Recht.“ Mein Unterkiefer klappte herunter. Er fand, dass Derek das Recht hatte, ihn zu schlagen? Ich verstand diese Typen nicht.

„Wie kannst du das gut heißen?“

„Es geht nicht anders. Du gehörst nun mal zu Derek und zu keinem anderen.“

„Muss ich zu ihm gehören? Was, wenn ich ihn hasse?“, regte ich mich auf und redete einfach drauf los. „Was wenn ich das gar nicht mehr möchte? Er hat mich behandelt wie das letzte Stück Dreck und denkt jetzt, ich würde zu ihm zurück kommen, nur weil ich sein Gegenstück bin. Aber da hat er sich geschnitten. Ich liebe ihn nicht und ich möchte auch nicht mehr mit ihm zusammen sein. Und der Sex vor zwei Tagen war auch ein Fehler, den ich nicht noch mal begehen werde.“ Nachdem ich geendet hatte, keuchte ich erst einmal. Ich hatte mich so aufgeregt und mit den Armen gewedelt, weil mich nur der leiseste Gedanke an Derek wütend machte.

Stille.

Ich hatte erwartet, dass Aiden etwas sagte, wahrscheinlich um Derek zu beschützen, aber er sagte kein Wort. Er lehnte weiter in der Tür, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah mich nur an.

„Ach, du verstehst das eh nicht“, meinte ich, machte eine wegwerfende Handbewegung und lief hoch in mein Zimmer. 

Kapitel 20

Kapitel 20

 

Wie konnte ich ihm das nur so an den Kopf werfen? Aiden konnte doch am wenigstens dafür, was Derek gemacht hatte. Aber vielleicht hatte ich mir auch nur eine Antwort von Aiden gewünscht. Eine Antwort wie: Ich will auch nicht, dass du mit ihm zusammen kommst. Oder Nein, du sollst ihn nicht lieben. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr wusste ich, dass ich genau das aus Aidens Mund hatte hören wollen. Aber er hatte es nicht gesagt, er hatte rein gar nichts gesagt. Das half mir aber jetzt auch nicht. Ich musste mich auf den Geburtstag meines Vaters konzentrieren. Wenn ich ihm das vermiese, dann wird er sauer sein und das wollte ich nicht.

Ich sah in meinen Spiegel und ließ meinen Blick über meinen Körper wandern, der schon angezogen war. Ich hatte erst geduscht und mich dann angezogen, was Aiden machte, wusste ich nicht. Allerdings hatte ich unten im Bad auch die Dusche gehört und mir ihn sofort unter dem Wasser vorgestellt. Ich hatte nicht an ihn denken wollen, aber sobald ich das Plätschern des Wassers gehört hatte, konnte ich nicht anders. Ich hatte sofort das Bild von ihm im Kopf, wie er gestern mit nackten Oberkörper vor mir gestanden hatte. Mit dicken Muskelsträngen und auch den vielen Narben.

Schluss jetzt. Du musst dich fertig machen. An Aiden kannst du nachher noch denken.

Genau, ich wusste nämlich nicht, wie ich meine Haare machen sollte. Ich trug ein süßes Kleid, was mir bis zu den Oberschenkeln reichte. Das Oberteil hatte längere Ärmel, die ich ein bisschen nach oben stülpe und war schwarz. Der Rock hatte ein paar Falten und war schwarz weiß gestreift. Um meine Hüfte hatte ich einen roten Gürtel geschlungen und meine Beine zierten schwarze Overknee Strümpfe und schwarze, hohe Stiefel. Die einzige Katastrophe waren meine Haare. Erst hatte ich sie offen gelassen, dann hatte ich einen Zopf gemacht, dann einen Seitlichen Zopf, dann hatte ich sie gepflochten, aber nichts gefiel mir. Und dann hatte ich mich bei dem Gedanken ertappt, mich zu fragen, was Aiden wohl besser fand.

Nein, so einen Gedanken durfte ich mich nicht hingeben. Das war schlecht, einfach nur schlecht. Er beherrschte wirklich meine Gedanken, egal was ich tat, er schlich sich immer in meinen Kopf.

Ich fuhr mir durch die Haare und verwuschelte sie frustriert.

„Das kann doch nicht so schwer sein“, murmelte ich und kämmte sie wieder ordentlich durch.

„Sieht doch gut aus.“ Ich schreckte auf und drehte mich blitzschnell um. Im ersten Moment hatte ich so sehr gehofft, dass Aiden in der Tür stand, aber die Stimme war viel zu weiblich gewesen, als dass er es gewesen sein könnte. „Bist du heute Schreckhaft“, grinste Skyler mich an. Ich seufzte nur und drehte mich wieder um. „Hattest du Aiden erwartet?“ Durch den Spiegel streckte ich ihr die Zunge raus. „Er hat mir die Tür geöffnet und ich muss sagen, dass er richtig heiß aussieht. Er war duschen.“ Sie ließ ihre Augenbrauen tanzen. Ich hielt die Luft an und sah ihn wieder vor mir. Die braun gebrannte Haut, die Muskeln auf seiner Brust und dann stellte ich mir vor, wie vereinzeln Wassertropfen über diese wanderten und ich die Spur mit meinen Fingerspitzen nach fuhr. Seine Haut war so weich und warm. „Erde an Dylen“, holte Sky mich aus meiner Fantasie zurück. Ich schüttelte den Kopf und sah sie wieder durch den Spiegel an. „Und einen schönen Tagtraum von Mr. Love gehabt?“

„Mr. Love?“, fragte ich verwirrt.

„Ja, Aiden, ich wusste nicht, wie ich ihn sonst nennen sollte. Mr. Kiss hört sich komisch an.“ Sie grinste und ich konnte nur den Kopf schütteln. Dabei sah ich sie mir von oben bis unten an. Sie trug Hot-Pants, ein trägerloses Top und eine Weste aus Stoff, dazu Stiefeletten. Sie sah wie immer super aus. „Gibt es Frisur Probleme?“, fragte sie und nickte zu meinem Outfit. „Daran kann es ja nicht liegen, du siehst umwerfend aus. Aiden wird schon darauf anspringen.“ Schnell drehte ich mich um und stupste Sky an.

„Hör auf“, fuhr ich sie an und widmete mich dann wieder meinen Haaren. Skyler lachte nur, packte mich an den Schultern und drehte mich wieder zum Spiegel. Sie ordnete meine Haare erst und wuschelte dann durch sie.

„Lass sie so, das sieht gut aus“, nickte Skyler und sah mich durch den Spiegel an. „Ja, Aiden wird die Finger nicht von dir lassen. Das ist doch dein Ziel, oder?“

„Nein, eigentlich nicht.“

„Doch, in deinem Unterbewusstsein.“ Diesmal sagte ich nichts dazu, weil ich das auch dachte, aber auch, weil ich keine Lust hatte mit Sky weiter zu streiten. Sie grinste siegessicher. „Ich frage mich, wie er aussehen wird.“ Seufzend schnappte ich mir meine Tasche und ging an Skyler vorbei, um nach unten zu gehen. „Er kommt doch mit oder?“, fragte sie, als wir die Treppe herunter gingen.

„Ich muss“, meldete sich Aidens rauchige aber melodische Stimme, als wir unten ankamen. Er stand im Türrahmen des Wohnzimmers und Sky und mir blieben die Worte im Mund stecken. Aiden trug eine schwarze Jeans, schwarze Lackschuhe, ein weißes Shirt und ein schwarzer Blazer. Die Blazerarme krempelte er gerade nach oben, die von innen weiß waren. Sein kurzes braunes Haar war schon hoch gegelt und er sah einfach nur unglaublich aus. Das Shirt spannte sich um Aidens Brust und auch der Blazer spannte sich um seine Armmuskeln.

„Wow“, murmelte Skyler und leckte sich die Lippen. „Das wird spaßig.“ Ich stupste Skyler in die Seite, aber ich konnte nichts sagen. Ich sah nur ihn, spürte seine Hände auf mir, seinen unglaublich markanten Geruch. Und als sich unsere Blicke trafen, war ich total in seinem Bann. Es war als gäbe es nur ihn und mich. Am liebsten hätte ich mich in seinen Arm geschmissen und hätte ihn geküsst, aber nur ein Geräusch von Skyler holte mich wieder in die Realität zurück. Zudem stellte sie sich auch noch vor mich, sodass ich nicht Aiden sondern sie sah.

„Können wir jetzt los? Dein Vater flippt sonst aus, wenn wir zu spät kommen“, meinte sie und ich nickte benommen. Sie lächelte, klatschte in die Hände und hackte sich bei Aiden ein. Sie zog ihn zur Tür und fing auch schon an auf ihn ein zu reden. „Also am Anfang sah du ja richtig beängstigend aus, aber jetzt … wow … ich könnte mir echt in den Arsch beißen, dass ich dich nicht selber angesprochen habe und Dy dazu drängen musste.“ Ich sah den beiden hinterher. Aiden drehte seinen Kopf und sah über seine Schulter zu mir. Ich strich mir gerade ein paar Haare hinters Ohr und sah ihm wieder in die dunkelgrünen Augen. Und dann glaubte ich, dass er etwas sagte, aber ich konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen, aber tief in mir hoffte ich, dass ich mir das nicht eingebildet hatte.

„Ich bin froh darüber.“ Ich schüttelte meinen Kopf und als ich wieder zu Skyler und Aiden sah, sah dieser nicht mehr über seine Schulter und mir wurde klar, dass ich mir das nur eingebildet hatte. Er würde so etwas nie sagen.

Also nahm ich meinen Haustürschlüssel, lief den beiden hinter her und schloss das Haus ab.

 

Skyler redete einfach weiter und weiter und weiter. Ich hörte ihr eigentlich gar nicht mehr zu. Dylen hatte auch aufgeholt und lief jetzt neben Skyler her. Sie war in Gedanken und sagte den ganzen Weg über nichts. Ich hoffte, Skyler würde sich ein Vorbild an Dylen nehmen, aber darauf könnte ich lange warten. Sie würde nicht den Mund halten, dazu war sie ein viel zu fröhlicher Mensch, der sich jedem mitteilen musste.

Von weitem hörte man schon Musik und Stimmen. Das wird lustig werden. Warum war ich eigentlich mit gekommen? Das hatte ich mich die ganze Zeit gefragt, als ich geduscht und mich angezogen hatte. Ich hätte auch einfach auf sie warten können. Und doch hatte ich mich heraus geputzt, um Dylen zu begleiten.

Das Problem war, dass ihre Eltern mich kannten. Und auf ihre Reaktion hatte ich keine Lust. Ich wollte auch nicht, dass Dylen erfuhr, dass ich etwas mit ihrer Schwester hatte. Sie würde mich hassen. Sie würde alles an mir hassen und mich nie wieder sehen wollen … aber vielleicht war das auch gut so. Ich durfte nicht in ihrer Nähe sein, obwohl ich Daphne versprochen hatte auf sie aufzupassen. In den neun Jahren, wo ich sie alleine gelassen hatte, war ihr auch nichts passiert, aber nur weil ich sie abgeschottet hatte. Weil ich dafür gesorgt hatte, dass sie keiner fand. Ich hatte ihr eine Möglichkeit gegeben zu leben. Und warum war ich gegangen? Weil ihre Eltern mich nicht in ihrer Nähe haben wollten Sie hatten verlangt das ich gehe … aber jetzt war ich wieder bei ihr. Das würde nicht gut gehen. Und doch habe ich mich fertig gemacht und war ohne zu Murren mitgekommen. Es lag an ihr, ganz alleine an ihr. Mein Blick schweifte zu Dylen und sofort konnte ich meine Augen nicht mehr von ihr lassen. Sie sah in diesem Outfit einfach nur sexy aus. Diese Overknees und dann das kurze Kleid darauf … sie musste nur vor jemanden herlaufen und schon würde jeder Mann an ihrem kleinen, knackigen Po hängen bleiben. … Moment mal. Hatte ich das gerade wirklich gedacht?

„Dylen!“, holte mich eine kleine Jungenstimme aus meinen Gedanken. Ein kleiner braunhaariger Junge kam auf uns zugelaufen. Er trug kurze Shorts, ein T-Shirt und ein Jacket. Er rief noch drei Mal nach Dylen und hüpfte dabei auf uns zu.

„Gabriel!“, rief Dylen auf und breitete ihre Arme aus. Gabriel sprang hoch und verwandelte sich in der Luft in einen kleinen Wolf. Er hatte viele verschiedene braun Töne in seinem Fell und als er in Dylens Armen ankam, leckte er ihr erst einmal über die Wange. „Gabriel“, lachte sie und drückte ihn von sich, doch er grinste nur. „Super, Gabi, aber was ist mit deinen Sachen?“, fragte Dylen und sah den kleinen Wolf böse an. Vor ihr lagen zerrissene Kleider, die Gabriel eben noch angehabt hatte. Der Wolf machte nur eine unschuldige Miene und Dylen seufzte.

„Dylen!“, wurde es wieder gerufen, aber diesmal erkannte ich die zarte Stimme ihrer Mutter. Helena O´Conner.

„Ich bring Gabi nur schnell ins Haus“, meinte diese zu uns und ging auf die Haustüre zu. Wir standen vor dem kleinen Häuschen, wo ich früher immer vorgestanden hatte. Rechts neben dem Haus war ein Törchen, aus dem Gabriel eben gelaufen kam und an dem Helena jetzt auch stand. Skyler packte meinen Arm und zog mich weiter zu ihr.

„Du lernst jetzt Dylens Mutter kennen, wenn du ihren Segen hast, wird alles gut“, meinte sie und zog mich einfach weiter.

„Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist“, meinte ich nur. Ich hätte Skyler leicht abschütteln können, aber nur ein Gedanke an Dylen und schon, ließ ich mich mit ziehen. „Hallo Helena“, begrüßte Skyler Helena laut und strahlend. Dann zog sie mich neben sich und grinste zu mir hoch. Ich allerdings sah Helena an. Sie hatte langes dunkelblondes Haar und braune Augen. Sie erinnerte mich immer an Daphne. Sie hatten zwar nicht die gleiche Augenfarbe oder die gleiche Haarfarbe, aber der Blick, mit dem Helena mich ansah, war der gleiche, wie Daphne mich angesehen hatte, wenn sie sauer auf mich war. „Das ist Aiden“, stellte Skyler mich vor. „Aiden, dass ist Dylens Mutter, Helena.“

„Gabi, passt aber jetzt auf und überleg, ob du dich verwandelst“, ertönte Dylens Stimme und dann tauchte sie auch schon neben uns auf. Gabriel schlüpfte zwischen Skyler und mir hindurch und sprang über den Zaun.

„Ja, ich wollte dir ja auch nur zeigen, dass ich mich im Flug verwandeln kann“, rief er und sah über seine Schulter zu uns. Er trug jetzt wieder das gleiche Outfit, diesmal nur in anderen Farben. Allerdings bekam er große Augen, stolperte und machte ein paar Purzelbäume vorwärts.

„Gabriel!“, rief Helena und drehte sich zu ihrem Sohn um. Er rollte noch einmal weiter und kam dann auf den Füßen auf. Schnell klopfte er das Gras von seiner Hose und suchte nach Flecken, aber als er keine gefunden hatte, drehte er sich wieder um und grinste seine Mutter an.

„Nichts passiert“, meinte er und sah dann Augenblicklich wieder zu mir. Sein Finger hob sich und zeigte auf mich. „Du bist ein Unsterblicher“, sagte er und bekam große Augen.

„Ja, Aiden ist ein Unsterblicher und wenn du nicht nett bist, wird er dir den Hintern versohlen“, drohte Dylen mit einem Lächeln auf den Lippen. Gabriel streckte ihr nur die Zunge raus und kam wieder zu uns.

„Das macht er nicht“, meinte er und musterte mich mit seinen kleinen Augen. „Du hast ja voll viele Narben im Gesicht. Die über deinem Auge ist voll cool.“ Ich verkrampfte mich etwas und auch Helena holte tief Luft.

„Gabriel“, mahnte Dylen ihn. Er sah sie kurz an und sah dann mich wieder an.

„Tut mir leid“, entschuldigte er sich.

„Schon okay“, meinte ich nur und Gabriel lief wieder weg, allerdings rief er irgendjemanden.

„Pat, Pat, hier ist ein Unsterblicher!“, rief er beim laufen und alle Blicke fuhren zu uns. Sofort spannten sich meine Muskeln an und ich wollte meine Abwehrhaltung einnehmen, sodass alle vor mir zur Seite wichen. Aber dann legten sich Dylens sanfte Finger auf meinen Oberarm. Ich sah sie an und sie lächelte mich entschuldigend an.

„Gabi kann manchmal sehr laut und voreilig sein.“ Sie machte alles wett. Ein Lächeln von ihr und ich ließ meine Mauer sinken. Dylen nahm ihre Hand von meinem Oberarm und drehte sich zu ihrer Mom. „Habt ihr euch schon vorgestellt?“, fragte sie Helena, diese sah mich an.

„Ja, Skyler war so freundlich“, sagte Helena und nickte mir bloß zu.

„Wir haben Aiden am Samstag kennengelernt und wir fanden ihn auf Anhieb sympathisch“, lachte Skyler und hackte sich bei Helena ein. Dylen und ich folgten den beiden durch das Törchen und hinten in den Garten, wo die anderen Gäste schon auf uns warteten.

Skyler redete auf Helena ein, aber diese stoppte sie und drehte sich zu uns um. Sie fixierte mich mit ihrem Blick und ich erwiderte den Blick. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Sie dachte bestimmt nichts gutes über mich … wie konnte sie auch? Ich hätte ihr beinahe die Tochter gestohlen und jetzt dachte sie bestimmt, ich würde es mit Dylen genauso machen.

„Dylen, wir müssen reden“, meinte Helena und sah mir dabei in die Augen, in denen sich Hass widerspiegelte. 

Kapitel 21

Kapitel 21

 

Mom packte mich am Arm und zog mich ein bisschen von Aiden und Skyler weg. Was war denn jetzt in sie gefahren? Ich sah über meine Schulter zu Aiden, der wurde aber auch schon von Skyler am Arm genommen und mitgezogen.

„Was ist denn los?“, fragte ich Mom und blieb stehen. Ihren Arm schüttelte ich auch ab.

„Woher kennst du ihn?“

„Ihn?“

„Aiden.“

„Hat Skyler doch gesagt. Wir haben ihn am Samstag in dem neuen Club getroffen. Wir haben ein Spiel gespielt und ich musste ihn ansprechen. Wir haben uns verstanden und dann ...“

„Lüg mich nicht an, Dylen!“

„Es war aber so“, verteidigte ich mich.

„Ich weiß, wer er ist und er ist nicht gut für dich.“ Seufzend ging ich ein paar Schritte zurück.

„Mom, ich weiß, dass du mich nur schützen möchtest, aber ich bin alt genug und ich kann auf mich aufpassen. Ich weiß, wer er ist.“ Damit drehte ich mich um und ging zu Skyler und Aiden.

„Alles okay?“, fragte Sky sofort und ich verdrehte nur die Augen.

„Klar, wenn man Zwangsehen zu okay zählt“, brummte ich und stapfte an den beiden vorbei. Aber da rief mich schon jemand anderes. Mein Vater. Er rief mich von der anderen Seite des Gartens, kam aber in einem auch zu uns herüber. Er lächelte und man sah ihm an, dass er seinen Geburtstag genoss, aber als er dann bei uns war und neben mir zu Aiden sah, verschwand sein Lächeln. Was war nur los mit den beiden? Aiden war doch kein Serienmörder oder so. Er war nett und gar nicht so böse, wie er von außen schien.

„Aiden“, begrüßte er ihn und Aiden nickte.

„Max“, grüßte er zurück.

Ich kenne ihn, hallte Moms Stimme in meinem Kopf wieder. Also kannte Dad ihn auch. Aber woher?

„Ihr kennt euch?“, fragte ich und schaute ganz verwirrt.

„Ja“, war die Kurze Antwort meines Vaters.

„Du hast mir nichts davon erzählt“, warf ich Aiden vor.

„Ich wusste doch nichts von deinen Eltern, wie konnte ich dann wissen, dass sie deine Eltern sind?“, meinte Aiden. Da hatte er Recht. Zwar fragte ich mich immer noch, woher die beiden sich kannte, aber ich verwarf es. Es war Dads Tag und wir sollten feiern.

„Ich hoffe, es war okay, dass ich Aiden mitgebracht habe.“ Dad nickte bloß und lächelte dann wieder.

„Achso, danke für den Rasierer“, grinste er und gab mir einen Kuss auf die Wange. „Das deine Mom die Idee hatte, werde ich mal außer Acht lassen.“ Ich streckte ihm die Zunge heraus. Blödmann. „Dann amüsiert euch schön.“ Dad drehte sich um, blieb aber noch mal stehen. „Ach, bevor ich es vergesse, Dylen. Bec ist auch schon da und hat nach dir gefragt. Bestimmt schon drei mal.“

„Dann kann er ja noch drei Mal fragen“, lächelte ich. Dad sah mich böse an. „Er wird mich schon finden.“

„Und wo bleibt Derek“, flüsterte Skyler mir zu. Ich schupste sie leicht weg.

„Hör auf.“

„Was denn? Ist doch wahr.“ Ich verdrehte nur die Augen und steuerte unsere Hollywoodschaukel an, auf der gerade keiner saß. Als ich bei ihr ankam, ließ ich mich auf sie plumsen und lächelte. Skyler setzte sich in die Mitte und Aiden blieb stehen. Er sah sich die ganze zeit um, weil uns alle beobachteten. Er konnte einfach nicht entspannen.

„Willst du dich nicht setzten?“, fragte ich und nickte neben Skyler.

„Ne, lieber nicht“, antwortete Aiden mir und sah kurz hinter sich.

„Der braucht ein Bier“, meinte Skyler und stand auf. „Ich geh uns was holen.“ Sie ging einfach und wartete auf keine Antwort.

„Jetzt komm schon“, sagte ich, schnappte mir seine Hand und zog Aiden neben mich. Wir schaukelten hin und her, aber Aidens Füße stoppten uns. „Woher kennst du meine Eltern?“, fragte ich nach einer Weile.

„Das ist schon was länger her. Nichts besonderes.“

„Sie scheinen nicht gut auf dich zusprechen zu sein.“ Eine seiner Hände ballte sich zu Fäusten.

„Es war meine Schuld, ich kann es ihnen nicht verdenken.“

„Deswegen wolltest du mich nicht begleiten? Du wusstest von ihnen.“

„Ja.“ Das war blöd. Und ich hatte ihn auch noch dazu gedrängt, mich zu begleiten. Das konnte ich nicht von ihm verlangen.

„Du musst nicht hier bleiben, wenn du nicht möchtest“, meinte ich und strich mir ein paar Strähnen hinters Ohr.

„Nein, nein, schon okay. Du hast mich gebeten und mir ist deine Sicherheit wichtig.“ Sofort breitete sich ein Lächeln auf meinen Lippen aus. Er wollte aus freien Stücken hier bleiben … zwar um auf mich aufzupassen, aber das lass ich jetzt mal außen vor.

„Und was machen wir jetzt, wenn der Geburtstag meines Vaters vorbei ist?“

„Derek ist schon auf dem Weg zu Seth und wir machen uns morgen auf den Weg zu Adam. Heute Mittag war ich schon unterwegs und hab mir ein paar Informationen geholt.“ Ich nickte. Zum Glück hatte ich schon mit Mikel geredet, dass ich mir Urlaub nehmen musste, weil ich etwas wichtiges zu tun hatte. Er vertraute mir so sehr, dass er nicht nachfragte, worum es genau ging. Er hatte mir einfach Urlaub gegeben und damit hatte es sich. Allerdings musste ich Sky Bescheid sagen, dass ich für eine Weile nicht da war … und auch meinen Eltern. Das wird eine Tortur. Vielleicht sollte ich Aiden fragen, ob ich ihnen das überhaupt sagen durfte, was mit mir los war. Und ich musste mich langsam entscheiden, ob ich mich eher auf Derek einließ oder auf den Werwolf, den meine Eltern mir ausgesucht hatten, denn irgendwie hatte ich ein schlechtes Gefühl bei der ganzen Sache.

Ich rückte ein bisschen näher an Aiden und senkte meinen Kopf.

„Aiden?“, flüsterte ich und stoppte erst einmal. Erst als er mich ansah, sprach ich weiter. „Das mit diesem Götter Ding … kann ich das meinen Eltern sagen? Ich meine … es kann sein, dass sie mich schon verlobt haben und … du weißt schon, weil ich ja eigentlich zu Derek gehöre, klappt das ja nicht.“

„Du kannst es ihnen sagen“, meinte er. „Aber vielleicht gibt es einen Werwolf, den du mehr lieben könntest, als Derek. Du musst dich nicht an ihn binden, wenn du ihn so sehr hasst.“ Ich stockte sofort. Also hatte er mir ernsthaft zugehört, als ich eben so gewütet hatte.

„Es ist nicht so, dass ich Derek hasse ...“

„Aber er hat dir weggetan. Es ist klar, dass du keine Beziehung mehr zu ihm aufbauen kannst.“ Ich nickte. „Dir wäre keiner böse, wenn du dich nicht für Derek entscheiden würdest. Du musst dich auch gut dabei fühlen.“

„Und du? Hast du schon deine Seelenverwandte gefunden?“ Ich sah Aiden in die dunkelgrünen Augen, aber er sah mir nicht in die meinen. Er sah stur gerade aus, sagte aber auch nichts. Dann drehte er endlich seinen Kopf und sah mir in die Augen.

„Ich hatte gehofft, dass sie es war, aber ich hatte kein Glück. Genauso wie jetzt.“ Genau wie jetzt? Er war verliebt? Konnte …

„Bitte schön“, ertönte eine laute Stimme und schon quetschte sich Skyler zwischen Aiden und mich. „Und, über was habt ihr zwei Süßen geredet?“ Ich fuhr mir schnell durchs Gesicht und rutschte etwas zur Seite.

„Über nichts besonderes“, meinte ich nur und sah Sky an. „Wo ist denn das Trinken?“

„Dein Bruder hatte gemeint, dass er es uns bringt. Er wollte so gerne noch mal mit dem großen Unsterblichen reden“, grinste sie und stupste Aiden an. „Du bist sehr beliebt hier.“ Aiden gab nur ein Schnauben von sich. „Jetzt sag schon, worüber habt ihr geredet.“

„Das ich ab Morgen Urlaub habe.“

„Wie?“ Jetzt sah Skyler mich verwirrt an. „Jetzt verstehe ich kein Wort mehr.“

„Ich hab dir doch gesagt, dass ich eine Göttin bin und ich muss mit Aiden ein paar Sachen erledigen.“

„Mit Aiden, was?“ Sie spielte wieder mit ihren Augenbrauen. Ich verdrehte nur die Augen. „Und was sagst du deinen Eltern?“

„Weiß ich noch nicht“, seufzte ich und rutschte ein bisschen mehr in die Kissen.

„Ach, das schaffst du schon.“ Ja, hoffen wir es. Ich hatte wirklich keine Lust auf lange Diskussionen mit meinen Eltern. Und je mehr ich darüber nachdachte, war ich mir gar nicht mehr so sicher, ob ich es ihnen erzählen sollte. Wenn ich Mom gegenüber nur Aidens Namen erwähnen würde, würde sie ausflippen und Dad würde mich nicht mit ihm alleine fahren lassen. Also doch Diskussionen. Verdammt!

Im nächsten Moment kam auch schon mein Bruder mit seinem besten Freund angelaufen. Sie versuchten es auf jeden Fall. Gabriel hatte in jeder Hand ein Glas und Patrik – sein bester Freund – trug nur ein Glas. Natürlich hatte Gabi das Bier für Aiden in der Hand. Er hatte sofort einen Narren an ihm gefressen. Ich meine, warum auch nicht? Gabi hatte noch nie einen Unsterblichen gesehen und dann traf er auch noch als ersten Aiden, der die ganzen Narben hatte. Jungs und ihre Abenteuerlust.

„Aiden!“, rief Gabi schon von weitem und grinste über beide Ohren. Skyler lachte.

„Da hat jemand einen Narren an dir gefressen“, meinte sie. Ich konnte nur lächeln, denn ich war gespannt, wie Aiden mit dieser Situation umging. Ein bisschen Bier schwappte aus dem Glas, was Gabi fest hielt. Er blieb sofort stehen und ging langsamer weiter. Aiden stand auf und ging den beiden entgegen. Er nahm Pat den Cocktail ab und Gabriel gab ihm ganz stolz sein Bier. Aiden bedankte sich und Gabi ging weiter zu Skyler, um ihr den anderen Cocktail zu geben.

„Ist da auch genügend Eis drin?“, fragte Miss Diva. Gabi nickte.

„Dad hat extra gesagt, dass das für dich ist.“ Sie nickte und nahm einen Schluck. „Der ist super“, rief sie aus und trank noch mehr. Gabi fing schon an, Aiden auszufragen. Dieser Beantwortete jede Frage, drehte sich dabei zu mir um und gab mir meinen Cocktail. Dabei berührten sich unsere Finger. Es war nur kurz, aber das war egal.

„Und wie hast du die Narbe an deiner Augenbraue bekommen?“, fragte Gabi.

„Das hätte auch ins Auge gehen können, da hattest du Glück“, stimmte Pat zu.

„Jungs ...“, fing ich an, aber Aiden winkte nur ab.

„Schon gut. Die Narbe habe ich durch einen Kampf bekommen.“

„Gegen was musstest du kämpfen?“, fragten die zwei wie im Chor. Aiden sah kurz zu mir und dann wieder zu den Jungs.

„Gegen einen Dämon.“ Die zwei Jungs staunten nicht schlecht und machten große Augen, aber nicht nur sie waren überrascht, sondern auch ich. Ich wusste welcher Dämon es gewesen war. Deswegen hatte er mich angesehen. Logan hatte ihm das angetan. Der Dämon, der mich gestern mitnehmen wollte.

„Hast du oft mit Dämonen zutun?“, fragte Gabriel weiter.

„Dafür seid ihr noch zu jung“, wich Aiden aus.

„Aber wir wollen auch helfen.“ Jetzt war ich sprachlos. Was hatte Gabriel da gerade gesagt? Er wollte helfen? Er dürfte doch gar nicht wissen, was hier ablief.

„Wir wissen von den ganzen Anschlägen und wir wissen auch, dass das nicht normal ist, was hier passiert. Die Menschen sind schon grausam, aber nicht so grausam“, meinte Patrik.

„Pat und ich wollen groß und stark werden, damit wir auch helfen können.“

„Ich hoffe, dass es nicht noch so lange dauert, dass ihr auch eingreifen müsst“, meinte Aiden und ballte eine Hand zur Faust. Ihm gefiel nicht, dass auch schon jüngere begriffen haben, was hier los war. Und ich war ehrlich mir gefiel das auch nicht.

„Der große Unsterbliche, das Gesprächsthema des Abends“, ertönte eine mir bekannte Männerstimme und schon stand Bec vor unserer kleinen Truppe. „Es ist ungewöhnlich, dass wir die Ehre haben und einen Unsterblichen in unserer Mitte haben.“

„Du bist nur eifersüchtig“, warf Skyler ihm grinsend vor, dann nuckelte sie wieder an ihrem Cocktail.

„Kann sein, vor allem, wenn ich Dylen suche und nicht finde.“

„Du hast mich ja gefunden“, meinte ich und stand auf. Bec streckte sofort eine Hand nach mir aus.

„Tanzt du mit mir?“

„Muss ich ja wohl“, neckte ich ihn und nahm seine Hand an. Als ich mich noch mal umdrehte, um Aiden meinen Cocktail zu geben, zuckte dieser zusammen. Seine Haltung war ein bisschen angespannter und an seinem Hals pochte eine Ader. Er war total angespannt und seine Muskeln spannten sich auch an. Was war los mit ihm? Aber fragen konnte ich nicht mehr, weil Bec meine Hand fester packte, sobald Aiden mein Glas in der Hand hielt und mich auf die Tanzfläche zog. Ich stolperte und stieß gegen seine Brust. Bec lächelte mich an und ich war für einen Moment in seinem Blick gefangen. Er war einfach wunderschön, keine Makel zierten seine Haut. Er hatte wieder ein Lächeln auf den Lippen, was mich auch zum Lächeln brachte, aber doch war ich nicht so überzeugt von seiner Stimmung. Irgendwas war anders an ihm, aber ich konnte nicht sagen was.

„Du siehst übrigends richtig heiß aus“, meinte er und lächelte mich ein bisschen verführerisch an.

„Willst du mit mir flirten, Bec?“, fragte ich und lehnte mich ein bisschen zurück, um ihm in seine braunen Augen zu sehen. Wir tanzten schon, meine eine Hand lag auf seiner Schulter und die andere hielt Bec in seiner. Seine freie Hand lag auf meiner Taillie.

„Ein wenig, aber das habe ich doch schon immer.“ Ich strich mir mit der Hand, die auf seiner Schulter gelegen hatte ein paar Strähnen aus dem Gesicht. „Du bist wirklich wunderschön, heute noch schöner als sonst.“

„Schleimer.“ Bec drehte mich erst aus und dann wieder ein, sodass ich ganz nah an seinem Körper zum stehen blieb. Wir waren uns wirklich nahe und als Bec sich zu mir herunter beugte machte ich schnell einen falschen Schritt, damit wir auseinander gingen. „Entschuldige“, murmelte ich.

„Ist alles okay?“

„Ja, ich weiß auch nicht, was das gerade war.“ Wir tanzten weiter und Bec zog mich immer näher an sich, auch seine Hand wanderte ein bisschen weiter herunter bis zu meiner Hüfte.

„Es ist bald soweit“, flüsterte Bec mir ins Ohr.

„Für was?“

„Für eine Verkündung.“ Ich stoppte und sah Bec an. Das war nicht sein Ernst. Das konnte er nicht ernst meinen. Bec grinste und drückte mich zurück. Ich hatte nicht gemerkt, dass Bec und ich von der Tanzfläche weggetanzt waren. Aber jetzt stieß ich gegen einen Baum und Bec stemmte seine Hände neben meinem Kopf ab. An unseren Garten grenzte ein Wald, in dem ich schon oft herumgetollt war, aber das wir uns diesem genährt hatten, war mir gar nicht aufgefallen.

„Bec? Was soll das?“

„Ich würde dich gerne kosten, bevor dein Vater verkündet, dass wir verlobt sind“, grinste er und strich mit einer Hand über meine Wange. Mich kosten?

„Lass den Mist.“

„Das ist kein Mist, Dylen. Ich wollte dich schon immer mal küssen.“ Er kam mit seinem schönen Gesicht immer näher, aber daran konnte ich nicht denken. Ich konnte nur an Aiden denken und daran, dass meine Eltern mich wirklich verlobt hatten. Aber am meisten musste ich daran denken, dass ich Bec auf keinen Fall küssen wollte, dass ich ihn nicht heiraten wollte und dass ich auch Derek nicht heiraten wollte. Ich wollte nur den einen. Aiden.

„Bec, lass das. Bitte.“ Ich drehte meinen Kopf weg, sodass er nicht meine Lippen sondern meine Wange küsste. Meine Hände stemmte ich gegen Becs Brust und drückte ihn weg, aber Bec war ein bisschen stärker wie ich. Er ging ein bisschen auf Abstand.

„Ich dachte, du würdest es gut heißen, wenn wir zwei verlobt werden.“

„Ja … nein … ich … Bec, ich weiß es nicht“, sagte ich und schloss kurz die Augen. „Ich mag dich, das weißt du, aber ich bin noch nicht für eine Ehe bereit.“

„Aber für den Unsterblichen bist du bereit?“

„Was? Was redest du da, Bec?“

„Du weißt genau, wovon ich rede.“ Ich schluckte und sah ihm in seine braunen Augen. Seine Hand fuhr in meine Haare und hielt meinen Kopf fest. „Aber du gehörst jetzt mir“, flüsterte er grinsend und presste dann seine Lippen auf meine. Ich drückte mit meinen Händen gegen seine Brust und schaffte es, ihn von mir weg zu drücken.

„Hör auf damit.“

Plötzlich hörten wir ein klingeln und kurz danach ertönte die Stimme meines Vaters. Nein!

„Liebe Freunde, ich habe euch schon erzählt, dass ich heute etwas bekannt geben möchte und dazu brauche ich meine reizende Tochter bei mir“, fing er an. Bec lächelte und machte für mich platz. Ich konnte das nicht, ich wollte das nicht. „Dylen?“, rief Dad. Verdammt. Ich lief schnell zu den anderen zurück. Als sie mich sahen, machten sie platz und ich konnte in die Mitte des Gartens gehen, wo mein Vater stand. „Da ist ja mein Schatz.“ Ich lächelte Dad an und nahm seine dargebotene Hand an. „Ist sie nicht wundervoll?“

„Dad, hör auf“, murmelte ich und wurde leicht rot. Dad lächelte und redete weiter. Er redete davon wie stolz er auf mich war und was ich schon alles geleistet hatte. Peinlich. Ich allerdings sah mich in der Menge um. Als erstes sah ich Bec, der auch näher gekommen war und sich jetzt in die erste Reihe stellte, ein Lächeln auf den Lippen. Mir gefiel sein Verhalten nicht. So hatte er sich noch nie benommen. Er hatte mich noch nie zu etwas zwingen wollen. Noch nie. Und ich glaubte auch nicht, dass er damit je anfangen würde. Aber als ich meinen Blick weiter schweifen ließ, sah ich Aiden. Er sah mich an, wusste nicht, was jetzt geschah, aber doch sah ich Wissen in seinen Augen, als wenn er wüsste, was jetzt passieren würde. Sein Körper war immer noch angespannt und ein Schweißtropfen rann ihm über die Schläfe. Was war bloß los mit ihm? Aber darauf konnte ich nicht eingehen, weil mein Vater zum Ende kam. „Unsere Tradition besagt, dass eine Frau einem Mann des Rudels versprochen wird und da Dylen schon Neunzehn ist, wird es langsam an der Zeit, ihre Verlobung bekannt zu geben.“ Ich drehte mich blitzschnell zu Dad um.

„Dad ...“, fing ich an, aber er überhörte mich.

„Bec? Kommst du auch her?“ Bec löste sich aus der ersten Reihe und kam zu uns. Dad legte meine Hand in die von Bec und legte seine dann über unsere. „Ich bin so froh einen jungen und intelligenten Mann wie Bec für meine kleine Dylen gefunden zu haben.“

„Dad, ich will ...“, versuchte ich es noch mal, aber Bec drückte meine Hand.

„Ein Hoch auf Bec und Dylen“, rief Mom plötzlich und alle jubelten.

„Mom!“ Sie lächelte mich an und klatschte in die Hände. Verdammt, verdammt, verdammt. Ich musste mit ihr reden. Ich konnte das hier nicht, ich konnte doch nicht alle in dem Glauben lassen, dass ich Bec heiraten würde.

„Und jetzt noch ein Kuss“, rief irgendjemand und mein Blick schweifte sofort zu Bec zurück. Er grinste immer noch so blöd und zog mich jetzt an meiner Hand zu sich, um mich zu küssen. Vor Publikum. Aber ich konnte jetzt keinen Rückzieher machen. Ich küsste ihn einfach schnell auf den Mund und damit war es das. Schnell beugte ich mich zu Bec und gab ihm einen Kuss. Sobald sich unsere Lippen berührt hatten, trennte ich mich wieder von ihm.

„Dylen, das war doch kein Kuss“, rief Lisa, die kleine Schwester von Bec. Sie hatte strahlende Augen und starrte uns an.

„Ich … ich finde nicht ...“, fing ich an, aber Bec zog mich näher zu sich und legte mich dann über seinen Arm. Automatisch hielt ich mich an seinem Hals fest.

„Ein Kuss“, lächelte er und kam wieder näher. Scheiße! Mist! Verdammt!

Als unsere Lippen sich dann wieder berührten, küsste Bec mich richtig. Seine Zunge drang zwischen meine Lippen und stupste meine an. Was sollte ich nur tun? Ich wollte ihn nicht küssen, geschweige denn heiraten. Aber solange ich nicht mit meinen Eltern geredet hatte musste ich mitspielen … ob ich wollte oder nicht. Also erwiderte ich den Kuss kurz und drückte Bec dann von mir weg. Er ließ mich los und ich ging noch ein paar Schritte von ihm weg, damit er mich bloß nicht noch mal zu sich ziehen konnte. Denn ich musste das hier klar stellen. Sofort!

„Ich komme gleich wieder“, meinte ich nur und war dann auch schnell weg. Als ich bei Mom angekommen war, packte ich sie am Arm – so wie sie es eben auch bei mir getan hatte – und zog sie ein bisschen von den anderen weg.

„Was ist denn los?“, fragte sie und lächelte immer noch. Sie fand es super, dass ich Bec heiraten sollte, aber ich konnte nicht.

„Ich muss mit dir reden“, meinte ich und drehte mich mit dem Rücken zu den anderen.

„Bitte nicht. Ich dachte, du magst Bec“, seufzte sie.

„Ich mag Bec auch, Mom, aber ich liebe ihn nicht.“

„Das wirst du lernen.“

„Du weißt doch gar nicht, ob das überhaupt geht. Du und Dad ihr habt euch geliebt und auch Daphne hat ihren Verlobten geliebt. Ich möchte das auch.“

„Das wünsche ich dir auch, Schatz, aber so langsam solltest du mal jemanden finden.“

„Ich hab jemanden“, platze es aus mir heraus.

„Nein, nein, nein, nein. Nicht Aiden. Dylen, bitte.“

„Was ist so schlimm an ihm? … Aber darum geht es nicht. Ich kann Bec nicht heiraten, weil ich zu jemand anderem gehöre.“ Mom schüttelte den Kopf.

„Nein.“

„Doch. Mom, ich weiß, das was ich jetzt sage, hört sich bescheuert an, aber es ist so. Ich bin Hebe, die Göttin der ewigen Jugend und einer der Unsterblichen ist mein Gegenstück.“ Mom schüttelte weiter den Kopf.

„Und wer ist es? Ist es Aiden?“

„Nein, Derek … sein jüngerer Bruder.“

„Ich hatte so gehofft, dass du es nicht herausfindest.“

„Was? Du hast davon gewusst?“

„Daphne hat es herausgefunden und als diese Dämonen aufgetaucht waren, um dich zu holen ist Daphne mit dir davon gelaufen.“ Mein Traum! Er war Wirklichkeit. Es war kein Hirngespinst, es war wirklich so passiert.

„Dann weißt du, dass ich Bec nicht heiraten kann.“

„Du musst diesen Derek nicht heiraten, das weißt du“, meinte Mom und nahm meine Hände in ihre. „Du hast dich immer so gut mit Bec verstanden, deswegen haben wir gedacht, dass ihr zwei mal zusammen kommt. Als wir und seine Eltern darüber gesprochen hatten, war Bec herein geplatzt und hatte uns gestanden, dass er Gefühle für dich habe. Ich hatte so gehofft, dass es auch bei dir Klick macht.“ Sie sah mich so hoffnungsvoll an. Ich könnte Bec heiraten, dann wäre ich Derek los … aber dann wäre ich auch Aiden los und DAS wollte ich auf keinen Fall. Ich wollte nicht Bec und ich wollte auch nicht Derek. Ich wollte Aiden. Aber das konnte ich Mom nicht sagen. Irgendetwas war vorgefallen, sodass sie Aiden nicht mochte. Und ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass weder Mom und Dad noch Aiden mir sagen würden, was genau vorgefallen war. Aber das war jetzt nicht das Thema. Jetzt musste ich erst einmal Bec los werden.

„Aber ich liebe Derek“, murmelte ich.

Nein, tust du nicht, tust du nicht, tust du nicht!

Halt die Klappe. Derek muss ja nicht erfahren, dass ich sowas jemals gesagt habe.

Okay, okay.

„Du liebst Derek?“ Ich nickte und biss mir auf die Lippe. Wie brachte ich das jetzt glaubwürdig herüber?

Du denkst einfach an Aiden, redest aber von Derek. Dürfte nicht so schwer sein.

Du hast leicht reden, aber ich versuche es.

Ich stellte mir Aidens Gesicht vor. Seine braunen Haare, die er heute hoch gegeelt hatte, die dunkelgrünen Augen, in denen ich versinken könnte, ein Lächeln auf den Lippen, mit dem er einfach gut aussah. Sofort musste ich auch lächeln. Und jetzt nur noch erzählen, dass du etwas mit Derek hattest.

„Ich kenne Derek schon was länger. Ein halbes Jahr, da habe ich doch noch in dem Club gearbeitet und eines Abends war Derek aufgetaucht. Wir haben viel unternommen und dann ist es einfach passiert“, erzählte ich einfach, obwohl das mit dem viel Unternommen nicht stimmte. Aber musste Mom ja nicht wissen.

„Und warum hast du ihn nicht mitgebracht?“ Oh Mist! Aber warum lügen? Ich musste ihr eh sagen, dass ich bald weg bin.

„Derek hat zutun. Er und seine Brüder wollen dem Schrecken ein Ende setzten. Immer mehr Wesen werden böse und wir müssen etwas tun, deswegen werden Aiden und ich ihm morgen auch nach reisen.“

„Du willst mit?“ Mom bekam große Augen.

„Ja, ich hab Draganas Kräfte und warum habe ich sie denn, wenn ich sie nicht benutze? Ich muss einfach helfen, Mom.“ Diese seufzte.

„Das kann ich nicht zulassen, Dylen.“

„Ich bin ...“, fing ich an, aber dann sah ich hinter Mom etwas, was mir ganz und gar nicht gefiel. Aiden kam langsam auf und zu. Ihm liefen jetzt schon ein paar Schweißtropfen über die Schläfen und sein Gesicht war auch ein bisschen vor Schmerz verzehrt. „Aiden“, hauchte ich, ging an Mom vorbei und auf ihn zu. Als ich bei ihm war, legte ich eine Hand auf seine Stirn, aber sie war nicht heiß. Aiden packte mich an den Oberarmen und schluckte hart. Seine Muskeln waren bis zum zerreißen angespannt.

„Ich muss gehen“, hauchte er.

„Was ist los?“ Ich war total besorgt. Er sah nicht gut aus.

„Ich weiß nicht, ich muss einfach weg.“ Ein Beben erfasste seinen Körper und er musste sich fester an mir festhalten.

„Ich komme mit.“

„Nein, bleib hier. Das ist der Geburtstag deines Vaters.“

„Ich lasse dich so nicht alleine gehen.“

„Dylen!“, rief Mom, aber ich drehte mich nur zu ihr um und schüttelte den Kopf.

„Ich melde mich“, rief ich noch und zog Aiden mit. Kaum hatte er einen Schritt gemacht, spannte er sich noch mehr an. Er wollte hier einfach so schnell es ging weg. „Was ist denn passiert?“, fragte ich nochmal.

„Ich weiß nicht. Ich hab nur so Schmerzen“, brachte er aus zusammengebissenen Zähnen heraus.

Schnell waren wir an unserem Gartentörschen, dass ich auf machte. Schweigend verließen wir den Block in dem meine Eltern wohnten. Ich wusste einfach nicht, was ich sagen sollte oder was ich tun konnte. Er wollte das alleine durchstehen, aber ich war doch hier, um ihm zu helfen. Nur wie?

Gerade bogen wir in eine Straße ein, da packte Aiden mich und drückte mich gegen die Häuserwand.

„Aiden“, rief ich erschrocken aus. Er keuchte immer noch und sah mir starr in die Augen, sodass man richtig Angst vor ihm bekommen konnte. 

Kapitel 22

Kapitel 22

 

Er sah schrecklich aus. Aber Angst? Nein, Angst hatte ich keine vor ihm, auch wenn er mich wieder unsanft gegen eine Wand gedrückt hatte. Allerdings stimmte etwas nicht mit ihm und genau das, machte mir Angst, machte mir Sorge. Langsam hob ich meine Hand und legte sie ihm auf die Wange, mit dem Zeigefinger strich ich den Schweißtropfen von seiner Schläfe. Aidens Hände waren neben meinem Kopf und er versuchte sich fest in die Wand zu krallen.

„Alles okay“, sagte ich sanft und strich mit dem Daumen über seine Wange. Seine Lippen waren fest aufeinander gepresst und an seiner Wange spürte ich, wie er seine Zähne fest zusammen biss. „Ich bin hier, alles ist gut.“

„Mein Körper gehört mir nicht mehr“, murmelte Aiden. „Ich habe Schmerzen, kann sie aber nicht lindern … und als ich sah, wie dieser Idiot dich bedrängt hat, sind bei mir die Sicherungen durchgebrannt. Am liebsten würde ich ihn in Stücke reißen“, knurrte er.

„Das war okay, ich musste mit spielen“, versuchte ich ihn zu beruhigen, aber Aiden schüttelte den Kopf.

„Nein, vorher. An dem Wald.“ Ich stockte. Er hatte es mitbekommen?

Das ist doch egal, hast du gehört, was er gerade gesagt hat?

Was er gesagt hat?

Am liebsten würde ich ihn in Stücke reißen, hallte Aidens Stimmer wieder in meinem Kopf.

Hatte er das wirklich gesagt? Bitte lass ihn das wirklich gesagt haben.

„Er … er hat nur ...“, murmelte ich, aber Aiden schüttelte wieder den Kopf.

„Hör auf. Er wollte dich zwingen. Ich habe es doch gesehen“, knurrte er fast bestialisch und doch bekam ich keine Angst vor ihm.

„Aber mir geht es gut“, meinte ich und strich weiter über seine Wange. Ich hoffte, ihn so ein bisschen zu beruhigen. Seine Muskeln waren immer noch angespannt und ich glaubte nicht, dass sich daran etwas änderte. Er stand einfach unter Strom. Nur wie konnte ich das ändern?

Plötzlich schrie Aiden auf. Ich erschreckte mich und legte aus Reflex auch meine andere Hand auf seine andere Wange. Er krallte sich noch mehr in die Wand und kniff die Augen zusammen.

„Aiden, sieh mich an. Aiden“, sagte ich schnell und hob seinen Kopf etwas an. „Sieh mich an“, bat ich ihn noch eindringlicher. Und jetzt tat er es auch. Er öffnete seine Augen und sah mich an. „Erklär es mir. Was ist das für ein Schmerz? Glaubst du, dass ich dir helfen kann?“

„Es tut einfach weh. Ich weiß nicht woher es kommt“, brachte er mühsam heraus. Vielleicht konnte ich dieses Gefühl auf ein anderes umleiten. Nur in welches?

„Konzentrier dich auf etwas anderes“, versuchte ich es und legte meine rechte Hand auf seine Brust. Unter meinen Fingern spürte ich, wie Aidens Herz außer Rand und Band schlug. Er musste wirklich schlimme Schmerzen haben.

„Lieber nicht“, hauchte er.

„Warum? Dann vergisst du den Schmerz.“

„Nein, dann muss ich zurück und diesen Bec in Stücke reißen“, knurrte er. Sofort beschleunigte sich mein Puls. Aber ich konnte mich jetzt nicht über seine Worte freuen, auch wenn es mir gefiel, dass er so sauer auf Bec war, weil dieser mich so behandelt hatte. Ich musste etwas tun, dass Aiden sich besser fühlte. Aber welches Gefühl könnte ich denn in ihm auslösen … außer Wut?

„Dylen“, wisperte Aiden plötzlich und riss mich so aus meinen Überlegungen. Ich bekam bei dem Klang meines Namens sofort eine Gänsehaut. Ich wusste, dass er nur so redete, weil er Schmerzen hatte, aber wenn er meinen Namen aussprach und dann auch noch so wisperte, bekam ich einfach eine angenehme Gänsehaut.

„Ja?“, flüsterte ich und sah ihm in die Augen.

„Ich … ich brauche dich.“ Meine Augen weiteten sich, weil ich jetzt genau wusste, was er brauchte, aber für die Antwort brauchte ich nicht lange überlegen.

„Ja“, hauchte ich. Aiden überbrückte die wenigen cm zwischen uns schnell und küsste mich. Ich ging sofort darauf ein und hielt mich mit einer Hand an seiner Schulter fest, allerdings ließ ich die rechte Hand auf seinem Herz. Ich wollte spüren, wie es schneller schlug, weil mein Herz genauso schnell schlug, wenn er so nahe bei mir war.

Erst war der Kuss nur so ein Lippe-an-Lippe-Kuss, aber als ich mit meiner Zunge über seine Lippe strich, gab ich ihm die Erlaubnis mich richtig zu küssen. Und das tat er auch. Der Kuss wurde leidenschaftlicher und es dauerte nicht lange, bis unsere Zungen miteinander kämpften. Mir wurde wärmer und mein Herz schlug den nächsten Gang ein.

Neben meinem Kopf bewegte sich Aidens Hand. Er löste sich von der Wand und legte sie dann auf meine Hüfte. Ich ging automatisch einen Schritt auf ihn zu. Ich wollte näher bei ihm sein, mehr von ihm spüren.

Kurz lösten wir uns und sahen uns in die Augen. Ich hätte in diesem dunkelgrün ertrinken können, aber lieber wollte ich ihn weiter küssen. So ging es ihm wohl auch, da er mich an der Hüfte packte und sofort wieder küsste. Ich presste mich an ihn und erwiderte seinen stürmischen Kuss. Aiden drückte mich zurück gegen die Wand und fuhr mit seiner Hand an meiner Seite herunter, zu meinem Oberschenkel. Als seine Fingerspitzen meiner Haut berührten bekam ich eine Gänsehaut. Seine Hand fuhr langsam unter meinen Kleid und streichelte meine Haut. Jetzt erlaubte ich mir alles zu genießen und atmete seinen unglaublichen Duft ein. Sofort fühlte ich mich zuhause.

Aiden und ich vergaßen alles um uns herum. Er packte mein Bein und zog mich noch näher an sich, sodass meine Brust beim Atmen gegen seine stieß. Der Kuss wurde wilder und leidenschaftlicher und dazu malte Aiden auch noch kleine Ranken auf meinen Oberschenkel. Ich genoss alles.

Doch plötzlich räusperte sich jemand und Aiden und ich fuhren auseinander. Aiden ließ mein Bein los und stützte sich wieder neben meinem Kopf ab. Ich sah an ihm vorbei und sah in Skylers Gesicht. Mit einer Hand hielt sie meine Tasche und die andere hatte sie in ihrer Hüfte gestemmt. Ich keuchte noch und verstand nur langsam, dass Sky uns gerade beim knutschen erwischt hatte.

„Sky“, murmelte ich. Aiden senkte den Kopf und legte ihn auf meine Schulter.

„Was macht ihr hier?“, fragte sie etwas sauer.

„Wir ...“, fing ich an, aber Sky unterbrach mich sofort.

„Warum sagt ihr nicht, dass ihr geht? Und vor allem, wie kannst du deine Tasche vergessen?“ Ich dachte erst, sie würde mich jetzt dafür ausschimpfen, dass ich eben erst Bec und jetzt Aiden küsste. Aber das war typisch Skyler, sie tat nie das, was man erwartete.

„Tut mir leid“, sagte ich.

„Aber schon gut“, ging sie nicht auf meine Entschuldigung ein. „Wenn ihr knutschen wolltet, ist es ja klar, dass ihr alles andere vergesst, sogar das ihr auf einer öffentlichen Straße steht.“ Sofort schoss mir die Röte ins Gesicht.

„Es tut mir leid“, wiederholte ich schnell, um einfach aus dieser peinlichen Lage heraus zu kommen.

„Schon okay, aber … was ist denn mit Aiden los?“ Ich wollte gerade antworten, da stellte Aiden sich wieder normal hin.

„Egal. Wir sollten dir ein Taxi bestellen“, sagte er wieder in normaler Tonlage, aber sein ganzer Körper war immer noch angespannt. Skyler nickte und gab mir meine Tasche.

„Wirklich alles okay? Es war ja richtig heiß zwischen euch“, grinste sie. Ich spürte, wie ich noch roter wurde und riss ihr meine Tasche aus der Hand.

„Ja, alles okay.“

„Dann ist gut. Ich habe mir eben wirklich Sorgen gemacht. Er fing auf einmal an zu schwitzen“, flüsterte sie mir zu.

„Ja, ich weiß, aber jetzt geht es ihm besser“, beruhigte ich sie, damit sie nicht noch mehr Fragen stellte.

„Ja, wenn er so mit dir rumknutschen kann, ist mir das schon klar.“ Sie grinste mich an und ich schüttelte nur den Kopf. „Also hast du dich für ihn entschieden?“ Seufzend nickte ich und sah Aiden nach. Er ging auf die Straße zu und suchte nach einem Taxi.

„Ich brauche kein Taxi, ich kann auch zu fuß nach Hause gehen“, meinte Skyler nur und winkte mit einer Hand, so nach dem Motto: Kein Problem, ich bin ein großes Mädchen.

„Nein, entweder ich bringe dich oder du nimmst ein Taxi, alleine lasse ich dich nicht gehen“, widersprach Aiden und sah sich weiter nach einem Taxi um. Mir ging sofort das Herz auf. Er hatte es gerade zwar befohlen und es nicht gerade in einem netten Ton gesagt, aber er machte sich Sorgen um Skyler und das fand ich einfach total süß.

„Gehts ihm wirklich gut?“, fragte Skyler mich wieder leise und machte sich ein bisschen kleiner.

„Ja, er macht sich nur Sorgen um dich, das ist alles“, erklärte ich ihr.

„So hörte sich das aber nicht an, es hörte sich eher nach einem Befehl an.“ Ich lächelte nur.

„Ich finde aber auch, dass du nicht alleine nach Hause gehen solltest.“ Sky verdrehte die Augen und seufzte.

In dem Moment hielt ein Taxi am Straßenrand an und Aiden öffnete die Türe.

„Viel Spaß euch beiden noch“, meinte Skyler und sah mich bedeutend an. „Ruf mich morgen an.“ Mein Gesicht färbte sich wieder rot und ich nickte schnell.

„Ja, ja“, sagte ich und sie stieg grinsend ein. Als sie weg fuhr, zeigte sie mir im Fenster noch ihren Daumen. Wie peinlich.

Aiden stand immer noch am Straßenrand und sah einfach nur gerade aus. Seine Schultern waren nicht mehr angespannt, das sah ich sofort.

„Alles okay?“, fragte ich leise und ging ein paar Schritte auf ihn zu. Ich wusste nicht, wie er reagieren würde, wenn wir wieder alleine waren. Die Luft zwischen uns war eben so elektrisierend gewesen, aber jetzt glaubte ich nicht, dass diese Spannung noch zwischen uns war.

„Ja, der Schmerz klingt ab“, antwortete er mir in normaler Tonlage, mit seiner leicht rauchigen aber melodischen Stimme. Trotzdem ging ich weiter auf ihn zu, bis ich neben ihm stand. Erst tat ich nichts und es blieb still zwischen uns. Keiner sagte ein Wort, aber ich wusste nicht, warum. Ich tat es nicht, weil ich zu viel Angst davor hatte, was er jetzt als nächstes sagen würde. Bestimmt, dass es ein Fehler war und das wir das nicht hätten machen dürfen … und sowas wollte ich nicht hören. Denn ich fand, dass es kein Fehler war. Wir zwei fühlten etwas … ich fühlte etwas für ihn. Was er fühlte, wusste ich natürlich nicht. Vielleicht spielte er ja auch nur mit mir, vielleicht liebte er den Reiz, die Gefahr, denn wenn ich das nächste Mal auf Derek treffe … wird er erfahren, was wir getan hatten und Aiden wird bestraft. Das konnte ich nicht zulassen, aber es würde passieren, das hatte ich irgendwie im Gefühl. Aber sollte ich mich jetzt von ihm fernhalten? Ihn nie wieder anfassen? Ihn nie wieder küssen? Vielleicht war das das Beste.

„Wir sollten auch gehen“, holte mich Aidens Stimme aus meinen Gedanken. Ich war erst total erschrocken, weil ich gedacht hatte, dass er jetzt erstmal mit mir diskutiert, dass wir das hier nicht mehr wiederholen sollten, aber das tat er nicht.

„Okay“, antwortete ich nur, wartete aber,bis er den ersten Schritt machte. Aiden drehte sich nach meiner Antwort sofort um und maschierte los. Ich lief ihm erst hinter her, aber dann holte ich auf und wir gingen nebeneinander her.

Es dauerte nicht lange, bis wir in meinem Block angekommen waren. Ein sanfter Windstoß fegte mir durch die Haare, erst genoss ich ihn, aber dann stieg mir ein Duft in die Nase, der sehr unangenehm war. Es roch nach Rauch und ein bisschen nach Verwesung.

„Was ...“, hauchte ich, aber da hielt Aiden mich auch schon am Arm fest und blieb stehen. „Was ist das?“

„Dämonen“, meinte Aiden nur und ging ein paar Schritte weiter. Ich blieb hinter ihm und schlich langsam mit ihm vor. Die Häuser in meiner Straße waren verdunkelt und nichts deutete darauf hin, dass hier irgendetwas passiert sei.

„Vielleicht sind sie nur hier durch die Straße gelaufen“, meinte ich hoffnungsvoll zu Aiden.

„Nein, sind sie nicht“, sagte er, als wir mein Haus sehen konnten. Ich keuchte auf und hielt mich an Aidens Arm fest. In meinem Haus brannte Licht und die Haustüre war weit offen.

„Waren ...“, fing ich an zu fragen, aber Aiden schüttelte schon den Kopf.

„Sie können noch drinnen sein.“

„Dann müssen wir da rein und sie raus scheuchen, sie haben nichts in meinem Haus zu suchen.“

„Doch, dich“, knurrte Aiden leise. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und wollte an Aiden vorbei gehen, aber er hielt mich am Arm fest. „Nein, ich gehe alleine. Wenn sie noch da drinne sind, dann wollen sie dich, das kann ich nicht zulassen.“

„Aber ich kann ...“

„Nein, du kannst nicht helfen, bleib hier“, befahl er jetzt mehr, als er bat. Brummend nickte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Aiden schlich leise und langsam in mein Haus. Solange ich ihn sehen konnte, war es kein Problem, aber als er im Haus verschwand, wurde es mir doch mulmig. Was wenn er wieder einen Anfall bekam? Wenn die Dämonen noch da drinnen sind und er so schwach war, könnten die ihn ohne großen Aufwand töten.

Ich wollte gerade einen Schritt nach vorne machen, als es im Haus krachte. Sofort lief ich aufs Haus zu, aber bevor ich nur die Verandertreppen erreicht hatte, kam Aiden wieder raus.

„Du kannst rein kommen, keiner mehr da.“ Schnell lief ich die Treppe herauf und auf Aiden zu. Meine Augen musterten seinen gesamten Körper, aber nichts schien anders zu sein und er schien auch nicht verletzt zu sein. „Mir fehlt nichts“, meinte er, als ich mit meiner Inspektion fertig war.

„Was hat da gerade gekracht?“

„Ich hab deinen Schrank im Wohnzimmer wieder hingestellt.“ Mir fiel sofort ein Stein von Herzen. Ich hatte echt gedacht, ihm sei etwas passiert. „Am besten du packst ein paar Sachen und wir fahren zu mir“, meinte Aiden und ging wieder ins Haus. Ich folgte ihm sofort und bekam fast einen Schlag. Alles im Haus war umgeschmissen worden, Stehlampen waren kaputt, mein Geschirr lag kaputt auf dem Boden und als ich oben in meinem Zimmer ankam, war auch da alles kaputt. Meinen Schrank hatten sie umgekippt, die ganzen Sachen von meinem Bett geschmissen. Auch im Badezimmer war alles zu Bruch gegangen. Das Waschbecken hatte Risse, weil Teile des Spiegels abgebrochen waren und ins Becken gefallen waren.

Langsam stiegen mir Tränen in die Augen. Ich wollte aber nicht weinen! Nicht vor Aiden. Diese Blöße wollte ich mir nicht geben, aber alles so zertrümmert zu sehen, war einfach nur schrecklich.

„Es kommt alles wieder in Ordnung“, meinte Aiden. Er stand hinter mir und spiegelte sich in der noch verbliebenen Hälfte des Spiegels. Sobald ich ihm ins Gesicht sah fingen meine Tränen an, über meine Wange zu rollen. Ich wollte sie weg wischen, aber sie rollten einfach weiter.

„Ich will nicht weinen“, weinte ich, versuchte aber nicht so weinerlich zu klingen … was mir nicht so gelang.

„Nicht schlimm.“ Er kam näher, aber ich hob schnell die Hand.

„Nein, bitte. Lass mich kurz alleine. Bitte.“ Er machte seinen Mund auf, aber ich schüttelte den Kopf. „Bitte, Aiden.“

„Okay, ich gucke mal was man retten kann.“ Ich nickte nur und als Aiden dann aus dem Bad war, wischte ich mir die ganze Zeit, die Tränen aus dem Gesicht.

„Komm schon, Dy, du kannst doch nicht vor Aiden weinen. Was denkt er denn dann über dich?“ Ich zog meine Nase hoch und wischte mir die Tränen noch ein letztes Mal aus dem Gesicht … und zum Glück flossen sie nicht weiter. Schnell machte ich mein Gesicht trocken, sah in den kaputten Spiegel, um mich ein bisschen herzurichten und suchte dann auf dem Boden nach den wichtigsten Utensilien, die ich brauchte. Unter dem Waschbecken fand ich meine Kulturtasche und meine Zahnbürste. Das Wichtigste schon mal gefunden. Das Deo und meine Bürste fand ich auch schnell. Das Einzige, was ich suchen musste, war meine Schminke. Als ich sie dann endlich gefunden hatte, konnte ich ein paar Anziehsachen zusammen suchen. Aber das würde dauern. Meine ganzen Klamotten waren im Zimmer verstreut. Seufzend bückte ich mich nach einem Shirt, als Aiden die Treppe hoch kam.

„Fertig?“, fragte er und ich schüttelte den Kopf.

„Ich finde meinen Koffer nicht.“ Aiden griff hinter meinen umgekippten Schrank, er lag auf der Seite, und holte meinen kleinen braunen Koffer hervor.

„Der?“ Ich lächelte und nickte. Aiden legte ihn aufs Bett und schlug ihn auf, dann ging er ein paar Schritte zurück, um mir platz zu machen.

Was nehme ich denn mit?

Nimm irgendwas, was dir in die Hände fällt, meine Güte. Wir haben keine Zeit. Diese Dämonen können auch wieder kommen.

Ja, stimmt. Also einfach irgendwas einpacken.

Schnell schnappte ich mir ein paar Sachen und schmiss sie in den Koffer. Gerade drehte ich mich zu Aiden um, als ich aus dem Augenwinkel sah, wie sich etwas von der Decke löste und auf Aidens Schulter fiel. Ich lief rot an, als ich sah WAS es war. Oh mein Gott, wie peinlich.

Aiden nahm dieses Etwas von seiner Schulter und sah es an. Erde tu dich unter mir auf und verschlinge mich! BITTE!

Als diese Dämonen mein Zimmer durcheinander gebracht hatten, war wohl ein Slip von mir auf meine Deckenlampe geflogen … Wie? Ich habe keine Ahnung. Tatsache war nur, dass es so war und dieser jetzt in Aidens Hand lag. Das Schlimme daran war, dass es kein normaler Slip war, sondern einer meiner wenigen Tangas. Mist! Mist! Mist!

Ich lachte nervös und schnappte mir schnell meinen Tanga. Aiden hatte ihn schon die ganze Zeit angestarrt, was noch viel schlimmer war, als die Tatsache, dass mein Tanga auch auf seinem Kopf gelandet wäre. Jetzt sah er allerdings mich an, die anlief wie ein Feuerlöscher.

„Hör auf! Das ist nicht lustig“, fuhr ich ihn an.

„Nettes Höschen.“ Mir klappte der Unterkiefer runter. Hatte er das gerade wirklich gesagt? Hatte er „Nettes Höschen“ gefragt?

Ich glaubte noch roter zu werden, obwohl das gar nicht mehr ging.

Schluss jetzt! Mach da kein großes Ding draus! Er hat bestimmt schon tausend andere Höschen gesehen.

Doch dieser Gedankte versetzte mir einen Stich in der Brust. Ich wollte mir die Zahl der ganzen Frauen noch nicht mal ausdenken. Ich musste jetzt an etwas anderes denken.

Immer noch hochrot drehte ich mich um und verstaute den Tanga unter den Sachen, die ich schon in den Koffer gepackt hatte.

Schnell weg, damit es nicht noch peinlicher wird.

Aber als ich mich wieder zu Aiden umdrehte, lächelte er mich an und ich musste sofort lachen.

„Was?“, fragte er nur, aber sein Lächeln wurde immer breiter.

„Nichts, mein Tanga war nur noch nie auf einer Männerschulter.“ Er schüttelte nur den Kopf, bückte sich nach einer Hose, die neben ihm lag und gab sie mir. Dabei berührten sich unsere Finger. Ich sah Aiden in die Augen und musste einfach lächeln. Doch dieser Moment wurde durch ein Schepperndes Geräusch zerstört. Mein Herz hämmerte sofort los. Das hieß nichts gutes. Da musste jemand sein.

„Warte hier“, befahl Aiden wieder und ging langsam auf die Treppe zu. Kaum war er dort angekommen, wurde etwas an ihm vorbei geworfen und kugelte auf dem Boden herum. Kurz vor mir blieb dieses Ding stehen und meine Augen weiteten sich. Es war eine Bombe!

Nein, nein, nein, so durfte ich nicht sterben. Nein, so hatte ich mir das nicht vorgestellt!

„Runter!“, schrie Aiden. Ich sah auf zu ihm und sah, wie er auf mich zugespurtet kam. Aber in dem Moment kam aus der kleinen Kugel ein bisschen Rauch und dann explodierte sie mit einem Ohrenbetäubenden knall.

Kapitel 23

Kapitel 23

 

Vor meinem Auge tanzten viele kleine bunte Punkte. War es so, wenn man starb? Sah man tanzende Punkte? Irgendwie war das schon etwas komisch. Ich meine, hätte ich keine Schmerzen haben sollen? Wenn man von einer Bombe erwischt wird, wird man doch sicher in Stücke gerissen … nicht, dass ich das gewollt hätte. Aber ich sah nur tanzende Punkte und spürte etwas warmes auf der Haut.

„Dylen“, flüsterte eine raue Stimme und dann spürte ich einen sanften Druck an meiner Schläfe, bis zu meiner Wange. … Jemand streichelte mich, ich konnte es spüren. „Dylen, Dylen, wach auf.“ Diese Stimme, diese raue Stimme. Aiden! „Mach die Augen auf. Es ist alles gut.“ Meine Lieder waren schwer, aber ich versuchte mit aller Macht sie zu öffnen. Als ich sie dann endlich geöffnet hatte, sah ich in dunkles grün, was mir so bekannt vor kam, was ich liebte. Nach und nach erkannte ich auch sein Gesicht, die krumme Nase, das markante Kinn, die Narbe über seinem Auge, die vielen kleinen Narben auf seinem Gesicht. Aber er sah besorgt aus, auf seiner Stirn hatten sich Sorgenfalten gebildet, die jetzt aber langsam verschwanden.

„Alles okay?“, fragte er mit rauer Stimme.

„Ja“, hauchte ich und nickte leicht. Meine Sicht wurde wieder klarer und jetzt sah ich erst, dass Aiden schwer atmete und an seinen Schläfen lief Schweiß herunter. „Aber dir nicht.“

„Nicht schlimm“, presste er heraus. Ich hob meine Hand und legte sie ihm auf die Wange. Er wurde immer blasser, aber er war zu stur, um mir zu sagen, was los war.

„Was ist passiert?“ Ich sah mich links und rechts um, aber das das hier mal mein Schlafzimmer gewesen war, konnte ich nicht erkennen. Überall lag Schutt, Bretter, Steine. Wir waren eingekesselt von all diesen Dingen. „Die Bombe hätte uns zerschmettern müssen.“

„Ich konnte sie nach hinten treten und dich noch in Sicherheit bringen.“ Ja, dass er mich gerettet hatte, sah ich ja, aber er hatte mich nicht einfach so gerettet. Er hatte mich mit seinem Körper geschützt und das bestimmt nicht ohne folgen. Die Bombe war unmittelbar bei uns gewesen und wenn er behauptete, dass es ihm gut ging, musste ich wirklich mal überlegen, ob ich ihn nicht zu einem Arzt schicken sollte, denn DAS war nicht normal.

„Wir müssen hier raus und dich durchchecken lassen.“

„Mir geht es gut. Ich hab die Schmerzen unterdrückt.“ Ich nickte und Aiden setzte sich langsam auf. Als er dann stand, streckte er mir seine Hand entgegen, um mir auf zuhelfen. Ich nahm sie an und gleich darauf sah ich mich in meinem alten Zimmer um.

„Den Koffer können wir auch vergessen“, meinte ich und hob ein zerfetztes T-Shirt auf.

„Wir finden schon was.“ Er drehte sich zu der Türe um, die einmal zu einer Treppe geführt hatte, aber beides war nicht mehr da. Als ich ihn ansah, musste ich aufkeuchen. Eben hatte ich nur sein Gesicht gesehen, was total normal ausgesehen hatte, aber jetzt, wo ich seinen ganzen Körper sah, blieb mir die Luft im Hals stecken. Seine Kleider waren zerrissen und dreckig, aber das schlimmste steckte in seinem Rücken. Ein langes Holzstück steckte mitten in seinem Rücken.

„Das ist nichts“, tat er es ab.

„Das ist nichts? Willst du mich verarschen, Aiden? Du hast einen Speer im Rücken, wenn er irgendetwas getroffen hat … wir müssen ins Krankenhaus oder zu irgendeinem Arzt“, kreischte ich. Als mir richtig bewusst wurde, wie tief das Stück Holz in seinem Rücken versunken war, klopfte mein Herz noch schneller und ich bekam Schnappatmungen. Er durfte nicht verletzt sein, nicht stark. Bitte.

„Kein Arzt, kein Krankenhaus. Aber hier weg müssen wir“, meinte er und suchte irgendetwas im Raum.

„Dann lass uns hoch zu deiner Mutter gehen“, versuchte ich ihn zu drängen.

„Das geht auch nicht. Ich muss mich auf die Wunde konzentrieren.“ Super! Und wie sollten wir hier raus kommen? Mein Blick huschte auch im Zimmer herum, aber alles war zerstört. Dann sah ich zur Decke. Sie war schon rissig und einzelne Stücke regneten schon nach unten.

„Ähm … Aiden“, murmelte ich und zeigte nach oben. Er folgte meiner Geste und sah dann auch unser nächstes Problem. In dem Moment fing der Boden an zu vibrieren und ein lauter Knall ertönte. Ich schluckte und sah von Aiden wieder hoch zu der Decke. Der Riss wunder immer länger und dann löste sich ein riesiges Stück. Ich hechtete zur Seite und brachte mich gerade so in Sicherheit.

„Dylen!“, rief Aiden.

„Mir geht’s gut“, rief ich und rappelte mich schnell auf. Allerdings trennte uns jetzt dieses große Stück Decke. „Alles noch dran. Nur wie kommen wir hier raus?“

„Wie sieht das Fenster aus?“ Ich stieg über ein paar Sachen, um ans Fenster zu gelangen. Davor lag auch noch Schutt, aber den konnte ich wegräumen. Durch die Explosion war das Glas zersplittert und ich konnte in die Nacht heraus sehen. In der Nachbarschaft waren überall die Lichter an und auch ein paar meiner Nachbarn waren auf der Straße.

„Aiden, ich glaube nicht, das wir hier ungesehen heraus kommen.“

„Kannst du raus klettern?“ Schluckend sah ich aus dem Fenster und schätzte die Entfernung von hier oben bis zum harten Asphalt ab.

„Ich glaube, dann breche ich mir ein paar Knochen. Als Wolf ist das wieder eine andere Sache, aber hier leben auch Menschen, die würden einen Schrecken bekommen.“

„Egal. Verwandel dich hier und spring raus, dann lauf und versteck dich.“

„Und du? Wenn sie sehen, dass du aufgespießt bist, werden sie dich ins Krankenhaus bringen.“

„Ich komme hier schon ungesehen raus.“ Ich war mit der Sache nicht einverstanden, aber es war besser als hier zu bleiben und nichts zu tun.

„Versprochen?“

„Ja, versprochen.“ Seufzend zog ich mich aus, damit ich meine Sachen nicht zerriss. Dann knuddelte ich sie zusammen und legte sie kurz beiseite. Meine Haut prickelte und in meinem Bauch entstand ein kleines Feuer, dann explodierte mein Körper und ich stand in Wolfsgestalt vor dem Fenster. Leise bellte ich, damit Aiden wusste, dass ich jetzt verschwinden würde. Meinen Kleiderhaufen nahm ich in den Mund und spannte dann meine Muskeln an. Mit einem gezielten Sprung sprang ich durch das Fenster.

Ich hatte gehofft, dass mich keiner sah, aber ich hörte wie ein paar meiner Nachbarn nach Atem rangen, aber als sie noch einen Blick wagten, war ich auch schon verschwunden und sie wussten nicht, ob ich wirklich da gewesen war. Schnell lief ich hinters Haus.

„War das ein Wolf?“, hörte ich eine Frau fragen.

„Ich hab auch was gesehen“, meinte ein Mann.

„Da war nichts“, meinte ein weiterer Mann.

Meine Kleider legte ich kurz auf den Boden und sah noch mal um die Ecke. Aber Aiden kam und kam nicht aus dem Haus. Vielleicht sollte ich … ich sollte zurück gehen, ich musste ihn da raus holen. Er war verletzt und war unmöglich in der Lage, da alleine raus zu kommen.

Ich wollte wieder ums Haus laufen, um Aiden da raus zu holen, aber als ich los laufen wollte, wurde ich um den Hals gepackt und zurück gezogen. Sofort knurrte ich, riss mich los und wollte denjenigen angreifen, der mich angefasst hatte.

„Dy, ich bins“, hielt mich mein Angreifer auf und ich sah im letzten Moment, dass es Aiden war. Wie … wie war er aus dem Haus gekommen? „Keine Zeit, wir müssen los.“ Er hob meine Sachen auf. „Soll ich mich umdrehen?“ Ich knurrte ihn leicht an, aber ich musste mich verwandeln und beim Anziehen wollte ich nicht diesen riesigen Speer sehen, der immer noch in Aidens Rücken steckte. Er meinte zwar, das es ihm nicht viel ausmachte, aber an seinem Gesicht sah ich, wie es ihn anstrengte. Ihm lief immer noch Schweiß über die Schläfen und sein Gesicht war angespannt.

Mit einem kleinen mentalen Befehl, verwandelte sich mein Körper zurück in einen Menschen … in einen nackten Menschen.

„Nein, gib mir einfach meine Sachen“, bat ich ihn. Erst sah Aiden mich an, aber seine Augen blieben an meinem Gesicht hängen. Sein Blick wanderte nicht an meinem Körper hinunter, so wie Derek es jetzt getan hätte. Stattdessen nahm Aiden meinen Slip und hielt ihn mir hin.

„Auch ein nettes Höschen“, meinte er.

„Du bist ein Arsch“, grinste ich, riss ihm meinen Slip aus der Hand und zog ihn an. Als nächstes gab er mir meinen BH, dann das Kleid, dann die Strümpfe und als letztes meine Stiefel. „Und wohin jetzt?“

„Ich hab ne kleine Wohnung am Rande der Stadt.“

„Rande der Stadt? Wie sollen wir dahin?“

„Auto?“ Ich verdrehte die Augen und ging an ihm vorbei. Vorne herum konnten wir unmöglich gehen.

„Wie willst du das anstellen?“ Aiden packte mich am Arm und hielt mich so auf, weiter zu gehen.

„Du musst das Holz raus ziehen.“ Meine Augen weiteten sich. Ich war keine Krankenschwester, aber ich wusste, dass ich das nicht tun konnte. Sofort drehte ich mich zu ihm um.

„Bist du verrückt? Wenn das Stück Holz nur eines deiner Organe erwischt hat, würde ich die Wunde nur noch mehr aufreißen, wenn ich es rausziehen würde.“

„Ich kann die Blutung stoppen und den Schmerz auch, bis wir bei mir sind.“ Ich sah ihm fest in die Augen. Ich hatte einfach Angst um ihn, merkte er das denn nicht? Ich hatte so schreckliche Angst. „Bitte, Dylen.“ Mehr als zu einem Nicken war ich nicht fähig. Aber als er sich dann umdrehte, war ich nicht mehr so überzeugt, dass ich es raus ziehen könnte. Er würde stöhnen, er würde zucken. Ich wollte ihm keine Schmerzen zufügen. „Dylen.“ Eine sanfte, aber nachdrückliche Aufforderung. Seufzend packte ich das Stück Holz, was bestimmt gut um die 30 cm aus ihm herausragte. Meine Augen presste ich fest zusammen … und zog. Aiden keuchte auf und ich taumelte etwas nach hinten. Meine Augen blieben geschlossen, ich wollte nicht sehen, was ich da angerichtet hatte. „Alles okay“, flüsterte dann Aidens Stimme und er berührte nur mit den Fingerspitzen meine Schläfe. Ich öffnete meine Augen und sah ihm ins Gesicht. Die Schweißtropfen waren immer noch da und liefen auch noch immer an seinen Schläfen hinab, auch auf seiner Stirn hatte sich Schweiß gebildet.

„Wir müssen dich hier weg bringen“, hauchte ich und eine kleine vereinzelte Träne rann über meine Wange. Aiden nickte und wischte sie mit seinem Daumen weg.

„Lass uns gehen“, meinte er, nahm meine Hand und zog mich hinter sich her.

Wir mussten durch ein paar enge Gassen laufen, um auf die Hauptstraße zu gelangen. Ich hielt Aidens Hand ganz fest und auch Aiden erwiderte den Druck. Ich war nur froh, dass er da war und mich hinter sich her zog, denn je weiter wir von meinem Haus wegkamen, wurde mir mehr und mehr bewusst, was gerade passiert war. Sie hatten mein Haus zerstört, das Haus, das auch meiner Schwester gehört hatte. All meine Erinnerungen waren zerstört, all meine Sachen.

Endlich kamen wir aus den Gassen heraus und standen auf der Hauptstraße. Autos zischten an uns vorbei und Passanten liefen umher. Aiden zog mich weiter zum Straßenrand und streckte eine Hand aus, um ein Taxi anzuhalten, dass sich uns näherte. Der Fahrer setzte den Blinker und hielt vor uns. Aiden öffnete die Hintertüre und drückte mich hinein, er stieg nach mir ein.

„Wohin kann ich euch zwei hübschen denn bringen?“, fragte der Typ am Steuer, legte seinen Arm auf die Lehne des Beifahrersitzes und sah zu uns. Erst sah er Aiden an und dann mich. Er grinste und sein Blick glitt von meinem Gesicht zu meinen Beinen. Mein Kleid war ein wenig hochgerutscht und zeigte jetzt mehr Bein, als es eigentlich sollte. Das Grinsen des Taxifahrers wurde immer großer und ich fühlte mich immer unwohler. Doch dann legte Aiden mir eine Hand aufs Knie und sah den Typen an.

„Ich würde dir raten, auf die Straße zu sehen“, sagte Aiden in einem bedrohlichen Ton. Er wirkte jetzt wieder bedrohlich, aber nicht mir gegenüber, sondern dem Typen gegenüber. Der Taxifahrer schluckte hart und drehte sich schnell wieder um.

„Wohin soll´s gehen?“, fragte er und krallte sich ans Lenkrad. Aiden nannte ihm eine Adresse und er fuhr los. Aiden drückte mein Knie und ich sah ihn an. Sofort stiegen mir Tränen in die Augen. Auf mich prallte wieder die Erkenntnis, dass ich alles verloren hatte.

„Wir bekommen das hin“, flüsterte er mir zu und drückte noch mal mein Knie.

„Okay“, hauchte ich und nickte. Irgendwie wusste ich, dass alles gut werden würde, solange Aiden nur bei mir war. Ich war auch nicht sauer auf ihn oder auf Dragana, die mir erst diese Kräfte verliehen hatte und wegen diesen es hier ging. Nein, ich war nur traurig, um die Erinnerungen, die ich in diesem Haus hatte. Aber diese Erinnerungen würden auch in meinem Herzen bleiben, dafür brauchte ich kein Haus … und doch war es schön gewesen, es zu haben.

Wir waren eine halbe Stunde unterwegs, bis Der Taxifahrer am Straßenrand anhielt und verkündete, dass wir da seien. Aiden und ich stiegen aus und standen vor einem Dreifamilien Haus, das sehr herunter gekommen aussah. Aiden bezahlt den Taxifahrer und stellte sich neben mich.

„Es ist nicht das schönste und aufwendigste Haus, aber hier würde mich keiner suchen“, meinte er, nahm meine Hand und zog mich zu der alten Türe. Als er sie aufgeschlossen hatte, ging sie quietschend auf und gab uns den Blick auf ein altes und schmales Treppenhaus preis. Auch die kleine Treppe knarrte, als wir sie hinauf gingen. Aiden wohnte ganz oben. Dort schloss er dann die Wohnungstür auf und ließ mich zuerst hinein gehen. Wie er gesagt hatte, war die Wohnung nicht groß. Wir standen sofort in einem Wohn-Schlafzimmer, dass auch nur aus einem Bett, einem Kleiderschrank, einem Fernseher, einem Sideboard und einem Essenstisch mit zwei Stühlen bestand. An der Rechten Wand führte eine Türrahmen in eine kleine Küche und an der Linken eine weitere wohl ins Bad. Die Wohnung war nichts besonderes, nirgendwo standen persönliche Gegenstände, keine Bilder. Und obwohl nichts persönliches zu finden war, war es nicht so, dass es steril oder kahl wirkte. So war Aiden eben. Kein Schnick-Schnack, einfach nur er.

„Es ist nichts besonderes“, sagte er wieder und schloss die Türe ab. Ich lächelte ein bisschen und schüttelte den Kopf.

„Es ist okay.“ Er ging an mir vorbei und setzte sich aufs Bett, aber besser ging es ihm nicht. Ich musste mir die Wunde ansehen, auch wenn ich das nicht wirklich machen wollte. Er wollte nicht zu einem Arzt, aber länger konnte er die Schmerzen und auch die Blutung nicht zurückhalten. „Hast du einen Erste-Hilfe-Kasten … und vielleicht auch Nähzeug?“, fragte ich und sah ihn an. Langsam stand er wieder auf und ging in die Linke Tür, wo wirklich ein kleines Bad versteckt war. Es dauerte nicht lange, da war er auch schon wieder im Zimmer und hatte einen Erste-Hilfe-Kasten in der Hand.

„Da ist alles drin.“ Ich nickte zum Bett.

„Ich geh nur schnell eine Schüssel Wasser holen.“ Damit ging ich in die Küche, suchte eine Schüssel, die ich auch im ersten Hängeschrank fand und füllte sie mit lauwarmen Wasser. Auf einer der Anrichten lag ein unbenutztes Handtuch, was ich mir auch noch nahm.

Im Wohn-Schlafzimmer setzte ich mich dann hinter Aiden aufs Bett, die Schüssel Wasser hielt er noch fest. Den Erste-Hilfe-Kasten lag neben mir.

Jetzt reiß dich zusammen und mach es einfach, auch wenn du dir Schuldgefühle einredest, du musst die Wunde jetzt schließen, damit Aiden etwas durchatmen kann.

„Kannst du die Jacke und das Hemd ausziehen?“, fragte ich leise. Es war mir ein bisschen peinlich ihn das zu fragen, aber es musste sein. Aiden nickte nur, stellte die Schüssel kurz ab und machte dann sein Hemd aus. Ich half ihm dann die Jacke und das Hemd von seinen Schulter zu ziehen. Als beides dann aus war und auf dem Boden lag, musste ich stark Luft holen. Ich hatte das Siegel total vergessen, was Logan Aiden zugefügt hatte. Ein Dreieck, in der Mitte ein komisches Zeichen, was aussah wie ein Kreuz, wo oben ein Auge mit Hörnern thronte.

Leicht strich ich über die schwarze Tinte oder was auch immer es war. Aiden zuckte zusammen und auch ich zog meine Hand ruckartig weg. Die Linien waren heiß, sie glühten richtig.

„Was … was war das?“, hauchte ich und strich noch mal über eine der Linien. Wieder zuckte Aiden zusammen und ich zog meine Finger weg.

„Nicht!“, knurrte er fast und spannte sich noch mehr an.

„Aiden, es ist heiß.“

„Ich weiß, aber fass es nicht noch einmal an. Bitte. Ich weiß nicht, was Logan vor hat, aber bis wir nicht wissen, was genau es ist, möchte ich, dass du es nicht noch mal anfasst.“

„Okay“, nickte ich und sah mich seinen Rücken an. Ich sah wieder seine Narben, diese dicken Wülste, die sich über seinen Rücken spannten und in der Mitte, war das Loch, was das Holz aus meinem Haus verursacht hatte. Es blutete nicht, es war nur ein tiefes schwarzes Loch. „Ich muss es nähen“, meinte ich zu Aiden, nahm mir ein Wattepatt und tunkte es ins Wasser, dann sprühte ich ein bisschen Desinfektionsmittel auf den Wattepatt und säuberte die Wunde erst einmal. Aiden zuckte dabei ein bisschen zusammen, konnte ich verstehen, denn dieses Zeug brannte wirklich. Danach desinfizierte ich die Nadel, die ich in dem Erste-Hilfe-Kasten gefunden hatte und fädelte den Faden hinein.

Meine Hände zitterten, als ich anfangen wollte, die Wunde zu zunähen.

Nein, ich konnte das nicht, ich konnte ihm nicht wehtun.

Aber du musst, er verlässt sich auf dich.

Ich kann aber nicht, er hat so schon Schmerzen und ich habe kein Beteubungszeug oder sowas … ich weiß noch nicht mal, ob ich das richtig mache.

„Dylen“, holte Aiden mich aus meinem Inneren Kampf. „Ich vertraue dir und ich weiß, dass du das richtige tust.“

„Aber ich weiß nicht, was ich hier tue“, hauchte ich.

„Da bin ich anderer Meinung.“

„Du vertraust mir?“, flüsterte ich ganz leise. Ich hatte einfach Angst, ihm noch mehr weh zutun.

„Ja, du wirst mir nicht wehtun, das weiß ich.“ Ich nickte, obwohl er es nicht sehen konnte und atmete tief ein. Sofort stieg mir sein unbeschreiblicher Geruch in die Nase. Wenn er mir vertraute, dann schaffte ich das. Ich musste das für ihn tun, damit er eben keine Schmerzen mehr hatte.

Okay, Dy, du schaffst das.

„Okay, dann fange ich an“, warnte ich ihn vor und fing an, die Wunde zu nähen. Ich wusste zwar nicht, wie man soetwas machte, aber ich … ich schaffte es irgendwie. Ich machte es einfach so, wie ich auch Löcher in Hosen nähte. Die beiden Enden zusammen, sodass sie sich berührten und zusammen hielten. Und bitte, bitte, bitte, bitte, lass es richtig sein.

Die ganze Zeit gab Aiden kein Mucks von sich und zusammen zucken tat er auch nicht. Vielleicht hatte er die ganze Haut um die Wunde herum betäubt, mit seinen Fähigkeiten, denn anders konnte ich es mir nicht vorstellen.

Als ich dann fertig war, sprühte ich die Naht noch mal mit Desinfektionsmittel ein und verband die Stelle. Dabei musste ich immer um Aiden greifen, was sehr schwierig war, weil er a) viel massiger war als ich und ich schlecht mit beiden Armen um ihn herum kam und b) weil ich ihm dann sehr nah kam und seine wärme spürte. B war ganz schwer, weil ich mich nach dem dritten Mal einfach nur nach an ihn lehnen wollte und seinen unbeschreiblichen Duft einatmen wollte. Aber das durfte ich nicht. Ich musste ihn weiter behandeln, denn es gab nicht nur die eine Wunde. Die Explosion hatte ihm noch kleinere Wunden zugefügt, aber die waren nicht so schlimm, wie der Holzpfahl in seinem Rücken.

Als ich dann mit dem Verband fertig war, nahm ich mir die kleinen Schnittwunden auf seinem Rücken vor. Ich desinfizierte sie nur und ließ es dabei. Dann kletterte ich vom Bett und stellte mich vor Aiden. Er hatte die Augen geschlossen, wohl um sich besser zu konzentrieren, aber jetzt sah er mich an und ich sah, wie ein bisschen Anspannung von seinen Schultern wich. Jetzt da die Wunde verschlossen war, musste er sich nicht mehr darauf konzentrieren, die Blutung zu stoppen.

„Danke.“

„Keine Ursache, du hast mich ja schließlich gerettet“, meinte ich nur, nahm mir das Handtuch und tunkte es in die Wasserschale, dann trat ich etwas näher an Aiden heran und tupfte eine Wunde an seinem Arm ab. „Schon wieder“, murmelte ich und lächelte.

 

 

Sie tupfte weiter die Wunden an meinem Arm ab. Wenn sie nur wüsste, wie oft ich sie schon gerettet hatte, ohne das sie es wusste.

„Ich würde dich noch tausend Mal retten“, flüsterte ich leise und hoffte, dass sie es nicht gehört hatte. Aber sie stockte kurz, also hatte sie es doch gehört.

„Du stehst wohl auf die Rolle, des Retters.“ Damit widmete sie sich einer weiteren Wunde.

„Wenn mir jemand etwas bedeutet, dann schon.“ Jetzt erstarrte sie ganz und sah mir in die Augen. Ihre strahlend blauen Augen, die schon fast grau erschienen nahmen mich sofort in ihren Bann und ich hätte stundenlang einfach nur in ihr Gesicht sehen können. Sie machte mich wahnsinnig, wie sie hier zwischen meinen Beinen stand und nur dieses kurze Kleid anhatte, in dem sie einfach so verdammt sexy drin aussah.

Sofort kam mir die Szene von eben in dem Taxi wieder vor Auge. Ich hätte dem Typen am liebsten das Genick gebrochen, nur weil er daran gedacht hatte, wie es wohl unter ihrem Kleid aussehen könnte. Dieser lüsterne Blick, dieses Idioten hatte mich zur Weißglut gebracht. Es war nur klug von ihm gewesen, sich nach meiner Drohung nach vorne zu drehen und sich nicht mehr zu wagen zu Dylen nach hinten zu sehen. Auch wenn ich ihm durch meine Art gar keine Chance dazu gegeben hatte.

„Und was steht jetzt an?“, holte Dylen mich aus meinen Gedanken. Sie tauchte das Handtuch wieder ins Wasser und tupfte jetzt eine Wunde an meiner Schläfe ab. Dabei hielt sie meinen Kopf mit ihrer freien Hand fest. Ich hätte sie einfach nur packen brauchen und auf mich ziehen müssen. Nah genug war sie mir ja schon.

„Ich muss versuchen Derek zu erreichen und dann müssen wir uns auf den Weg zu meinem Bruder machen.“

„Und du weißt, wo dein Bruder wohnt.“

„So in etwa, wenn er nicht in den letzten drei Jahren umgezogen ist, werd ich es wohl wissen.“ Sie nickte und tupfte noch ein letztes Mal behutsam die Wunde ab.

„Irgendwie wird das zur Gewohnheit“, murmelte sie nachdenklich.

„Das du die Krankenschwester spielen musst?“

„Ja, genau das.“

„Diesmal hast du ja auch ein passendes Kleid an.“ Aufgebracht plusterte sie ihre Wangen auf und stemmt die Hände in die Hüfte. Ich wusste, dass sie nur Spaß machte, aber sie sah einfach süß aus.

„Meinst du wirklich, so bekommst du Mädels ins Bett?“

„Also geklappt hat es schon mal.“ Das hätte ich lieber nicht gesagt. Dylen boxte mich gegen den Arm und sah mich wütend an.

„Macho! Ich dachte, du seist nicht so, wie Derek.“

„Bin ich auch nicht. Ich bin witzig, im Gegensatz zu ihm.“ Sie schüttelte den Kopf, lächelte aber dabei. Sie nahm sich die Schüssel Wasser und ging ein paar Schritte auf die Küche zu, mit dem Rücken zu mir.

„Hattest du viele Frauen?“ Super, was sollte ich ihr denn sagen? Denn eigentlich unterschieden Derek und ich uns nur in einer Sache. Ich spielte den Frauen nichts vor, ich sagte, wie es war und sie waren einverstanden. Ich blieb nie länger als eine Nacht und ich sah zu, dass sie sich nicht in mich verliebten. Bei Derek sah das wohl anders aus.

„Ja“, sagte ich die Wahrheit. Ich musste da die Wahrheit sagen, wo ich es konnte. Ich wollte sie nicht weiter anlügen … oder noch mehr anlügen, als nötig.

„Und wie viele von ihnen hast du wirklich geliebt?“ Worauf wollte sie hinaus? Was wollte sie von mir? Aber ich blieb Ehrlich.

„Eine.“

„Und die anderen?“ Sie drehte sich zu mir um und sah mir in die Augen. Ich wusste nicht, was sie hiermit bezwecken wollte, aber ich wollte ihr die Wahrheit sagen.

„Das war nur Sex, ich bin nicht so wie Derek. Alle wussten, worum es geht, alle konnten sich entscheiden.“

„Wie sollten sie auch Nein sagen? Bei euch. Ich denke, ihr seid alle gleich.“

„Das kann schon sein“, murmelte ich und sah auf meine Hände. Und doch waren wir fünf auch sehr verschieden.

Ich hörte, wie Dylen in die Küche ging und das Wasser ausschüttete, danach kam sie zurück. Mein Blick hing sofort an ihr, rutschte von ihren langen Beinen hoch zu ihrem Bauch, der sich nur leicht wölbte, zu ihren Brüsten, die nicht zu groß und auch nicht zu klein waren, bis hin zu ihrem wunderschönen zarten Gesicht. Ihr hellblondes Haar rahmte ihr Gesicht ein und machte es noch schöner. Ich begehrte sie, das war keine Frage, aber jetzt, wo sie hier war, in der Wohnung in der ich so lange gelebt hatte, um in ihrer Nähe zu sein, wusste ich eines ganz genau … ich liebte sie. Und das nicht erst seit ein paar Tagen. Nein, schon ihr ganzes Leben lang. 

Kapitel 24

Kapitel 24

 

Ich stand hier in Aidens Wohn-Schlafzimmer und hatte nur noch Augen für ihn. Irgendwie hatte ich das seit Tagen nur noch. Seit seinem Kuss in der Gasse, hatte er einen festen Platz in meinen Gedanken … und das fand ich gut. Ich mochte ihn. Was rede ich da, ich liebte ihn. Auf seine eigene Art war er lustig und neckte mich bei jeder Gelegenheit. Ich musste immer lächeln, wenn er mich ansah und mein Herz und mein Bauch waren immer außer Rand und Band, wenn er mich ansah. Genau wie jetzt. Und er sah mich nicht nur an, er musterte mich. Sofort wurde mir klar, dass ich mich wirklich für ihn so zurecht gemacht hatte, ich hatte gewollt, dass er mich so ansah.

Also hatte Skyler doch Recht.

Hach, halt die Klappe und lass mich das hier genießen.

Aber willst du das hier jetzt wirklich tun? Du willst ihn verführen, obwohl das nicht gut für ihn enden wird, wenn Derek es erfährt?

Ja und hör auf mit Derek. Ich will nicht an ihn denken, ich will nur an Aiden denken. An Aiden und mich.

Also Kopf ausschalten und einfach machen. Ich bückte mich nach unten, um meine Stiefel auszuziehen. Langsam stieg ich aus den Schuhen und ließ sie einfach dort stehen, wo ich sie ausgezogen hatte. Mit geschmeidigen Schritten ging ich auf Aiden zu, mein Blick war allein auf ihn gerichtet. Ich studierte sein Gesicht, sein gefährliches, aber auch schönes Gesicht. Ich blieb an der Narbe über seinem Auge hängen. Wie gerne würde ich wissen, wie er an diese gekommen war. Genauso, wie die anderen Narben auf seinem Körper. Es waren so viele und eigentlich hätte ich Angst davor haben sollen, aber ich wollte wissen, woher sie stammten, warum er so viele davon hatte. Und ich wollte sie anfassen, ich wollte über die Hubel streichen und ihm zeigen, dass es mir nichts ausmachte, dass er sie hatte. Ich wollte seiner Stimme lauschen, wenn er mir die ganzen Geschichten über die Narben erzählte, ich wollte mehr über ihn wissen.

Als ich dann endlich bei ihm angekommen war, stellte ich mich zwischen seine Beine und legte mein Hand auf seine Wange.

„Dylen“, flüsterte Aiden. Er wollte einerseits Widerstand leisten, aber anderseits tat er nichts, um mich aufzuhalten. Er wollte es genauso wie ich und doch hatte er Zweifel, aber würden diese Zweifel uns aufhalten?

„Ja?“, hauchte ich und beugte mich langsam zu ihm herunter, um ihn zu küssen. Ich wollte mehr von diesen elektrisierenden Küssen, die wir jetzt schon so oft geteilt hatten. Er hob die Hand und umfasste mein Handgelenk.

„Wir sollten nicht ...“, fing er an, aber da küsste ich ihn schon. Unsere Lippen passten perfekt zusammen und als ich meine etwas öffnete, küsste Aiden mich leidenschaftlicher. Nicht so leidenschaftlich wie eben nach dem Geburtstag meines Vaters, aber es reichte … für jetzt. Mit meiner freien Hand fuhr ich in seine Haare und setzte mich langsam auf Aidens Schoß. Sobald ich saß und mich an seinen Körper schmiegte, war auch Aidens Wille gebrochen. Er packte mich am Oberschenkel und zog mich noch ein bisschen näher an seinen Körper, der einfach nur Wärme ausstrahlte. Eine angenehme und vertraute Wärme. Der Kuss wurde leidenschaftlicher und unsere Zungen kämpften miteinander. Sofort beschleunigte sich mein Puls. Ich bewegte mich ein bisschen auf seinem Schoß und rieb meinen Oberkörper an seinem. Das war wohl die letzte Hürde, denn Aiden ließ seine Hand unter meinen Oberschenkel fahren, packte mich fester und mit einem Ruck lag ich auf dem Bett und Aiden kniete über mir. Seine Hand war immer noch an meinem Oberschenkel, mit seiner anderen Hand stützte er sich neben meinem Kopf ab. Der Kuss wurde unterbrochen, stattdessen sahen wir uns in die Augen und es schien, als würden seine dunkelgrünen Augen leuchten. Wir keuchten beiden noch von dem Kuss, waren erregt und doch sahen wir uns nur an.

„Du solltest dich nicht so gut unter mir anfühlen“, flüsterte Aiden. Ich schluckte und sammelte all meinen Mut zusammen.

„Aber ich tue es“, entgegnete ich und hob meine Hand. Leicht strich ich mit meinem Zeigefinger über seine Unterlippe.

„Du tust so viel.“ Damit küsste er mich wieder, sanfter als eben, aber das würde sich schnell ändern.

Ich hielt mich an Aidens Hals fest und fuhr erstmal zu seinem Nacken. Dort kraulte ich ihn etwas, zog ihn aber gleichzeitig auch näher zu mir herunter. Auch Aidens Hand bewegte sich, er streichelte meinen Oberschenkel und rutschte immer weiter höher, bis er unter meinem Kleid angekommen war. Er fuhr meine Seite hoch bis zu meinen Brüsten. Ich erwartete schon seine warmen und weichen Hände, aber er machte nicht weiter. Nein, er löste sich auch von mir und keuchte stark. Ich wollte schon fragen, was los war, aber das brauchte ich nicht. Ein Blick in seine vor Verlangen glühenden Augen sagte mir, dass er nur versuchte, mich nicht anzufallen. Ich lächelte ihn an, zog ihn wieder zu mir herunter und küsste ihn wild. Leicht biss ich ihn in die Unterlippe, was ihm ein Keuchen entlockte. Mein Becken hob ich leicht an und rieb es an seinem. Ich wollte ihm zeigen, dass ich bereit war und vor allem, dass ich ihn wollte. Er ging auf meinen fordernden Kuss ein und kämpfte mit meiner angrifflustigen Zunge. Seine Hand fuhr jetzt auch weiter zu meiner Brust, die er in seine große Hand nahm. Meine Haut brannte unter seinen Berührungen und ich wollte einfach immer und immer mehr.

Wieder trennte er sich von mir und ich holte erst einmal tief Luft. Aidens Hand fuhr wieder aus meinem Kleid, aber dann packte er den Saum des Kleides und zog er mir aus, sodass ich nur in Unterwäsche und den Overknees unter ihm lag. Sein Blick wanderte von meinem Gesicht über meinen Körper. Jeden cm meines Körpers studierte er mit seinen dunkelgrünen Augen und von Sekunde zu Sekunde fühlte ich mich sexy und schön. Er gab mir einfach das Gefühl, die einzige Frau auf der Welt zu sein, die einzige Frau, die ihm etwas bedeutete. Auch wenn ich wusste, dass er schon viele Frauen gehabt hatte und sogar eine davon geliebt hatte, war es einfach gerade so, dass ich allein zu ihm gehörte. Sein Blick blieb an meinem Slip hängen und sofort bekam er ein Lächeln auf die Lippen. Ich konnte auch nicht anders, als zu lächeln.

„Wehe du sagst jetzt was“, drohte ich ihm, zog ihn wieder zu mir herunter und küsste ihn.

„Süßes Höschen“, murmelte er doch unter meinen Lippen. Ich boxte ihn und biss ihm in die Lippe. Aiden lachte nur und befreite sich.

„Das bekomm ich jetzt immer zu hören oder?“

„Kann sein.“ Er küsste meine Wange, dann meinen Kiefer, meinen Hals, mein Dekolleté. Dort blieb er für eine Weile und rutschte dann zu meinen Brüsten. Erst küsste er das Tal zwischen ihnen, allerdings spürte ich davon nichts, weil ich immer noch meinen BH anhatte. Ich zappelte leicht, weil ich seine Lippen auf meiner Haut spüren wollte. Aiden amüsierte das und er striff mit seinen Lippen über den Stoff meines BH´s. Schnell packte ich um ihn und kniff ihn in den Po. Das ließ ihn aber auch nur grinsen.

Dann endlich fuhren seine Hände meine Seiten entlang und zu meinem Rücken. Ich hob ein bisschen meinen Oberkörper an, sodass er besser an den BH Verschluss kam. Schnell hatte er den auch gefunden und aufgemacht, was mich wieder zu seinen Erfahrungen mit anderen Frauen führte, aber diese Gedanken verwarf ich. Es gab nur ihn und mich und das zählte für jetzt.

Als er mich aus dem BH geschält hatte, beugte ich mich hoch zu ihm und drückte meinen Oberkörper an seinen. Sofort verschwand sein grinsen wieder und dieser wilde Ausdruck kam wieder auf sein Gesicht. Ich lächelte und rieb meine Brüste an seinem Oberkörper. Dadurch ging auch ein Schauer durch meinen Körper. Ich packte ihn an der Schulter und mit einem Ruck drehte ich uns. Jetzt lag er unter mir und ich saß auf seinen Oberschenkeln. Aiden sah zu mir auf und hatte wieder dieses Leuchten in den Augen und jetzt musterte er wieder meinen Körper. Jetzt gestattete er sich auch einen Blick auf meine nackten Brüste. Unter seinem Blick wurde mir noch heißer und mein Puls beschleunigte sich noch mal. Ich genoss es, dass er mich so musterte, weil es nicht nur von einer Seite kam. Ich wollte ja, dass er mich so ansah, mich sexy und schön fand. Langsam beugte ich mich zu ihm herunter und küsste ihn wieder. Erst sanft, aber dann immer leidenschaftlicher. Meine Hände strichen von seinen starken Schultern über seine muskulösen Armen zu seiner Brust, die sich unregelmäßig auf und ab bewegte. Seine Haut hatte eine leichte Gänsehaut und war noch ein bisschen wärmer als sonst. Seine Atmung verriet mir, dass er genauso erregt war und nicht nur seine Atmung. An meinen Beinen spürte ich noch etwas anderes, was ihn verriet. Und genau da wollten meine Hände hin. Ich strich weiter über seinen flachen Bauch und über all die Narben, die er hatte. Diesmal hielt er mich nicht auf, er hatte Vertrauen in mich und das ließ mein Herz anschwellen.

Langsam löste ich mich von seinen Lippen und nahm den gleichen Weg, den er eben über meinen Körper genommen hatte. Ich streifte mit meinen Lippen erst seine Wange, dann seinen Kiefer, dann seinen Hals, weiter zu seiner Brust und dann weiter nach unten. Aiden krampfte sich etwas zusammen als ich die Narben auf seinem Körper küsste. Meine Hände waren an seinem Hosenbund angekommen und mit schnellen Handgriffen hatte ich seine Hose schnell auf. Meine Lippen folgten dem Beispiel meiner Hände und ich rutschte immer weiter herunter zu seinem Hosenbund, allerdings blieb ich an der großen Brandnarbe stehen, die Aiden von der Brust bis zum Bauch reichte. Doch da war sie nicht zuende, sie reichte noch bis unter seine Hose. Aiden sog die Luft ein, als ich ihn an der Hüfte küsste, genau auf die Brandnarbe.

„Dylen“, hauchte er und wollte mich schon aufhalten, aber ich sah ihn an und stoppte ihn so.

„Vertrau mir, bitte.“ Er schluckte, ließ die Hand wieder aufs Bett fallen und krallte sich ins Lacken. Ich widmete mich wieder der Narbe und küsste sie cm für cm. Langsam wurde Aiden ein bisschen entspannter, aber als ich dann seine Hose herunter zog, spannte er sich wieder an. Ich grinste und zog ihm dann auch die Boxershorts aus und was mir da zu Gesicht kam, war unglaublich …

 

Ich stand inmitten einer Scharr von Dämonen, schon verwandelt in einen Wolf, allerdings war ich nicht ich. Meine Wolfsgestalt hatte braunes Fell. Irgendwas war an meinem Traum nicht richtig. Ich war kein Zuschauer mehr … ich war Daphne.

Plötzlich bewegte ich mich von selbst und griff einen der Dämonen an, der sich langsam auf dem Boden schlängelte. Ich sah alles was meine Schwester gesehen hatte, sah, wie sie die Dämonen angriff und diese sich wehten.

Ares, bitte hilf mir, hallte es durch meinen Kopf. Ares …

Ich verbiss mich in dem Arm des Dämonen, der sich schon materialisiert hatte und mich angriff. Aber er war stärker als ich und schleuderte mich weg. Schnell brachte sich mein Körper wieder in Position und landete auf den Füßen. Ich knurrte und dann passierte alles viel zu schnell. Ich hörte ein Baby schreien, dann ein Schmerz und dann ein Blitz. Sofort schoss mir ein Name durch den Kopf.

Ares!

Ich ging zu Boden und verwandelte mich zurück in einen Menschen, in meine Schwester.

Plötzlich war ich nicht mehr in ihrem Körper, ich stand neben ihr und musste zusehen, wie sie verblutete. Der Mann der ihr zur Hilfe geeilt kam, hatte die Dämonen verscheucht und kniete jetzt neben ihr. Ich sah sein Gesicht nicht, obwohl er direkt vor mir stand. Auch als meine Schwester etwas hauchte, hörte ich es nicht mehr. Sie hatte nicht Ares gehaucht, das war mir klar, aber wer war dieser Mann? Ich wusste, was jetzt passierte. Er würde sie küssen und sie würde sterben. Nur wusste ich nicht, wer dieser Mann war. Mit Sicherheit wusste ich, dass es nicht ihr Verlobter gewesen war.

Die Szene verschwamm vor meinen Augen, aber ich wollte noch nicht weg, ich wollte das Gesicht des Mannes sehen, der zu spät gekommen war, der meine Schwester im Stich gelassen hatte. Und dann wurde alles schwarz.

„Nein!“, hauchte ich und saß wach im Bett. Allerdings war das nicht mein Bett und auch nicht mein Zimmer. Ich war total verwirrt und sah mich um. Mir wurde leicht kalt und ein Schauer lief mir über den Rücken, dadurch sah ich neben mich … und sah ihn. Aiden. Sofort wusste ich wieder wo ich war. Ich war bei ihm, in seiner Wohnung … in Sicherheit. Und vor allem nackt.

Schnell legte ich mich wieder hin und deckte mich zu. Ich kuschelte mich in Aidens Arm und legte meinen Kopf auf seine Schulter. Er brummte leise und schlang seinen Arm um mich. Lächelnd kuschelte ich mich an seine Wärme und streichelte über seine Brust. Meine Finger ließ ich über die langen Narben auf seiner Brust fahren, aber mein Blick war auf sein schlafendes Gesicht gerichtet. Er sah friedlich aus und entspannt. Ich beobachtete ihn noch eine ganze Weile. Studierte seine krumme Nase, seine noch ein bisschen geschwollenen Lippen, sein markantes Kinn. Er ließ mich den Traum vergessen, den ich vor ein paar Minuten noch gehabt hatte. Er ließ mich einfach alles vergessen. Genauso wie ich für die letzten Stunden vergessen hatte, dass man mein Haus fast in die Luft gejagt hatte. Und solange er in meiner Nähe blieb, wusste ich auch, dass ich das wieder hinbekommen würde. Aiden würde mir dabei helfen. Und das stimmte mich glücklich.

Sanft küsste ich seine Brust und stand dann leise und langsam auf. Er hatte so viel für mich getan und deswegen wollte ich ihm jetzt wenigstens einen Kaffee machen, mehr konnte ich ja gerade nicht machen. Als ich dann aus dem Bett geklettert war, sah ich mich nach meinen Sachen um, die auf dem Boden verteilt waren … aber eigentlich hatte ich keine Lust, das Kleid anzuziehen. Lächelnd schlich ich mich zu Aidens Schrank und machte ihn auf. Der Schrank war nicht gerade voll, aber ich fand was ich gesucht hatte. Ein einfaches weißes Hemd von ihm. Es reichte mir gerade so über den Po und war auch von den Armen viel zu lang, aber das machte mir gar nichts aus. Die Hauptsache war, dass es nach ihm roch. Ich vergrub meine Nase in dem Hemd und schlich leise in die Küche, wo ich gestern schon eine Kaffeemaschine gesehen hatte, wo man den Kaffee noch aufschütten mussten. Also suchte ich in den Regalen nach Filtern und Kaffeepulver, was ich auch im ersten Schrank fand. Den Filter tat ich in die Halterung und tat genug Kaffeepulver hinein. Dann schüttete ich Wasser hinten in die Maschine und machte sie dann an. Solange der Kaffee brauchte, räumte ich unsere Klamotten vom Boden. Seine Hose und die Shorts hängte ich über den einen Stuhl des Esstisches, meine Sachen kamen auf den anderen. Aiden bewegte sich im Bett, aber er hielt die Augen geschlossen. Mein Lächeln verschwand nicht und meine Gedanken kreisten auch nur um Aiden, deswegen merkte ich auch nicht, dass ich angefangen hatte zu summen. Dabei schwang ich ein bisschen die Hüften und ging im Raum herum. Meine Finger ließ ich erst über den Tisch gleiten, dann ging ich zu dem Sideboard und ließ auch über dieses meine Finger streichen. Ich ging bis ans andere Ende des Boards und blieb dann stehen. Dort stand ein Gerät, was mir total unbekannt vorkam, vor allem, weil es selbst gebaut war. Es war ein Kasten, der schwer nach einem Radio oder sowas aussah.

„Das ist ein Funkgerät.“ Erschrocken drehte ich mich zu Aiden um, der jetzt seine Augen offen hatte, sich leicht aufgesetzt hatte und mich musterte. Ich lächelte ertappt.

„Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt“, entschuldigte ich mich.

„Nein, dein summen war angenehm.“

„Mein Summen?“

„Ja, und der Hüftschwung hat mir auch gefallen.“ Sofort wurde ich rot, Aiden lächelte nur. „Komm her.“ Mit schnellen Schritten war ich bei ihm und kaum war ich da, packte er mich am Arm und zog mich aufs Bett. Ich lachte und ließ mich einfach fallen. Aber dann setzte ich mich wieder auf und schwang mich dann auf seinen Schoß.

„Hast du gut geschlafen?“, fragte ich lächelnd, beugte mich herunter und küsste ihn hinters Ohr. Aidens Hände legten sich auf meine Hüfte und sein Daumen streichelte meine Haut.

„Ja, hab ich und du?“ Ich biss leicht in sein Ohr und ließ dann von ihm ab, nur um ihn anzulächeln.

„Ja, ich auch.“ Ich musste ihm ja nicht sagen, was ich geträumt hatte. Ich wollte ihn jetzt nicht mit Sachen nerven, die vielleicht eh nie passiert waren. Aber vielleicht war er jemand der mir helfen konnte. Ich meine, Ares war doch ein Gott. Der Gott des Krieges, also müsste dieser Typ doch einer seiner Brüder sein … und doch wollte ich den Moment nicht zerstören. „Ich hab ...“, fing ich an, aber dann kam aus der Küche ein Geräusch. „... Kaffee gemacht. Wie trinkst du ihn?“ Ich wollte aufstehen, aber Aiden hielt mich noch mal auf. Sanft umfasste er mein Kinn, zog mich zu sich herunter und küsste mich.

„Mit Zucker“, hauchte er an meinen Lippen. Dann ließ er mich los und ich lief schnell in die Küche, um ihm eine Tasse Kaffee zu holen. Den Zucker fand ich auch im Schrank. Als ich dann umgerührt hatte, brachte ich die Tasse zu Aiden. Er beobachtete mich wieder und lächelte, als ich ihm seine Tasse gab. Nachdem ich dann auch meine Tasse geholt hatte und mich wieder auf ihn gesetzt hatte, nahm Aiden den Saum des Hemdes in die Hand.

„Ist das meins?“ Grinsend nickte ich.

„Sieht gut aus, oder?“

„Ja, aber ich befürchte, dass du dir lieber etwas anderes anziehen solltest.“

„Sonst was?“, neckte ich ihn und biss mir auf die Lippe. Aiden legte wieder eine Hand an meine Hüfte und malte kleine Ranken auf sie.

„Sonst landest du wohl wieder unter mir.“ Ich beugte mich zu ihm herunter und streifte mit meinen Lippen die seinen.

„Vielleicht will ich das ja“, hauchte ich und küsste ihn dann. Er erwiderte meinen Kuss und stellte seinen Kaffee weg. Seine Hand an meiner Hüfte fuhr hoch und fing schon an, das Hemd aufzuknöpfen, als es plötzlich knisterte. Aiden seufzte und trennte sich von mir. Ich drehte mich gerade zu dem Funkgerät um, als es auch schon anfing zu sprechen.

„Wir haben schon wieder zwei tote Jugendliche“, ertönte die Stimme eines Mannes.

„Wir sind unterwegs“, sagte ein weiterer Mann und nannte eine Straße, die nicht weit von hier entfernt war. Ich sah Aiden an, dessen Lächeln von seinem Gesicht gewichen war.

„Was war das?“, fragte ich.

„Ich beobachte schon seit ein paar Wochen die Situationen hier und auch in anderen Städten. Immer mehr Menschen werden getötet und entweder sie verschwinden schon vom Tatort oder sie verschwinden aus der Leichenhalle.“ Meine Gedanken überschlugen sich.

„Warte mal. Du willst mir aber jetzt nicht sagen, dass sie verwandelt werden.“

„Auch oder besessen. Den Dämonen ist es egal, wer es ist. Sie besetzten auch unseres gleichen. Derek und ich sind erst vor ein paar Tagen solchen begegnet. Es waren auch Werwölfe dabei oder Gestaltenwandler. Sie machen vor keinem mehr halt.“

„Und Menschen werden verwandelt?“ Er nickte und legte seine Hände auf meine Oberschenkel. „Wenn du dahin musst, dann ...“

„Nein, ich kann eh nichts daran ändern.“

„Aber wir könnten die Leichen verschwinden lassen.“

„Jetzt kommen wir eh nicht in die Leichenhalle, wenn müssten wir diese Nacht einbrechen und dann wird es auch zu spät sein. Ich weiß, dass sie selbst schon Polizisten auf ihrer Seite haben. Wir müssen uns auf den Kopf der Bande konzentrieren und das nicht alleine. Ich brauche meine Brüder dafür.“ Wieder nickte ich.Er wusste wohl am besten, was wir tun sollten. Er versuchte schon seit Jahren diese Typen zur Strecke zu bringen. „Okay … du gehst jetzt duschen und danach rufst du lieber deine Eltern an, sie werden wohl schon wissen, was mit deinem Haus passiert ist.“ Mit einem Schluck trank er seinen Kaffee aus und ich ging von ihm herunter. Und schon war Schluss mit der schönen Stimmung, in der wir einfach normal miteinander reden konnte … oder uns küssen konnten.

Ich beobachtete Aiden, wie er – immer noch nackt, wohl bemerkt – zu seinem Schrank ging und sich Sachen heraus suchte. Allerdings sah ich mir nicht seinen starken Körper an, sondern das Siegel auf seinem Rücken. Mit schnellen Handgriffen war Aiden angezogen und drehte sich auch schon zu mir um. Er hatte nichts weltbewegendes an. Eine Blue Jeans und ein weißes T-Shirt. Aber sein Muskel bepackter Körper machte daraus ein super Outfit. Das weiße T-Shirt lag Hauteng an und zeichnete wirklich jeden Muskel ab und auch die ein oder andere Narbe, sodass man genau sah, was er drauf hatte und das man am besten vor ihm weglaufen sollte. Doch ich kannte seine andere Seite, mir würde er nichts tun und genau deswegen fand ich ihn unglaublich sexy. Ich sah von seiner Brust hoch zu seinen Augen. Auch er hatte mich gemustert und durch das kleine Aufblitzen seiner Augen wusste ich auch, das ihm gefiel was er sah. Wie konnte ihm das auch nicht gefallen? Ich war praktisch nackt, weil unter seinem Hemd hatte ich nichts mehr an.

Aiden schnappte sich noch eine Strickjacke und kam dann auf mich zu. Sanft umfasste er mein Gesicht und sah mir in die Augen. Ich umfasste seine Handgelenke und lächelte.

„Ich laufe schon nicht weg, Aiden“, meinte ich.

„Gut, ich beeil mich“, versprach er und küsste mich dann sanft. Wir vertieften den Kuss ein wenig, aber als wir uns dann trennten ging Aiden schnurstracks zur Türe und machte sie auf. „Ruf deine Mom an, sie wird sich sicher Sorgen machen und bevor sie eine Vermisstenanzeige macht, solltest du ihr sagen, dass du okay bist.“ Ich war mehr wie okay, aber das konnte ich ihr nicht sagen. „Mein Handy liegt ...“

„Auf dem Tisch, ich weiß.“ Er sah sich noch mal um. „Verschwinde jetzt“, lächelte ich und stand auf. Sein Blick war sofort auf mir und rutschte runter zu meinen Beinen. „Aiden!“, lachte ich.

„Ja, ja, schon okay.“

„Beeil dich.“ Er lächelte und nickte. Seufzend ließ ich mich aufs Bett zurück fallen. Vielleicht sollte ich erst duschen gehen und dann mit Mom telefonieren, ich brauche dafür starke Nerven und die hatte ich im Moment noch nicht, weil ich nur an Aiden und seinen nackten Körper denken konnte. Eine heiße Dusche würde das sicher klären. 

Kapitel 25

Kapitel 25

 

Die Dusche war wunderbar gewesen. Ich hatte mir bestimmt zehn Minuten zeit gelassen und hatte mich einfach unter den heißen Strahl gestellt. Auch wenn ich mich beeilen musste, wollte ich mir das gönnen, denn jetzt fing das ganze Abenteuer erst an. Wir mussten nach dem Frühstück sofort los und Aidens Brüder suchen, damit wir den ganzen Schrecken los werden.

Immer noch hatte ich das im Kopf, was Aiden gesagt hatte. Diese Typen verwandelten Menschen in Vampire und andere Wesen oder töteten sie einfach nur so, um sie zu besitzen. Und bestimmt waren das nicht nur Menschen, die sie da töteten. Nein, Fähigkeiten von anderen Wesen waren bestimmt nützlich, denn Menschen konnten höchstens gut kämpfen, aber sie waren nicht schnell oder stark oder hatten andere Fähigkeiten.

Als ich geduscht hatte, hatte ich mich wieder angezogen und mich an den Esstisch gesetzt, wo Aidens Handy lag. Jetzt starrte ich das Handy bestimmt schon fünf Minuten an. Ich musste sie endlich anrufen, sie starb bestimmt vor Sorge … nicht nur, dass das Haus total kaputt war, nein, ich war ja auch einfach so mit Aiden verschwunden und hatte sowohl Mom als auch Dad und Bec versprochen wieder zukommen.

Böse, böse Tochter.

Ach, lass mich in Ruhe.

Ich sammelte all meinen Mut zusammen und tippte die Telefonnummer von zuhause ein.

Es piepte einmal.

Zweimal.

Dreimal.

„O´Conner“, meldete sich die dunkle Stimme meines Vaters. Seufzend sackte ich ein bisschen zusammen.

„Dad, ich bins“, sagte ich erleichtert.

„Dylen? Oh Gott sei Dank. Deine Mutter dreht völlig durch. Wir wurden angerufen, dass es in deinem Haus eine Explosion gegeben hatte und weil du einfach so verschwunden warst … du kannst nicht glauben, was ich durchmachen musste.“

„Tut mir leid, Dad. Kannst du sie mir mal geben? Dann erlöse ich dich aus deinem Leid.“

„Ja tu ...“ Dad konnte nicht weiter reden, weil im Hintergrund jemand meinen Namen schrie. „Helena, Schatz, bitte beruhige dich. Sie ist es. Ihr geht es ...“ Und schon wurde Dad das Telefon aus der Hand gerissen und meine aufgeregte Mutter schrie mich an.

„WO BIST DU?! ICH HABE MIR SO SORGEN GEMACHT!“ Ich hielt das Handy von meinem Ohr weg, damit ich keine Hörschäden davon trug.

„Mom, könntest du nicht so schreien?“

„Jetzt gibt sie mir auch noch Befehle, dieses Mädchen“, murmelte sie vor sich her.

„Mom, hörst du mir zu?“

„Ja klar hör ich dir zu. Ich habe mir Sorgen gemach, junges Fräulein.“ Ich hasste es, wenn sie mich so nannte.

„Ich weiß, Mom, und es tut mir leid ...“ Doch sie ließ mich nicht ausreden.

„Wo bist du? Geht es dir gut? Warst du im Haus, als das passiert war?“ Ich fing zwar an, zu reden, aber ich glaubte nicht, dass sie mich ausreden lassen würde, wenn sie nur Aidens Namen hören würde.

„Mir geht es gut und ich bin in Sicherheit“, fing ich erst einmal an. Sollte ich ihr sagen, dass ich im Haus gewesen war? Nein, lieber nicht. „Nein, ich war nicht im Haus und … ich war mit Aiden zusammen. Wir haben es von weitem gesehen und bevor noch irgendetwas passiert wäre, sind wir lieber sofort gegangen. Meine Nachbarn waren schon draußen, deswegen haben wir noch keinem Bescheid gesagt.“

„Bist du bei IHM?“ Das letzte Wort kreischte sie fast.

„Helena“, stöhnte Dad im Hintergrund.

„Ja, ich bin ...“ Und schon wieder schrie sie. Ich hielt das Handy auf Abstand. Genau in dem Moment öffnete sich die Türe und Aiden kam herein.

„Ich glaube es nicht, ich habe dir doch gesagt, du sollst dich von ihm fern halten! Warum kannst du nicht einmal hören? Er ist nicht gut für dich“, schrie sie und ich verstand sie auch, wenn ich das Handy nicht am Ohr hatte. Mein Blick huschte zu Aiden, der mich auch ansah. „Dylen, wie kannst du nur so gutmütig sein und Aiden so vertrauen, wenn ich dir doch sage, dass er nicht gut für dich ist, dann kannst du mir schon glauben.“ Aiden zog einen Mundwinkel hoch, sodass er lächelte, aber es war kein richtiges Lächeln. Super, Dylen.

„Mom!“, rief ich ihr dazwischen und zu meinem Erstaunen hielt sie auch sofort den Mund. „Ich weiß nicht, was passiert ist und um ehrlich zu sein, ist mir das auch ganz egal. Ich habe Aiden kennengelernt und mir hat er noch nichts schlimmes getan, also werde ich weiter mit ihm rumhängen oder sonst etwas machen. Ich bin alt genug, um selber zu entscheiden und ich würde es begrüßen, wenn du aufhören könntest zu schreien und so über ihn zu reden“, redete ich Klartext und hoffte, dass sie es endlich verstand.

Stille.

„Aber er ...“

„Nein“, unterbrach ich sie. „Bitte akzeptier es und ich bin mir sicher, dass du ein ganz falsches Bild von ihm hast.“

„Aber Dylen ...“

„Nein, bitte Mom.“ Sie seufzte.

„Du bist alt genug.“ Seufzend nickte ich, auch wenn sie es nicht sehen würde. „Und wie geht es jetzt weiter?“

„Aiden und ich werden seine Bruder suchen gehen ...“

„Wird Derek auch dabei sein?“ Augenblicklich bekam ich eine Gänsehaut. Ich wollte nicht an Derek denken, vor allem nicht nach der Nacht mit Aiden. Wenn ich nur daran dachte, dass Derek mich nur ansehen brauchte, um zu wissen, dass ich mit Aiden geschlafen hatte, wurde mir übel … aber jetzt ging es darum, Mom dazu zu bringen mich nicht jede fünf Minuten anzurufen.

„Ja, ist er.“

„Dann ist gut. Was ist mit deinem Handy?“

„Das hatte ich gestern nicht mit, dass ist zuhause … also Schrott. Ich werde mir aber ein neues holen.“

„Und deine ganzen Sachen? Ich hoffe doch, dass er dich nicht nackt ...“

„Helena! Lass Dylen doch mal in Ruhe. Sie weiß schon was sie tut“, mischte sich Dad ein. Sofort musste ich lächeln. Dad war einfach der Beste. „Gib sie mir.“

„Nein, ich muss noch ...“ Ich hörte wieder einen Telefonwechsel.

„Schatz, wenn irgendetwas ist, dann ruf an. Wir helfen dir … und pass auf dich auf.“

„Ja, Dad.“ Damit legten wir auf und ich konnte nur den Kopf schütteln. Dad war einfach der Beste.

Aiden kam aus der Küche und brachte Aufschnitt und Brötchen mit.

„Alles geklärt?“, fragte er und setzte sich mir gegenüber hin, mit einem neuen Kaffee in der Hand.

„Ja, auch wenn sie nicht einverstanden ist, bleibe ich hier“, meinte ich nur. Aiden nickte.

„Willst du auch noch einen Kaffee?“ Ich nickte und er stand noch mal auf, um mir einen neuen Kaffee zu holen.

Okay, Dy, streng dein Hirn an. Du musst Aiden zeigen, dass du nicht das gleiche von ihm denkst wie deine Mom und das es dir egal ist, was auch immer da zwischen ihnen und ihm gewesen war.

Als Aiden dann wieder kam und mir meinen Kaffee vor die Nase stellte, packte ich ihn am Handgelenk und brachte ihn so dazu, mich anzusehen.

„Das was meine Mom eben gesagt hat“, fing ich an. „Das ist mir egal. Mir ist egal, was zwischen euch passiert ist.“

„Wenn du wüsstest“, murmelte er, löste meine Hand und setzte sich mir gegenüber. Jetzt war ich verwirrt. Ich wollte ihm doch nur sagen, dass es mir egal ist.

„Was?“

„Egal. Wir sollten uns beeilen und dir dann ein paar neue Sachen kaufen.“ Vielleicht schaffte ich es, ihn zum Lachen zu bringen.

„Gefällt dir das nicht, was ich anhabe?“, lächelte ich ihn an und versuchte ein bisschen zu flirten.

„Doch, aber wenn du nicht angestarrt werden willst, sollten wir dir was anderes holen und es kann sein, dass wir angegriffen werden. Willst du mit hohen Schuhen kämpfen?“ Ich ließ meine Schultern hängen und seufzte. Okay, die romantische oder leidenschaftliche Stimmung zwischen uns, war wohl dahin.

„Ja, vielleicht ist es besser“, meinte ich und nahm mir ein Brötchen, dass ich mit etwas Marmelade beschmierte.

Nach dem Frühstück hatte ich Aiden duschen geschickt und ich hatte die Frühstückssachen aufgeräumt. Dabei hatte ich immer nur daran denken können, wie ich die Laune von Aiden wieder aufhellen konnte. Ich wollte nicht, dass wir so weiter machten. Ich wollte mit ihm spaßen und ihn vielleicht auch noch küssen. Wie konnte Mom nur immer so gemein sein? Warum musste sie so schreien, warum konnte sie mir nicht vertrauen? War das so schwer?

Gerade kam ich aus der Küche, als auch Aiden aus dem Bad kam. Er hatte die Blue Jeans und das T-Shirt wieder an, seine Haare waren allerdings noch leicht nass.

„Können wir los?“, fragte er, als er sich die Jacke nahm und anzog. Die Jacke schmiegte sich auch an seinen Körper. Dann ging er zu seinem Schrank, holte unter ihm eine Tasche heraus und packte ein paar Sachen ein. Innerhalb von zwei Minuten war die Tasche gepackt. Er schwang die Tasche und schulterte sie.

In der Zeit hatte ich mir meine Stiefel angezogen und war auch Start klar.

„Und wie wollen wir zu deinem Bruder kommen?“, fragte ich, als wir die alte Treppe des kleinen Hauses herunter gingen.

„Im nächsten Ort habe ich ein Auto. Da können wir dir auch neue Klamotten holen.“

Eine halbe Stunde später waren wir im nächsten Ort angekommen, wo Aiden eine kleine Garage besaß in der ein silberner Audi a3 stand. Ein schönes Auto und die Farbe würde nicht so auffallen. Ich meine, Silber oder schwarz fährt doch heutzutage jeder. Obwohl auch knallige Farben trend werden. Ich war nur froh, dass das Auto nicht organge oder neon grün war. Mit Silber konnte ich arbeiten. Dazu war es noch ein Viersitzer, also hatten wir genug platz.

Aiden hatte gewartet, bis das Taxi, mit dem wir gefahren waren, wieder verschwunden war und hatte dann erst die Garage geöffnet. Jetzt allerdings parkten wir auf einem kleinen Parkplatz hinter einem Einkaufscenter. Aiden und ich trennten uns, da er noch Geld und etwas zu essen besorgen wollte. Ich sollte mir einen Laden aussuchen und mich einkleiden. Das sagte er so einfach, denn sobald ich in einen Laden gegangen war, sah ich tausende Sachen, die mir gefielen. Aber ich musste jetzt mal mein Hirn anstrengen und logisch denken. Was wäre wohl am logischsten, was ich anziehen könnte?

Einen Minirock, damit du Aiden wieder verführen kannst.

Auf keinen Fall! Eine Jeans und ein Top.

Ja, eine richtig enge Röhrenjeans und ein bisschen Bauchfrei.

Damit kann ich ja noch leben, aber jetzt halt die Klappe, ich muss überlegen.

Ich fand schnell eine Röhrenjeans, die ich mir einmal in schwarz und blau mitnahm. Das war ja einfach, aber Oberteile zu suchen und auch schöne zu finden, war einfach schrecklich. Allerdings durfte ich auch nicht zu wählerisch sein. Sie mussten einfach und praktisch sein.

Drei Mal lief ich jetzt schon durch den Laden. Ich hatte schon schöne Tops oder T-Shirts gefunden, aber ich war mir nie sicher. Meine Güte, Dylen, jetzt stell dich nicht so an. Ich drehte noch eine Runde und nahm mir einfach das erste, was mir gefiel. Ein weißes T-Shirt mit einem Frauenkopf, dann ein längeres Top, was ich in weiß, blau und braun mitnahm.

Es dauerte noch zwanzig Minuten bis ich endlich an die Kasse gehen konnte, um zu bezahlen. Am Ende hatte ich 3 Tüten in der Hand. In der einen waren weiße Sneakers. In den beiden anderen waren die zwei Röhrenjeans, die drei längeren Tops, das T-Shirt mit dem Frauenkopf, ein brauner Cardigan, eine schwarze Strickjacke, Unterhosen und Socken. Einen BH hatte ich nicht geholt, ich hatte ja einen an. Als ich bezahlt hatte, war ich in eine der Umkleiden gegangen und hatte mich umgezogen. Eine neue Unterhose, die schwarze Röhrenjeans, das braune Top, den braunen Cardigan und natürlich die Seakers. Meine alten Klamotten packte ich in eine Tüte und verließ dann schnell den Laden. So etwas hatte ich eben noch nie gemacht und irgendwie war es komisch, mich da in dem Laden umzuziehen und dann mit den neuen Sachen heraus zu spazieren. Mit Schuhen machte man das ja manchmal, aber mit Anziehsachen hatte ich sowas noch nie gemacht.

Draußen wartete Aiden auch schon auf mich. Na ja, er wartete nicht wirklich, er sah sich um und als ich aus dem Laden kam, hatte er mir zugenickt. Er trug auch zwei Taschen, die mit Essen und trinken voll waren. Zusammen gingen wir zurück zum Auto und setzten uns hinein.

„Ich hab dir ein neues Handy besorgt“, sagte Aiden und holte aus einer der Taschen ein einfaches Smartphone heraus. „Ich hab es schon eingerichtet und hab meine Nummer gespeichert.“

„Danke.“ Zum Glück hatte ich die zwei wichtigsten Telefonnummern in meinem Kopf. Die von Sky und die meiner Eltern. „Und wo müssen wir jetzt hin? … oder weißt du das nicht?“

„Nicht richtig. Ich weiß, wo Adam früher gewohnt hat, aber ich glaube nicht, dass er da noch wohnt.“

„Habt ihr keine Nummern getauscht? Ich meine, ihr seid Brüder, wie kann man da nicht die Nummer des anderen haben?“ Aiden drehte den Schlüssel im Zündschloss und startete somit den Motor.

„Ich habe Adam schon 80 Jahre nicht mehr gesehen.“ 80 Jahre?

„Das verstehe ich nicht, warum so lange? Habt ihr nicht das Bedürfnis euch zu sehen? Scherze zu machen?“

„Dylen, ich bin alt. Seit es keine Könige mehr gibt oder Diktatoren sind wir fünf in alle Winde verstreut gewesen und haben gelebt. Früher war noch alles anders, aber wir haben uns auch mit entwickelt.“ Ich schluckte und musste mich richtig anstrengen ihm zu zuhören. Alt. … Natürlich musste er alt sein, er war einer der Götter, obwohl ich nicht wusste welcher, aber ich konnte davon ausgehen, dass er ALT war.

„Alt“, murmelte ich. Dann war Derek auch ...Mir klappte der Unterkiefer herunter. Ich hatte mit alten Säcken geschlafen. Ich hatte Sex mit zwei steinalten Typen.

„Dir muss doch bewusst gewesen sein, dass wir nicht 800 Jahre alt sein können?“

„Darüber hab ich mir gar keine Gedanken gemacht, um ehrlich zu sein“, murmelte ich und kam mir irgendwie blöd vor. Sie waren Götter, klar dass sie nicht so jung waren. „Tut mir leid, meine Reaktion war unpassend.“ Aiden zuckte nur die Schultern und fuhr auf die Autobahn.

„Ich bin ehrlich, wir reden auch nicht oft über unser Alter, es schreckt eben jeden ab.“

„Ja, Derek und ich haben auch nie über sein Alter geredet“, murmelte ich. Dafür hatten wir ehrlich gesagt keine Zeit. „Wir haben generell nicht viel geredet.“

„Derek eben, mach dir nichts drauß. Er hat da andere Vorzüge.“ Sofort wurde ich rot und sah aus dem Seitenfenster. Auch wenn Aiden recht hatte, wusste ich gar nicht mehr, warum ich mich eigentlich mit Derek eingelassen hatte. Ich hatte schon etliche Beziehungen gehabt und das nicht nur wegen dem Sex. … Allerdings waren sie ja auch Unsterbliche und wirkten anders auf die Leute.

Klar, schieb es auf die Unsterblichen. Die sind alles Schuld.

Stimmt doch gar nicht. Bei Derek war es anders gewesen und jetzt bei Aiden auch, aber bei ihm ist es noch mal etwas anderes. Ich wollte mehr über ihn wissen, ich wollte wissen, wie er früher war. Jetzt da ich mir bewusst war, dass er wirklich soooo alt war, wollte ich ihn mir in allen möglichen Zeitaltern vorstellen.

Zum Beispiel im Mittelalter. Ich konnte mir Aiden einfach nicht in einem edlen Gewand vorstellen. Aber das wäre ja eh Xander vorbehalten gewesen. Diese langen roten Mäntel und die langen Gewänder. Nein, Aiden wäre ein Prinz gewesen und hätte eine lange Tunika getragen, einen Gürtel mit einem Schwert um der Hüfte, braunen Stiefeln, schwarzer Hose und Umhang. Allerdings könnte ich ihn mir auch im Robin Hood verschnitt gut vorstellen können. Mit Köcher, Pfeil und Bogen auf dem Rücken.

„Worüber denkst du nach?“, holte Aiden mich aus meinen Überlegungen. Ich sah ihn wieder an und lächelte verlegen.

„Ich hab mich dich im Mittelalter vorgestellt.“ Aiden lachte laut und schüttelte den Kopf. „Was denn? Ich mag das Mittelalter, auch wenn es mit der Hygiene nicht viel hatte, aber trotzdem.“

„Das Mittelalter war toll“, stimmte er mir zu und wechselte die Spur, dann gab er Gas.

„Bogen oder Schwert?“

„Beides.“ Lächelnd schüttelte ich den Kopf. Das hätte ich mir doch denken können.

„Wie war das früher?“

„Es war nicht immer so, dass Mom und Dad sich versteckt hielten. Am Anfang waren wir Götter. Aber nach und nach wollte Mom nicht mehr nur oben leben und kam herunter auf die Erde. Im Mittelalter haben Adam und ich viel Mist gebaut“, erzählte er mir lächelnd.

„Ward ihr Bauern oder was?“, ärgerte ich ihn ein bisschen.

„Herzog. Mom war noch nie so, dass sie sich aufspielte. Ihr reichte ein Stückchen Land und ein Dorf, was sie betüteln konnte.“ Ich boxte ihn leicht in den Arm.

„Du bist gemein.“

„Hauptsache wir wurden zu Bällen eingeladen.“

„Auf denen ihr euch eh nie benommen habt.“

„Oh was meinst du denn? Saubere Kleider und Benehmen. Mit Prinzessinen tanzen.“

„Aber heiraten musstest du doch nicht, also so schlimm war es doch nicht.“

„Nein, das wohl nicht.“

„Und wie habt ihr das gemacht, dass ihr nicht erkannt wurdet?“

„Ganz einfach. Wir veränderten ein bisschen unser Aussehen, verschleierten unsere Herkunft. Nahmen andere Namen an. Und irgendwann täuschten wir dann einen Unfall vor und lebten wieder ein paar Jahre oben. “

„Also seid ihr immer gesprungen?“

„Mom wollte mit den Menschen in Kontakt bleiben, weißt du. Sie braucht den Kontakt.“ Ja, das Gefühl hatte ich auch. Dragana war eine sanfte Person und vermied es ihren Status zu verwenden, um jemanden zu unterwerfen. Xander war da ganz anders. Und Aiden hatte von beiden etwas. Er war stark und strahlte das auch aus, aber wenn man ihn kannte, dann war er liebevoll, er beschützte jemanden, auch wenn er selber dabei sterben sollte.

Wie selbstverständlich beugte ich mich zu ihm herüber und küsste seine Wange, meine Hand legte ich auf seinen Oberschenkel. Aiden sah mich kurz an, musste aber dann wieder auf den Verkehr achten.

„Bereust du das von letzter Nacht?“, fragte ich und sah zu meiner Hand, die immer noch auf seinem Oberschenkel lag.

„Wie kommst du denn jetzt darauf?“

„Meine Mom hat blöde Sachen gesagt. Nicht nur eben, sondern auch gestern und … es ist mir eben wichtig, es zu wissen. Es ist schon komisch, zu wissen, dass ihr euch kennt, aber ich möchte nicht danach fragen, ich möchte es nicht wissen. Das einzige was ich wissen möchte ist, wer du bist, was dich ausmacht. Ich möchte dich selber kennenlernen und nicht auf andere hören, die denken, dich zu kennen.“

Stille. Er antwortete nicht, sagte auch so nichts, aber dann löste er eine Hand vom Lenkrad und nahm meine Hand in seine. Er verschränkte unsere Finger und küsste sanft meine Knöchel.

„Bereust du es?“, stellte er eine Gegenfrage. „Bereust du es dich schon wieder mit einem Unsterblichen eingelassen zu haben, ohne mehr von ihm zu wissen?“ Ohne zu überlegen schüttelte ich den Kopf.

„Ich weiß nicht was es war, aber nachdem du mich vor Logan gerettet hast, wusste ich, dass da irgendwas ist, was ich kenne. Nein, ich bereue nichts, keinen einzigen Kuss und auch letzte Nacht nicht.“

„Gut.“ Ich sah Aiden an. „Ich auch nicht.“ 

Kapitel 26

Kapitel 26
 

„Nach welchem Auto muss ich Ausschau halten?“, fragte mein Untertan.

„Ein Silberner Audi a3“, grinste ich und genau in dem Moment raste ein solches Auto an uns vorbei. „Hinterher“, befahl ich. Ich saß in einem Jeep mit zwei meiner Dämonen und hinter uns fuhren noch mal zwei Jeeps, die auch unter meinem Kommando standen. Ich würde Aiden nicht noch mal davon kommen lassen. Mal sehen, ob er mit Schmerzen Autofahren kann.

Beim Vorbeifahren hatte ich sie gesehen und mir hatte sich ihr Gesicht nur noch mehr ins Gehirn gebrannt. Dieses sanfte Gesicht, die dunkelblonden Haare und die strahlend blauen Augen. Eine wunderschöne Frau. Ich konnte Aiden verstehen, dass er sich sie ausgesucht hatte. Ein breites Grinsen schlich sich auf meine Lippen. Sie gestern Abend an diesen Baum zu drängen und sie ein bisschen zu quälen hatte ja schon Spaß gemacht.

Mal sehen, was du sonst noch so aushältst, süße Dylen.

Kapitel 27

Kapitel 27

 

Sie wollte mich kennenlernen. Na super!

Ich bereute kein bisschen, was in den letzten Tagen passiert war, das war die Wahrheit … aber ich konnte ihr nicht sagen wer ich war. Ich konnte mit ihr über früher reden … über ganz früher, aber nicht über die letzten 19 Jahre.

„Also es gibt Derek, Adam ...“, fing sie an meine Brüder aufzuzählen.

„Adam, Derek, Darien, Loona und Seth“, half ich ihr.

„Und du bist der älteste. Es ist schwer der ältere zu sein, oder? Das ging mir manchmal so bei Gabriel. Vor allem in solchen Zeiten“, murmelte sie und sah aus dem Fenster. „Vielleicht wäre es mit Daphne leichter gewesen.“

„Du hast das schon gut gemacht. Daphne wäre Stolz auf dich.“ Bei Daphnes Namen sah Dylen mich sofort an. DAS war ein Fehler.

„Du kanntest sie?“ Ich krallte mich ein bisschen mehr ins Lenkrad und wechselte wieder die Spur. Was sag ich ihr denn jetzt?

„Ja“, entschied ich mich für die Wahrheit.

„Warum hast du mir das nicht erzählt?“

„Ich fand es nicht wichtig.“ Ich sah sie kurz an, als sie gerade den Mund auf machte und irgendwas sagen wollte, aber dann schloss sie ihn wieder.

„Ich hab gesagt, dass ich das nicht wissen will.“ Puh, noch mal davon gekommen. „Okay, also Derek ist Herakles“, schlug sie das nächste Thema an, was auch nicht besser war, als Daphne.

„Der Gott der Athletik“, nickte ich.

„Athletik. Hat das irgendwas zu sagen?“

„Wie man es nimmt. Ich weiß nicht, wann Derek damit aufgehört hat Sport zu machen, aber er war früher immer der, der uns genötigt hat Sport zu machen.“

„Du sagst Sport, nicht kämpfen.“

„Weil ich Sport meinte. Er hat sich auf ein Pferd geschwungen und hat an vielen Ritterturnieren mitgemacht. Und egal welche neue Sportart erfunden wurde, Derek zwang uns mit ihm zu spielen.“

„Also habt ihr auch wirklich diese Eigenschaften?“ Ich zuckte die Schultern.

„Sieht so aus.“

„Erzähl mir mehr. Was ist mit Adam, welcher Gott ist er?“

„Poseidon.“ Dylen holte tief Luft.

„Der Gott der Meere?“ Ich lachte kurz auf. „Warum lachst du? Dieser Name ist mächtig … oder etwa nicht?“

„Klar, Adam ist auch mächtig, aber ich finde es immer lustig, wie man auf Poseidon reagiert.“ Sie boxte mich wieder leicht und legte dann ihre Hand auf meinen Oberschenkel. Das machte sie jetzt schon zum zweiten Mal und ich musste sagen, dass es mir gefiel. Leicht strich sie mit ihren Fingern über mein Bein und malte Ranken drauf.

„Okay und Adam hat schon sein Gegenstück gefunden?“

„Ja, Jess … Jessica.“

„Dann ist sie ...“, überlegte Dylen, aber als ich den Mund auf machte, kniff sie mich leicht in den Oberschenkel. „Ich will nachdenken.“ Ich lächelte und ließ sie nachdenken. In solchen Momenten war sie wie ein bockiges Kind. Keiner durfte ihr helfen, sie wollte es alleine heraus finden. So war sie schon immer gewesen und es war schön, dass sie das nicht abgelegt hatte. Ich fand, das sie das einfach süß machte. „Amphitrite!“, rief sie plötzlich aus. Ich musste einfach lachen. Dylen wurde leicht rot und streckte mir die Zunge raus. „Ich hab doch gesagt, dass ich das weiß.“ Ich streckte meine Hand aus und tätschelte ihr den Kopf, als sei sie ein Hund.

„Ja, hast du brav gemacht.“

„Du bist blöd“, schmollte sie gespielt, aber lange konnte sie die Miene nicht aufrecht erhalten. Das breite Lächeln gewann und breitete sich auf ihren Lippen aus; ihre Hand legte sie wieder auf meinen Oberschenkel. „Okay. Poseidon also. War er nur im Wasser oder was ist bei ihm so besonders?“

„Ja, schwimmen. Er hat sogar oben den Garten umgestaltet und einen See und einen riesigen Brunnen anfertigen lassen“, verdrehte ich die Augen. Dylen lachte bei dem Anblick.

„Wachsen ihm auch Kiemen und Flossen?“ Jetzt musste ich breiter grinsen.

„Nicht das ich wüsste, aber es wäre bestimmt lustig gewesen, wenn er eines Tages schreiend ins Haus gelaufen wäre und Kiemen und Flossen gehabt hätte.“

„Du bist wirklich gemein“, meinte sie. „Gut, weiter im Text. Dann kommt Darien? Welcher Gott ist er?“

„Hephaistos, Gott des Feuers.“

„Jetzt sag nicht, er kann Feuer spucken.“

„Nein, aber er hat als Kind immer mit Feuer gespielt.“ Dylen sah mich erwartend an. Ich sah kurz zu ihr, aber dann wieder auf die Straße. „Nein, ich sag jetzt nichts mehr böses über meine Brüder, sonst wirst du noch sauer auf mich.“ Sie lachte und malte wieder Ranken auf meinen Oberschenkel.

„Und dann ist da noch Seth, oder?“ Ich nickte und konzentrierte mich kurz auf die Straße. Ich wechselte die Spur und wollte gerade Gas geben, als plötzlich ein Jeep an uns vorbei preschte und haarscharf vor mir einlenkte. Ich trat auf die Bremse und hupte. Dylen schrie auf und krallte sich in die Autotür und in meinen Oberschenkel.

„Arsch“, rief ich und haute aufs Lenkrad. Schnell trat ich wieder aufs Gas und fuhr weiter. „Alles okay?“, fragte ich sie und sah kurz zu ihr herüber. Ihre Augen waren fest zusammen gekniffen, aber jetzt sah sie mich an.

„Ja, nichts passiert. Ich dachte nur, er würde uns rammen.“ Ja, wir hatten noch mal Glück gehabt. „Seth“, murmelte Dylen und lockerte ihren Griff an meinem Oberschenkel.

„Hermes.“ Dylen drehte ganz langsam ihren Kopf zu mir.

„Ist das ein Scherz? Willst du mich auf den Arm nehmen?“

„Nein, es ist wahr.“

„Jetzt sag mir nicht, dass er aus Spaß Zeitung austrägt.“ Sie kicherte leise und ich sah sie böse an.

„Hey, das ist immer noch mein Bruder.“ Sie grinste breit.

„Okay, okay. Was hat er gemacht?“

„Nichts Welt bewegendes, aber er war schnell aus dem Haus, wollte die Welt sehen.“

„Dann hat er die Welt bestimmt schon oft umrundet.“

„Man kehrt ja auch öfters zu einem Ort zurück“, sagte ich nachdenklich.

„Stimmt.“ Jetzt kniff sie mich wieder in den Oberschenkel. „Und jetzt Trommelwirbel. Welcher Gott versteckt sich unter deinem Gesicht?“ Meine Muskeln krampften sich zusammen und ich krallte mich ins Lenkrad.

„Ich glaub nicht, das ...“, fing ich an, aber dann brach die Hölle aus.

Hinter uns fuhr mir ein Jeep drauf, der plötzlich beschleunigte und uns weiter schob. Der Typ vor uns, - der andere Jeep – machte eine Vollbremsung. Mit voller Wucht knallten wir ihm hinten drauf. Dylen schrie auf und wurde mit ihrem Oberkörper nach vorne geschleudert. Mist, Mist, Mist!

Mit schnellen Handgriffen drehte ich das Lenkrad, um aus dieser Falle heraus zukommen. Was mir auch gelang. Ich gab Gas und preschte an dem vorderen Jeep vorbei. Dylen neben mir keuchte und hielt sich an ihrem Sitz und an der Autotür fest.

„Was war das?“, keuchte sie.

„Besuch. Halt dich fest.“ Schnell schaltete ich und trat aufs Gas. Dylen zog schnell an ihrem Gurt, damit die Sicherung einrastete und sie an den Sitz presste. Ich lenkte uns nebenbei durch den Verkehr. Hinter uns hupten die anderen Autofahrer, aber darauf konnte ich jetzt nicht achten, denn die zwei Jeeps waren uns auf der Spur. Wieder wechselte ich die Spur und das ganz knapp an einem anderen Auto vorbei.

Plötzlich ertönten Schüsse. Ist das dein Ernst? Das kann doch nicht wahr sein!

„Scheiße!“, fluchte ich, schaltete und gab noch mal Gas.

„Aiden?“ Dylens Stimme zitterte leicht, aber sie versuchte stark zu sein. Ich sah kurz zu ihr herüber und dann durch den Rückspiegel. Die Jeeps folgten uns und rammten auch andere Autofahrer. Verdammt. „Da ist noch so einer.“ Aus den Augenwinkeln sah ich durch den Seitenspiegel an Dylens Seite. Da tauchte noch so ein Jeep auf, aber wer da auf dem Beifahrersitz saß gefiel mir überhaupt nicht. „Ist das … ist das Logan?“

„Ja“, knurrte ich und gab noch mal Gas. „Duck dich.“ Wenn ihr etwas passierte, würde ich mir das nicht verzeihen. Dylen tat das, was ich ihr gesagt hatte. Zum Glück, denn der Jeep mit Logan holte auf. Er lehnte sich aus dem Fenster und schoss das Beifahrerfenster kaputt. Ich trat auf die Bremse, aber ich hatte die Entfernung zwischen mir und dem anderen Jeep falsch eingeschätzt, also knallte der uns wieder hinten rein.

Plötzlich spannten sich meine Muskeln an und ein Schmerz kroch meinen Rücken hinauf. Nein, nicht jetzt! Es dauerte keine Minute, bis mein ganzer Körper unter Strom stand und der Schmerz mich eingeholt hatte. Stöhnend griff ich neben mich, um zu schalten. Jede Bewegung schmerzte, aber ich biss die Zähne zusammen und trat aufs Gas. Das Auto machte einen Sprung nach vorne und schoss dann los. Meine Muskeln verkrampften sich und ich hatte Mühe mich zu bewegen. Verdammt, was war das? Woher kam das?

 

 

Ich krallte mich so fest ich konnte in meinen Sitz. Es ertönten wieder Schüsse und diesmal trafen sie auch. Auf meiner Seite ertönte ein Zischen und im nächsten Moment wurde es laut.

„Scheiße! Der Reifen“, fluchte Aiden. Sie hatten uns. Aiden konnte nichts mehr tun, sie würden uns alle Reifen zerschießen und dann hatten sie uns. Was konnte ich nur machen?

„Hast du eine Waffe?“, fragte ich und sah Aiden an. Meine Augen weiteten sich. Hier stimmte etwas nicht. Er schwitze wieder und war total verkrampft. Sein Gesicht war vor Schmerzen verzehrt. „Haben sie dich getroffen?“

„Nein, alles okay“, presste er hervor und griff vor mich, ans Handschuhfach. Es klappte auf und gab eine Pistole preis. Ich hatte keine Ahnung von Waffen, aber ich wusste, wie man schoss. Vielleicht half es ja. Das Fenster war schon kaputt. Also entsicherte ich die Waffe, zielte nach hinten und schoss drei Mal. Als nächstes hörten wir einen Fluch und der Jeep, auf den ich geschossen hatte schwenkte nach rechts. Ich hatte den Fahrer getroffen und jetzt musste Logan ins Lenkrad fassen. Ich wollte schon grinsen, aber da stieß er einfach die Fahrertüre auf und schleuderte den Fahrer hinaus. Meine Augen wurden größer und ich schoss wieder auf ihn. Aber diesmal traf ich nicht. Plötzlich wurden wir von links gerammt und ich ließ auch noch die Pistole aus dem Fenster fallen. Super Dylen, echt super gemacht.

„Mist“, fluchte Aiden, riss das Lenkrad nach links und rammte den Jeep zurück. Rechts holte auch Logan auf und knallte gegen uns. Aiden schrie auf und sah zu Logan. Dieser grinste nur.

„Geht´s dir gut, Aiden?“, rief er und grinste fies. Als nächstes sah ich nur, wie Logan eine Pistole hob und auf mich zielte.

„Bestens“, knurrte Aiden und trat auf die Bremse. Logan schoss, aber wir waren nicht mehr da. Dann trat Aiden wieder aufs Gas und raste los. Aber das brachte nichts. Die zwei Jeeps waren neben uns und der dritte kam schon von hinten. Es gab keinen Ausweg. Und dann geschah es. Logan rammte uns von rechts, der andere Jeep von hinten und wir kamen ins Schleudern. Mit voller Wucht prallten wir gegen die Leitplanke. Ich wurde nach vorne geschleudert, aber der Gurt hielt mich fest. Als nächstes rammte einer der Jeeps in uns und ich spürte nur noch einen Luftzug. Meine Augen hatte ich fest geschlossen, ich wollte nicht sehen, wie wir durch die Luft flogen oder uns überschlugen. Im nächsten Moment hörte ich nur noch etwas, was zerbrach und dann war da nur noch Schmerz. Ein beißender Schmerz breitete sich in meinem Oberschenkel aus. Langsam öffnete ich die Augen. Wir lagen auf dem Dach, die Frontscheibe war kaputt und auch sonst war das Auto Schrott. Der Schmerz in meinem Bein ließ mich dorthin sehen und nach Luft schnappen. Ich hatte Glassplitter im Oberschenkel stecken. Aus der Wunde lief viel Blut und so langsam wurde ich müde. Die Wunde war einfach zu groß und hatte irgendetwas getroffen.

„Dylen“, keuchte Aiden, ich hörte ihn zwar, aber ich schloss einfach die Augen. „Hey, nicht einschlafen!“

„Aiden, komm schon raus und spiel mit mir“, hörte ich die kratzige Stimme von Logan.

„Aiden“, hauchte ich ganz leise.

„Ich bin hier“, sagte seine raue Stimme. Dann spürte ich nur noch einen leichten Druck an meinem Arm und dann war da nur noch Dunkelheit. 

Kapitel 28

Kapitel 28

 

Es war dunkel und ich wusste nicht wo ich war. War ich noch im Auto? Oder hatte Logan mich schon in eine Zelle gesteckt? Und was war überhaupt passiert?

Langsam kam mir alles wieder in den Sinn. Logan und seine Leute hatten uns gerammt und das Auto hatte sich überschlagen … mein Bein! Mein Bein war verletzt, aber ich spürte nichts mehr. Und Aiden, wo war …

„Du musst ihr das hier geben, wenn sie aufwacht. Sie muss das unbedingt nehmen.“ Ertönte eine leise Frauenstimme, die ich nicht kannte. Wo war ich?

„Ja, mache ich. Danke“, sagte eine andere Stimme. Sie war melodisch und klang besorgt. Derek.

Sie redeten über mich, also ging es mir gut … soweit ganz gut. Sie redeten bestimmt über eine Medizin die ich nehmen sollte. Aber warum war es so dunkel hier?

Etwas strich über mein Gesicht, immer und immer wieder.

„Komm schon, Dylen. Wach endlich auf“, flüsterte Dereks Stimme. Aufwachen? Dann brauchte ich ja nur meine Augen auf machen. Ich versuchte es und langsam Schritt für Schritt wurde es immer heller. Und heller. Und heller. Bis es zu hell war und ich meine Augen wieder zusammen kniff. Ich stöhnte. „Dylen!“, rief Derek aus. Ich hob meine Hand und legte sie mir an die Stirn, dann versuchte ich wieder langsam meine Augen zu öffnen, damit ich mich an das Licht gewöhnte. Als sie dann ganz offen waren und ich auch etwas sehen konnte, sah ich Dereks perfektes Gesicht, dass mich lächelnd ansah. „Hey.“

„Hey“, hauchte ich zurück.

„Willst du dich was aufsetzten?“ Ich nickte leicht und Derek half mir, mich aufzusetzten.

„Was … wo bin ich?“ Mit einer Hand fuhr ich mir durchs Gesicht und sah mich im Zimmer um. Ich lag auf einem Bett, einem richtig gemütlichen Bett. Ein Krankenhaus konnte es nicht sein. Die Wände waren aus altem Stein, keine weißen Wände.

„Mit letzter Kraft hat Aiden euch hier her gebracht, als ihr den Unfall hattet. Du bist auf unserer Krankenstation.“ Aiden? Wo war er, ging es ihm gut? „Ihm geht es gut.“ Sofort sah ich Derek an. Seine Stimme war ein bisschen kälter geworden und auch sein Gesichtsausdruck hatte sich verhärtet. Aber waru … oh nein, nein, nein, nein!

„Derek, ich kann ...“, fing ich an, aber er hob die Hand um mich zu stoppen.

„Ich will nichts davon hören, verstanden? Er bekommt seine Strafe, wenn es ihm besser geht und damit war es das. Danach wird er dich nie mehr anfassen, Dylen, das schwöre ich bei meinem Leben.“ Ich schluckte und bekam ein bisschen Angst.

„Aber Derek, er hat nichts ...“

„Genug!“, schrie er und stand auf.

„Lass es mich doch erklären.“

„Ich will keine Erklärung, dein Körper ist genug Erklärung für mich.“ Er ging zu einem kleinen Tisch und nahm eine kleine Tasse in die Hand. Damit kam er zu mir zurück. „Unsere Heilerin hat gesagt, dass du das trinken sollst.“ Ich nahm die Tasse an und sah hinein. In dieser war eine grüne zähflüssige Flüssigkeit drin, die nicht unbedingt lecker aussah … aber sie roch neutral, also schloss ich die Augen und kippte das Gemisch herunter. Sobald es meinen Hals herunter rutschte hustete ich. Das Zeug schmeckte ekelhaft. Nach Ohrenschmalz und Seife.

„Wasser!“, keuchte ich und streckte meine Hände aus. Derek sprintete schnell zum Tisch zurück und holte ein Glas und eine Karaffe voll Wasser. Er wollte gerade Wasser ins Glas füllen, aber ich nahm ihm einfach die Karaffe ab und trank darauf. „Bah! Was war das für ein Ekelhaftes Zeug?“

„Ein Heilmittel“, meinte Derek nur nüchtern, setzte sich wieder auf seinen Stuhl an meinem Bett und schob die Bettdecke ein wenig zur Seite. Zum Vorschein kam mein Bein. Ich brauchte nur die Wunde an meinem Oberschenkel sehen, schon kam die Erinnerung schon wieder. Als das Auto sich überschlagen hatte, war die Frontscheibe zersplittert und mir hatte ein großes Stück Scheibe im Oberschenkel gesteckt.

„Was genau ist passiert?“

„Aiden hat euch mitten in den Thronsaal teleportiert. Du hattest ein großes Stück Frontscheibe im Oberschenkel stecken, das deine Oberschenkelatherie getroffen hat. Hätte Aiden dich nicht sofort her gebracht, wäre es zu spät gewesen. Unsere Heiler haben sich sofort um dich gekümmert und konnten dich noch retten.“ Gebannt sah ich auf meinen Oberschenkel, wo jetzt nur noch eine kleine Wunde war, die an den Unfall erinnerte. „Du wirst eine Narbe davontragen, aber sonst ist alles okay.“ Ich nickte und strich leicht um die Wunde. Derek nahm vom Nachttisch einen Behälter und schraubte ihn auf. Sofort bekam ich den Geruch in die Nase. Ich rümpfte sie und verzog das Gesicht. Es stank nach Dünger.

„Und was ist das jetzt?“, fragte ich angewidert. Derek steckte zwei Finger hinein und holte eine weiße Paste heraus, die er dann auf der Wunde verteilte.

„Eine Heilsalbe.“

„Warum stinkt das so?“ Derek zuckte die Schultern. Besser ich sagte nichts mehr, ich meine, ich war froh, dass sie mich gerettet hatten, also sollte ich ein bisschen Dankbarer sein. „Danke.“ Derek nickte und verschloss die Tube wieder.

Im nächsten Moment klopfte es an der Tür und Derek bat herein. Ein weißer Schopf schob sich zwischen einen kleinen Spalt zwischen Türrahmen und Türe. Loona.

„Du bist ja wach“, lächelte sie und sah mich mit ihren weißen Augen an. Ich nickte lächelnd. Loona machte die Türe weiter auf und kam dann hinein. Sie trug wieder ein weißes langes Kleid, was an der Seite einen langen Schlitz hatte. „Bruderherz, bist du so lieb und lässt uns Mädels mal alleine?“ Derek brummte und sah mich an, er wollte schon Wiederworte geben, aber Loona sah ihn nur böse an. Er machte ein genervtes Geräusch und verließ dann den Raum. Kaum war er draußen, entspannte sich mein Körper sichtlich. Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich angespannt gewesen war, aber ich glaube, ich hatte einfach nur nicht gewollt, dass er mich anfasste. Nicht noch mehr. „Alles okay bei dir?“, fragte Loona und setzte sich auf den Stuhl, auf dem eben Derek noch gesessen hatte.

„Es geht.“ Ich sah ihr in die Augen. „Wo ist Aiden?“

„In seinem Zimmer und schläft. Ich war gerade bei ihm und hab nach ihm gesehen. Er hatte nur eine Platzwunde an der Schläfe. Aber die Wunde an seinem Rücken hat ihm zugesetzt.“ Meine Augen weiteten sich.

„Ist sie aufgegangen? Ich hab sie zugenäht, aber ich bin keine Ärztin.“ Loona lächelte und schüttelte den Kopf.

„Nein, du hast das gut gemacht. Die Wunde heilt schon.“ Für einen kleinen Moment war ich erleichtert, aber dann kam mir das Siegel wieder in den Sinn. Wenn sie seinen Rücken untersucht hatte, dann hatten sie auch das Siegel gefunden.

„Und was ist mit dem Siegel?“

„Dad hat es sich mal angesehen. Es ist wohl ein Schmerzsiegel.“

„Und was bedeutet das?“

„Das es Logan gestattet Aiden Schmerzen zuzufügen. Dad hat noch nicht herausgefunden, wie genau es funktioniert. Es gibt mehrere dieser Siegel. Es kann per Gedanken ausgelöst werden oder einfach nur durch die Gegenwart des Anwenders oder „Wie du mir, so ich dir“. Das heißt, wenn man den Anwender verletzt, dann fühlt man die Schmerzen auch.“

„Das letzte glaube ich nicht. Aiden hatte die Schmerzattaken auch schon auf dem Geburtstag meines Vaters.“

„Es muss nicht Aiden sein, der Logan etwas antut.“

„Aber Aiden hatte diese Schmerzen auch im Auto. Logan ging es gut.“

„Gut, dann können wir ja eins schon mal ausschließen.“ Ich nickte heftig.

„Und was ist, wenn wir es wissen? Wird er es irgendwie los?“

„Er muss Logan töten, um das Siegel los zu werden.“ Na super, das hatte ja beim ersten Mal auch so gut geklappt. Und zum Anderen, wie sollte Aiden das schaffen? Entweder machte Logan ihn kampfunfähig per Gedanken oder allein mit seiner Anwesenheit. Aiden hatte gar keine Chance gegen ihn.

„Muss Aiden ihn töten oder reicht es nur, wenn Logan tot ist?“ Loona zuckte die Schultern.

„Das weiß ich nicht. Dad ist schon dabei und durchsucht alles.“ Ich nickte und sah auf meine Hände, die in meinem Schoß lagen.

„Was wird Xander mit ihm machen?“ Ich sah Loona nicht an, obwohl das auch nichts brachte. Ich wollte meine Gefühle für Aiden nicht so offen zeigen, jetzt war es eh zu spät. Loona seufzte und nahm meine Hände in ihre. Sie wusste schon was ich für Aiden empfand.

„Und für Derek hast du nichts übrig?“, flüsterte sie.

„Es ist nicht so, dass ich Derek abgrundtief hasse.“

„Aber du liebst ihn nicht mehr.“

„Nein und ich möchte auch nicht mein Leben mit ihm verbringen. … Aber bitte sag das keinem.“

„Mache ich nicht, aber was willst du tun?“ Ich hatte noch nicht darüber nachgedacht. Allerdings wusste ich schon länger was ich tun musste. Ich wollte es nur nicht wahr haben, ich wollte einfach nicht wahr haben, dass es mit mir und Aiden keine Zukunft gab.

„Ich möchten Aiden und Derek helfen und danach werde ich mich von ihnen fern halten, das ist wohl das Beste“, sprach ich es aus.

„Willst du das denn auch?“

„Das ist doch egal.“ Loona seufzte wieder.

„Wenn du meinst.“ Es war eine kurze Zeit still zwischen uns, aber dann holte Loona Luft. „Vater wird ihn wohl auspeitschen. Derek hat darauf bestanden.“

„War klar, dass er darauf besteht“, murmelte ich. Plötzlich stand Loona auf und strich ihr Kleid glatt.

„Ich werde dir mal was zu essen holen. Derek hat dir die Heilsalbe jetzt schon zum vierten Mal drauf getan. Nachdem Essen solltest du nochmal das Heilmittel nehmen und dann wird dein Bein auch wieder in Ordnung sein.“ Ich sah sie an. „Ihr müsst Adam finden und herbringen und wenn ihr Seth finden würdet, wäre es noch besser.“ Sie legte den Kopf schief und lächelte. „Vielleicht kommt ihr euch doch noch etwas näher.“ Ich lächelte auch, allerdings ein bisschen trauriger. Vielleicht … vielleicht aber auch nicht.

 

Nachdem Loona mir etwas zu essen gebracht hatte, hatte sie meine Wunde noch mal mit diesem übel stinkenden Salbe eingerieben und mein Bein verbunden. Sie hatte mir aus dem Bett geholfen und wir waren zusammen ein paar Schritte gegangen. Beim Gehen hatte es in meinem Bein noch etwas gezogen, aber nachdem ich noch mal dieses nach Ohrenschmalz und Seife schmeckendes Zeug getrunken hatte, war auch das Ziehen verschwunden.

Jetzt saß ich schweigend neben Derek in einem schwarzen a Klasse. Wir fuhren schon eine Stunde und hatten nur das nötigste miteinander geredet. Derek hatte zwar versucht ein Gespräch aufzubauen, aber ich hatte abgeblockt und vorgetäuscht, dass ich müde sei. Ich wollte nicht mit ihm reden, vor allem weil wir so schnell aufgebrochen waren.

Derek hatte uns in eine Stadt telepotiert, wo er sein Auto hatte stehen gelassen, um nach mir zu sehen. Anziehsachen zum wechseln hatte ich von Loona bekommen. Ich war richtig überrascht, als sie ihren Kleiderschrank geöffnet und ich Hosen gesehen hatte.

„Hast du Hunger?“, fragte Derek nach einer weiteren halben Stunde.

„Nein. Weißt du überhaupt, wo wir hin müssen?“

„Aiden hat mir die Adresse gegeben.“ Ich erstarrte. Aiden. Ich hatte ihn nicht mehr gesehen, seit wir zusammen im Auto gesessen und den Unfall gehabt hatten. Ich hatte zu ihm gewollt, aber da hatte Derek mich auch schon gedrängt zu Loona zu gehen und mir ein paar Sachen auszusuchen. Auch Loona verlor kein Wort über Aiden. Vielleicht …. vielleicht hatte Xander ihn schon … und Aiden hatte sich in sein Zimmer verkrochen. Ich konnte dieses Wort weder aussprechen noch denken. Und ich wollte mir auch nichts ausmalen, wie Aiden nach seiner Strafe ausgesehen hätte. Allerdings wollte ich ihn sehen, ich wollte wissen, ob es ihm gut ging. Wollte seine Wunden versorgen, so wie ich es jetzt schon zwei Mal getan hatte.

„Ich werde nicht mehr darüber reden“, sagte Derek plötzlich. Ich sah ihn sofort an und verstand es erst nicht. Aber dann war mir klar, dass er Aiden meinte.

„Irgendwann müssen wir darüber reden“, murmelte ich leise, denn ich wollte auch nicht jetzt darüber reden. Auf dieses Gespräch könnte ich auch verzichten, aber ich konnte nicht hier bleiben und Dereks liebe Ehefrau spielen. Besser wäre es, wenn ich mein Leben lebe und Draganas Macht auf eine andere übertragen wird, vielleicht liebt dieses Mädchen oder diese Frau Derek mehr, als wie ich es könnte. Denn ich würde es nur vorspielen. Mein Herz gehörte Aiden. 

Kapitel 29

Kapitel 29

 

Drei Stunden waren wir jetzt unterwegs. Drei Stunden mit Derek in einem engen Raum. Wir redeten auch, aber nicht viel. Ich wusste einfach nicht, worüber ich mit Derek reden sollte. Er würde eh einen Weg finden, um mir das mit Aiden unter die Nase zu reiben, oder mir zu sagen, dass ich sein Eigentum war und DAS wollte ich nicht hören.

Wir waren erst zu der Adresse gefahren, die Aiden Derek gegeben hatte, aber wie dieser schon vermutet hatte, waren Jessica und Adam schon längst wieder umgezogen. Derek und ich hatten Glück, denn der Vermieter hatte Adams neue Adresse. Allerdings war der Vermieter sehr perplex gewesen, weil wir ihn nach Adam gefragt hatten.

„Ich kann euch zwar sagen, wo er hingezogen ist, aber ihr werdet ihn dort nicht antreffen. Ich habe von einem Unfall gehört, bei dem er und seine Freundin ums leben gekommen seien“, hatte der Mann gesagt und uns die Adresse aufgeschrieben. Klar, mussten Adam und Jessica verschleiern wo sie hin wollten. Sie konnten ja nicht einfach mit Leuten in Kontakt bleiben, die merken würden, dass sie nicht mehr altern.

„Meinst du wirklich wir finden sie dort?“, fragte ich Derek und nahm einen Schluck aus unserer Wasserflasche. „Aiden meinte, er habe Adam seit 80 Jahren nicht mehr gesehen.“

„Wenn er da nicht ist, dann müssen wir eben weiter fragen, anders kommen wir an Adam nicht ran.“

„Hattest du auch keinen Kontakt zu ihm?“

„Noch länger wie Aiden. Adam und ich … wir kommen zwar mit einander aus, aber wir streiten oft.“

„Das tust du auch mit Aiden“, murmelte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Das ist was anderes. Aiden und ich waren früher unzertrennlich.“ Ich zog eine Augenbraue hoch und sah ihn an.

„Im Ernst? Wie kommt es dann, das du so geworden bist?“

„Ich? Aiden hat sich von allen abgewandt. Am Anfang war er schlimm, Mutter und Vater hatten nicht gewusst, wie sie mit ihm umgehen sollten. Er repräsentierte etwas, was man nicht kontrollieren konnte.“ Derek machte eine Pause, um auf die Ausfahrtspur zu wechseln. Aiden repräsentierte etwas, was man nicht kontrollieren konnte? Meinte Derek damit den Gott in ihm? … nicht kontrollierbar? Gott? … Hades! Das ist doch nicht euer Ernst. Aiden soll Hades sein? Das kann nicht sein, das durfte nicht sein. „Irgendwann hat er sich dann verändert. Wir haben geredet und er kam wieder auf die richtige Bahn. Als Gott kannst du dich schon mal vergessen“, sprach Derek weiter und holte mich so aus meinem Schock heraus.

„Hatte er noch mal einen Rückfall?“

„Öfter.“ Derek zuckte mit den Schultern. „Trotzdem war er immer mein Bruder und wird es auch bleiben.“

„So verhältst du dich aber nicht.“

„Das ist eine andere Sache, Dylen. Bei einer Frau kann man nicht spaßen, das ist ernst.“

Derek nahm die Ausfahrt und fuhr in eine kleine Stadt.

„Ist es noch weit?“, wechselte ich das Thema. Wenn Derek über mich redete, konnte er sehr temperamentvoll werden und ich hatte keine Lust zu streiten.

„Nein.“ Derek bog links ab, dann rechts, wieder rechts und immer so weiter, bis wir mitten in der kleinen Stadt waren. Lange blieben wir aber nicht auf der Hauptstraße. Derek manövrierte das Auto durch kleine Straßen, bis wir in eine Sackgasse fuhren, an dessen Ende ein kleines Häuschen auf uns wartete. Generell standen in dieser Straße nur kleine niedliche Häuser. Einfamilienhäuser, nahm ich mal an. Derek parkte das Auto vor dem letzten Haus und schnallte sich ab.

Das Haus war niedlich und sah ziemlich klein aus. Es war von außen gelb angestrichen und hatte ein rotes Ziegeldach. Ein schönes Haus um eine Familie zu gründen.

„Das?“, fragte ich und sah Derek an. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein Gott in so einem kleinen niedlichen Haus wohnen würde. Da war die kleine Einzimmerwohnung von Aiden eher was. Oder halt ein riesiges Schloss … aber ich meine, jedem das seine, oder?

Wir stiegen aus und gingen durch ein kleines weißes Gartentörchen, was die Straße von einem hübschen Vorgarten trennte. Überall blühten Blumen und ein zwei Apfelbäume standen auch hier. Ich war noch fasziniert von dem Vorgarten, als Derek schon die Veranda herauf ging und klingelte. Als ich dann auch neben ihm stand, hörten wir jemanden rufen und dann ging auch schon die Türe auf. Mir stockte der Atmen und ich musste unseren Gegenüber anstarren.

„Aiden?“, hauchte ich und konnte meinen Augen nicht trauen. Die gleiche Größe, Muskeln, die gleichen braunen Haare, die überall abstanden, das gleiche markante Kinn, das gleiche hübsche Gesicht … aber die Narbe. Die Narbe über seinen Augen war weg, das konnte nicht sein. Mein Blick wanderte zu seinen Augen. Blaue Augen? Nein, Aiden hatte dunkelgrüne Augen. Das war nicht Aiden … das war …

„Derek? Was machst du denn hier?“, sprach das Aiden Imitat, aber nicht mit Aidens rauen, aber melodischen Stimme. Nein, der Mann vor mir hatte eine dunkle Stimme, ein angenehmer Bariton.

„Wir haben euch gesucht“, meinte Derek und nahm die dargebotene Hand an.

„Kommt rein.“ Derek packte mich am Arm und zog mich mit. Ich verstand gar nichts mehr, mein Hirn weigerte sich einfach eins und eins zusammen zuzählen.

„Schatz, wer war den an der ...“, ertönte eine sanfte und ruhige Stimme. Dieses Aiden-Imitat hatte uns in ein Wohnzimmer geführt, das sehr gemütlich wirkte. In der einen Ecke war ein kleiner Tisch mit zwei Sesseln, in der Mitte stand ein großes Ecksofa, das wie ein U aussah, davor ein großer Fernseher. Dann gab es noch Sideborads und Schränke, wo allerlei persönlicher Sachen standen. Fotos, Bücher, Blumen. Vom Wohnzimmer führte eine Treppe in den ersten Stock, eine Glastür an einer Fensterfront zum Garten und eine Türe – die ausgehangen war – in die Küche. Und genau in dieser Türe stand eine wunderschöne Frau mit langen hellblonden Haaren, die ihr über die Schulter fielen. Ich wette, sie gingen ihr bis zum Hintern. Jetzt wusste ich mit Sicherheit, das dieser Mann nicht Aiden sein könnte … Aiden hätte mich nie geküsst oder gar mit mir geschlafen, wenn er eine Frau oder Freundin gehabt hätte … so schätzte ich ihn nicht ein.

Die fehlenden Narben sprechen auch Bände.

Jaja, ich weiß. Lass mich doch.

„Derek“, sagte die Frau überrascht. Sie kannten sich?

Jaha! Darf dein Hirn dir endlich sagen, wer dein Aiden-Imitat ist? Meine Güte!

Lass mich doch! Keiner hat mir gesagt, dass Aiden einen Zwillingsbruder hat … ich meine in den Geschichtsbüchern steht nicht …

Wer weiß, vielleicht können sie ihr Äußeres ja auch verändern. Sind als Götter anders aufgetreten als sie eigentlich aussehen.

Darüber wollte ich jetzt nicht weiter nachdenken. Lieber sah ich mir die Frau genauer an, die sich die Hände an einer Schürze abputze, die sie um die Hüfte trug. Darunter hatte sie Jeans und T-Shirt an. Ganz normal eben. Ihre Haut war blass und genau deswegen wusste ich genau, was sie war. Sie war eine Nymphe. Zwar wusste ich nicht, welche Art von Nymphe, aber sie waren von Natur aus, blasser. Aber das machte bei ihr gar nichts, sie sah wunderschön aus.

„Was tust du hier, Bruder?“, lenkte das Aiden-Imitat meine Aufmerksamkeit auf sich. Allerdings hielt das nicht lange, weil die Frau leise kicherte und ich sie wieder ansehen musste. Warum kicherte sie denn?

„Wir trommeln alle Brüder zusammen“, antworte Derek und legte mir eine Hand auf den Rücken, um mich dann zu dem Sofa zu drücken.

„Willst du uns nicht erst vorstellen?“, fragte die Frau.

„Stimmt“, murmelte Derek. „Also das hier ist Dylen O´Conner. Dylen, das ist mein Bruder Adam und seine Freundin Jessica“, stellte Derek uns alle vor. Jessica kam sofort auf mich zu und nahm meine Hand.

„Schön mal eine andere Göttin kennen zu lernen, die sich mit diesen Idioten herum schlagen muss“, grinste sie mich an. Oh ja, Idioten konnte sie laut sagen. Ihr Lächeln wurde größer und ich bewunderte strahlend weiße Zähne. Jessica war vielleicht ein Kopf kleiner wie ich. Und ich muss sagen, ich war eigentlich sehr stolz auf meine 1,75. Ich musterte Jessica weiter. Ihr Gesicht hatte keine Makel. Sie hatte eine kleine Stupsnase, volle Lippen, sanfte Wangenknochen und wunderschöne hellgrüne Augen.

„Ja, freut mich auch“, entgegnete ich.

„Setzt euch, ich mache gerade Tee. Wollt ihr auch welchen?“ Sie ging wieder Richtung Küche. Ich bejate, aber Derek meinte, er habe keinen Durst. Wir nahmen auf dem Großen Sofa platz, sodass wir uns gegenüber saßen. Adam auf der einen Seite, Derek und ich auf der anderen.

„Geht es um die Morde und verschwinden von anderen Wesen und Menschen?“, knüpfte Adam an seine Frage an. Als er vor mir gestanden hatte, hatte ich wirklich gedacht, dass er Aiden sei, aber jetzt … jetzt dachte ich das kein bisschen mehr. Die zwei sahen zwar gleich aus, aber sie waren von Grundauf verschieden. Wo Aiden gewaltvoll und roh war, war Adam elegant und auf eine beherrschende Art sanft. Aiden war der Krieger und Adam der Herrscher. Anders konnte man es nicht beschreiben.

„Ja. Die Dämonen reißen alles an sich. Aiden und ich sind erst vor ein paar Tagen von einem gemischten Haufen von Wesen angegriffen worden. Sie waren besessen“, erklärte Derek.

„Besessen sagst du?“, fragte Jessicas sanfte Stimme und kam mit einem Tablett wieder ins Wohnzimmer. Sie stellte es auf den kleinen Tisch vor uns und setzte sich neben Adam. „Ich bin erst gestern so jemanden begegnet. In der Stadt. Ich war einkaufen und da war diese Fee. Ihre Gedanken waren so mörderisch und so hasserfüllt. Feen sind nicht voller Hass. Sie sind friedliche Wesen. Ich hatte schon zu Adam gesagt, das da was nicht stimmt.“ Gedanken? Konnte sie etwa Gedanken lesen? „Ja, das kann ich“, lächelte sie mich an und gab mir eine Tasse voll Tee. „Allerdings kann ich es kontrollieren, wenn ich etwas nicht hören möchte, dann höre ich auch nicht. In der Stadt ist das so eine Sache, da streife ich einfach umher und dann kann es passieren, dass ich Gedanken mitbekomme.“

„Kann ich auch so was?“ Ich war total verblüfft, keiner hatte mir gesagt, dass wir irgendwelche Fähigkeiten hatten.

„Keine Ahnung.“ Sie lächelte entschuldigend.

„Wir haben es erst bei Jess herausgefunden“, erklärte Adam mir. „Sie konnte von Anfang an Gedankenlesen und daher nehmen wir an, dass jede Göttin ihre eigene Fähigkeit hat.“ Ich nickte.

„Ich kann keine Gedanken lesen.“

„Du hast bestimmt etwas anderes, keine Sorge. Das finden wir schon heraus“, meinte Jessica. Und jetzt begriff ich auch, warum sie eben gekichert hatte. Aiden-Imitation. „Ja, genau deswegen. Ich muss sagen, dass ich das gleiche von Aiden dachte, als ich ihn vor 85 Jahren kennengelernt hatte. Er war für mich eine Adam-Imitation“, zwinkerte sie mir zu. Ich wurde leicht rot und nahm einen Schluck von dem Tee. Es war ein leichter Früchtetee, Himbeere und Brombeere. Richtig lecker.

„Warum ist Aiden nicht gekommen?“, fragte Adam und lehnte sich zurück. Jessica schlug ihn aufs Bein.

„Sei nicht so unhöflich. Bruder ist Bruder“, mahnte sie ihn.

„Es war doch nicht böse gemeint. Ich hab mich nur gewundert.“ Sie kniff ihn in den Oberschenkel und sofort musste ich an Aiden denken. Das Gespräch von ihm und mir, als wir in seinem Auto gesessen hatten, um Adam und Jess zu finden. Als ich ihn über seine Brüder ausgefragt hatte und er Witze gemacht hatte. Ich hatte ihn genauso in den Oberschenkel gekniffen, wie Jess es bei Adam tat.

„So und wen habt ihr schon alles gefunden?“, fragte Adam, um wieder zum Thema zu kommen.

„Erst euch. Aiden und ich hatten uns getrennt. Ich war auf dem halben Weg zu Seth und Dylen und Aiden wollten zu euch“, erzählte Derek.

„Ihr hattet einen Unfall?“, rief Jess aus und sah mich besorgt an, aber dann sah sie blitzschnell zu Derek. Ihre hellgrünen Augen weiteten sich. „Derek!“

„Halt dich aus meinem Kopf raus, Jess“, beschwerte dieser sich. Was … was war denn jetzt los … aber da wusste ich es schon. Er hatte an Aiden gedacht, an unsere Verbindung und an Aidens Verrat. Ich wollte nicht wissen, was Derek von Aiden dachte, aber nach der Reaktion von Jess zu urteilen, war es nichts nettes.

„Tut mir leid, wenn du so etwas denkst, kann ich nichts anderes tun, als zuhören.“

„Wie wäre es, wenn Dylen und du nach draußen geht“, schlug Adam vor und legte eine Hand auf Jessicas Bein. Sie seufzte und starrte Derek böse an.

„Egal, wie sauer du auf ihn bist, das du so darauf bestanden hast, dass er bestraft wird hätte ich nie von dir gedacht.“ Sie stand auf und ging auf die Fensterfront zu. „Dylen kommst du?“ Ich senkte den Kopf und folgte ihr nach draußen in den Garten.

Dieser war genauso schön, wie der Vorgarten. Ein kleiner Teich war mitten im Garten und auch etliche Springbrunnen standen herum.

„Adam liebt Wasser, aber das weißt du sicher bereits“, meinte Jess und steuerte auf eine Hollywoodschaukel zu, die an dem Teich stand. Ich folgte ihr und setzte mich neben sie.

„Ich weiß, wie das für dich aussehen muss“, fing ich an zu erklären. Irgendwie wollte ich ihr erklären, was da zwischen Derek, Aiden und mir lief.

„Das brauchst du mir nicht erklären. Ich hab es in deinen Gedanken gelesen und ich habe auch in Dereks Gedanken gelesen.“

„Aber ...“ Sie schüttelte den Kopf und lächelte mich an.

„Tut mir leid, ich wollte nicht schnüffeln. Ab jetzt zeihe ich mich zurück.“ Das war es nicht. Ich fand es nicht unangenehm, dass sie in meinen Gedanken las. Weil ich einfach nicht wusste, wie ich diese ganzen Gefühle erklären sollte. Es war einfacher, wenn jemand in mich hinein horchen konnte. „Ich war nur so aufgeregt, als ich Dereks Gedanken angestupst hatte und herausgefunden habe, dass du seine „Seelenverwandte“ bist.“

Seelenverwandte … das war so ein hartes Wort, so endgültig. Vor allem mit Derek im Zusammenhang.

„Ich weiß nicht, ob ich das wirklich bin.“

„Er hat dir wirklich wehgetan, das tut mir leid.“

„Ja, hat er und ich weiß nicht, ob ich ihm je wieder vertrauen kann, ihn wieder lieben kann.“ Es war komisch. Ich kannte Jess jetzt wie viele Minuten? Und schon saß ich hier und schüttete ihr mein Herz aus. Ich hatte mich ihr verbunden gefühlt. Wir teilten das gleiche Schicksal. Es war, wie eine lang verschwundene Freundin wiederzutreffen.

„Als wären wir irgendwie verbunden“, nickte Jess und lächelte mich an. „Ich hab noch keine andere Göttin getroffen. Außer Dragana und Loona natürlich, aber keine, die sich mit diesen sturen Göttern herumschlagen muss. Es ist komisch oder?“ Ich nickte, lächelte aber.

„Und doch fühlt es sich richtig an“, meinte ich … und doch wird es nicht lange andauern. Ich hatte meine Entscheidung getroffen und wenn das hier vorbei war, wenn wir es geschafft hatten das Böse zu vernichten, dann würde ich in mein Leben zurück kehren und keinen Unsterblichen mehr an mich heran lassen.

„Kann ich dich etwas fragen?“, fragte Jessica und sah auf den Teich. Ich sah sie an und nickte.

„Klar.“

„Das was du für Aiden empfindest, meinst du, dass ist echt? Ich meine, fühlt es sich richtig und sicher an? Oder findest du ihn einfach nur anziehend?“ Ich blinzelte und sah langsam zum Teich. Das war eine gute Frage. Klar, war da eine Spannung zwischen Aiden und mir und ja, diese Spannung war auf einer Intimen Spur. Aber es war nicht nur das, was mich an ihm reizte. In seiner Nähe fühlte ich mich zuhause, als gehörte ich genau dahin.

„Ja, fühlt es sich“, murmelte ich. „Es ist, als wäre er schon immer da gewesen.“

 

 

Jessica und ich unterhielten uns noch eine Weile weiter. Aber wir verloren kein Wort mehr über Aiden, Derek und mich. Sie erzählte mir, dass sie eine Meernymphe sei. Eine Nereiden um es genau zu sagen, eine sogenannte Nymphe des Mittelmeeres. Und genau da hatte sie Adam vor 85 Jahren kennengelernt, in Italien an der Küste. Sie waren beim Surfen aneinander geraten. Jess hatte mir erzählt, dass sie ihn sofort als einen Unsterblichen erkannt hatte, was ja nicht so schwer war und sich aber dann verboten hatte, in seinem Kopf herum zuschnüffeln. Sie hatten sich ein bisschen geärgert und dann hatte Adam sie zum Essen eingeladen. Es war eine kleine süße Geschichte, die mir ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert hatte. Ich hatte Jess nicht von Derek und mir erzählen brauchen, denn sie hatte es schon in seinen und auch in meinen Gedanken gelesen. Was mir nichts ausgemacht hatte. Wenn ich das alles wieder in Worte hätte fassen müssen, hätte ich das glaube ich nicht geschafft. Seit das alles passiert war, war ich einfach nur noch ein Nervenbündel und bei jeder Gelegenheit könnte ich weinen. Aber ich riss mich zusammen. Die Jungs brauchten den harten und starken Wolf in mir und das wollte ich ihnen auch geben.

Als wir wieder ins Wohnzimmer kamen, redeten Adam und Derek über Seth.

„Dort wirst du ihn nicht mehr finden“, meinte Adam. „Er ist weg gezogen. Ein bisschen weiter von hier.“

„Redet ihr von Seth?“, fragte Jess, worauf Adam nur nickte. „Er kommt ein Mal im Monat zum Essen.“

„Warum hat er sich nicht bei mir gemeldet?“, fragte Derek und war sichtlich gekränkt.

„Seth hatte Probleme mit Dämonen und du kennst ihn ja, er verschwindet lieber, als sich mit Dämonen zu befassen“, erklärte Adam. „Sie haben sein Haus in brannt gesteckt und dabei ist sein Handy drauf gegangen.“

„Wisst ihr, was ich nicht verstehe, warum ihr dann nicht einfach zu Dragana gegangen seid, um Bescheid zu sagen“, meinte ich. Dann hätten wir dieses ganze Gesuche nicht. Jess kicherte.

„Süße, diese Typen hier wollen nach Jahrhunderte langer Anpreisung auch mal alleine sein“, meinte sie.

„Es war nicht immer leicht ein Gott zu sein“, stimmte Derek zu. Seufzend setzte ich mich neben ihn. Wie selbstverständlich legte Derek seine Hand auf meinen Oberschenkel. Ich drückte seine Hand weg und legte meine Hände auf meine Oberschenkel, damit er seine nicht mehr darauf legen konnte.

„Also wisst ihr, wo Seth ist?“, fragte ich. Adam nickte.

„Ich kann ihn anrufen, dann kann er zu Mutter kommen.“

„Das ist gut, also müssen wir nur noch Darien finden.“

„Das wird am schwersten“, murmelte Derek.

„Vielleicht weiß Seth etwas“, hatte ich die Hoffnung, doch Adam und Derek zuckten nur die Schultern. Super Einstellung, Jungs.

„Also das heißt, wir gehen hoch zu deiner Mutter?“, fragte Jess und wirkte ein bisschen nervös. Ich sah sie fragend an, aber Jess lächelte nur. „Na ja, sie wartet darauf, dass Adam und ich endlich heiraten. Hehe.“ Ich musste lachen und hielt mir die Hand vor den Mund.

„Das klingt so nach Dragana.“

„Ja, ich glaube, deswegen versteckt Adam sich auch.“ Sie kicherte und küsste Adam dann auf die Wange. „Dann gehe ich mal was packen. Ich denke nicht, dass wir so schnell wieder nach Hause kommen, oder Schatz?“

„Wohl eher weniger“, meinte dieser und stand auf. „Ist das okay, wenn wir euch kurz alleine lassen?“ Derek und ich nickten und die beiden verschwanden in den ersten Stock.

„Worüber habt ihr zwei geredet?“, fragte Derek mich sofort und legte seine Hand auf meine. Ich drückte seine Hand allerdings wieder weg und setzte mich etwas weiter von ihm weg.

„Jess hat mir erzählt, wie sie Adam kennengelernt hat“, meinte ich nur.

„Ihr habt euch von Anfang an gut verstanden, hatte ich das Gefühl.“ Ich nickte.

„Ja, sie ist super.“

„Vielleicht können wir ja hier her ziehen, wenn das alles vorbei ist.“ Sofort starrte ich Derek an.

„Ist das dein Ernst? Willst du echt wieder davon anfangen?“

„Ich? Ich wollte ein normales Gespräch mit dir führen, mehr nicht, Dylen. Ich mache mir Sorgen um dich und ich wünsche mir wirklich, dass du endlich auf hörst, mich die ganze Zeit von dir zu schieben.“ Er kam wieder etwas näher, aber ich stand auf.

„Bitte Derek. Ich möchte nicht angefasst werden.“ Kaum hatte ich es ausgesprochen, wurde Dereks Verhalten kälter.

„Gefällt dir nicht, wie ich aussehe? Brauchst du Narben und Verletzungen, um dich einem Mann nahe zu fühlen?“ Ich blinzelte und starrte ihn mit offenem Mund an. „Ich weiß, dass Aiden irgendetwas mit dir gemacht hat.“

„Bitte was?“ Hatte er das gerade wirklich gesagt? Hatte er wirklich gesagt, dass Aiden etwas mit mir gemacht hatte? „Geht es dir noch gut? Aiden hat nichts mit mir gemacht. Alles was da zwischen uns war, war echt, Derek.“

„Aber da darf nichts sein.“ Das gab mir den Rest. Da darf nichts sein?

„Ist das dein Ernst? Wie oft muss ich dir noch sagen, dass ich dich nicht mehr liebe, Derek?“

„Das kommt wieder, Dylen. Ich weiß, dass es nicht korrekt war, dich einfach so zu verlassen.“

„Nicht korrekt? Du hast mir das Herz gebrochen, Derek! Sowas kannst du nicht wieder gut machen.“

„Du gibst mir ja gar keine Chance“, rief er und stand auch auf.

„Wie könnte ich auch, wenn du auf einmal wieder auftauchst und mich sofort wieder ins Bett schleifst? Du hast mich nicht gefragt, was ich will. Du hast mich nicht gefragt, wie es mir ergangen ist.“

„Weil ich es nicht brauchte. Du gehörst zu mir, Dylen. Wir gehören zueinander, das wirst du auch noch merken.“ Er packte mich am Handgelenk und zog mich an sich. Ich wehrte mich und legte meine Hände auf seine Brust, um mich weg zu drücken, aber Derek war stärker wie ich. Er presste seine Lippen gegen meine und genau das war der Moment, als es mir reichte. Ich stieß ihn mit aller Kraft von mir und rannte zur Haustüre. „Dylen!“, rief er mir nach, aber ich blieb nicht stehen. Leise Tränen rannen mir über die Wange. Dieser Dummkopf, wie konnte er nur so mit mir umspringen? Sah er nicht, dass er mir damit nur weh tat?

Ich hörte Derek, wie er mir nach schrie, ich solle stehen bleiben, aber ich hörte nicht auf ihn. Ich wollte einfach nur weg und genau das tat meine Beine auch. Sie brachten mich fort von diesem Haus, weg von Derek. Ich lief die Straße zurück und bog dann ab. Ich wusste nicht, wo ich war oder wo ich hinwollte. Das einzige was in meinem Kopf war: weg!

Ich kam an der Hauptstraße an, lief aber weiter immer weiter bis in einen kleinen Park, wo ich mich gegen einen Baum lehnte. Derek war nicht hinter mir, ich hatte ihn irgendwie abgehängt.

Keuchend legte ich meinen Kopf zurück und schloss die Augen. Als Wolf wäre ich schneller gewesen und wäre nicht so außer Atem … aber meine Sachen waren noch im Auto und zum ausziehen hatte ich einfach keine Zeit gehabt.

„Vor wem bist du denn weg gelaufen?“ Augenblicklich öffnete ich die Augen. Diese Stimme! Ich kannte diese Stimme nur zu gut.

„Bec“, hauchte ich und starrte meinen Gegenüber an. Er war es wirklich, aber was machte er hier? Er grinste mich an und kam ein paar Schritte weiter auf mich zu. „Was tust du hier? Ich wusste gar nicht, dass du weg wolltest.“ Irgendwas stimmte hier nicht.

„Ich bin wegen dir hier, Dylen.“ Wegen mir? Das war nicht gut … aber es war zu spät. Blitzschnell packte Bec mich und presste mich an sich, sodass ich mit dem Rücken zu ihm stand. Da sah ich, dass Dämonen auf uns zukamen. Sie grinsten, aber als ich um Hilfe schreien wollte, drückte Bec mir ein Tuch über den Mund und die Nase. Es war mit Chloroform getränkt, was ich aber zu spät bemerkte und schon eingeatmet hatte. „Schlaf schön, süße Dylen“, flüsterte Bec mir ins Ohr.

„Aiden“, hauchte ich, aber ein ganz anderer Name ging mir durch den Kopf.

Ares!

Kapitel 30

Kapitel 30

 

Mein ganzer Körper schmerzte und ich konnte mich kaum bewegen, aber ich musste das aushalten. Wenn ich die Schmerzen wieder unterdrückte, würde mich das nur noch mehr Kraft kosten und ich brauchte den Schlaf … der so langsam über mir einbrach.

Das Knallen der Peitschenhiebe klingelten immer noch in meinen Ohren. Obwohl wir im 21. Jahrhundert angekommen waren, waren unsere Methoden doch immer noch alt und beinhaltete eben das Auspeitschen. Ich war nur froh gewesen, dass sie Dylen nicht in mein Zimmer gelassen hatten. Das hier hatte sie nicht sehen müssen. Zwar widerstrebte es mir, dass sie mit Derek losgefahren war. Er wusste sie einfach nicht zu schätzen. Derek hatte doch gar keinen Plan, was sie wollte, wie er sie behandeln musste …

Ja und du weißt es? Der Zerstörer von Rassen und Ländern? Der, der sich unter die Menschen gemischt hatte und selber Knochen brach? Der es liebte, wenn Leute starben? Wie könntest du wissen, wie man mit einer Frau umging? Wie könntest du überhaupt wissen, was eine Frau braucht? Du Heuchler!

Ja … ich Heuchler. Es war gut so, wie es war. Derek würde besser zu Dylen passen. Er war sanfter, wie ich. Er konnte nett sein, wenn er wollte.

Du zerstörst Ehen, das ist dein Schicksal.

Langsam kam der Schlaf, aber nicht so wie ich gehofft hatte. Ich wollte entspannen, meine Wunden heilen lassen. Aber das blieb mir verwehrt. Mein Schlaf war unruhig. Ich wusste nicht, was mich so unruhig werden ließ, aber plötzlich hörte ich diese Stimme in meinem Kopf. Ihre Stimme.

Ares!, hallte Dylens süße und melodische Stimme in meinem Kopf wieder. Sofort saß ich in meinem Bett und unterdrückte die aufkommenden Schmerzen.

„Dylen“, hauchte ich und stand sofort. Es war nicht so, dass ich es meinem Körper befohlen hatte, er machte es von alleine. Und von einem auf den anderen Moment war ich auch nicht mehr in meinem Zimmer, oben bei Mutter. Ich hatte mich in einen Park telepotiert, den ich vorher noch nie gesehen hatte. Aber warum ich hier war, wusste ich genau. Dylen hatte nach mir gerufen und ich war sofort zu ihr geeilt. Ihr Duft hing noch in der Luft. Dieser süße Duft, den ich am liebsten nur noch in der Nase hätte.

„Aiden?“, keuchte jemand und ich drehte mich um.

„Derek?“ Meine Augen weiteten sich. Nein.

Ares!, hallte ihr Schrei wieder in meinem Kopf nach. Sie hatte mich nicht nur gerufen, sie hatte nach mir geschrien, sie hatte Hilfe gebraucht.

„Wo ist Dylen?“, fragte ich ihn jetzt sauer und ging auf ihn zu. Derek ging keinen Schritt zurück, bleib stehen und starrte mir in die Augen. Er keuchte jetzt nicht mehr, aber er atmete noch ein bisschen schwer. Also war sie vor ihm weggelaufen. „Was ist passiert?“, knurrte ich schon fast.

„Das hat dich nichts an zugehen.“

„Das geht mich sehr wohl etwas an, wenn sie nach mir ruft!“ Ich packte Derek an seinem Hemdkragen und hob ihn etwas hoch. „WAS hast du ihr angetan?“ Ich war sauer, sauer weil ihr jetzt etwas zugestoßen war und keiner von uns es verhindert hatte. Wir hatten keine Spur, nichts was wir tun könnten. Ihr leichter Duft verflog schon. „Derek!“

„Wir haben gestritten und dann ist sie davon gelaufen. Ich bin ihr nach, aber sie war schneller. Als ich hier ankam, warst nur du hier.“ Fluchend stieß ich Derek von mir, sodass er zurück taumelte.

„Komm so schnell es geht hoch. Wir müssen sie suchen“, sagte ich und teleportierte mich wieder in mein Zimmer.

Ich konnte an nichts anderes denken, als an Dylen. Aber ich wusste nicht wer sie entführt hatte? Und vor allem, wo sie jetzt war. Aber ich musste Ruhe bewahren und meinen Kopf einschalten. Ich würde sie finden und dafür sorgen, das ihr nichts passierte.

Wie ferngesteuert ging ich zu meinem Schrank, holte mir eine neue Hose und ein neues Hemd raus. Danach stieg ich in meine schwarzen Springerstiefel und zog mir eine schwarze Lederjacke an. Als ich mich anzog, wurde mein Kopf klarer und ich hatte nicht mehr so eine Panik. Klar, ich machte mir immer noch Sorgen um Dylen und ich wollte sie auch noch unbedingt finden, aber das alles brachte mir und vor allem ihr nichts, wenn ich dabei nicht klar denken konnte.

Mit schnellen Schritten lief ich den Gang zur Treppe entlang und dann in den Thronsaal, wo ich meine Mutter vermutete. Womit ich auch Recht hatte. Sie saß auf ihrem Thron und unterhielt sich mit Dad, der sich eine Trainingspuppe in die Mitte des Saales gestellt hatte und jetzt auf sie eindrosch. Er hörte für einen kurzen Moment auf, als ich den Raum betrat.

„Aiden?“, fragte Mom überrascht und sah mich besorgt an. Es waren gerade mal eine Stunde her, seit Dad mich bestraft hatte und eigentlich müsste sich mein Körper noch von diesen Strapazen erholen … aber das ging jetzt nicht. Ich musste Dylen finden. „Warum läufst du hier herum? Du solltest dich erholen.“ Ich schüttelte den Kopf.

„Das geht nicht. Derek wird gleich auch hier sein.“ Sofort hörte Vater mit seinem Training auf und sah mich an.

„Nur Derek?“, fragte er. Ich sah ihm unverwandt in die Augen.

„Dylen ist entführt worden. Sie hat noch nach mir gerufen.“

„Aiden, das kannst du nicht ...“, fing Dad an, aber ich unterbracht ihn.

„Doch, das kann ich wissen. Sie hat nicht nach mir gerufen, sie hat nach Ares gerufen. Sie weiß nicht, dass ich es bin, versteht ihr?“

„Aiden, vielleicht hast du dir das nur eingebildet“, murmelte Mom und stand auf.

„Als Daphne mich gerufen hatte, war ich auch sofort da. Früher, als die Menschen zu mir gebeten haben, um den Krieg zu gewinnen, wusste ich auch, wo ich hin musste.“

Ein leichter Windstoß ging durch den Saal und hinter mir materialisierten sich Derek, Adam und Jessica.

„Egal was Aiden gesagt hat, es stimmt. Dylen ist weg“, bestätigte Derek und stellte sich neben mich.

„Und ich weiß mit Sicherheit, wer sie hat.“

„Logan?“, fragte Dad und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Wir müssen sie finden und da raus holen“, sagten Derek und ich wie aus einem Mund.

„Stopp mal. Ihr wisst nicht mit Sicherheit, dass es Logan war und außerdem ...“, fing Jess an und kam auch neben mich. Sie drehte sich zu mir und stupste mir mit ihren Zeigefinger gegen die Brust. „Wo willst du anfangen zu suchen? Du hast doch gar keinen Anhaltspunkt. Er könnte sie überallhin verfrachtet haben.“

„Jess hat Recht, Aiden“, mischte sich nun auch Adam ein. „Wir müssen uns einen Plan ausdenken und sie gemeinsam retten.“

 

 

 

 

 

Das konnte nicht sein. Ich sah meinen Sohn an und traute meinen Augen nicht. Aiden hätte gar nicht in der Lage sein sollen hier zu stehen. Ich hatte ihn doch selber versorgt. Hatte seinen geschundenen Rücken gereinigt und die aufgeplatzte Wunde, die Dylen vorher zugenäht hatte, wieder verschlossen. Er dürfte keine Kraft haben, die Schmerzen zu unterdrücken. Und wenn das Siegel auf seinem Rücken wirklich ein Schmerzsiegel war, wie Xander gesagt hatte, konnte er nicht gegen Logan gewinnen. Nicht in seinem Zustand. Und doch stand er hier und war Feuer und Flamme. Er brannte darauf los zu gehen und jeden Dämon zu verprügeln, nur um Dylen zu finden. Ares sprach da aus ihm. Ares der Kriegsgott, der nur Verwüstung hinterließ. Und doch, war da ein Glimmen in seinen Augen, was ich noch nie gesehen hatte. Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag.

Er liebte sie.

Und das bedeutete, dass er alles tun würde. Egal was ihm geschehen würde, solange Dylen nur unbeschadet aus der Sache heraus kam. Sein Wesen brachte ihn dazu, sogar für sie zu sterben. Ares, der Gott des Krieges würde alles aushalten, um die Frau zu retten, die er liebte. … Aber das konnte nicht sein … ich hatte die Sterne gedeutet und hatte ihren Stern an Dereks gesehen. Sie gehörten zueinander. Und doch prallten Aidens Gefühle so heftig gegen mich, dass ich mir nicht mehr sicher war.

„Entschuldigt mich“, murmelte ich und lief aus dem Saal. Alle sahen mir nach, aber das war mir egal. Ich musste das hier richtig stellen. Ich musste sicher sein, dass ich das Richtige getan hatte. Wenn ich falsch gelegen hatte, hatte ich meine Söhne umsonst gefoltert, sie umsonst gegen einander aufgespielt.

Meine Füße trugen mich zur Treppe und dann hinauf in mein eigenes Gemach. Hinter einem Bücherregal versteckte sich eine Türe, die hinauf auf den Dachboden führte. Binnen weniger Minuten war ich auch diese Treppe hinauf gestiegen und fand mich in einem abgedunkelten Raum wieder. Auf dem Boden hatte ich Runen gezeichnet, die mich mit dem Universum verbanden. Ich setzte mich in die Mitte des Raumes, schloss die Augen und konzentrierte mich. Um mich herum wurde es noch dunkler. Ich löste meinen Geist von meinem Körper und schwebte. Kleine Punkte bildeten sich um mich herum und wurden immer heller.

Sagt mir, dass ich mich irre. Sagt mir, dass ich meinen eigenen Sohn nicht umsonst gequält habe.

Aber so war es nicht. Die Sterne sagten mir, dass ich geirrt hatte. Ich hatte etwas gesehen, was ich mir sehnlichst gewünscht hatte. Ich hatte mir gewünscht, Derek endlich bei einer Frau zu wissen, die ihm gut tun würde. Seine endlosen Bettgeschichten war ich leid gewesen. Aber das Schicksal hatte zwei Menschen zusammen gebracht, die es noch mehr brauchten. Aiden. An Aiden hatte ich so wenig gedacht. Er hatte es am schwersten von allen. Der Drang in ihm, zu töten.

Ich kehrte in meinen Körper zurück und starrte meine Hände an. Ich hatte ihm das alles angetan. Er wurde ausgepeitscht für Dinge, die ihm vorbehalten waren, die er hatte tun dürfen.

Ich war eine schlechte Mutter. 

 

Kapitel 31

 

Kapitel 31

 

Schwarz. Alles war schwarz. Entweder ich war wirklich in einem schwarzen Abgrund, oder man hatte mir einfach nur die Augen verbunden. Allerdings spürte ich nichts an meinem Kopf. An meinen Armen und Beinen war das was anderes. Ich spürte kalten Stahl, der sich um meine Handgelenke geschlungen hatte. Das gleiche bei meinen Fußknöcheln. Mit einer Kette waren meine Füße und meine Hände zusammen gekettet. Aber an meinem Kopf war nichts.

Langsam hob ich meine Hände, um an meinem Kopf zu suchen. Dabei rasselten die Ketten und hielten mich auf, kurz bevor ich mein Gesicht berühren konnte. Das war doch echt nicht wahr. Wie konnte Bec mir das antun?

Du warst ja auch nicht gerade die Schlauste. Du hättest sofort weglaufen sollen. Du hättest dich in deinen Wolf verwandeln sollen und dann weglaufen sollen. Nein, Maidame bleibt stehen und fragt den Typen auch noch was er hier macht. Dumm, dumm, dumm.

Hallo, es war Bec, wie sollte ich denn wissen, dass er zu den Bösen gehörte?

Hallo? Das Verhalten von ihm, auf dem Geburtstag deines Vaters war auch nicht gerade normal.

Stimmt. Er war irgendwie nicht Bec gewesen. Er hätte mich nie so gedrängt ihn zu küssen. Er wäre diskret gewesen und hätte gewartet, bis Dad verkündet hatte, dass wir heiraten würden. Verdammt, ich hatte mich zu sehr auf Aiden konzentriert, als zu merken, dass da etwas nicht stimmte. Und jetzt saß ich hier, in einem dunklen Raum und war gefesselt. Dazu kam noch, dass ich mir sicher war, dass Bec mit Logan zusammen arbeitete, alleine würde er nie so etwas machen … oder es war noch schlimmer.

Plötzlich ging ein Licht an und ich musste blinzeln, um mich an die Helligkeit zu gewöhnen.

„Hast du es gemütlich?“, ertönte Becs Stimme und im nächsten Moment stand er auch schon an meiner Zellentür. Jetzt wo das Licht an war, sah ich auch, dass ich in einer modrigen alten Zelle saß. Jap, wie es für eine Gefangene gehörte.

„Könnte ein bisschen hübscher sein“, murmelte ich. Bec grinste und verschränkte die Arme vor der Brust. „Warum tust du das Bec? Hat Logan etwas in seiner Hand, womit er dich erpresst? Bitte sag mir was los ist und hilf mir hier raus. Wir schaffen das schon irgendwie.“ Vielleicht erreichte ich ihn so, doch Bec reagierte nicht darauf. Er lachte und schüttelte den Kopf.

„Du brauchst dir keine Mühe geben, Dylen. Deinen Freund Bec Alister gibt es schon lange nicht mehr.“ Ich hatte ein übles Gefühl, was sich nur bestätigte, als Becs Körper auf einmal anfing zu zucken und zu Boden sackte. Aus seinem Mund schoss ein schwarzer Rauch und als nächstes stand Logan vor mir.

„Nein“, hauchte ich und schüttelte automatisch den Kopf. Das kann nicht sein. Das darf nicht sein.

„Doch“, lächelte er und schloss meine Zelle auf. In der Hand hielt er jetzt einen Eimer, den er neben mich stellte. „Was zu trinken und was Brot … kannst ja versuchen etwas zu essen“, meinte er nur und ging wieder. Das Licht ließ er diesmal an. „Achso bevor ich es vergesse. Ich hoffe doch sehr, dass Aiden und Derek dich suchen kommen. Es ist sehr wichtig, dass sie her kommen.“ Meine Augen weiteten sich, aber bevor ich ihm irgendetwas entgegen schreien konnte, war Logan schon weg, den leblosen Körper von Bec hinter sich herschleifend.

 

 

Ich musste sie finden. Ich musste sie einfach finden und retten.

„Wir haben keine Anhaltspunkte“, meinte Adam.

„Ich könnte mit euch kommen und die Gedanken der Dämonen lesen. Vielleicht finde ich etwas heraus“, schlug Jessica vor.

„Das ist zu gefährlich“, meinte Derek, wurde aber dann von Jess böse angesehen.

„A) du bist nicht mein Mann, klar und B) kann ich schon auf mich aufpassen.“ Adam nickte.

„Das kann sie wohl“, stimmte er zu. „Jess ist die einzige Wahl die wir haben. Was sagst du, Aiden?“

„Es ist ein Anfang“, murmelte ich und blieb mit dem Rücken zu den anderen stehen. Vor meinem inneren Auge tauchte ein Bild von Daphne auf. Wie sie sterbend in meinen Armen lag und mich mit letzter Kraft bat auf Dylen aufzupassen. Sie hatte mir vertraut und ich hatte zugelassen, dass Logan Dylen in die Hände bekam. Ich hatte versagt und wenn Logan ihr etwas antat, würde ich mir das nie verzeihen.

Daphnes Bild verschwamm und stattdessen strahlte mich Dylens sanftes Gesicht an. Ihre vollen roten Lippen waren zu einem Strahlen verzogen, ihre strahlendblauen Augen sahen mich voller Freude an. Und dann sah ich sie wieder auf meinem Bett sitzen, in meinem Hemd. Ich hatte nicht zum Bäcker gehen wollen, ich hatte sie wieder und wieder küssen wollen. Meine Gedanken waren total abgeschweift. Ich hatte mich mit ihr verstecken wollen, mit ihr abhauen wollen. Nur sie und ich.

„Dann los“, holte Jess mich aus meinen Gedanken. „Wir holen sie zurück, Aiden.“ Ich drehte meinen Kopf zu ihr.

Du hast wieder meine Gedanken gelesen.

Sie nickte und lächelte entschuldigend. Gerade machte sie den Mund auf, um etwas zu sagen, als Mom in den Thronsaal stürmte. Wir alle drehten uns zu ihr um. Ihr standen Tränen in den Augen.

„Mom?“, fragte Derek und ging auf sie zu, aber sie schüttelte den Kopf und wischte sich über die Augen.

„Werdet ihr sie suchen?“, fragte sie. Derek nickte.

„Wir machen uns jetzt auf den Weg.“

„Das ist gut.“ Jess klopfte mir auf die Schulter und ging zu Adam. Zusammen verließen sie den Thronsaal. Auch Derek und ich folgten ihnen, aber als ich bei Mutter ankam legte sie mir ihre Hand auf die Schulter.

„Es tut mir leid, Aiden“, flüsterte sie. Ich blieb neben ihr stehen.

„Was meinst du?“

„Rette sie, okay? Sie braucht dich und nur dich.“ Mein Körper erstarrte, meine Augen weiteten sich. „Ich hab einen Fehler gemacht. Einen Fehler, der unverzeihlich ist. Sie ist nicht Hebe. Sie ist Aphrodite. Sie ist die deine.“ Mom ließ mich los und ging an mir vorbei.

Automatisch ging ich den anderen nach. Meine Gedanken waren nur noch auf das eine gerichtet. Auf sie. Auf Dylen.

Derek, Jess und Adam warteten vor dem Thronsaal auf mich. Wir bildeten einen Kreis und Derek und ich teleportierten uns in eine Gasse in der Nähe von Dylens Haus.

Es war schon dunkel, also würde es nicht lange dauern, bis wir einem Dämonen begegnen würden. Und ich würde jeden töten, der nur im geringsten etwas wusste oder der etwas über sie sagte. Egal ob gut oder schlecht.

Wir setzten uns in Bewegung, aber da packte Jessica mich schon am Arm und zog mich etwas zurück.

„Beherrsche dich, bitte“, flüsterte sie mir zu.

„Verschwinde aus meinem Kopf“, knurrte ich sie an.

„Aiden, du strahlst so eine Energie aus, da brauche ich nicht in deinen Kopf gucken.“ Sie packte mich am Kinn und zwang mich, sie anzusehen. Jeder andere wäre schon längst tot, jeder andere hätte es noch nicht mal gewagt mich anzufassen. Doch es war Jess, die kleine Meernymphe, die es geschafft hatte eine Bindung zu mir aufzubauen. „Hör mir zu, du Trottel. Wir werden sie finden und sie werden ihr bestimmt nichts tun. Logan braucht sie lebend, das weißt du. Sonst bekommt er ihre Macht nicht. Aber wir können keinen Kriegsgott gebrauchen, der unsere Opfer schon tötet, bevor dieses überhaupt geredet haben. Hast du verstanden? Dylen braucht Aiden und nicht Ares. Sie braucht deine weiche Art, die da in dir drin ist. Sie braucht nicht den blutrünstigen, kalten Gott in dir.“ Ich biss die Zähne zusammen und sah ihr in die hellgrünen Augen. Jess hatte Recht. Ich durfte nicht ausrasten, ich musste den Gott in mir einsperren. Sie ließ mich los und nickte. „Gut. Dann lass uns anfangen, sie zu suchen.“ Ich nickte zustimmend und wir zwei holten schnell auf. Jess trat an die Seite von Adam und nahm seine Hand.

„Worüber habt ihr zwei denn gesprochen?“, fragte er und sah mich über die Schulter an. Jess kniff ihn in den Arm und lächelte.

„Ich musste deinem Zwilling nur erklären, dass wir ihn und seinen Verstand brauchen und nicht den Gott, der er gerne sein will.“ Sie drehte ihren Kopf auch zu mir und zwinkerte mir zu. Adam schüttelte den Kopf.

„Das du noch nicht tot bist, ist mir schleierhaft.“

„Mich lieben halt alle, mein Schatz. Selbst der große Poseidon geht auf die Knie und flehte mich an, seine Frau zu werden“, grinste sie. Adam lächelte nur und schüttelte den Kopf. Sie war eine Frau für sich, das musste man ja schon sagen. Doch plötzlich verschwand ihr Lächeln und sie blieb stehen. „Wir bekommen Besuch“, meinte sie und starrte zu der Häuserecke, die vor uns lag. An den Häuserwänden schlängelten sich Dämonen, die sich plötzlich auf uns stürzten. Sie blieben in ihrer schwarzen rauchigen Gestalt. Schnell formatierten Derek, Adam und ich uns um Jess damit ihr nichts geschah. „Könnt ihr sie ablenken?“, fragte sie, schloss die Augen und legte sich ihre Hände auf die Schläfen.

„Mit Vergnügen“, meinte ich und trat durch einen der Nebel. Er teilte sich einfach. Es war nicht gerade leicht einen Dämonen zu schlagen, wenn er keinen Körper hatte.

„Feiglinge“, brummte Derek.

„Die wissen nichts. Sie sind nur Handlanger, die ganz unten stehen“, meinte Jess und öffnete wieder die Augen.

„Handlanger?“, kreischte einer von ihnen. Da hatte sie wohl einen Nerv getroffen. Denn sofort verwandelten sich die Nebel in richtige Menschen und liefen auf uns zu. Insgesamt waren es fünf Dämonen. Für Derek, Adam und mich allerdings kein Problem. Blitzschnell hatten wir jeden einen gepackt und ihm das Genick gebrochen. Dann schnappte ich mir den nächsten. Packte ihn am Arm, schleuderte ihn herum und gegen seinen anderen Freund. Sie knallten gegen die Wand, wo Adam und Derek schon auf sie warteten. Sie zogen beide ein Messer und stachen zu. Wir ließen sie einfach liegen und machten uns auf den Weg.

Eine Stunde waren wir jetzt unterwegs und hatten etliche Wesen getötet, die von Dämonen besessen gewesen waren. Die Nachricht, dass wir Dylen suchten, war bestimmt schon längst bis ganz oben durchgedrungen, denn es wurden immer mehr, die versuchten uns aufzuhalten. Ihre Gedanken allerdings waren alle zugemauert, sodass Jess gar nichts lesen konnte.

Derek zündete gerade einen Haufen von benutzen Wesen an, damit es keine Hinweise gab. Die fünf Dämonen, die wir zu Anfang getötet hatten, waren bestimmt schon von ihren Freunden geholt worden.

„Was jetzt? Wenn ich nicht in ihre Köpfe komme, bringt das Abschlachten hier gar nichts“, meinte Jess und lehnte sich an eine Häuserwand.

„Sie sind so oder so tot, Jess. Wenn sie besessen sind, tun wir den Körpern einen Gefallen“, murmelte Derek und steckte sein Feuerzeug wieder ein.

„Trotzdem.“

„Ich bringe dich lieber wieder hoch“, meinte Adam und trat auf sie zu.

„Mir geht es gut, Adam.“

„Nein, er hat Recht“, meinte ich und ballte meine Hände zu Fäusten. „Ihr solltet hoch gehen und versuchen Seth und Darien zu finden.“

„Oh nein, nein, nein, nein. Ich brauche deine Gedanken nicht zu lesen, um zu wissen, was du vorhast“, wehrte sich Jess und starrte mich wütend an. „Aiden, sie töten dich sofort. Du kommst in das Versteck und wirst vor ihren Augen umgebracht. Das ist es nicht wert.“

„Ich muss da rein.“

„Nein! Adam sag etwas. Er will sich fangen lassen, das dürft ihr nicht zulassen.“

„Das ist die einzige Möglichkeit, Schatz“, stimmte Adam mir zu und sah mich an.

„Was? Bin ich denn nur von Idioten umgeben?“, rief Jess aus und warf die Hände in die Luft.

„Aiden können wir schneller finden, als Dylen“, stimmte Derek nun auch zu. Jess zog die Augenbrauen hoch.

„Ihr könnt einander gar nicht finden, was redet ihr?“

„Aber ich kann Dylen und mich da raus holen“, meinte ich. Mich würde davon eh keiner mehr abbringen können. Ich musste zu ihr und sie da raus holen. Es stimmte, dass Logan ihr nichts tun konnte. Tot nützte sie ihm nichts, aber er könnte sie quälen.

„Wenn du tot bist, dann kannst du das nicht mehr.“

„Jess, Aiden ist nicht leicht zu besiegen, dass weißt du doch wohl selber“, meinte Adam und legte ihr die Hände auf die Schultern. Sie sah mich an und plötzlich glitzerten ihre Augen. Tränen bildeten sich in ihnen. Und ich wusste genau, warum das so war.

Es war kurz nachdem Adam und Jess zusammen gekommen waren. Da hatten Dämonen herausgefunden, wer sie war und hatten versucht ihr ihre Macht zu nehmen. Sie hatten es auch fast geschafft, aber Adam und ich hatten sie retten können. Ich war bei ihr gewesen, als diese Dämonen versucht hatten ihr ihren Lebenssaft auszusaugen, ich hatte sie gerettet und ein Massaker hinterlassen. Und genau deswegen hatte Jess eine Bindung zu mir. Sie hatte mich gesehen, als ich zu dem blutrünstigen Gott geworden war und alles um mich herum zerstört hatte und genau deswegen durfte sie auch so mit mir reden.

Mir passiert nichts, Jess.

„Du musst dich beeiben, hast du gehört?“, flüsterte sie und eine Träne rann ihr über die Wange.

Versprochen.

Sie nickte. „Lasst uns Seth und Darien suchen.“ Damit drehte sie sich um und hielt sich an Adam fest.

„Bitte pass auf dich auf“, meinte Adam.

„Ja“, nickte ich … und da waren sie auch schon weg.

Dylen ich komme. 

Kapitel 32

Kapitel 32

 

Ich fiel. Es war ein komisches Gefühl, aber ich kannte es.

Plötzlich wurde es hell und ich stand neben einem Podest. Ich war nicht wirklich da. Es war schon wieder ein Traum.

Ein Schrei ertönte und ich sah neben mich auf das Podest, was eigentlich keines war. Es war eher ein Altar, wo eine blonde Frau drauf lag. Und genau die hatte auch geschrien. Als ich die Frau erkannte stockte mir der Atem und meine Glieder fingen an, zu zittern. Es war Jessica. Die langen blonden Haare würde ich überall erkennen und auch ihre hellgrünen Augen, die sie weit aufgerissen hatte. Aber warum träumte ich von ihr?

„Nein, nicht!“, schrie sie und wehrte sich gegen die Fesseln, die sie auf dem Altar festhielten. Schnell sah ich mich um. Ein in einen schwarzen Umhang gehüllter Mann kam auf den Altar zu. Er hatte einen Dolch mit Goldenem Griff in der Hand. Langsam hob er die Hände und schubste die Kapuze von seinem Kopf. Ich hätte es wissen müssen, wer dieser Mann war. Es war Logan. War er etwa der Kopf hinter allem? Oder war er auch nur eine Marionette? Darüber konnte ich allerdings nicht weiter nachdenken, denn er kam Jessica mit dem Messer einfach zu nahe.

„Nein!“, schrie sie wieder.

„Sch, sch. Es wird nicht all zu weh tun“, meinte Logan und holte mit dem Messer aus. Ich schrie, aber mich hörte keiner. Ich könnte nichts tun. Das Messer fuhr herunter und schnitt Jessica in den Bauch. Sie schrie und bäumte sich auf; Logan machte einfach seine Arbeit weiter. Er fügte ihr einen langen Schnitt am Bauch zu und hob das Messer dann an seine Lippen. Sie färbten sich von Jessicas Blut rot und als er dann lächelte, sah es einfach nur grotesk aus. Die Wunde an Jessicas Bauch war nicht tief, denn ich hatte das Gefühl, dass sie einfach nur bluten musste. Logan hob die Arme und fing an, Worte zu murmeln, die ich nicht verstand. Aber diese Worte stellten etwas mit Jessica an. Sie bäumte sich auf und schrie … und da begriff ich, was Logan tat. Er klaute ihr, ihre Kraft, ihre Magie. Doch darauf konnte ich mich nicht mehr konzentrieren, denn plötzlich flog die Türe des Saals auf und eine mir wohlbekannte Person betrat diesen. Ich schluckte. Es war Aiden. Aber nicht der Aiden, den ich kannte. Dieser hatte Hass in den Augen, Hass, Verwüstung und einen riesigen Hunger auf Zerstörung. Überall auf seinem Körper war Blut, sein Hemd war zerrissen und in seiner Rechten Hand hielt er ein langes Schwert. Er sah gefährlich aus und ich wusste, das er auch genau das war.

Logan drehte sich zu Aiden um und lächelte wieder.

„Ich hatte gedacht, dein Bruder würde sie retten kommen.“

„Ich war schneller“, knurrte Aidens raue Stimme und verursachte eine Gänsehaut auf meiner Haut. Logan zuckte die Schultern und drehte sich wieder zu Jess um, um ihr weiter ihre Macht zu nehmen. Kaum machte Aiden einen Schritt vorwärts, öffnete sich neben mir eine Tür und etliche Dämonen kamen heraus gestürmt. Aidens Augen blitzen auf und das war der Anfang von einem riesigen Massaker. Aiden schlachtete jeden Dämon auf übelsteweise ab, sodass ich es noch nicht mal beschreiben konnte. Mir wurde übel, als ich sah, wie er sich genüsslich die Lippen leckte, als er einen Dämonen nach dem anderen tötete. Aiden hatte Tot in den Augen stehen und ich wusste, dass er nicht aufhören würde, bis er jeden in seiner Nähe getötet hatte. Nur aus dem Augenwinkel sah ich, wie Logan verschwand. Aiden bekam es nicht mit, er tötete einfach weiter, bis er am Altar angekommen war. Jessicas Kopf war auf das Geschehen gerichtet. Ihre Augen waren geweitet und sie wurden noch größer, als Aiden zu dem Altar kam. Auch ich bekam Angst. Er würde ihr doch nichts tun, oder? Bitte, bitte tu ihr nichts. Ich versuchte ihn am Arm zu packen, aber ich glitt durch ihn hindurch.

„Nicht, bitte Aiden“, hauchte Jess und versuchte an ihren Fesseln zu ziehen, aber sie war zu schwach. Aiden hob sein Schwert, den Irren Blick immer noch auf Jess gerichtet. „Komm zu dir.“ Ich blinzelte und starrte die Szene vor mir an. Komm zu dir? Was hatte das zu bedeuten?

Aiden hob das Schwert und ich schrie. Schrie laut und hielt mir die Augen zu. Das konnte nicht sein, er durfte sie nicht töten. Aber es kam kein schmerzensschrei von Jess. Es war leise, das einzige was ich hörte, war wie etwas auf den Boden fiel und schepperte. Ich öffnete meine Augen und traute ihnen nicht. Aiden hatte ihr nichts getan, er hatte die Fesseln durchtrennt und jetzt umklammerte Jessica seinen Hals. Aidens Körper zitterte und er krallte sich in den Altar.

„Ist okay, du hast mir nichts getan“, hörte ich Jess flüstern, als ich zurück geschleudert wurde und aufwachte. Keuchend saß ich in der modrigen Zelle und war wieder alleine.

„Geht es dir gut?“, hörte ich plötzlich eine leise und zarte Stimme. Ich schreckte leicht zusammen und sah mich um. In der Zelle links neben mir sah ich sich etwas bewegen und dann sah ich in zwei nussbraune Augen. Da saß eine Frau! Warum hatte ich sie nicht schon früher bemerkt? „Geht es dir gut?“, fragte sie ein weiteres Mal. „Du hast ein paar Mal geschrien.“ Ich schüttelte den Kopf.

„Mir geht es gut, es war nur ein komischer Traum. Warst du schon die ganze Zeit hier?“ Sie nickte und drehte sich etwas zur Seite, sodass ich ihre Ohren sehen konnte. Braunes Haar kam zum Vorschein und ein spitzes Ohr. Sie war eine Elbin! Aber was wollte Logan mit einer Elbin?

„Ja, ich bin schon zwei Monate hier.“ Zwei Monate? Das war lange. Das sie noch lebte, war unglaublich.

„Aber was machst du hier?“ Sie seufzte und drehte ihren Kopf wieder zu mir.

„Das gleiche, was du hier machst.“ Ich stockte. Wie bitte?

„Du bist auch eine Göttin?“ Sie nickte.

„Ich weiß zwar nicht welche, aber die Typen sind sich sicher, dass ich eine bin.“ Aber warum lebte sie dann noch? Wenn das wahr war, was ich gerade geträumt hatte, dann hätte Logan ihr schon lange die Macht rauben können. „Die verfolgen ein Ziel“, hörte ich sie sagen und meine Aufmerksamkeit galt wieder ihr.

„Wie meinst du das?“

„Sie hätten mir schon längst meine Macht rauben können, aber sie wollen erst alle Göttinen zusammen haben. Und noch mehr.“

„Noch mehr?“

„Logan sagte eben doch zu dir, dass er hofft, dass die Unsterblichen dich retten kommen. Mich würde es nicht wundern, wenn sie auch ihre Macht wollen.“

„Das ist einleuchtend, aber was wollen sie mit der ganzen Macht? Vor allem, wer soll sie in sich aufnehmen? So viel Macht wird einen Dämonen zerreißen.“ Die Frau nickte.

„Ich weiß es auch nicht.“ Verdammt. Ich wünschte, ich könnte mit Aiden reden. Ihn davon abhalten her zu kommen, nach mir zu suchen. „Ich bin übrigens Liliana.“

„Dylen.“

„Vielleicht schaffen wir es ja hier raus.“

„Wir zwei alleine?“, fragte ich ungläubig. Sie nickte und sah sich die Zellentüre an.

„Kommt aber auch auf unsere Fähigkeiten an.“

„Ich weiß nicht, was ich für Fähigkeiten habe.“

„Oh“, machte sie enttäuscht. „Meine sind auch nutzlos, zumindest in dieser Situation. Ich hab Heilkräfte und damit bekomm ich die Türe nicht auf.“ Wow. Diese Elbin war unglaublich. Ich glaubte nicht, dass ich nach zwei Monaten noch so reden könnte. Logan musste ihr doch bestimmt etwas angetan haben … aber wenn sie heilte, war das wohl ein kleiner Trost.

Plötzlich wurde es ein bisschen lauter und Schritte halten von den Wänden wieder.

„Oh nein“, murmelte Liliana und kroch etwas weg. „Versteck dich.“ Was? Verstecken, wie sollte ich mich denn hier verstecken?

Aber es war eh zu spät. Ein großer Mann trat vor meine Zelle und schloss sie auf. Meine Augen weiteten sich und mein Körper spannte sich an. Das war ein Monster, so groß war er. Allerdings konnte ich nicht ausmachen, was für ein Wesen er war. Eins konnte ich aber sagen. Ein Dämon war er nicht … oder vielleicht ein besessener. Der Typ packte mich unsanft am Arm und zerrte mich auf die Beine. Ich wehrte mich, aber er packte nur fester zu und zog mich nah an sein hässliches Gesicht, dass voller Narben war.

„Zappel rum und ich brech dir die Arme, die wirst du nämlich nicht mehr brauchen“, grollte er und spuckte mich dabei an. Meine Lippen bebten. Er zerrte mich aus der Zelle und warf mich dann über seien Schulter.

„Lass mich runter“, rief ich und strampelte, aber der Typ packte sich einfach meine Beine und drückte zu. Ich schrie auf und hörte auf, mich zu wehren. Er schleppte mich durch einen langen Gang, bis wir zu einer Treppe kamen. Die ging er hoch und trug mich dann einen weiteren Gang zu einer Doppeltür. Diese wurde uns schon geöffnet, bevor wir überhaupt davor standen. Endlich ließ der Kerl mich auf die Füße und ich sah mir den großen Saal an. Sofort bekam ich eine Gänsehaut und meine Augen weiteten sich. Ich stand in dem Saal, in dem ich eben noch in meinem Traum gewesen war. Das konnte nicht sein. Uns gegenüber stand ein alter Altar und davor stand Logan. Allerdings trug er keinen schwarzen Mantel, sondern einfach nur Jeans und ein Shirt.

„Gefällt es dir?“, fragte er und kam auf mich zu. Der Riese hinter mir hielt mich fest, damit ich nicht weglief. Logan kam immer näher und nahm dann mein Kinn zwischen seine Finger. „Deine Augen erkennen diesen Raum, oder?“ Wie …? „Ich hab lange gebraucht, um zu erfahren, was du für eine Fähigkeit hast.“ Er lächelte und ließ mich los. „Visionen sind schon etwas schönes, oder?“ Visionen? „Es ist jetzt schon 85 Jahre her, als Aiden hier ein Massaker veranstaltet hat.“ 85 Jahre? Also … sah ich in die Vergangenheit? „Ich weiß zwar nicht, wozu die Vergangenheit gut sein soll, aber du hast diese Gabe nunmal.“

„Nein“, hauchte ich. Das konnte nicht sein. Wenn ich in die Vergangenheit sehen konnte, dann war Daphne wirklich so gestorben? Sie war wirklich fremd gegangen? „An was erinnerst du dich denn jetzt?“ Logan kam wieder zu mir und sah mir in die Augen. Seine kalten und leblosen Augen sahen einfach nur schrecklich aus. „Vielleicht an den Tot deiner Schwester?“ Mein Atem und meine Augen verrieten mich, als ich Luft holte und meine Augen sich weiteten. Logan grinste. „Ich muss sagen, das deine Schwester wirklich etwas drauf hatte. Wir hatten nämlich erst gedacht, sie sei es, aber dann bist du geboren worden.“ Schnell presste ich meine Zähne zusammen, bevor ich etwas sagte. Ich wollte ihm nicht das Gefühl geben, dass er mich an der Angel hatte. Nein, das Vergnügen gab ich ihm nicht. „Allerdings war sie nicht treu. Schade oder? Aber das weißt du ja alles, nicht wahr? Du hast gesehen, wer ihr zur Hilfe geeilt ist, oder? Wer sie geküsst hat.“ Ich schluckte und Logans grinsen verschwand. „Nein, hast du nicht. Das wird ja noch lustiger, wenn ich es dir sage … oder wenn er es dir selber sagt.“ Er es mir selber sagt? Was meinte er damit? Er machte eine Handbewegung und der Riese hinter mir zerrte mich hinter sich her, bis neben den Altar. Dort blieben wir stehen und der Riese packte mich an den Oberarmen. „Wir bekommen Besuch“, lächelte Logan und schwang sich auf den Altar. Ich sah ihn verwirrt an, aber da ertönte ein Schrei. Sofort bekam ich eine Gänsehaut. Diesen Laut kannte ich, zwar hatte ich ihn erst ein paar Mal gehört, aber er war mir bis ins Mark gegangen. Aidens Schmerzensschrei.

„Nein“, hauchte ich. Logan klatschte in die Hände und lachte.

„Ich hab dir doch gesagt, dass er kommen wird, um dich zu retten.“ Ich zerrte an den Armen, die mich festhielten, aber der Riese packte mich einfach fester und zog mich wieder an sich.

Die großen Flügeltüren wurden wieder aufgemacht und zwei Riesen, die meinem sehr ähnlich sahen, zerrten Aiden in den Saal. Er wehrte sich stärker als ich gegen die Griffe der beiden, aber sie hatten ihn fest in den Händen. Was allerdings auch daran liegen könnte, dass Aiden auch noch gegen die Schmerzen kämpfen musste, die Logan ihm zufügte. Sein Gesicht war verzehrt und Schweiß lief schon über seine Schläfen.

„Aiden, alter Freund“, rief Logan, als die Riesen Aiden auf die Knie zwangen und seine Arme auf seinen Rücken drückten. „Komisch, dass wir uns hier wieder gegenüber stehen, oder?“ Aiden sah mit einem wilden Blick zu Logan.

„Es war klar, dass du dich hier wieder verkriechst“, knurrte Aiden.

„Ja, oder? Ich war mir sicher, dass du hier nicht mehr suchen würdest“, grinste Logan und sprang von dem Altar. Ein Riese verließ Aidens Seite, aber nur um mit Fesseln wieder zu kommen. Es war eine dreier Kette, oder wie man so ein Ding auch nannte. Die Fesseln waren unterteilt in drei Regionen. Kopf, Hände Füße. Ein Stahlring schnappte um Aidens Hals zu, dann machte der Riese seine Hände auf Aidens Rücken zusammen und dann kamen seine Füße dran. Und genau wie bei mir, waren diese drei Regionen mit einer Kette verbunden. „Meine Untertanen haben mir berichtet, dass du leicht zu besiegen warst.“ Aiden starrte ihn nur an und sagte kein Wort. „Das konnte ich mir nicht vorstellen, also wolltest du her kommen, auch wenn du keine Chance hattest.“ Er hatte … nein, er war nur wegen mir hier. Er hatte sich fangen lassen, nur um mich hier raus zu holen. „Warum hast du nicht Derek oder Adam geschickt?“ Logan drehte sich lächelnd zu mir um und kam auf mich zu. „Für sie wäre es nicht so schmerzhaft, wenn sie in meiner Nähe wären … oder hat es mit etwas persönlichem zutun?“ Ich schluckte und starrte Logan an.

„Fass sie einmal an und ich reiße dir den Kopf ab“, knurrte Aiden und zerrte an seinen Fesseln. Logans Lächeln wurde größer.

„Das hab ich doch schon, Aiden. Du warst doch dabei. Sie schmeckt wirklich richtig gut. So Süß, wie eine Süßigkeit von der man abhängig werden könnte.“ Schnell machte ich einen Schritt zurück und stieß gegen den Riesen.

„Du warst Bec“, stellte Aiden fest. Logan klatschte in die Hände.

„Super, Aiden. Ein Rätsel gelöst. Sollen wir das nächste von Dylen lösen lassen?“ Er befahl dem Riesen etwas zur Seite zu gehen und stellte sich hinter mich. Sein Arm schlang sich um mich und packte mein Kinn. Aiden wollte aufstehen, aber die zwei Riesen an seiner Seite hielten ihn fest.

„Lass sie da raus.“

„Aber sie ist doch der Mittelpunkt von all dem Drama.“ Was? „Willst du nicht wissen, welcher Gott hinter deinem Aiden steckt?“, flüsterte Logan mir ins Ohr. Ich starrte Aiden an, der sich noch heftiger gegen die Riesen wehrte. „Willst du nicht wissen, wer der geheimnisvolle Mann war, der deine Schwester geliebt hat?“ Mein Verstand arbeitete und was heraus kam, gefiel mir gar nicht.

Vor meinen Augen bildete sich die Szene, wie meine Schwester auf dem Boden lag und blutete. Der Mann, der die Dämonen vertrieben hatte kniete sich neben sie und dann hörte ich, was sie flüsterte. „Aiden.“

„Nein“, hauchte ich.

„Aiden kennt dich schon dein ganzes Leben lang. Er wollte an dem Tag an dem du Geboren wurdest mit Daphne verschwinden. Sie waren schon auf dem Weg, als dein Vater sie anrief und sagte, dass du unterwegs seist. Sie wusste, dass du etwas besonderes warst, also kehrte sie zurück. Oder nicht, Aiden?“ Aiden hörte auf, sich gegen die Griffe der Riesen zu wehren. „Sag ihr die Wahrheit.“

„Stimmt es?“, fragte ich.

„Ja“, sagte Aiden, sah aber nicht weg. „Alles was er gesagt hat, stimmt.“

„Och, wie süß. Willst du ihr noch den ganzen anderen Rest erzählen?“, fragte Logan, trat neben mich und packte mich am Arm. „Ihr sterbt eh zusammen, warum sich weiter anlügen?“ Er zog mich mit und stellte sich vor den Altar. Sobald wir an dem Altar angekommen waren, wehrte Aiden sich wieder. Er wusste, was Logan vorhatte … und ich dank meiner Vision auch. „Ich fände es schön, wenn sie dich hasst, bevor du stirbst.“ Logan nickte und dann wurde ich von dem Riesen hoch gehoben und auf den Altar gelegt. Ich wehrte mich und schrie.

„Nein! Lass mich los“, kreischte ich, aber es nützte nichts. Ich war immer noch gefesselt, also konnte er in Ruhe meine Füße an den Altar fesseln und dann meine Hände. Als ich dann fest gemacht war trat der Riese zur Seite und ich hatte wieder den Blick auf Aiden frei. Logan schlenderte auf Aiden zu, holte aus und schlug Aiden ins Gesicht. „Nein!“, rief ich und bäumte mich auf … aber genauso wie bei Jess vor 85 Jahren, tat sich auch bei mir nichts. Einer der Riesen gab Logan einen Schlagstock in die Hand, mit dem dieser erst einmal spielte.

„Also, ich liebe Dramen. Willst du ihr nicht erzählen, wie du sie dazu gebracht hast, sich in dich zu verlieben? Das arme Mädchen konnte ja nicht anders, nach deinem Kuss. Und dann tatest du auch noch so, als wenn du sie nicht kennen würdest, dabei warst du Tag und Nacht an ihrer Seite gewesen.“ Was redete Logan da? Aiden und ich hatten uns … da machte es klick. Sein Geruch, er war mir so bekannt vorgekommen. Ich hatte ihn schonmal gerochen, schon öfter. „Weißt du, Dylen, Aiden hat deiner Schwester versprochen auf dich aufzupassen, damit ich dich nicht finde oder dich mitnehme und weil Aiden deine Schwester so sehr geliebt hat, hat er das natürlich getan. Egal wo du hingegangen bist, er war in deiner Nähe und hat alles Böse von dir fern gehalten.“ Logan holte aus und schlug Aiden in den Bauch. Dieser stöhnte und sackte nach vorne, aber die zwei Riesen hielten ihn aufrecht.

„Hör auf!“, rief ich. Aiden kämpfte doch so oder so gegen die Schmerzen an, die Logan ihm mental zufügte, warum musste er ihn auch noch so foltern?

„Ach, du glaubst mir also. In deinem Unterbewusstsein wusstest du, dass er es war oder?“

„Dylen“, flüsterte Aiden und ich sah ihn an. Schweiß rann ihm über Stirn und Schläfen und seine Muskeln waren wieder zum zerreißen angespannt. Also war Logans bloße Anwesenheit schuld an seinen Schmerzen.

„Halt die Klappe, ich will weiter erzählen“, motze Logan und schlug Aiden wieder in den Bauch. Diesem entwich ein Schrei. Ich kniff die Augen zusammen und am liebsten hätte ich mir auch die Ohren zugehalten … aber das ging nicht. „Also wo war ich? Achso, genau. Was ich gerne wissen würde, was hat er dir denn erzählt, woher er all die Narben hat?“ Ich schluckte und sah Aiden in die Augen. Das alles war zu viel. War eigentlich irgendetwas wahr, was er mir erzählt hatte? „Hmm? Narben aus Schlachten?“ Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte es nicht hören.

Logan packte Aidens Hemd und zerriss es, mit dem Schlagstock zeigte er auf eine Narbe, die horizontal über Aidens Brust verlief. „Was ist mit der? Soll ich dir sagen, was das war?“ Logan wartete nicht ab, ob irgendwer etwas sagte. „Das war ein Kurzschwert, was ich ihm über die Brust gezogen habe, als du zwei warst.“ Sofort sah ich Aiden an. „Du warst mit deinen Eltern auf dem Spielplatz gewesen, als wir dich schnappen wollten, aber Aiden war da gewesen und hat es verhindert. Zur Belohnung verpasste ich ihm die.“ Der Schlagstock rutscht weiter zu einer Narbe auf seinem Bauch. „Hmm, da warst du vier? Das war schon kniffliger. Es war Nachts und ich wollte in dein Zimmer steigen. Aber da hatte ich auch wieder Pech gehabt, denn Aiden war da gewesen. Meinen Dolch hatte ich ihm in den Bauch gerammt, damit ich davon kam.“ Er zuckte die Schultern, aber ich konnte nur Aiden ansehen. Er sagte nichts dagegen, er nahm sich nicht in Schutz. Er starrte mir einfach in die Augen. „Eine meiner Lieblingsnarben ist aber die über seinem Auge. Acht warst du da. Ich lauerte dir auf, als du von einer Freundin wieder nach hause wolltest. Diesmal war ich nicht in deine Nähe, ich war auf einem Dach mit Pfeil und Bogen. Der Pfeil löste sich und Aiden sprang dazwischen. Leider ist er nicht ins Auge gegangen, das hätte mich wirklich gefreut.“ Mir stockte der Atem. Das alles … das alles hatte er nur wegen mir? Und immer und immer wieder hatte er mich beschützt. „Aber eine wichtige Narbe kommt doch noch, Dylen“, grinste Logan und schlug Aiden genau auf die Branntnarbe, die von seiner Brust bis zu seiner Leiste reichte. Meine Augen weiteten sich mehr und mir kam der Satz ins Gedächtnis, den Aiden gesagt hatte.

Jemanden den ich geliebt habe, hallte Aidens Stimme in meinem Kopf wieder.

„Ah, davon hat er dir also erzählt. Was hat er gesagt? Wurde er gefoltert?“, fragte Logan los. Ihm gefiel das alles. Klar, er hatte Aiden ja jede einzelne Narbe zugefügt. „Sag es, Dylen.“

„Nein“, flüsterte ich und sah in Aidens dunkel grüne Augen. Hatte er mir die Wahrheit gesagt? Aber wen hatte er geliebt?

„Wie langweilig, dann sag ich es dir eben. Du warst gerade zehn geworden. Es war an deinem Geburtstag, als euer Haus Feuer fing. Schnell breitete sich das Feuer aus und deine Familie musste sich aus dem Haus retten, aber ohne dich, weil das Feuer sich schon im oberen Stockwerk ausgebreitet hatte und man annahm, dass du schon tot seist. Aber Aiden sprang in die Flammen und holte dich hinaus. Sein Hemd fing Feuer und verbrannte zunächst nur seinen Bauch, aber die Ausgänge waren versperrt und er wusste nicht, wie er dich heraus bringen sollte“, erzählte Logan grinsend und umfasste nun Aidens Kinn und drückte zu. „Also wickelte der tolle Aiden dich in sein Hemd und lief durch die Flammen, die seine ganze Seite verbrannten. Romantisch oder? Nur blöd das deine Eltern ihn wegjagten, als er dich unbeschadet aus dem brennenden Haus getragen hatte.“ Ich schluckte.

Jemand den ich geliebt habe.

Aiden riss sein Gesicht los und starrte Logan an.

„Hattest du deinen Spaß?“, fauchte er, aber das Grinsen bekam er nicht aus Logans Gesicht heraus.

„Ja, etwas, aber hast du ihr auch schon gesagt, dass du sie liebst?“ Ich hörte auf zu Atmen und starrte Logan an. Was hatte er gesagt? „Deswegen hast du sie doch auch in der Gasse geküsst, oder? Sie nach neun Jahren wieder zu sehen, wie sie sich gemacht hat, hat dich einfach überwältigt. Doch damit hast du sie gezwungen sich auch in dich zu verlieben, sie hatte keine Chance.“

„Das ist nicht wahr“, hauchte ich. Das wollte ich nicht glauben, das konnte ich nicht glauben. Das alles zwischen uns … nur weil ich keine Chance hatte selber zu entscheiden?

Aber so war es doch. Seit seinem Kuss hatte ich nur noch an ihn denken können. Er hatte mich manipuliert, schon die ganze Zeit. 

Kapitel 33

Kapitel 33

 

Logan seufzte und holte noch einmal aus, um Aiden mit dem Schlagstock zu schlagen. Dieser schrie wieder auf und sackte dann in sich zusammen.

„Na ja, wir müssen weiter machen. Mein Meister wird jeden Moment eintreffen … ach und Aiden, ich denke du kennst ihn gut“, meinte Logan und kam wieder auf mich und den Altar zu. Ich sah an ihm vorbei zu Aiden, der langsam seinen Kopf hob. In seinen Augen glitzerte etwas, was mir sofort bekannt vorkam. Das gleiche Glitzern hatte er auch in meinem Traum gehabt. Dieses gefährliche, alles hassende Glitzern.

Ares. Er war der Kriegsgott. Ein Monster, dass das töten liebte. Aiden zerrte an seinen Armen, um zu testen, wie fest die Riesen ihn hielten. Aber sie hielten ihn eisern fest.

„Haltet ihn fest, wenn er entkommt wird er hier alles niedermetzeln“, meinte Logan. Der Riese der mich eben festgehalten hatte, hielt jetzt einen Dolch mit Goldenem Griff in der Hand, den er Logan gab. „Du weißt ja, was jetzt kommt“, lächelte er mich an. Ich sah schon, wie er den Dolch hob und mir den Bauch aufschnitt, aber dazu kam es nicht. Logan kniete sich hin und hielt den Dolch wie auf einem Präsentierteller in den Händen.

Plötzlich ging neben dem Altar die Türe auf und ein Mann trat in den Saal. Er hatte langes schwarzes Haar, einen schwarzen Bart, der ihn älter wirken ließ und so dunkle Augen, dass ich schon fast dachte, dass es schwarz war. Er kam an dem Altar vorbei und stellte sich neben Logan, den Blick auf Aiden gewandt.

„Meister, so wie sie gewünscht hatten“, sagte Logan und neigte den Kopf, aber sein Meister interessierte sich nicht für ihn.

„Das du ihm zu erst in die Hände fällst hätte ich nie gedacht, Bruder“, sagte der Mann mit dunkler Stimme. Bruder? Ich dachte, es gab nur fünf von ihnen. Ich sah Aidens Reaktion nicht, da dieser Typ direkt vor mir stand.

„Ich hätte wissen müssen, dass du dahinter steckst, Hades“, antwortete Aiden und mir blieb mal wieder der Atem weg. Hades? Der richtige Hades? Hades der Unterwelt?

„Bringt Aiden hier raus. Ich will die Kleine alleine haben.“

„Jawohl“, gehorchte Logan und schickte die zwei Riesen mit Aiden weg. Dieser wehte sich aber. Aiden zog an seinen Armen und hampelte herum.

„Hades“, rief er und sein Bruder sah ihn auch an. „Sie ist nicht die, die du suchst.“ Was?

Hades hob die Hand und die Riesen bleiben stehen.

„Was genau meinst du damit?“, fragte er und ging ein paar Schritte auf Aiden zu. Jetzt sah ich ihn wieder. Aiden schwitzte noch mehr und sein ganzer Körper war angespannt.

„Sie ist keine von Mutters Göttinen.“

„Was?“, schrie Logan und kam von seiner Position wieder in den Stand. „Er lügt, ich weiß, dass sie eine ist.“ Aiden brachte ein Lächeln zustanden. Was hatte er vor?

„Woran erkennt man denn eine Göttin?“, fragte er. Hades ging weiter auf Aiden zu.

„Ich spüre ihre Macht, Aiden, deine Bemühungen sind nutzlos“, meinte Hades gelassen.

„Sicher das es ihre Macht ist und nicht meine?“ Sofort stockte Hades. Sein massiger Körper spannte sich an und er drehte sich zu mir um. Was hatte Aiden vor?

Er rettet dich schon wieder, indem er alles auf sich lenkt, weil er dich liebt.

Nein, er liebt mich nicht.

Was wenn doch? Denn auch wenn du jetzt weißt, was er alles getan hat, liebst du ihn immer noch, genau weil er es getan hat.

Du hast Recht. Er hatte alles für mich aufgegeben und auch wenn ich keine Chance gehabt hatte, mich von selber in ihn zu verlieben … hatte ich doch den ersten Schritt gemacht. Ich hatte ihn in dem Club angesprochen und ihn wieder auf mich aufmerksam gemacht. Nicht anders herum. Und jetzt musste ich uns beide hier raus schaffen. Ich musste ihm helfen, nur wie?

„Es ist wirklich deine Macht, die sie umhüllt“, murmelte Hades und kam wieder auf mich zu. Ich holte tief Luft als er die Hand ausstreckte und meine Wange berührte. Erst dachte ich, er würde mich los machen, aber dann lächelte er. „Eine gute Taktik, Bruder.“ Nein! „Aber dein Schleier ist zu schwach. Sie bedeutet dir viel, nicht wahr?“ Seine Hand rutschte von meiner Wange zu meinem Hals, den er sofort umfasste und mir die Luft abdrückte. Ich schnappte nach Luft und bekam Panik. Hades drückte mir die Luftröhre zu und ich bekam immer weniger Luft.

„Aiden“, keuchte ich. Mein Körper bäumte sich auf und versuchte sich irgendwie zu wehren, aber ich war gefesselt, ich hatte keine Chance.

Aber plötzlich gab es einen Knall und Hades ließ mich los. Ich hustete und sah zur Seite. Einer der Riesen, die Aiden fest halten sollten, lag bewusstlos auf dem Boden. Aiden keuchte und kniete vor dem anderen. Allerdings war Aiden zu langsam, durch die ganzen Schmerzen, also packte der Riese ihn an der Halsschelle und hob ihn hoch. Aidens Körper zuckte und er holte tief Luft.

„Stopp“, schrie Hades und der Riese ließ Aiden los, der dann auf den Boden knallte und liegen blieb. „Er gehört mir.“ Der Riese brummte und entfernte sich von Aiden.

Meine Gedanken überschlugen sich, als Hades sich umdrehte und auf Aiden zuging, der immer noch auf dem Boden lag und sich nicht bewegte. Hades würde ihn töten, das bedeutete es doch, als er meinte, dass Aiden ihm gehörte. Das konnte ich nicht zulassen. Irgendwas musste ich doch tun. Mir viel nur nichts ein.

In der Zeit war Hades schon viel zu nah an Aiden heran getreten. Er hob seinen Fuß und in dem Moment drehte Aiden sein Gesicht zu mir. Er sah mich an und ich sah alles in seinen Augen. Schmerz, Wut, Hass, Verzweiflung, aber auch Angst – Angst um mich – und vor allem war da etwas, was mich handeln ließ. Mein Körper fing an zu kribbeln und ich wusste genau, was ich zu tun hatte. Plötzlich explodierte mein Körper und ich verwandelte mich in einen Wolf. Durch meine Verwandlung waren meine Fesseln gesprengt worden. Ich war frei und stand auf dem Altar. Keine weitere Sekunde verstrich, ich konnte einfach nicht noch länger warten. Schnell sprang ich von dem Altar und sprintete auf Hades zu. Meine Muskeln spannten sich an und ich sprang ihn an. Ich biss in seinen Arm und zerrte daran. Mit all meiner Kraft schleuderte ich Hades zu Boden und stellte mich dann schützend über Aiden, der sich kein Stück bewegt hatte. Der Riese machte einen Schritt auf mich zu, aber ich drehte meinen Kopf nur zu ihm, fletschte die Zähne und knurrte laut. Jeden der uns zu nahe kam, knurrte ich an.

Hades rappelte sich auf und sah sich die Bisswunde an seinem Arm an. Ich fixierte ihn mit meinen Augen und fletschte meine Zähne noch etwas. Keiner würde Aiden mehr anfassen, dafür sorgte ich.

„Das war mutig“, murmelte Hades und kam einen Schritt auf mich zu. Ich knurrte wieder und stellte mein Haare auf. Er sollte ruhig merken, dass ich ihn nicht ausstehen konnte und dass ich ihn in tausend Stücke zerreiße, wenn er mir zu nahe kam. Doch er lächelte nur und kam weiter auf mich zu. Dadurch, dass ich mich nur auf Hades konzentrierte, sah ich nicht, was hinter mir passierte … erst als mich ein Dämon am Hals packte und nach hinten schleuderte. Ich knallte gegen die Wand, jaulte auf und rutschte sie herunter. Um mich versammelten sich vier Dämonen, die alle einen Schlagstock in der Hand hielten.

„Komm schon, Süße, verwandel dich zurück, dann müssen wir dir auch nicht wehtun“, grinste einer der vier und stupste mich leicht mit dem Schlagstock am Hinterbein. Seinen Augen glitzerte, weil er genau wusste, dass ich nackt sein würde, wenn ich mich zurück in einen Menschen verwandeln würde. Für wie blöd hält der mich? Ich war stärker, wenn ich in meiner Wolfsgestalt war, das würde ich doch nicht aufgeben, nur weil sie mir mit Schmerzen drohten. Aiden hatte mehr Schmerzen erleiden müssen, also konnte ich auch etwas aushalten, nur um uns hier heraus zu holen.

Als der Dämon mich wieder mit dem Schlagstock anstupste, schnappte ich mit meinen Zähnen danach und knurrte. Ich bekam den Schlagstock zu fassen und schleuderte ihn weg. Der Dämon ließ eine Beleidigung erklingen und machte einen Schritt auf mich zu. Sofort sprang ich auf und verbiss mich in seinem Bein. Das war allerdings keine so gute Idee. Dadurch konnte er mich am Nacken packen und hochheben. Ich ließ automatisch sein Bein los und versuchte stattdessen seine Hand zu packen, aber die anderen drei kamen auch dazu und pressten mich an die Wand. Ich konnte nicht anders, als mich zurück zu verwandeln. Also tat ich es.

Sobald ich wieder ein Mensch war, packte mich der Dämon, dem ich den Schlagstock abgenommen hatte, am Hals und drückte zu. Ich packte seine Handgelenke und versuchte seinen Griff zu lockern, aber das interessierte ihn nicht. Er drückte einfach weiter zu, drückte mich weiter gegen die Wand und sah dann an mir herunter. Mir gefiel das nicht und ich zappelte herum. Aber mir helfen, dass er nicht alles von mir sah, tat es auch nicht.

„Aiden“, hauchte ich ganz leise, aber mit der Hoffnung, dass er es hörte.

Langsam flackerte mein Sichtfeld und ich merkte, wie mir die Luft weg blieb. Meine Sicht verschwamm immer mehr, bis da nur noch Dunkelheit war.

Aiden!

Kapitel 34

Kapitel 34

 

Ich wusste nicht, was sie ihr antaten. Meine Augenlider waren einfach zu schwach und generell war mein ganzer Körper nicht mehr zu gebrauchen. Logans bloße Anwesenheit ließ meinen Körper erstarren. Zwei Mal hatte ich es geschafft, aus diesem Strudel aus Schmerz zu kommen, um mich ein wenig gegen diese Riesen neben mir zu wehren, einfach nur weil ich mehr Angst um Dylen gehabt hatte, als um mein eigenes Wohlergehen. So war es immer noch und doch hatte ich nicht mehr die Kraft etwas auszurichten.

Sie hatte sich über mich gestellt und hatte mich verteidigt … was ich eigentlich hätte tun sollen. Ich hätte sie hier schon längst raus holen müssen, aber wir saßen hier immer noch fest und das nur, weil ich ohne jeglichen Plan her gekommen war. Ich hatte gehofft, dass Logans Siegel mich nicht zu sehr unter Kontrolle hatte. Das Problem war … es hatte mich nicht richtig unter Kontrolle, wenn ich den dunklen Teil meiner Seele frei lassen würde … wenn ich Ares rauslassen würde, hätten diese Schmerzen keinen Platz mehr in meinem Körper, aber wenn ich das tat, war auch Dylen verloren. Als richtiger Gott des Krieges würde ich jeden niedermetzeln, der mir in den Weg kam … sie eingeschlossen.

Lass mich trotzdem raus!

Nein, ich kann ihr Leben nicht aufs Spiel setzten.

Sie stirbt so oder so, warum lässt du uns dann nicht etwas Spaß haben?

Spaß haben? Das haben wir lange nicht mehr gemacht und ich werde jetzt auch nicht wieder damit anfangen.

Eben sah das noch ganz anders aus.

Wir müssen sie retten und nicht töten.

Und wenn du weiter mit mir diskutierst, wird sie das auch.

Ich kann dir nicht trauen.

Und doch kannst du gerade im Moment nichts anderes tun, außer zu sterben.

Aiden, ertönte eine leise und sanfte Stimme in meinem Kopf.

Dylen!

Meine Augen öffneten sich von selbst und suchten sofort die Umgebung ab. Hades und Logan standen in meiner Nähe, aber Dylen sackte gerade zu Boden. Sie war wieder ein Mensch und diese Idioten von Dämonen standen um sie herum und ergötzten sich an ihrem entblößten Körper. Einer der vier Dämonen nahm seine Hand von ihrem Hals und war gerade dabei, diese weiter an ihrem Körper herunter fahren zu lassen. DAS brachte das Fass zum überlaufen.

Tu, was du zutun hast.

Mit Vergnügen.

Ich ließ Wut, Hass und den Drang Blut zu vergießen zu. Mich durchströmte eine Macht, die alles überflutete. Anstatt Schmerzen, durchfuhr mein Körper eine Spannung, die meine Muskeln bis zum zerreißen anspannte. Meine Sicht verschwamm und ich sah nur noch Rot. Der Hass und diese unglaubliche Wut machten aus mir einen Killer, jemand der jeden, der es auch nur wagte sich mir in den Weg zu stellen, getötet wurde. So war Ares nun mal, seine Macht war überwältigend, aber auch gefährlich. Und doch konnte ich jetzt nicht darüber nachdenken. Der Hass leitete mich und suchte sich die erste Person. Logan. Er drehte gerade seinen Kopf zu mir und ich … ich spannte meine Muskeln an und kam ohne große Mühe auf die Beine. Langsam zog ich meine Hände auseinander und verbog so den starken Stahl um meine Handgelenke. Es dauerte nicht lange, da vielen die Handschellen einfach von meinen Händen.

„Meister“, sagte Logan, aber ich hörte ihn nur schwach durch einen Nebel, der mir die Sinne vernebelte … die guten Sinne, die die mich davon abhalten sollten, jeden zu töten, der mir zu nahe kam. Er fixierte mich mit seinem Blick, aber das brachte nichts. Sein Siegel war durch die Macht, die mich durchströmte nutzlos. Ich würde keinen Schmerz mehr empfinden, nur Freude, wenn ich Knochen brach. Unter Logans Blick beugte ich mich herunter und verbog mit Leichtigkeit auch meine Fußfesseln. Als ich aus diesen stieg war nur noch mein Hals dran. Mit einer Hand zog ich an dem starken Stahl und verbog auch diese Fesseln. Der Stahl verletzte mich zwar am Hals, aber das machte mir sehr wenig. Es interessierte mich auch nicht wirklich. Logan machte einen Schritt auf mich zu, aber das war Nebensache. Ich hatte Dylen im Kopf. Ich drehte mich um und ging auf die vier Dämonen zu, die noch nicht bemerkt hatten, dass ich mich befreit hatte und sie als Ziel hatte. Sie genossen noch den Anblick von Dylen und dieser eine Dämon, der Dylen immer noch seine kleinen ekelhaften Hände auf den Körper legen wollte. Ich packte ihn am Kragen und schleuderte ihn mit voller Wucht auf den Boden. Etwas knackste und er schrie auf, aber das war mir nicht genug. Um seiner Hüfte hing ein Gürtel mit einem Dolch, den ich mir einfach nahm und irgendwo in ihm versenkte. Er schrie, aber ich drehte mich einfach um und sah die drei anderen Dämonen an.

Ich wollte Blut fließen sehen … nein … Ares wollte das und genau er war es, was ich war. Je länger ich er war, wurde mir immer mehr klar, dass Ares mein wahres Ich war. Irgendwie hatte ich es geschafft, ihn zur Seite zu drängen, um die die ich liebte zu beschützen, aber jetzt … jetzt ließ ich ihn raus, um die zu retten, die ich über alles liebte. Und brachte sie doch in Gefahr, denn wenn Ares die ganzen Dämonen getötet hatte, würde er Dylen sehen, wie sie auf dem Boden lag … und er würde nicht erkennen, wer sie war, wie viel sie mir bedeutete.

Aber jetzt waren erst einmal diese Dämonen dran. Sie traten nicht zurück, wie ich es gerne gehabt hätte und ihnen stand auch keine Angst in den Augen. Stattdessen schwangen sie ihre Schlagstöcke … was mich wiederum überhaupt nicht interessierte. Die konnten eh nicht mit den Dingern umgehen. Einer der drei kam auf mich zu und grinste siegessicher. Wusste dieser Idiot nicht, wer ich war? Wusste er nicht, dass ich jede Waffe schon mal in der Hand hatte und auch damit umgehen konnte. Ich sah, dass er den Schläger falsch hielt und als er ausholte, um mich damit zu schlagen, duckte ich mich einfach, schlug ihn gegen die Schulter und schon ließ er den Schläger fallen. Jetzt stand ich hinter ihm, packte seinen Arm, zog ihn nach hinten und rollte seinen Körper über meine Schulter. Mit voller Wucht knallte er auf den Boden, haute sich den Schädel an und war sofort tot. Die verbliebenen zwei drehten sich zu mir um, ich streckte nur die Hand aus und grinste.

„Wer ist der nächste?“, fragte ich mit einer viel dunkleren Stimme, als sonst. Beide stürzten sich auf mich, aber das war ja gerade der Spaß. Sie nahmen sich jeder eine Seite, aber das war ihr Fehler. Ich ließ sie mit den Schlagstöcken ausholen, aber sie trafen mich nicht. Ich blockte die Schläge mit meiner Hand, indem ich den Stock einfach packte. Die beiden sahen sich mit großen Augen an. Dann riss ich ihnen die Stöcke aus der Hand, schmiss sie weg und war blitzschnell zwischen ihnen. Ehe sie weglaufen konnten hatte ich sie am Hals gepackt und hob sie hoch. Ich drückte zu und wollte sie winseln hören, aber dazu kam es nicht. Ein Schuss ertönte und riss mir die rechte Schulter nach hinten. Automatisch ließ ich die zwei Dämonen los und taumelte ein bisschen zurück. Woher kam die denn? Aber bevor ich diesen Gedanken zuende gedacht hatte, sah ich schon Logan, der eine Pistole in der Hand hielt und auf meine linke Schulter zielte.

„Ich bin froh, dass du dich auch mal wieder zeigst, Ares“, lächelte er. „Es ist lustiger mit dir als mit Aiden.“ Damit drückte er ab und versenkte die zweite Kugel in meiner Schulter. Ich taumelte noch einen Schritt zurück. Plötzlich war der Riese neben mir, schlang seinen Arm um meinen Hals und hob mich hoch. Der dicke Arm schnürte mir die Luft ab und als ich meine Finger in seinen Arm krallte, schlang er diesen noch fester um meinen Hals.

 

 

Mit einem Ruck öffnete ich meine Augen wieder und war für einen kleinen Moment orientierungslos. Wo war ich? Was war passiert?

Aber da prasselte alles wieder auf mich ein. Entführung, Aiden, Ohnmacht.

Nur langsam sah ich wieder alles und konnte auch alles verarbeiten. Denn vor mir spielte sich gerade eine Szene ab, die mir ganz und gar nicht gefiel. Aiden wurde von dem einen Riesen in die Mangel genommen, der einen seiner Arme um Aidens Hals geschlungen hatte. Aiden versuchte den dicken Arm los zu werden, aber der Riese saß am längeren Hebel und drückte ihm die Luft ab. Dann sah ich, dass Logan eine Pistole auf Aiden richtete.

„Schade, dass du als Ares meinem Siegel widerstehen kannst, dann muss ich dir eben so Schmerzen zufügen“, meinte Logan und wedelte mit der Pistole. Er kam immer weiter auf Aiden und den Riesen zu. Sofort bekam ich Panik. Logan machte keinen halben Sachen, er würde Aiden töten, er würde keinen Rückzieher machen. Er entsicherte die Waffe und legte den Finger auf den Abzug. Was sollte ich tun? Mich wieder in einen Wolf verwandeln und ihn retten? Aber ich war nicht stark genug für diesen Riesen. Ich musste es wagen, ich konnte einfach nicht zusehen, wie Logan Aiden tötete. Doch bevor ich irgendetwas tun konnte, war da schon Hades. Er legte die Hand auf Logans Schulter und drückte zu.

„Wenn du schießt, dann werde ich dich langsam und qualvoll töten. Wenn ich sage, er gehört mir, dann heißt es, dass du ihn nicht anfassen sollst“, sagte Hades mit einer kühlen und leisen Stimme. Es war unheimlich, wenn er so redete. Logan senkte die Pistole, aber der Riese hielt Aiden immer noch fest. Ich musste was tun. Sofort!

Mein Körper kribbelte und ich wollte mich gerade verwandeln, da gab Aiden ein Geräusch von sich.

„Also bist und bleibst du der Laufbursche“, ertönte Aidens Stimme und verpasste mir sofort eine unangenehme Gänsehaut. Seine Stimme war anders wie sonst. Sie war dunkel und drückte Gefahr aus.

„Ich bin kein Laufbursche“, knurrte Logan und riss sich von Hades los. Aiden grinste nur.

„So war es früher doch auch.“ Das brachte das Fass zum Überlaufen. Logan hob blitzschnell den Arm und schoss. Der Riese taumelte etwas zurück, gab aber keinen Laut von sich, genauso wie Aiden, der von der Kugel getroffen worden war. Ich allerdings schrie auf und hielt mir sofort den Mund zu. Aber es war zu spät. Alle drehten sich zu mir. Verdammter Mist. Ich hatte zwar gehofft, das Hades seine Drohung wahr machte und Logan eine Scheuerte … oder ihn tötete, aber er übersah das wohl und musterte mich.

„Du bist wieder wach, gut“, sagte er leise und machte einen Schritt in meine Richtung. „Logan, ich will sie wieder auf dem Altar liegen sehen, wir müssen weiter machen.“ Dieser nickte bloß und kam mit schnellen Schritten auf mich zu. Wieder machte ich mich bereit, mich in einen Wolf zu verwandeln, aber das brauchte ich nicht. Denn plötzlich flogen die Türen auf und zwei Dämonen flogen durch den Saal bis auf den Altar.

„Ich hoffe, wir stören die Party nicht“, hallte Dereks melodische Stimme durch den Saal. Endlich! Jetzt würde alles gut gehen.

„Logan“, brüllte Hades und dann brach die Hölle aus. Genau wie in meinem Traum ging dir Tür neben dem Altar auf und etliche Dämonen kamen heraus … aber nicht nur Dämonen, nein, unter ihnen waren auch Werwölfe, Vampire, Gestaltenwandler und auch noch andere Wesen, die besessen waren. Es wurde lauter und ich sah nur, wie Adam sich in die Menge der Dämonen stürzte.

„Dylen“, rief Derek und sprintete auf mich zu, aber Logan tat das auch und er war näher an mir dran. Ich musste handeln, also spannte ich meine Muskeln an und stand auf. In Windeseile stand ich und stürzte auf Derek zu.

„Nein!“, schrie Logan und dann hörte ich nur noch Schüsse. Eine Kugel flog direkt an meinem Ohr vorbei, traf mich aber nicht. Das einzige, was zählte, war zu Derek zu kommen. Die nächste Kugel verfehlte so gerade meinen Arm. Dereks und meine Fingerspitzen berührten sich fast … und dann ganz. Aber da schoss Logan und streifte mein Bein. Derek packte mich fester und zog mich in seinen Arm.

Plötzlich war es um uns herum leise. Wie … ich sah mich um und war sprachlos.

„Nein“, hauchte ich. „Nein, nein, nein, nein.“

Derek hatte mich zurück zu seiner Mutter gebracht. Sofort drehte ich mich um und sah mich nach Adam und Aiden um. Aber da war keiner. Nur Derek und ich standen im Thronsaal. Gerade als ich mich umdrehen wollte und zu Derek sagen wollte, dass wir zurück mussten, tauchte Adam auf … ohne Aiden.

„Wo ist er?“, fragte ich Adam sofort.

„Dylen, alleine bekommen wir ihn nicht da raus“, versuchte Derek mich zu beruhigen. Ich schüttelte nur den Kopf.

„Wir müssen ihn da raus holen.“

„Das geht nicht, wir hatten Glück, dass wir dich da raus holen konnten“, meinte Adam. Ich wollte weiter protestieren, aber da gingen die Flügeltüren das Saales auf und Loona, Dragana und Jess betraten den Saal. Jess kam sofort zu mir und legte mir eine Decke um die Schultern. Ich schlang sie fester um mich.

„Wo ist euer Bruder?“, fragte Dragana sofort und sah Adam und Derek an. Adam schüttelte den Kopf.

„Ich hab es versucht, aber so ein Riese hatte ihn im Schwitzkasten. Die hätten mich auch geschnappt.“

„Hättest du den Saal nicht überschwemmen können?“, regte ich mich auf.

„Nein, dann hätte ich Aiden mit überschwemmt. Jetzt können wir noch Glück haben, dass er noch lebt.“ Ich schüttelte den Kopf und ging weiter in den Saal hinein. Mein Gesicht vergrub ich in meinen Händen. Logan bräuchte ihn jetzt nur erschießen und dann wäre er tot. Er schafft das nicht alleine. Leise schluchzte ich und ließ ein paar Tränen zu.

Doch da legte jemand seine Hand auf meine Schulter. Ich zog die Nase hoch und sah neben mich. Jess sah mich an und ich wusste sofort, dass sie meine Gedanken gelesen hatte.

„Er schafft das“, sagte sie. Mir kam sofort mein Traum in den Sinn und es war fast so, dass er noch mal vor meinem inneren Auge vorbei zog. Jess die auf den Altar gespannt war, Logan mit dem Messer, Aiden mit diesem irren Blick.

Jessica keuchte auf und hielt sich die Hand vor den Mund.

„Das konntest du sehen?“, hauchte sie; ich nickte nur. „Visionen … was hast du schon alles gesehen?“

„Nur das … und ich träume von meiner Schwester, von dem Tag vor 19 Jahren, als sie mich gerettet hat.“ Ich erinnerte mich an den Traum, aber der Mann war immer noch nicht sichtbar. Jess konnte alles lesen und wusste danach auch alles. Sie wusste, dass meine Schwester Verlobt war und doch einen anderen hatte. Ich wollte noch nicht daran denken, das Aiden dieser Mann sein sollte. Mein Unterbewusstsein hat mir das verschwiegen und solange ich keinen wirklichen Beweis hatte, würde ich das was Logan gesagt hatte nicht glauben … auch wenn Aiden zugestimmt hatte.

Ich konnte es einfach noch nicht glauben. Denn wenn das alles wahr war, dann hatte er mir keine Wahl gelassen. Aiden hatte mich im Ungewissen gelassen, mich glauben lassen, dass ich ihn nicht kannte, das wir keine Vorgeschichte hatten.

„Er ist wie er ist, Dylen. Und er hätte das alles nicht getan, wenn er nichts für dich empfinden würde. Nur war es besser, wenn du nicht weißt, wer er ist“, meinte Jess und sah mir tief in die Augen. „Hätte er dir von Anfang an gesagt, wer er war, hättest du dich wohl kaum in ihn verliebt.“

„Ja, und genau das wäre besser gewesen. Ich gehöre zu Derek und dank Aiden kann ich nur noch an ihn denken“, regte ich mich auf. „Es ist ja nicht so, dass ich Derek jetzt so unendlich liebe, dass ich bei ihm bleiben würde, aber hätte Aiden sich von mir fern gehalten, dann hätte ich nicht diese Schmerzen, wenn ich beide verlassen muss.“ Jess machte den Mund auf, aber dann kam Derek zu uns, packte mich an den Schultern und drehte mich zu sich.

„Du hörst mir jetzt zu. Aiden ist mein Bruder und ich werde ihn ganz bestimmt nicht im Stich lassen und was auch immer er getan hat, er tat es, weil er dich liebt. Nur gerade im Moment können wir nichts für ihn tun, Dylen. Du kennst Aiden noch nicht so gut. Er hat etwas in sich, das keiner kontrollieren kann. Und genau dieses Etwas hat Aiden Unterkontrolle. Er ist nicht mehr er selbst und er wird jeden tötet, der ihm in die Quere kommt“, sagte er.

„Derek hat Recht, Dylen“, meinte Adam. „Es gibt ein paar Sachen, die du über Aiden noch nicht weißt und die er dir extra nicht gesagt hat.“

„Und wir sind jetzt hier um es ihr zu erklären“, ertönte eine tiefe und kräftige Stimme. Ich musste nicht sehen, wer in den Thronsaal gekommen war. Xanders starke Stimme verriet ihn.

„Aber nicht jetzt“, mischte sich auch Dragana ein. „Sie hat eine Wunde am Bein und sie sollte sich etwas anziehen.“ Überrascht sah ich an mir herunter und wirklich an meinem Bein lief ein Rinnsal an Blut herunter. Die Wunde tat nicht weh, oder ich hatte es einfach nur verdrängt.

 

Kapitel 35

Kapitel 35

 

„Was ist mit Aiden los?“, fragte ich sofort nachdem ich neue Sachen bekommen hatte und auch meine Wunde am Bein versorgt worden war.

Jetzt war ich mit Jess in meinem alten Zimmer, aber sie hatte noch kein Wort gesagt. Ich musste einfach wissen, was es mit Aiden auf sich hatte, was Derek gemeint hatte. Ich wollte alles über Aiden wissen … auch seine schrecklichsten Geheimnisse.

„Hast du ihn in deiner Version gesehen?“, fragte Jess und sah auf ihre Hände.

„Als ich von dir geträumt habe?“ Sie nickte. „Ja“, hauchte ich. Sofort sah ich ihn wieder vor mir. Wie Aiden in den Türen des großen Saales stand, mit dem Blut seiner Gegner befleckt und einem Blick, der einfach nur noch töten wollte … egal ob Freund oder Feind.

Das ist Ares.“ Ich blinzelte und sah Jess in die Augen.

„Wie? Was meinst du damit? Aiden ist Ares.“

„Aiden ist Aiden und Ares.“ Jetzt verstand ich gar nichts mehr. „Aiden wurde als Ares geboren, Dylen. Als der schreckliche Kriegsgott Ares, der alles vernichten will. Da ist nichts gutes in ihm.“

„Doch! Aiden ist nicht so.“

„Du hast Recht. Aiden ist nicht so, aber sein anderes Ich ist es.“ Ich schüttelte wieder den Kopf, da ging plötzlich die Zimmertüre auf und Dragana betrat das Zimmer.

„Aiden war nicht immer so, wie er jetzt ist“, meinte Dragana und machte die Türe hinter sich wieder zu. „Er war erst Ares, der Gott des Krieges. Als Baby war er schon so stark, dass ich und Xander dachten, er könnte ein guter Kriegsgott werden. Als Kind war er noch normal, aber als die Menschen mit den Kriegen anfingen veränderte Aiden sich. In jeder Schlacht wollte er dabei sein, hatte ein Grinsen auf den Lippen, wenn Leute sich weh taten“, erzählte Dragana und sah dabei auf den Boden. „Er war schrecklich und so blutrünstig. Keiner konnte zu ihm durchdringen.“ Sie seufzte und verschränkte die Arme vor der Brust. „So schien es zumindest. Seine Brüder und auch Loona wollten nicht aufgeben … und dank ihnen ist Ares zu Aiden geworden. Aiden hat Ares in sich verschlossen und gelernt ihn zu kontrollieren. Nur in Emotionalen Situationen kommt Ares hinaus.“

„Wie bei deiner Rettung?“, fragte ich Jess.

„Ja. Adam hat mir gesagt, was mit Aiden los war und als er uns besuchen kam, konnte ich den Zwiespalt in ihm lesen. Er kämpft jede Sekunde gegen Ares.“

„Ich weiß, du kannst dir das nicht vorstellen ...“, fing Dragana an, aber ich schüttelte den Kopf.

„Ich hab ihn in meinem Traum gesehen … und eben. Er hatte plötzlich so einen Irren Blick und auch seine Stimme war bedrohlich, als wenn es nicht seine wäre.“ Dragana und Jess nickten.

„Das ist Ares“, meinte Jess. Sie wirkte nicht verängstigt. Sie kannte Aiden so. Sie wusste, was er war und konnte damit umgehen.

„Gut, also weiß ich jetzt, womit ich es zu tun habe.“

„Das reicht nicht, Dylen“, meinte Dragana und schüttelte den Kopf.

„Aber wir müssen ihn da raus holen. Aiden ist auch gekommen, um mich zu retten. Ich kann ihn einfach nicht im Stich lassen. Sie werden ihn töten. Logan hatte eine Pistole und er wird bei jeder Gelegenheit schießen.“

„Sie können ihn nicht töten, Dylen“, meinte Jess und nahm meine Hände in ihre.

„Wie? Was meinst du?“

„Es wäre doch unnötig sie Unsterbliche zu nennen, wenn sie mit einer Kugel getötet werden können“, meinte Dragana. Logan wird das wissen. Er ist doch schon so lange hinter mir her und ist schon so oft mit Aiden zusammen gestoßen. Er weiß es. Ich musste Aiden da raus holen, da gab es keine Widerrede. Und wenn Logan nicht schon vorher davon gewusst hatte, dann würde er es jetzt von Hades wissen.

„WAS?“, rief Jess und sprang auf. „Ist das dein Ernst? Hades?“ Dragana sog die Luft ein und blinzelte ein zwei Mal.

„Das ändert alles“, murmelte Jess und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück.

„Was ändert sich dann?“, fragte ich, denn mein Herz beschleunigte und sofort bekam ich ein ungutes Gefühl. Hades hatte Aiden Bruder genannt … aber man wusste doch nur von fünf Unsterblichen.

„Hades und Aiden sind zwei der schlimmsten Götter, die je gelebt haben“, fing Jess an. Ich kannte die Geschichten. Die Geschichten der Götter wurden in den sterblichen Schulen gelehrt. Allerdings wusste ich ja auch, dass es diese besagten Götter immer noch gab. Wir anders Wesen nannten sie Unsterbliche, denn Götter war zu hoch gestellt. Sie hatten ja auch ihre Namen geändert, nur um ein bisschen Frieden zu haben. Aber in den Geschichten der Menschen sagte man, dass Ares und Hades sich zusammen getan haben, um den Olymp zu stürzen.

„Und so war es auch“, unterbrach Jess meine Gedanken. Sofort weiteten sich meine Augen.

„Was? Aiden würde nie ...“

„Aiden nicht, aber Ares.“

„Hades war schlimmer wie Ares“, meinte Dragana. Ich sah ihr an, dass dieses Thema nicht ihr Lieblings Thema war. Hades war immerhin ihr Sohn und als Mutter liebte man seine Kinder, egal was sie taten. „Er nutzte Aiden aus, nur weil er die Kontrolle über Ares nicht hatte.“

„Adam und die anderen versuchten die zwei zur Vernunft zu drängen, aber Hades wehrte sich dagegen“, meinte Jess.

„Und durch seine Brüder und durch Loona hat Aiden sich gegen Ares widersetzt“, beendete ich. Das hatten sie mir ja schon erzählt. Dragana und Jess nickten.

„Aiden wollte Hades aber nicht aufgeben und hat versucht ihn wieder zu uns zu holen“, erzählte Dragana weiter. „Sie kämpften lange und am Ende hat Aiden ihn verbannt.“

„Aber in den Geschichten heißt es, dass Zeus Hades in die Unterwelt verbannt hat“, meinte ich … aber das alles waren doch auch nur Lügen, die man den Menschen auftischte.

„Ares galt als Kriegsgott, da konnten wir nicht einfach behaupten, er würde für das Wohlergehen Hades handeln.“ Das verstand ich … und jetzt verstand ich auch, warum Hades darauf bestanden hatte, Aiden alleine zu besiegen. Sie hatten noch eine Rechnung offen.

„Wir müssen sofort zurück und Aiden retten“, rief ich aus und sprang auf. Hades wusste, wie man Aiden tötete und er würde nicht zögern, es auch zu tun.

„Die Jungs werden sich schon etwas ausdenken“, versuchte Jess mich zu beruhigen und nahm meine Hände in ihre. Dadurch setzte ich mich wieder aufs Bett.

Im nächsten Moment klopfte es an der Tür und nach einem „Herein“ von Dragana füllte Derek auch schon den Türrahmen aus. Hinter ihm stand Adam, der an Derek vorbei ging und sich hinter Jess stellte. Liebevoll legte er ihr die Hände auf die Schultern. Sie hob sofort die Rechte Hand und legte ihre auf seine. Sie passten einfach perfekt zusammen, aber mir blieb es verwehrt, die beiden noch weiter zu beobachten, denn Derek machte den Mund auf und sagte genau das was ich nicht hören wollte.

„Wir können nicht runter gehen“, meinte er und sah mich dabei an. Mein Herz zerbrach in tausend Teile. Dieser Satz machte alles zunichte.

„Das ist nicht dein Ernst“, fauchte ich, riss meine Hand aus Jess Griff und sprang wieder auf. „Damals habt ihr ihn auch nicht aufgegeben!“

„Wir geben ihn nicht auf, Dy. Wir müssen nur strategisch an die Sache ran gehen. Hades wird nicht in dem Versteck bleiben, also haben wir keinen Anhaltspunkte.“ Oh … daran hatte ich nicht mehr gedacht. Ich wollte schon aufgeben …

Hast du einen an der Waffel? Wir sind ein Wolf. Wir können Aidens Spur aufnehmen.

Warum bin ich nicht darauf gekommen?

„Das ist zu gefährlich“, sagte Jess sofort, gerade als ich den Mund aufmachen wollte, um den Vorschlag zu machen. „Hades will deine Macht, Dylen, und wenn du die Jungs zu ihm führst, dann kann er dich schnappen.“

„Jess hat Recht“, stimmte Adam zu. „Wir können dein Leben nicht für seines opfern.“

„Aber wir können auch nicht sein Leben für meines opfern. Das lasse ich nicht zu“, regte ich mich auf. „Sein Leben ist genauso viel wert wie meines. Hades und Logan haben es nicht nur auf uns Göttinen abgesehen, sondern auch auf euch.“ Adams Blick wurde kälter und auch Derek spannte sich leicht an. Durch das ganze Getümmel hatten sie wahrscheinlich nicht erkennen können, wer mich und Aiden da festhielt. „Als ich in dem Kerker saß war da noch eine andere Frau. Eine Elbin, eine weitere Göttin. Wir können sie nicht im Stich lassen.“

„Das heißt aber noch lange nicht, dass wir dich in Gefahr bringen, Dylen“, wurde Derek immer lauter. Wütend starrte ich Derek in die Augen, genauso wie er mich ansah. „Ich werde dich nicht nach unten bringen und Adam wird das auch nicht tun und ohne mich und ihn wirst du nicht von hier weg kommen. Ich werde nicht hier stehen und weiter mit dir streiten, es reicht mir. Du tust das was ich dir sage und nichts anderes, bis wir entschieden haben, wie wir Aiden retten können.“

„Aber schnell. Meinst du nicht, er braucht unsere Hilfe, auch wenn er ein Unsterblicher ist. Hades weiß, wie er zu töten ist und er hat einen Hass auf Aiden.“

„Hades wird ihn nicht töten.“

„Das hörte sich eben ganz anders an.“

„Derek hat Recht. Hades wird ihn noch nicht töten, erst wird er Aiden seine Macht nehmen“, meinte Adam. Mir war es nur Recht, das er jetzt sprach, dann musste ich Derek nicht mehr ansehen. „Wenn das alles stimmt und Logan schon immer mit Hades zusammen gearbeitet hat, wird wohl auch klar sein, warum Hades die ganze Macht der Göttinen haben möchte.“ Meine Augen weiteten sich. Das konnte nicht sein, damit will er Aiden vernichten. Mit dieser Macht will er alle Götter vernichten und der einzige Gott auf Erden sein.

„Darauf läuft es wohl hinaus“, stimmte Jess meinen Gedanken zu. „Deswegen müssen wir verhindern, dass Hades uns Göttinen in die Finger bekommt.“ Ja okay, jetzt zu wissen, was Hades vor hatte, war dann auch logisch nicht einfach los zu rennen und einfach zu machen … und trotzdem konnte ich einfach nicht hier herum sitzen und warten. Ich musste Aiden da raus holen.

aber hast du ihr auch schon gesagt, dass du sie liebst?, hallte plötzlich Logans ekelhafte kratzige Stimme in meinem Kopf wieder. Aiden … er liebt mich? Aiden hatte nichts dazu gesagt. Er hatte es nicht abgestritten, hatte aber auch nicht zugestimmt. Liebte er mich wirklich?

Wenn er nichts für dich empfinden würde, dann hätte er dich nicht geküsst, hätte sich nicht fangen lassen, obwohl er genau wusste, dass er keine Chance gegen Logan hat.

Und was, wenn er das nur tut, weil ich eine Göttin bin? Weil es sein Job ist, mich zu retten? Wenn Logan mich in die Finger bekommt, dann hat er eine Göttin mehr in seiner Gewalt.

Ich wusste nicht mehr, was ich denken sollte.

„Wir sollten Dylen jetzt alleine lassen“, meinte Dragana plötzlich und legte Derek eine Hand auf die Schulter. Ich sah ihn an; er wollte protestieren, aber Dragana schüttelte nur den Kopf und ging an ihm vorbei. Er seufzte und folgte ihr nach draußen, auch Adam folgte den beiden, sodass Jess und ich alleine zurück blieben. Sie stand auf und legte mir eine Hand auf die Schulter. Sofort schnellte meine Hand hoch und hielt ihre auf meiner Schulter fest.

„Kannst du mir eine Frage beantworten?“, fragte ich leise. Jess sah mich durch ihre hellgrünen Augen an, die sofort ein bisschen trauriger wurden. Sie wusste, was ich fragen wollte, ich brauchte es noch nicht einmal aussprechen.

„Es gibt einen Dolch, der aus den Elementen besteht. Seine schwarze Klinge ist die einzige, die einen Gott töten kann“, antwortete sie mir, aber irgendwas war da noch, das fühlte ich.

„Wo ist dieser Dolch?“

„Er ist einst gestohlen worden. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit, Dylen.“ Sie entzog mir ihre Hand und drehte mir den Rücken zu. „Dragana belegte alle ihre Söhne mit einem Zauber, damit sie nicht von diesem Dolch getötet werden. Die Klinge muss mit dem Blut derjenigen befleckt sein, die er liebt.“ Was? Was redete sie da?

„Wenn jemand Adam umbringen wollte, müsste er den Dolch und dein Blut daran haben, um ihn zu töten?“ Sie nickte und drehte sich zu mir um.

„Und deswegen darfst du nicht da runter, Dylen. Wenn Hades diesen Dolch hat, dann wird er mit deinem Blut Aiden töten können.“ DAS war zu viel. Mir blieb das Herz stehen und ich hörte für einen Bruchteil auf zu atmen. Wie kam sie darauf, dass mein Blut ihn töten würde? Auch wenn Aiden etwas für mich empfindet, dann würde es nie reichen. Ich hatte die falsche Göttin in mir, ich gehörte zu Derek.

„Du irrst dich“, murmelte ich und schüttelte den Kopf.

„Ich kann in seinen Kopf sehen, Dylen“, meinte Jess nur und verließ dann mein Zimmer.

War das ihr ernst?

 

 

 

Ich hoffe nur, dass Derek und Adam dafür sorgen, dass Dylen nicht wieder her kommt. Ich vertraute meinen Brüdern, das ist keine Frage … aber Dylen hatte ihren eigenen Kopf. Sie war stark und so eigensinnig. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann würde sie alles dafür tun, um dieses Ziel zu erreichen. … Aber würde sie überhaupt an mich denken, nachdem sie wusste, was ich alles getan hatte? Ich hatte sie belogen … wegen mir hätte Daphne ihre Familie verlassen … und ich hatte ihr keine Möglichkeit gegeben sich von mir fern zu halten. Ich hätte das alles nicht tun sollen.

Ich ließ meinen Kopf sinken und schloss die Augen, was eigentlich gar nichts brachte. Um mich herum war eh alles schwarz. Nachdem Adam und Derek gekommen waren und Dylen mitgenommen hatten, hatte Hades sofort den Befehl gegeben zu verschwinden. Mich hatte Logan in einen Transporter gesteckt, meine Hände an die Wände gepinnt und mich dann eingeschlossen. Seit einer Stunde waren wir jetzt schon mit dem Transporter unterwegs und ich hatte keine Anhaltspunkte, wo wir sein könnten. Versucht mit einfach nach oben zu telepotieren hatte ich auch schon, aber es funktionierte einfach nicht. Und Ares konnte ich auch nicht um Hilfe bitten. Er und ich, wir waren einfach zu erschöpft. Die Kugel, die Logan auf uns geschossen hatte, war mit Gift prepariert, sodass mein Körper sich erst einfach darum kümmern musste. Das Gift würde mich nicht töten, aber schwächen und das kam meinem Bruder und Logan nur zu gute. Somit konnte ich mich nicht wehren, denn diese einfachen Stahlschellen könnten nichts gegen meine Kraft ausrichten … wäre das Gift nicht.

Wenn dieses Gift aus meinem Körper ist, dann werde ich jeden in Stücke reißen, der mir in die Quere kommt.

Das ist immer noch mein Körper und außerdem werde ich nicht zulassen, dass du Amok läufst.

Wir müssen Hades aufhalten, egal wer zu Schaden kommt. Wenn wir das nicht tun, dann wird er alles andere vernichten.

Seit wann machst du dir Sorgen um andere?

Ich will nur töten.

Oh nein. Wir werden Hades aufhalten, aber wir werden auch jedes Wesen retten, was noch zu retten ist und genau aus diesem Grund, werde ich dich nicht wieder heraus lassen. Du würdest jeden in deiner Nähe umbringen und wäre das Gift nicht gewesen, dann würdest du jetzt immer noch morden. Das kann und werde ich nicht zulassen.

Du wirst keine andere Wahl haben, Aiden. Nur mit mir bist du stark genug, um Hades aufzuhalten. Und wenn ich dir nicht helfe, wird auch deine Kleine sterben.

Lass Dylen daraus, hast du gehört? Derek und Adam werden sie nicht dieser Gefahr aussetzten. Sie werden schon dahinter kommen, was Hades vor hat und danach handeln.

Und du wiegst dich in Sicherheit, weil Hades dich nicht töten kann. Auch wenn er den Dolch hat, bist du dir sicher, dass du nicht stirbst, weil Dylen oben bei deiner Mutter ist und ihr Blut unerreichbar für Hades ist, um dich mit diesem und dem schwarzen Dolch zu töten.

Mein ganzer Körper versteifte sich. Ich hatte darüber nachgedacht, den Gedanken aber verworfen. Wenn Dylen nicht mehr her kommen würde, würde sie nicht in Gefahr geraten und ich hätte vielleicht die Möglichkeit Hades zu schlagen. Es war ein Segen nicht so leicht getötet zu werden und zu unserem Glück hatte ich Hades schon verbannt gehabt, als Mutter den Zauber über uns sprach, der denjenigen, der den Dolch gestohlen hatte, davon hinderte uns lediglich mit dem Doch zu töten. Also könnten wir Hades einfach so mit dem Dolch töten … doch irgendwie war es gerade auch kein Segen mehr. Durch den Hass, den Hades auf mich hatte, brachte ich diejenige in Gefahr, die mir mehr als mein Leben bedeutete.

 

 

Kapitel 36

Kapitel 36

 

Wieder fiel ich.

Irgendwie kannte ich das Gefühl jetzt schon, wenn sich eine der Visionen anbahnte. Erst war alles um mich herum schwarz, aber dann stand ich plötzlich in einem mir wohl bekannten Schlafzimmer. Es war Aidens Wohnung, in dem herunter gekommenen Haus am Rande der Stadt. Aber was machte ich hier? Hier war niemand. Ich war ganz allein in dem Wohnschlafzimmer von Aiden.

Plötzlich ging hinter mir die Badezimmertür auf und Aiden trat hinaus. Ich hatte gar nicht gehört, dass er im Bad gewesen war. Langsam drehte ich mich um und sah ihn an. Mir verschlug es den Atem. Aiden hatte nur ein Handtuch um seine Hüfte geschlungen und mit einem kleineren rubbelte er sich die Haare trocken. Meine Augen konnte ich nicht von diesem unglaublichen Mann nehmen, der da vor mir stand. Seine Haut war wie immer leicht gebräunt und einzelne Wassertropfen liefen ihm noch über die nackte Brust, die so muskulös war wie immer … aber da fehlte was. Die ganzen Narben … sie waren alle weg. Sein Körper war ohne Makel und auch als er jetzt den Kopf hob und mich direkt ansah, sah ich auch die Narbe über seinem Auge nicht. Ich blieb stock steif stehen, aber Aiden sah mich nicht, ich war einfach nicht da. Auch wenn ich dachte, er würde mir in die Augen sehen, sah er nur durch mich hindurch. Wie sollte er auch an mich denken? Wenn das alles wirklich stimmte, dann war das hier vor meiner Geburt passiert.

Seufzend schmiss er das kleine Handtuch, womit er sich die Haare getrocknet hatte, an mir vorbei auf sein Bett. Gerade wollte er sich auf den Weg zu seinem Kleiderschrank machen, als es plötzlich an seiner Tür klopfte. Gleichzeitig drehten Aiden und ich uns um und starrten die Tür an. Ich war mir nicht sicher, ob Aiden überhaupt auf machen würde, aber da bewegte er sich auch schon und machte die Türe auf. Und wer da hinter stand, gefiel mir gar nicht.

„Daphne, was tust du hier?“, war Aiden überrascht, ließ die junge Frau aber herein. Ich kannte sie nicht persönlich, auch wenn ich sie oft in meinen Träumen gesehen hatte, wusste ich nichts über meine große Schwester. Aber sie war wunderschön. Sie warf in einer verführerischen Geste ihr langes braunes Haar nach hinten und grinste Aiden neckisch an. Sie trug ein wunderschönes rotes Kleid, mit weißen Punkten, was sie süß wirken ließ, allerdings reichte es ihr nur bis zu den Oberschenkeln und dadurch das sie auch noch hohe Pumps trug, war sie so eine Mischung aus süß und sexy. Über ihrer Schulter hing eine Reisetasche. Was sollte das?

„Ich dachte, dass ich vorbei komme bevor wir uns treffen“, sagte sie mit einer leisen, lieblichen Stimme. Sie legte eine Hand auf seine Brust und küsste seinen Mundwinkel. „Ich konnte nicht warten.“ Aiden machte die Türe wieder zu und folgte meiner Schwester. Sie setzte sich auf sein Bett und musterte ihn und seinen halb nackten Körper mit ihren dunkelblauen Augen. „Du wolltest mit mir reden“, fing sie an. Irgendwie fühlte ich mich falsch am Platz. Das was folgte wollte ich nicht wissen, ich wollte nicht wissen, dass die beiden ein Verhältnis hatten. Ich wollte keine Bestätigung von Logans Worten.

Aiden ging an seinen Kleiderschrank und zog sich schnell etwas an. Ich allerdings lief zu seiner Haustüre und versuchte aus dem Zimmer zu kommen, aber es klappte nicht. Ich bekam die Türe einfach nicht zu fassen, aber hindurch gehen konnte ich auch nicht.

„Wenn du über das reden willst, was meine Eltern gesagt haben, dann bist du an der falschen Adresse“, meinte Daphne und ich drehte mich ruckartig um. Was Mom und Dad gesagt haben? „Du weißt genau, dass ich mich schon lange für dich entschieden habe.“ Daphne stand auf und ging auf Aiden zu. „Wie oft noch?“ Sie legte ihre Hände auf seine Wangen und sah ihm in die Augen. Sofort lächelte sie. „Du machst dir immer zu viele Sorgen.“

„Daphne, du bist Verlobt und deine Eltern halten nicht wirklich etwas von mir.“

„Und doch hast du mich gefragt, ob ich mit dir gehe und ich habe ja gesagt, also.“ Aiden legte seine Hände auf ihre Hüften und zog sie ein bisschen näher an sich. „Ich würde alles für dich und Ares aufgeben“, grinste sie und küsste Aiden. Es war nur ein kleiner Kuss, aber es zu sehen, war einfach zu viel. Sie sprach davon alles aufzugeben, was sie sich aufgebaut hatte. Sie hatte mich aufgegeben, obwohl sie wusste, dass ich unterwegs war.

„Und deine Schwester?“ Ich blinzelte. Er dachte an mich?

„Sie wird mich nicht brauchen, davon bin ich überzeugt.“ Wieder stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste Aiden. Das war noch schlimmer, als zu hören, dass sie alles hinter sich ließ. Mein Herz schmerzte, als Aiden ihren Kuss erwiderte und sie noch ein bisschen mehr an sich zog. Ich wusste, dass er schon viele Frauen gehabt hatte … aber das auch meine Schwester dazu gehörte schmerzte einfach.

Aber mehr konnte ich nicht darüber nachdenken, denn plötzlich klingelte ein Handy und meine Vision löste sich langsam auf. Es wurde immer dunkler, aber Aidens und Daphnes Stimme waren immer noch zu hören.

„Dad, atmen. Was ist los? … Was sie kommt? Ich bin gleich da“, sagte Daphne und wurde dann immer hecktischer.

„Was ist los?“, hallte Aidens raue Stimme von allen Seiten wieder.

„Meine Schwester … ich muss zu meiner Mutter … Es tut mir leid.“ Das letzte was ich sah, war, wie meine Schwester sich an der Türe noch einmal zu Aiden umdrehte und ihn traurig ansah. Dann fiel ich wieder. Ich dachte zwar, dass ich aufwachen würde, aber das tat ich nicht. Ich fiel, bis ich in meiner aller ersten Vision landete. Doch diesmal sah ich nicht alles. Ich sah den Kampf, den meine Schwester bestritt nicht ganz.

Gerade schlug dieser unglaubliche Blitz ein, der mir jetzt nicht mehr so unbekannt vorkam. Meine Schwester schrie: „AIDEN!“ Aber es war zu spät, wie all die anderen Male. Der Dämon stach mit seinem Messer zu und dann waren alle Dämonen weg. Der Mann, den ich noch nie in einer meiner Visionen gesehen hatte, kam jetzt auf Daphne zu, aber jetzt sah ich ihn. Es war wirklich Aiden. Sein braunes Haar stand in alle Richtungen ab und seine unglaublichen dunkelgrünen Augen waren auf Daphne gerichtet. Er kniete sich neben sie und nahm sie in seinen Arm.

„Aiden“, hauchte sie leise.

„Ich bin hier, Daphne“, flüsterte er.

„Du hast dir … aber Zeit gelassen.“

„Es tut mir leid.“ Er war so sanft und in seinen Worten lag eine Traurigkeit, die ich mir bei ihm gar nicht vorstellen konnte. Er hatte meine Schwester wirklich geliebt. „Ich bringe dich zu meiner Mutter.“

„Nein“, wisperte meine Schwester. „Dylen, bitte Aiden.“ Meine Augen weiteten sich, als er sich zu Daphne herunter beugte, sie noch ein letztes Mal küsste und dann auf mich zukam. In seinem Gesicht lag so eine Entschlossenheit, die ich nicht beschreiben konnte. Erst vor mir stoppte er und kniete sich hin. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass ich, als Baby, zu meinen Füßen lag.

„Pass auf sie auf, Ares, mein Gott des Krieges“, hauchte Daphne mit letzter Kraft und ich wurde aus meiner Vision geschleudert.

Zitternd und außer Atem wachte ich in meinem Bett auf. Ich saß wie immer aufrecht und krallte mich in die Matratze. Das alles durfte nicht wahr sein. Meine Hand fuhr zu meiner Brust.

Aiden. Er hatte sie wirklich geliebt und es war noch nicht mal nur ein Seitensprung gewesen. Die beiden hatten sich für einander entschieden und hatten auch durchbrennen wollen … nur ich bin dazwischen gekommen … und auch nur wegen mir musste Daphne sterben. Und jetzt war Aiden in Gefahr und das auch schon wieder nur wegen mir. Ich konnte hier nicht herum sitzen und nichts tun. Wir mussten Aiden retten und ihn wieder hier her holen … ich wollte ihn nicht auch noch verlieren, dafür liebte ich ihn zu sehr. Daphne hatte ich nicht gekannt, aber wenn ich Aiden jetzt verlor, dann würde ich das nicht überleben.

Ohne zu überlegen stand ich auf und zog mich an. Ich hatte eh nichts anderes als eine Jeans und T-Shirts. Als ich fertig war ging ich aus dem Zimmer und schlich durch die Gänge bis in den Thronsaal. Ich wusste nicht, wo ich hin gehen sollte, aber irgendwie trugen mich meine Füße zum richtigen Ort. Denn im Thronsaal ging ich einfach weiter auf die großen Glastüren zu, die in den Garten führten. Draußen war es noch dunkel, aber eine kleine Laterne brannte. Ich stand jetzt auf einer Terrasse, die mit vielen Blumentöpfen geschmückt war. Eine kleine Treppe mit nur zwei Stufen führte dann in einen großen Garten. Ich ging die Treppen herunter und folgte einem kleinen Kiesweg, der mich rechts am Schloss vorbei führte … zu einem kleinen Trainingsplatz, wo auch noch Laternen brannten … und jemand sogar noch trainierte. Als ich näher kam, erkannte ich denjenigen sogar.

„Derek?“, fragte ich und bekam sofort seine ganze Aufmerksamkeit. Er drehte sich zu mir und da sah ich erst, dass er kein Hemd an hatte. Er schwitze am ganzen Körper und auch seine Atmung ging ein bisschen schneller.

„Warum bist du noch wach?“, fragte er, nahm sich ein Handtuch vom Boden und wischte sich den Schweiß vom Gesicht. Derek stand vor einer Trainingspuppe, von denen noch drei andere auf dem Platz standen. Weiter hinten standen vier Zielscheiben, wo in zwei von den vieren Messer steckten. Links neben mir standen zwei Sandsäcke, die auch schon mitgenommen aussahen.

„Ich … ich hatte eine unangenehme Vision und kann nicht mehr schlafen.“ Er nickte und schlug dann weiter auf die Puppe ein. „Und was machst du so spät noch hier?“

„Trainieren.“

„Habt Adam und du schon einen Plan, wie wir Aiden befreien können?“

„Nein.“

„Wie nein? Ihr müsst euch doch weiter Gedanken machen“, regte ich mich auf.

„Ja, machen wir ja, aber es gibt kein wir, Dylen. Ich nehme dich nicht mit.“ Dieser aufgeblasener … Ich ballte meine Hände zu Fäusten, drehte mich zu einem der Sandsäcke und prügelte auf ihn ein. Ich hatte so eine Wut in mir, dass ich einfach irgendwie zuschlug.

Ich wollte doch helfen, es war ja schließlich auch meine Schuld, dass Aiden jetzt in den Händen von Hades war. Wäre ich nicht so dumm gewesen und hätte gemerkt, dass Bec sich anders verhalten hätte, dann hätte Logan mich erst gar nicht geschnappt. Und außerdem hatte ich auch noch die Verantwortung für Liliana, die andere Göttin. Sie mussten wir auch unbedingt befreien und in Sicherheit bringen. Das war nunmal unsere Arbeit.

Die Arbeit der Jungs, nicht unsere.

Trotzdem gehören wir jetzt dazu, also. Ich will ihnen helfen. Meine Güte, ich bin ein Werwolf und keine kleine Fee oder ein wehrloser Mensch. Mein Wolf war stark, warum kapieren die das nicht?

Weil sie dich nicht verlieren wollen.

Seit wann bist du so besorgt?

Hallo, ich bin dein Gewissen oder was auch immer, ich bin immer der Gegenteiligenmeinung wie du, ist dir das noch nie aufgefallen?

„Dylen hör auf“, meinte Derek plötzlich und dann schlang er auch schon seine Arme um mich und hielt meine Handgelenke fest.

„Lass mich los!“, keuchte ich und zog an meinen Armen.

„Nein, du bist doch verrückt.“ Er war auch außer Atem und diesen spürte ich an meinem Hals. „Hör auf, du tust dir sonst noch weh.“

„Ich tu mir nicht weh. Ich habe früher schon mal geboxt, also lass mich los.“ Derek lockerte den Griff um meine Handgelenke und strich dann mit seinen Fingerspitzen über meine Arme.

„Ich war dir so lange nicht mehr so nah“, flüsterte er und ich bekam eine Gänsehaut.

„Derek, bitte.“

„Was ist so anders an Aiden?“

„Er hat mich nicht ohne ein Wort zu sagen verlassen“, hauchte ich leise.

„Dafür hätte er deine Familie zerstört.“

„Aber als meine Schwester und er abhauen wollten, habe ich sie zum bleiben bewegt. Sie wollten, Derek, aber sie sind nicht.“ Er stockte. „Ich hab es gesehen … ich habe gesehen, wie sehr meine Schwester Aiden geliebt hat und ich hätte es ihr gegönnt.“

„Wäre ich nicht gegangen ...“

„Dann wärst du der einzige, der mich glücklich machen würde, aber du bist gegangen, Derek, und das auch noch ohne ein Wort, noch nicht mal einen Zettel hast du geschrieben. Du bist gegangen, um dir ein neues Mädel zu suchen, dass deine Bedürfnisse befriedigt. Dir lag doch gar nichts an mir, ich war nur eines deiner Spielzeuge. Deswegen kann ich auch nicht verstehen, wie du behaupten kannst, dass du mich liebst.“

„Du hast Recht, am Anfang warst du für mich nur eine von vielen. Aber mit jeder neuen, dachte ich immer mehr an dich, Dylen. Mir fehlte dein Lachen, wenn ich dich ärgerte oder dein empörtes Derek! wenn ich dich in den Po gekniffen hab. Deswegen bin ich zurück und dann sagte mir meine Mutter, dass du mein Gegenstück seist und da wusste ich, dass du einfach nur zu mir gehörst.“

„Ja, aber für mich ist es nicht so. Ich kann nicht mit dir zusammen sein, Derek. Es geht einfach nicht.“ Derek ließ die Hände linken und drehte sich auch um.

„Na ja, dann sollten wir wohl zusehen, dass du dich verteidigen kannst.“ Meine Augen weiteten sich und ich drehte mich blitzschnell zu Derek um. Was hatte er da gerade gesagt? Hatte er wirklich vor mich zu trainieren?

„Ist das dein Ernst?“ Er nickte und stemmte die Hände in die Hüfte.

„Ich kann dich nicht wirklich gut ausbilden, aber ein bisschen kann ich dir schon beibringen, sodass du dich mit einem Schwert verteidigen kannst. Denn wir müssen Aiden da raus holen.“ Da stimmte ich ein. Es wäre nützlich, wenn Derek mich ein bisschen vorbereitete, damit ich wenigstens ein Schwer schwingen konnte oder so. „Komm mit.“ Er ging nach hinten zu den drei Zielscheiben, ich sollte allerdings weiter davon stehen bleiben. Was hatte er denn vor? … Vielleicht war es doch besser, mich nicht im Nahkampf zu trainieren und mich stattdessen mit Sachen werfen zu lassen. So würde mir nicht so viel passieren. Und in den Nahkampf könnte ich immer noch mit meinem Wolf gehen, da hatte ich die scharfen Zähne, mit denen ich besser als mit einem Schwert umgehen konnte.

Derek ging zu einer Holztruhe, die neben einer der Ziele stand und holte … einen Köcher mit Pfeilen und Bogen heraus.

„Wir versuchen es einfach mal“, meinte er, als er wieder neben mir stand und gab mir den Köcher. Ich schluckte und band ihn mir dann auf den Rücken. Als nächstes kam der Boden. Erst übte ich ohne Pfeil, wie ich den Bogen richtig spannte. Wie ich meine Arme dabei zu halten hatte und wie ich mein Ziel anpeilte. Das alles war leichter gesagt als getan, vor allem war es auch noch dunkel und ich sah das Ziel nur ganz leicht. Das änderte sich allerdings schnell. Ich konzentrierte mich einfach und schon transformierten sich meine Augen in die meines Wolfes, sodass ich alles perfekt sehen konnte, auch bei tiefster Dunkelheit.

Nach einer Weile, forderte Derek mich dann auf, einen Pfeil aus dem Köcher zu ziehen und ihn zu spannen. Ich holte tief Luft, griff mir einen Pfeil, spannte ihn stramm im Bogen, nahm dabei schon den kleinen schwarzen Punkt der Zielscheibe ins Visier und ließ den Pfeil dann los. Er zischte durch die Luft und bohrte sich in die Scheibe.

„Wow“, hauchte Derek. Der Pfeil steckte nur ein paar cm neben dem schwarzen Punkt. „Du bist gut. Versuch es noch mal.“ Und das tat ich auch. Ich schoss einen Pfeil nach dem anderen auf die Zielscheibe, bis keiner mehr in meinem Köcher war. Derek ging zu der Zielscheibe und holte mir die Pfeile wieder.

„Noch mal“, sagte er.

 

 

 

Kapitel 37

Kapitel 37

 

Das Auto blieb stehen und dann hörte ich, wie Autotüren zugeschlagen wurden. Also waren wir angekommen. Na super. Ich hatte zwar gehofft, dass wir nur herum fahren würden, aber so wie es aussah, hatten sie doch noch ein Versteck. Ich hatte mir einen Plan ausdenken wollen, aber ich hatte einfach keinen richtigen Gedanken zusammenfassen können. Meine Gedanken drehten sich einfach alle um Dylen. Ich hoffte inständig, dass sie nicht kommen würde. Das war wirklich mein einziger Gedanke, um mein Leben machte ich mir wenig Sorgen.

Plötzlich gingen die Türen des Transporters auf und zwei Dämonen kamen zu mir herein.

„Und hast du die Fahrt genossen“, fragte Logans schleimige Stimme. Ich sah zu den Türen des Wagens und sah direkt in seine Augen. Sie glitzerten, von dem Vergnügen mich endlich in seinen Händen zu haben. Kaum hatte ich seinen Blick erwidert fuhr durch meinen Körper ein unendlicher Schmerz. Meine Muskeln spannten sich an und ich war vor Schmerz gelähmt.

„Es war ein bisschen holprig und ungemütlich, ich dachte ich wäre ein Gast“, keuchte ich. Logan lachte und ich wurde von seinen Handlangern erst von den Wänden des Transporters befreit und dann in neue Ketten gesteckt. Meine Hände fesselten sie mir hinter dem Rücken und packten mich dann zu zweit an den Armen. Bei Logan blieben wir stehen und meine Beine knickten durch den Schmerz ein, sodass ich vor Logan auf die Knie sank. Er grinste und sah zu mir herab.

„Ein Gast, Aiden? Meinst du nicht, dass du dir da etwas einbildest?“ Ich brachte ein Lächeln zustande.

„Weißt du, was ich meine? Das mein Bruder dich töten wird, wenn er erst einmal die Macht von den Göttinen und uns Brüdern hat.“ Das gefiel Logan überhaupt nicht. Mit einem hoch rotem Kopf hob er seine Faust und boxte mich ins Gesicht.

„Steckt ihn in eine Zelle“, knurrte er und drehte sich um. Ich spuckte etwas Blut und lächelte immer noch.

„Also sind wir doch einer Meinung.“ Logans Körper spannte sich an und er ballte seine Hände noch fester zu Fäusten. Ich wollte ihn reizen. Nur so konnte ich ihn vielleicht dazu bringen, dass er sauer davon rauschte und ich nicht mehr diese Schmerzen verspürte. Dann könnte ich wenigstens die zwei Idioten neben mir loswerden, den Transporter nehmen und verschwinden. Und ich glaubte sogar, dass ich es beinahe geschafft hatte, als plötzlich ein Schrei ertönte.

„Lasst mich los!“, schrie eine helle Frauenstimme. Sofort drehten sich alle Köpfe zu dem Geräusch.

Ein weiterer Transporter stand neben dem, in dem ich gewesen war, und heraus kam ein braunhaariges Mädchen. Sie wehrte sich gegen die Griffe der zwei Dämonen, die sie aus dem Transporter zerrten. Ihre Haare verrutschten etwas und ich sah ihre spitzen Ohren. Eine Elbin? Was wollten sie … Nein!

„Lasst eure dreckigen Pfoten von mir!“, schrie sie und zappelte herum. Doch plötzlich hörte sie auf und sah mir direkt in die Augen. „Nein“, hauchte sie.

„Bringt die zwei weg“, meinte Logan nur und ging schon mal vor. Ich hatte keine Chance mehr irgendwie einen Plan zu planen. Die Dämonen zerrten mich und die Elbin mit.

Logan blieb die ganze Zeit in meiner Nähe, damit mein Körper sich weiter vor Schmerzen krümmte und die Dämonen mich ohne Komplikationen in eine Zelle brachten. Wir waren eben in einer unterirdischen Parkanlage gewesen. Jetzt zerrten Logans Untertanen mich eine weitere Treppe nach unten in den Kerker. Die Elbin steckten sie in die aller erste Zelle. Der Dämon schubste sie einfach hinein, sie stolperte und fiel auf die Knie; ihre Hände waren ihr auf den Rücken gefesselt.

„Hey!“, knurrte ich und wehrte mich gegen die Griffe der Dämonen.

„Kaum ist Dylen weg, schon suchst du dir ein neues Mädchen?“, lächelte Logan und machte meine Zellentür auf.

„Wenn du ihr weh tust, dann schwöre ich dir, werde ich dich in Stücke reißen“, drohte ich ihm und nickte zu der Elbin. Sie holte tief Luft, aber Logan grinste mich nur an.

„Aiden, wenn du die Zeit hast mich irgendwie anzugreifen, bist du ein Geist und existierst gar nicht mehr.“ Meine zwei Dämonen zerrten mich in die Zelle, wo zwei Stahlketten von der Decke hingen. Sie machten meine Hände los und machten sie dann an den Ketten fest. Diese spannten sie dann an, sodass ich auf den Knien hockte und meine Arme ausstreckte. „So ausgeliefert gefällst du mir am Besten“, meinte Logan grinsend und drehte sich dann um. „Kommt, wir müssen noch einiges vorbereiten.“ Damit verschwand er mit seinen Dämonen.

„Verdammter Mist!“, fluchte ich und zog an den Ketten, die mich festhielten.

„Ist sie in Sicherheit?“, ertönte die zarte Stimme der Elbin. Ich sah zu ihr und nickte.

„Du kennst Dylen?“

„Es geht, wir hatten noch kurz reden können, bevor dieser ekelhafte Riese sie mitgenommen hatte.“

„Ich bin Aiden“, stellte ich mich vor, aber sie nickte nur.

„Ich weiß, wer du bist. … Ich bin Liliana.“

„Wir werden hier schon raus kommen.“ Sie lachte kurz auf und sah mir dann in die Augen. Ihre nussbraunen Augen glitzerten etwas.

„Sicher? Sie haben selbst dich unter Kontrolle.“ Ich machte den Mund auf und wollte etwas erwidern … aber sie hatte Recht. Sobald das blöde Gift aus meinem Körper war, würde Logan mir noch mal so eine Kugel verpassen, nur damit sie mich unter Kontrolle hatten.

Also ich könnte uns hier raus holen.

Klar, und dir soll ich vertrauen?

In der Sache, solltest du mir vertrauen. Ich bin der einzige, der uns retten kann.

Ich sah Liliana an. Sie lehnte sich gegen das Gitter, was meine Zelle mit ihrer verband und seufzte.

„Ich hab gehört wie sie über dich geredet haben“, murmelte sie und brachte mich so, ihr wieder vollkommen zuzuhören. „Sie haben richtige Angst vor dir.“

Ha, das ist ein Vorteil!

„Meine Mutter hat mir von dir erzählt, also von dem großen Ares“, meinte sie.

„Ja, großer, verrückter und blutrünstiger Ares“, seufzte ich. „Egal was deine Mutter dir erzählt hat, es wird wohl wahr sein. Wenn es hier darum gehen würde zu überleben, dann wäre ich schon längst weg.“

„Hier geht es doch ums überleben.“ Sie drehte sich zu mir um, ich ließ nur den Kopf hängen.

„Ja, um dein Überleben. Wenn ich meiner Stärke erlaube auszubrechen, werde ich jeden hier niedermetzeln. Eben hatte ich das noch vorgehabt, aber dann haben sie dich aus dem Transporter geholt, das macht das alles hier ein bisschen komplizierter.“ Liliana lachte und ich sah sie an.

„Du bist komisch, weißt du das? Du kennst mich doch gar nicht.“ Ich zuckte die Schultern.

„Muss ich das? Du bist eine Göttin, das reicht doch.“ Sie schüttelte den Kopf.

„Du bist verweichlicht.“

„Was?“

„Ich hab anderes gehört. Du erschreckst doch jeden schon von weitem. Vor Jahren hab ich dich mal gesehen und egal wo du hinkommst, jeder geht dir aus dem Weg, weil jeder weiß, dass du etwas in dir hast, was nichts gutes bedeutet.“ Ich sah die schmächtige Person an, die da neben mir in der Zelle hockte und war echt perplex. „Und doch können Frauen die Augen nicht von dir lassen.“ Sie seufzte auf.

„Mein Bruder war schon immer ein Frauen Magnet“, hallte plötzlich eine Stimme durch den Kerker. Ich sah erst gar nicht auf, ich brauchte nicht in das verhasste Gesicht von Hades zu sehen. Liliana allerdings keuchte auf und machte sich ganz klein. „Nicht wahr, Ares?“

„Nenn mich nicht so“, knurrte ich und funkelte ihn an. Hades bekam ein leichtes Lächeln auf den Lippen, was aber nur grotesk aussah.

„Na ja, ich bin hier, um dich zu bitten unsere Brüder und auch die kleine Dylen her zu locken.“

„Du bittest mich?“ Hades zuckte gleichgültig mit den Schultern.

„Ich weiß ja noch nicht, wie weit du mit Dylen vorgeschritten bist. Ob sie vielleicht schon spürt, wenn dir etwas zustößt.“ Ich ballte meine Hand zur Faust und biss die Zähne zusammen.

„Da muss ich dich leider enttäuschen. Sie hat gar nichts mit mir zutun.“ Hades öffnete meine Zellentür und kam langsam auf mich zu geschlendert. In seiner Hand hielt er einen Dolch und als die schwarze Klinge aufblitze, biss ich meine Zähne fester zusammen. Also hatte er den Dolch doch.

„Es hat lange gedauert, den Typen zu finden, der den Dolch für mich stehlen sollte“, verfiel Hades in einen Plauderton. Er packte den Dolch fester an seinem Griff, der mit Diamanten gefasst war. „Ich hatte ihn eigentlich belohnen wollen, aber als er den Dolch gehabt hatte, hatte er sich gedacht, dass er ihn behält, um mich zu töten. Dummer Kerl.“ Je näher Hades mir mit diesem Dolch kam, desto mehr spannte sich mein Körper an. Der Dolch würde mich nicht töten, nicht ohne Dylens Blut … aber diese Klinge konnte mir sehr weh tun. Es war nicht nur ein Schnitt, wie bei einem normales Dolch, dieser war dazu geschaffen, um uns zu töten, also würde er uns auch Schmerzen bereiten.

„Was soll das werden, Hades? Du weißt, dass du mich mit dem Dolch nicht töten kannst.“

„Aber ich kann vielleicht unsere Brüder aus dem Versteck locken, wenn du ein bisschen leidest.“

„Das bringt dir trotzdem nichts. Du kannst mich nicht töten, das ist dir doch klar. Es gibt niemanden der auf mich wartet.“

„Sag so etwas nicht, sonst wird Dylen noch sauer oder gar traurig.“

„Was sie für mich empfindet ist mir egal. Du brauchst das Blut derjenigen die ich liebe und nicht umgekehrt. Und die einzige Frau, die ich je geliebt habe, ist schon lange tot.“

„Ihre Schwester oder? Ich meine, Logan hat mir so etwas schon erzählt.“ Hades war jetzt bei mir angekommen und legte die schwarze Klinge an meinen Hals. „Ja, und weil du Daphne so sehr geliebt hast, hast du auch ganze zehn Jahre über Dylen gewacht.“

„Wärst du nicht so böse und hättest du verstanden, was unsere Brüder und auch Loona versucht haben uns beizubringen, dann würdest du meinen Gedankengang auch verstehen. Ich hab es für Daphne und auch für Dylen getan, weil sie eine Göttin ist.“ Hades lächelte und schnitt mich leicht in den Hals. Ich zischte auf und spürte, wie ein kleines Rinnsal an Blut meinen Hals herunter lief.

„Deine Worte sind rührend und je mehr du die kleine Dylen in Schutz nimmst, desto mehr verrätst du deine Gefühle zu ihr.“ Er ließ die Spitze des Dolches zu meiner Brust herunter gleiten und schnitt dann. Ich keuchte auf, da ein schmerzhaftes brennen durch meinen Körper zuckte. Hades hatte mein Shirt zerschnitten und mir dazu auch noch einen langen Schnitt auf dem Bauch verpasst, sodass jetzt parallel zu meiner Brandnarbe eine lange Schnittwunde war. Hades setzte die Klinge wieder am oberen Ende des Schnittes an und zog einen Bogen bis zum Ende. Ich schrie auf.

„Hört auf!“, rief Liliana, aber Hades lächelte nur.

„Was meinst du, wird Dylen es gefallen, dass deinen Körper jetzt ihren Anfangsbuchstaben als Narbe ziert?“ Ich schluckte und sah an mir herunter. Er hatte mir wirklich ein D auf den Oberkörper geritzt … und es brannte höllisch.

„Was sollte das schon bewirken?“, keuchte ich.

„Das sie sich die Schuld gibt.“ Ich ließ den Kopf hängen und lächelte.

„Egal was du tust, du wirst es nicht schaffen mich zu brechen. Das einzige was du vielleicht schaffst ist, Ares heraus zu holen und dem ist es egal, was du mit Dylen oder sonst wem tust, falls du es vergessen hast.“

„Du hast Recht, Bruder. Nur vielleicht habe ich es ja gar nicht auf dich abgesehen“, lächelte Hades, hob den Dolch und schnitt mir das Handgelenk auf, das gleiche tat er auch bei meiner anderen Hand. Ich zuckte zusammen und versuchte keinen Laut von mir zugeben, aber dieses brennen war nicht auszuhalten. Es war, als würde sich Säure durch meine Haut fressen. Aber Hades war noch nicht fertig. Er beugte sich zu meinem Ohr herunter und atmete erst einmal eine zeit lag, sodass sein heißer Atem gegen die Wunde an meinem Hals traf. „Vielleicht will ich ja den Willen der kleinen Dylen brechen“, hauchte er und stieß mir den Dolch in den Bauch. Ich keuchte auf und meine Augen weiteten sich. „Denk mal darüber nach, Brüderchen.“ Damit ging er lächelnd und ließ mich blutend zurück.

 

 

 

Die Sonne war schon vor zwei Stunden aufgegangen, aber Derek und ich hatten einfach weiter trainiert. Erst mit dem Bogen und dann hatte er mir sogar ein Schwert in die Hand gegeben. Ich stellte mich zwar nicht so ungeschickt an, aber ich machte mit mir selber aus, dass ich dann doch lieber auf meine Wolfszähne zurück griff, bevor ich ein Schwert in die Hand nahm. Wenn ich Adam davon überzeugen konnte, dass ich unbedingt mithelfen wollte. So wie es aussah hatte ich Derek ja schon auf meiner Seite, obwohl er das nicht laut aussprechen würde.

„Lass uns aufhören“, meinte Derek, als ich mein Kurzschwert gerade schwang, um auf die Trainingspuppe los zugehen. Derek hatte gesagt, dass ich immer auf einen festen Stand achten sollte und doch kippte ich immer um, sobald ich die Holzpuppe traf. Seufzend nickte ich und gab Derek das Schwert wieder.

Zusammen gingen wir zurück in den Thronsaal, doch es war keiner zusehen. Also gingen wir weiter in den Speisesaal, der dann eher belegt war.

„Oh, seid ihr zwei auch schon wach“, lächelte uns Loona entgegen und winkte mich zu sich. Sie saß wie immer neben Dragana, die zusammen mit Xander am Kopfende saßen. Aber sonst war noch keiner da.

Ja, es fehlten ja auch nur noch Jess und Adam.

„Habt ihr gut geschlafen?“, fragte Dragana, als wir uns setzten. Sie lächelte zwar, aber es reichte einfach nicht über ihr ganzes Gesicht.

„Ich hab kaum geschlafen“, antwortete ich ehrlich. „Dann bin ich aufgestanden und hab Derek im Garten getroffen. Er hat mir das Bogenschießen beigebracht.“

„Sie ist richtig gut“, lobte Derek mich.

„Ich werde euch begleiten“, sagte Xander plötzlich und schlug auf den Tisch. Ich sah ihn erschrocken an.

„Nein, wirst du nicht“, erwiderte Derek und sah ihn an. „Es ist schon schlimm genug, dass Hades mit uns auskommen muss, wenn er dich in die Finger bekommt und dir deine Macht entzieht wäre es schlimmer, als hätte er unsere Macht.“

„Du wagst es mir zu widersprechen, Derek?“ Dieser schlug auf den Tisch und stand auf.

„Das hat nichts mit Respekt zu tun, Vater! Es geht darum, dass alles im Gleichgewicht bleiben muss und wenn Hades deine Macht besitzt ist dieses Gleichgewicht nicht mehr vorhanden.“

„Da stimme ich Derek zu, Vater“, meldete sich auch Adams Stimme zu Wort. Jess und er betraten gerade den Speisesaal und setzten sich zu uns. Sanft legte Adam seinem Bruder eine Hand auf den Unterarm, sodass dieser sich wieder setzte. „Wir wollen Aiden da unbeschadet heraus holen und nicht noch einen von uns verlieren“, meinte er und doch lag in seinem Satz etwas ungewisses … denn Hades könnte sich in der Zeit in der wir hier überlegen schon längst Aidens Macht genommen haben und er wäre verloren.

„Was passiert mit ihm, wenn er seine Macht verliert?“, fragte ich leise.

„Dann ist er kein Gott mehr“, antwortete mir Dragana mit fester Stimme. „Er würde sterben, ganz ohne den Dolch.“

„Aber ich dachte, ihr könnt nur durch den Dolch getötet werden.“

„Dylen, sie sind magische Wesen und wenn diesen ihre Macht genommen wird, dann können sie nicht mehr existieren“, meinte Jess und nahm Adams Hand in ihre. Vor meinem inneren Auge tauchte ein Bild von Aiden auf, wie er schwach und unbeweglich vor mir lag und keinen Atemzug mehr machte.

„Nein, wir müssen sofort los!“, rief ich aus und stand auf.

„Du solltest etwas essen“, meinte Jess. „Wir sollten uns alle noch stärken.“ Adam seufzte und drückte Jess Hand. Ich blinzelte.

„Wir gehen alle“, entschied Adam. Derek nickte und machte sich dann was zu essen. Dann war es also beschlossene Sache. Wir vier würden gehen. 

Kapitel 38

Kapitel 38

 

Nach dem Frühstück hatten wir uns wieder getrennt, um die letzten Vorbereitungen zu treffen. Derek und ich hatten noch duschen wollen. Aber damit wollte ich mich nicht lange aufhalten. Und das tat ich wirklich nicht, denn sobald ich unter den warmen Wasserstrahl gestiegen war und nur kurz meine Augen geschlossen hatte, sah ich Aiden, wie er gefoltert in einer kalten Zelle gefangen war. Er hing an Stahlseilen von der Decke, sein Kopf war gesenkt und er hing kraftlos in den Seilen. Ich wusste nicht, ob das eine kleine Vision gewesen war, denn bis jetzt hatte ich immer nur Visionen gehabt, wenn ich geschlafen hatte. Aber dieses Bild hätte auch einfach nur eine schreckliche Einbildung von mir gewesen sein, weil ich mir so Sorgen um Aiden machte. Mir war schon klar, dass Hades und vor allem Logan Aiden nicht einfach nur in eine Zelle steckten und ihn unbeschadet davon kommen ließen. Sie waren beide so bösartig, dass sie sicher ihren Spaß dabei hatten, Aiden etwas anzutun. Aber vielleicht irrte ich mich ja auch. Was ich sehr hoffte.

Nachdem ich geduscht hatte und mir wieder Jeans und T-Shirt angezogen hatte, stieg ich in meine flachen Stiefel und nahm mir meine Jacke. Von mir aus ging es los, aber als ich im Thronsaal ankam, standen da zwei neue Personen, die ich nicht kannte.

„Verrückt, ich hab euch doch schon früher gesagt, dass Aiden nicht mehr ganz dicht ist“, regte sich ein blonder Mann auf und wirbelte wild mit seinen Armen herum.

„Wir sollten ihm helfen und nicht über ihn urteilen, Seth“, meinte ein braunhaariger Mann, der neben Xander stand, der wie immer neben dem Thron stand auf dem Dragana saß. Xanders Miene war versteinert und er knetete seine Hände. Er war mit der ganzen Situation nicht einverstanden, das merkte ich sofort. Er war Zeus, wie sollte er auch anders denken? Er war nun mal ein Mann und ein Gott noch dazu, zwei Parteien die einen guten Kampf liebten.

„Oh, guten Morgen, meine Liebe“, meinte der blonde Neuling und kam auf mich zu. Ich war total perplex, als er meine Hand nahm und mir einen Handkuss gab.

„Kann es sein, dass du Unsterbliche anziehst?“, kicherte Loona und zwinckerte mir zu. Dabei wollte ich nur einen. „Das ist Seth oder auch Hermes der Götterbote. Seth, das ist Dylen.“ Seth lächelte mich weiter mit seinen hellblauen Augen an.

„Es freut mich.“

„Ich mich auch, ich bin froh, dass wir noch mehr Unterstützung bekommen, um Aiden zu retten.“ Loona sah den anderen Neuling an.

„Und das ist Darien oder auch Hephaistos Gott des Feuers“, stellte sie ihren letzten Bruder vor. Er stand mit verschränkten Armen neben Xander, sein braunes Haar war lang, aber er hatte es in einem Zopf gebändigt. Seine Augen waren das genaue Gegenteil von Seths hellblauen Augen, seine waren richtig dunkel, aber immer noch blau, die mich schon die ganze Zeit beobachtet hatten seit ich in den Thronsaal gekommen war.

„Also sind wir zu sechst“, meinte ich und sah Derek an.

„Ja und ich bin der Meinung, dass wir sofort los sollten. Aiden hat nicht mehr viel Zeit“, meinte er und gab mir einen Köcher mit zehn Pfeilen und einem schwarzen Bogen, der Blumenranken eingeschnitzt hatte. Ich strich über das Holz und lächelte Derek an.

„Danke.“

„Pass auf ihn auf.“ Ich nickte und schulterte den Köcher. „Dann los.“ Alle nickten und Darien kam zu uns.

„Wartet“, meinte Dragana und stand auf. Sie sah mich an und ich musste genau hinsehen, ob sie vielleicht weinte, aber durch ihre unglaublichen Augen sah man das nicht wirklich. Sie kam zu mir und Jess. „Nehmt das, ich habe ein bisschen von meiner Magie in diese Ketten gesteckt, wenn es gefährlich wird braucht ihr nur nach mir zu rufen und ich hole euch da raus.“ Sie legte mir und Jess eine Kette in die Hand und sah uns noch mal tief in die Augen. „Bitte benutzt sie auch. Die Jungs kommen zurecht.“

„Danke, Dragana“, lächelte Jess und zog ihre Kette sofort an. Ich sah mir den kleinen Anhänger an, der in meiner Hand lag. Es war nichts besonderes, ein einfacher, länglicher roter Edelstein. Allerdings war es fast so, dass der Stein in meinen Händen pulsierte. Wow, es war unglaublich, wie stark ich Draganas Macht spürte.

„Ich hoffe, wir brauchen die Ketten nicht“, murmelte ich und sah Dragana an.

„Ich auch nicht, aber so ist mir das lieber.“ Wir nickten und auch ich zog die Kette an. Den Anhänger ließ ich unter mein Shirt gleiten, damit ihn auch keiner sah.

„Bereit?“, fragte Adam und erst nachdem alle genickt hatten, stellten wir uns in einen Kreis und telepotierten nach unten in den großen Saal, indem Derek und Adam mich gerettet hatten.

Der Saal war leer, es gab keinen Anschein dafür, dass hier vor wenigen Stunden noch ein großer Kampf oder eher eine Gefangennahme stattgefunden hatte. Das einzige Zeichen waren die winzigen Bluttropfen an einer Stelle. Sofort sah ich wieder diesen Riesen, der Aiden im Schwitzkasten gehabt hatte und ihm den Hals zudrückte. Und dann ertönte in meinen Ohren ein Schuss. Logan hatte einfach auf Aiden und den Riesen geschossen. Ob der Riese auch getroffen worden war, wusste ich nicht, aber das war für mich auch nebensächlich. Für mich galt nur Aiden.

Ich verlor keine Zeit und zog mich schnell aus, damit ich mich in einen Wolf verwandeln konnte. Kaum waren meine Sachen aus, vibrierte mein Körper, spannte sich an und explodierte dann. Derek stand schon neben mir und sammelte meine Kleider zusammen, damit ich sie später wieder anziehen konnte.

„Hast du ihn schon?“, fragte Jess und sah mich prüfend an.

„Lass ihr was zeit“, meinte Derek nur. Ich schnüffelte in der Luft und suchte nach Aidens markanten Geruch. Nicht süß, aber auch nicht herb. Kein nasses Moos aber auch kein Lagerfeuer. Seine spezielle unglaubliche Note. Ich hatte schon Angst, dass sie verflogen sei, aber da fand ich sie endlich. Für einen kleinen Moment genoss ich diesen Geruch, der mich einfach überwältigte, der in mir ein Gefühl nach zuhause weckte, nach Sicherheit. Aber dann bellte ich, damit die anderen auf mich aufmerksam wurden.

„Hast du ihn?“, fragte Derek und ich nickte. „Dann los.“

 

 

„Aiden, Aiden, Aiden“, drang eine leise, aber aufgeregte Stimme an mein Ohr. Sie schien durch einen Nebel zu mir zu dringen. „Aiden, verdammt wach auf!“

Um mich herum war alles dunkel, aber langsam machte ich die Augen auf und sah wieder den kalten, nassen Kerker.

„Aiden?“, hörte ich wieder Lilianas leise Stimme.

„Geht gut.“

„Ich hatte Angst, dass du nicht mehr aufwachst.“ Langsam drehte ich meinen Kopf zu ihr.

„So kann ich nicht sterben“, hauchte ich.

„Aber du bist so schwach.“ Als wenn mein Körper auf diesen Satz reagieren würde, sackte ich ein bisschen mehr in mich zusammen. „Aiden! Verdammt, würden wir hier nicht fest sitzen, könnte ich dich heilen und wir könnten verschwinden.“

„Das kann ich leider nicht zulassen“, hallte eine Stimme an den Wänden wieder, die ich nicht wirklich hören wollte. Liliana keuchte auf, beruhigte sich dann aber und stand auf.

„Du bekommst nichts von uns“, rief sie und starrte Logan böse an, so böse, wie sie nunmal konnte. Aber ich wusste, dass sie Angst hatte und doch versuchte sie, ein bisschen Mut zu zeigen. Ich sah auf zu Logan und sah das lächeln auf seinen Lippen.

„Warum bist du hier?“, fragte ich sauer.

„Wir können nicht mehr warten, bis wir auch noch die anderen Göttinen haben, da ihr jetzt unseren Plan kennt“, lächelte Logan und ging auf Lilianas Zelle zu. „Deswegen will Hades sich ihre Kraft nehmen.“

„Was?“, rief Liliana und war jetzt nicht mehr so draufgängerisch. Sie wich zurück.

„Warte“, meinte ich. „Sollten wir das nicht unter Männern klären?“ Logan blieb stehen und sah mich an. Sofort versteifte sich mein Körper und die Schmerzen fingen wieder an. Dieses verdammte Siegel.

„Du willst mit Schmerzen und einem Dolch im Bauch kämpfen?“, grinste er nur und schloss die Zelle von Liliana auf. Er hatte ja Recht. Ich war zu schwach, um gegen irgendjemanden zu kämpfen und doch konnte ich nicht zulassen, dass Logan Liliana mitnahm. Ich muss sie beschützen.

„Nein, lass mich los!“, schrie Liliana und wehrte sich gegen Logan. Nur war sie keine Kämpferin und so stark war sie auch nicht, sodass Logan sie einfach nur packen und sich über die Schulter zu werfen. Dadurch, dass sie gefesselt war, konnte sie nur mit den Beinen strampeln … was nicht half. „Ich gebe euch nicht meine Macht!“ Logan sagte nichts dazu und brachte sie einfach die Treppe hoch.

Ich versuchte, die Schellen von meinen Händen zu ziehen, aber ich war zu schwach. Kaum hatte ich an einem Arm gezogen, schon durchfuhr mich ein stechen und ich sackte zusammen.

„Verdammt“, keuchte ich.

„Nein, nicht!“, hörte ich Liliana das letzte mal schreien. Aber das nächste was ich hörte, war auch nicht wirklich etwas angenehmes. Es waren schwere Schritte und ich konnte mir nur zu gut vorstellen, welches Wesen das sein würde. Und da war er auch schon. Ein Riese. In meiner Verfassung würde einer dieser riesigen Typen reichen. Er grinste mich an und machte meine Zelle auf. Ich versuchte erst gar nicht, mich gegen diesen Riesen zu wehren. Es würde mich nur Kraft kosten, die ich unbedingt brauchte, wenn ich hier etwas ausrichten wollte. Also ließ ich den Riesen an mich ran. Sein Lächeln hatte er immer noch im Gesicht, als er mir unsanft den Dolch aus dem Bauch zog, den Hades zurück gelassen hatte, nur damit die Wunde sich nicht schloss, damit ich langsam weiter blutete. Jetzt allerdings, als der Dolch aus mir war, konnte ich mit purer Willenskraft den Schmerz ausstellen.

Was hatte Hades vor? Ich verstand nicht, warum er mir die Möglichkeit gab den Schmerz los zu werden. Und wenn ich ihm glaubte, dann will er mich gar nicht brechen, sondern Dylen, um sie dann leichter für sich zu gewinnen, was eigentlich Quatsch war. Sie würde ihn hassen. … Ich wusste nicht, was Hades vorhatte, aber eines wusste ich, ich konnte nicht zulassen, dass er Dylen oder Liliana oder Jess etwas tat.

Der Riese machte mich von meinen Fesseln los. Dadurch sackte ich auf den Boden und versuchte mich abzustützen, aber meine Arme waren zu schwach. Sie knickten ein und ich lag auf dem Boden, in meinem Blut. Es dauerte nicht lange, da packte mich der Riese am Arm und zerrte mich auf die Beine. Ich versuchte keine Miene zu verziehen oder zu schreien. Ich wollte ihnen keine Chance mehr geben sich an meinen Schmerzen satt zusehen. Der Riese schubste mich vor sich und fesselte meine Hände auf meinen Rücken.

„Los, lauf“, grinste er und gab mir einen Schubs nach vorne. Ich stolperte wieder und kippte leicht nach vorne. Schnell machte ich noch einen Schritt vorwärts, damit ich nicht hinfiel. Der Riese gab mir noch einen schubs und ich ging los. Ich hatte den Schmerz abgeschaltet, allerdings war ich zu schwach. Mit einem Schlag löste sich die Mauer auf, die ich um meine Schmerzen errichtet hatte und prallte auf mich ein. Allerdings hatte ich keine Zeit irgendwie darauf zu reagieren, denn der Riese hinter mir schubste mich wieder, sodass ich auf der letzten Stufe beinahe hinfiel. Er packte mich am Arm und zog mich einen Gang entlang, weg von der Türe, die zurück zu der Garage führte. Hier war es dunkel und ich konnte nicht wirklich viel erkennen.

Wir gingen an drei Türen vorbei, auf eine vierte Tür, die wohl unser Ziel war.

„Lasst mich los!“, hörte ich schon jemanden schreien. Liliana.

An der Tür machte der Riese sie auf und schubste mich unsanft herein. Er selber bliebt vor der Tür stehen, nachdem er sie wieder geschlossen hatte. Wir waren wieder in so einem Unterirdischen Versteck von Hades und dieser liebte es pompös. Denn wir standen wieder in einem großen Saal, der einen alten Altar in der Mitte des Zimmers hatte. Dieser stand auf einer Anhöhung, wo Logan und Hades vorstanden. Liliana war schon längst an den Altar gefesselt und wehrte sich gegen die Fesseln.

„Du siehst scheiße aus, Bruder“, meinte Hades und drehte sich zu mir um. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und wollte einen Schritt auf ihn zu gehen, aber da schubste der Riese hinter mir mich und ich fiel auf die Knie.

„Irgendwie gefällt er mir so“, lächelte Logan und kam auf mich zu.

„Schwach und unfähig zurück zu schlagen?“, fragte ich und sah hoch in Logans Augen. „Das passt zu dir. Einen ausgeglichenen Kampf würdest du verlieren.“ Logan holte aus und verpasste mir eine Ohrfeige. Mein Kopf sackte nach vorne und ich spuckte etwas Blut aus.

„Musst du ihn immer so reizen?“, fragte Hades. „Du weißt genau, dass er immer darauf reinfällt.“

„Was willst du, Hades? Wenn du jetzt deinen ganzen Plan über den Haufen wirfst, dann wird er eh scheitern.“

„Ich bin mir sicher, dass unsere Brüder schon hinter meinen Plan gekommen sind und genau deswegen, muss ich ihn ein wenig umwandeln, aber scheitern werde ich nicht. Meine Rache an dir wird zwar ausfallen müssen, aber meine Rache an Mutter und Vater wird daher umso größer.“

„Mein Meister wird erst die Macht der kleinen Elbin nehmen und dann deine“, grinste Logan und packte mein Kinn, um mich zu zwingen ihn anzusehen. „Und da Dylen und deine Brüder schon auf dem Weg hier hin sind, wird es auch nicht mehr lange dauern, dass mein Meister auch noch ihre Kraft besitzt.“

„Und doch fehlen euch noch drei Göttinen, um alles zu haben.“

„Das wird nicht nötig sein, Bruder. Wenn ich erst einmal dich und Ares in mir habe, werde ich es schon schaffen Vater zu überwältigen“, grinste Hades.

„Dir ist schon klar, dass sie darauf nicht hereinfallen werden“, meinte ich und riss meinen Kopf zurück, damit Logan mich nicht mehr anfasste.

„Was soll ich dazu sagen, Ares? Mutter wird mir aus der Hand fressen.“ Ich sah Hades an, aber der lächelte nur. „Wenn ich zu ihren Füßen liege und ihr ein paar Tränen vorweine, dann wird sie mich in ihren Arm nehmen und mir sagen, dass sie nie aufgehört hat, mich zu lieben.“

„Das wird sie nie tun!“

„Aber so sind Mütter, Bruder, genauso wie sie dich zurück genommen hat.“ Mein Körper versteifte sich und meine Hände ballte ich zu festeren Fäusten. Mutter wünschte sich nichts sehnlicher, als das wir sechs endlich wieder zu ihr kommen. Auch wenn Hades schlimme Dinge getan hatte, würde sie nicht aufhören ihn zu lieben. Er war immerhin ihr Sohn, mein Bruder. Ich hatte auch schreckliche Dinge getan und das nicht nur auf der Erde mit den Menschen, sondern auch mit meiner eigenen Familie. Ich hatte oft genug den Verstand verloren, als ich mit Derek trainiert hatte oder mit Adam … Seth … Darien. Hades und ich waren nicht das gewesen, was Mom und Dad sich erhofft hatten. Und doch hatten sie alles getan, um uns zu ändern. Und wenn Hades ihnen vorspielen würde, wieder der alte zu sein, würden sie darauf hereinfallen. Vater vielleicht nicht, aber er hätte Mutter um seinen Finger gewickelt, allein wenn er sie schon ansehen würde und sie „Mutter“ nennen würde … und das wusste Hades nur zu gut.

„Damit kommst du nicht durch“, meinte ich nur. Hades seufzte und drehte sich dann zurück zu Liliana.

„Und wie ich damit durch komme.“

„Nein!“, schrie Liliana und zerrte an ihren Fesseln. Hades zwang mich seiner Zeremonie beizuwohnen. Mein Bewacher, der Riese, hatte mich neben den Altar geschliffen und hielt mich jetzt hier fest. Logan und Hades begannen gerade ihr Ritual, wobei Logan eigentlich nur dafür zuständig war, dass Liliana sich nicht zu sehr wehrte. Aber keiner von uns konnte etwas dagegen tun.

Hades holte den Dolch mit dem Goldenen Griff heraus und hielt ihn über seinen Kopf. Dieses Ritual war nicht schwer, man musste nur die magischen Worte kennen, die die Macht aus ihrem Wirt lockte. Ich wusste diese Formel, weil ich sie zusammen mit Hades gesucht und gefunden hatte. Es war ein Spruch, der ihre gespaltene Macht, wieder zu sich zu rufen.

Jetzt fing Hades an und ließ den Dolch herunter fahren und schnitt Liliana am Bauch. Die Wunde war nicht tief, sie musste nur bluten, mehr brauchte Hades nicht. Dann hob er den Dolch an seine Lippen und bedeckte sie mit der roten Flüssigkeit.

„Me afto to ema se fonazo chameni mou dynami. Se epikalo ela mesa mou“, murmelte Hades und wiederholte es immer und immer wieder. Es war griechisch, unsere alte Sprache.

Mit diesem Blut rufe ich dich meine vermisste Kraft

ich erbitte dich

durchströme mich mit deiner Macht.

Diese Worte hatte ich lange nicht mehr gehört, gedacht und gesagt. Und ich hatte mir geschworen sie auch nie wieder zu benutzen.

Plötzlich bäumte Liliana sich auf und ein blauer Strahl entwich ihrem Bauch. Sie schrie und wehrte sich, aber jetzt wo die Worte gesprochen waren, konnte sie nichts mehr dagegen tun. Ihre Macht flog in einen hohen Bogen wieder in Richtung Boden … auf Hades zu. Als sie ihn dann traf, zuckte er kurz zusammen, lachte aber dann. Es dauerte nicht lange, da versiegte das blaue Licht und Hades sackte zusammen. Auch Liliana wurde leise und sank auf den Altar zurück. Sie war noch nicht tot, dieses Ritual tötete keinen, aber sie war jetzt schwach und würde sich für eine Weile nicht bewegen können.

Hades stellte sich wieder aufrecht hin und ließ seine Finger knacken. Ein fieses Grinsen zierte seine Lippen und mit einer schnellen Bewegung schnitt er Logan in den Bauch.

„Meister“, war dieser entsetzt und taumelte zurück. Hades packte ihn am Hals und legte dann seine freie Hand auf Logans Bauch. Blaues Licht erschien und die Wunde an Logans Bauch schloss sich.

„Das ist wunderbar“, lachte Hades und ließ Logan zu Boden fallen. „Bring sie runter in den Kerker und mach mit ihr was du willst“, befahl Hades Logan, der sich sofort wieder aufrappelte und den Befehl seines Meisters durchführte. Er band Liliana von dem Altar, warf sie sich über die Schulter und verschwand. „Jetzt zu dir, Bruder.“ Hades hob das Messer und wischte es an meinem Oberarm ab. „Ich freue mich schon auf dich Ares. Wir werden diese Welt zu unserer machen.“

„Nicht, wenn ich das verhindern kann“, knurrte ich und wollte auf ihn zu sprinten, aber der Riese hinter mir, hielt mich fest.

„Bruder, du kannst es nicht mehr verhindern. Es gibt keinen der dich retten kann.“ Er nickte auf den Altar und drehte sich um. Mein Bewacher packte mich jetzt an beiden Armen und hob mich mit Leichtigkeit hoch. Ich strampelte mit meinen Beinen, aber das nütze nichts. Sie traten nur gegen Luft und konnten nichts anrichten. Der Riese packte mich auf den Altar und machte meine Fesseln auf. Das war meine Chance! Ich zog einen Arm hoch, aber da waren schon Dämonen, die meinen Schlag abfingen und mich mit all ihrer Macht auf den Altar pinnten. So hatte der Riese genug Zeit, um mich an Armen und Beinen an den Altar zu fesseln. Ich hatte gehofft, dass sie mich los ließen, aber Hades wusste, dass ich stärker war. Bei Liliana hatte er nur Logan gebraucht, aber bei mir blieb der Riese, der mich an den Schultern unten hielt und zwei Dämonen, die meine Beine festhielten.

„Du machst einen Fehler, Hades“, sagte ich und versuchte trotzdem mich zu wehren.

„Ich mache keinen Fehler, Bruder.“

„Du wirst ihn nicht beherrschen können. Du weißt, wie lange ich gebraucht habe, um Ares in mir zu verschließen.“

„Ich bin stärker, Bruder. Ich bin nicht so blutrünstig wie er, das ist schon wahr, aber ich bin böse. Wir zwei werden schon auf einen Nenner kommen.“

„Er wird dich vernichten.“ Hades lächelte und hob den Dolch.

„Das werden wir sehen.“ Damit schnitt er mit dem Dolch in meinen Bauch und führte ihn dann zu seinen Lippen. Diese färbten sich wieder mit meinem Blut und ein breiteres Lächeln erschien auf Hades Lippen. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und wehrte mich. Mein Körper bäumte sich auf, meine Muskeln spannten sich an und ich versuchte mit all meiner Kraft hier weg zu kommen. Hades belächelte das alles nur und fing an, der Spruch zu murmeln.

„Me afto to ema se fonazo chameni mou dynami. Se epikalo ela mesa mou“, murmelte er erst und wurde immer lauter. Mein Körper bäumte sich von selbst auf und ich spürte, wie etwas gegen meinen Bauch stieß. Nein, nein. Ich muss dagegen ankämpfen.

„Nein!“, knurrte ich, aber es half nicht. Mit einem Schrei von mir, brach meine Macht aus mir heraus. Aber sie war diesmal kein blauer Strahl. Es war eher, wie ein Schatten, der aus mir entwich und einen hohen Bogen beschrieb.

„Komm her, Ares!“, rief Hades und breitete seine Arme aus. „Ich rufe dich zu mir und verspreche dir, dass wir alles an uns reißen.“ Mein Körper wurde schlapp und ich sackte auf den Altar.

„Nicht“, hauchte ich und dann wurde alles um mich herum schwarz.

Vertrau mir, hallte eine mächtige Männerstimme in mir wieder. Das war das letzte, was ich hörte.

 

 

 

 

Kapitel 39

Kapitel 39

 

Wir waren Stunden lang herum geirrt und waren einer Spur gefolgt, die uns dann doch nur im Kreis geführt hatte. Aber ich gab nicht auf, wir mussten Aiden finden. Ich konnte ihn einfach nicht aufgeben ohne ihn wenigstens noch einmal gesehen zu haben.

„Das bringt nichts“, meinte Seth und lehnte sich an eine Häuserwand. „Sie wussten von Dylen. Sie sind bestimmt einfach umhergefahren, um uns zu täuschen.“ Ich knurrte Seth an und fletschte die Zähne. Ich werde nicht aufhören ihn zu suchen, das konnte er sich abschminken. Jess legte mir eine Hand auf den Kopf und kniete sich zu mir.

„Ich weiß, wie du dich fühlst, aber wir haben keine Anhaltspunkte mehr“, murmelte sie und sah traurig gerade aus. „Ich kann auch in den Gedanken der Menschen nichts lesen. Wir wissen ja noch nicht mal, wie sie Aiden weggebracht haben. Es kann jedes Auto gewesen sein oder ein Laster. Darauf achtet keiner.“

„Wir sollten trotzdem weiter suchen“, meinte Adam und stellte sich hinter Jess. „Aiden ist unser Bruder. Es ist unsere Pflicht ihn zu retten.“

„Wir könnten versuchen eine Verbindung zu ihm herzustellen“, schlug Darien vor. Ich sah ihn neugierig an. „Ich weiß nicht, ob es klappt, aber wir könnten es versuchen. Wenn wir unsere Macht zusammen tun und nach seiner rufen.“

„Ich bin dabei“, meinte Derek und streckte seine Hand aus. Darien legte seine Hand auf Dereks.

„Ein Versuch ist es wert“, stimmte Adam zu und legte auch noch seine Hand drauf. Und jetzt fehlte nur noch Seth. Er seufzte und legte auch noch seine Hand drauf.

„Ich hoffe, wir kommen nicht zu spät“, meinte er. Jess und ich traten einen Schritt zurück, um den Jungs etwas Platz zu lassen. Sie schlossen alle die Augen und konzentrierten sich. Ich wusste nicht genau was sie da taten, aber ich glaubte, dass sie ihre Macht baten, sie zu Aiden zu führen. Meine Nackenhaare stellten sich auf und ich spürte die unglaubliche Macht, die die vier freisetzten.

Plötzlich fegte ein Windstoß durch die vier hindurch und ich bekam einen Geruch in die Nase, den ich nie vergessen würde. Es war Aidens undefinierbarer Geruch … und diesmal war ich mir sicher, dass ich ihn finden würde.

„Sicher?“, fragte Jess und sah mich hoffnungsvoll an. Ich nickte und bellte dann. Die Jungs öffneten ihre Augen und ich nickte in die Richtung aus der ich den Geruch wahrgenommen hatte. Sie sahen sich an und nickten dann.

Aiden, wir kommen!

Diesmal hatte ich Aidens Geruch fest in der Nase. Er führte uns durch Straßen und Gassen, an öffentlichen Orten vorbei, an Wohnsiedlungen, an einem kleinen Markt … bis wir an einem großen Gebäude ankamen. Es war ein Hochhaus, aber ich war mir hundert prozentig sicher, dass Aiden hier war. Und um mich zu unterstützen fegte plötzlich eine Macht über uns hinweg, die mir irgendwie bekannt vorkam. Sie war nicht so stark, aber Jess und ich versteiften uns sofort. Es war eine Macht der Göttinen gewesen. … Liliana!

Schnell verwandelte ich mich zurück in einen Menschen. Derek gab mir sofort meine Sachen.

„Wir müssen uns beeilen. Sie haben schon angefangen“, meinte ich und zog mir mein Shirt über den Kopf.

„Aber will Hades nicht alle Mächte haben?“, fragte Seth als ich meine Schuhe anzog.

„Vielleicht hat er seine Meinung geändert, weil er jetzt weiß, das wir davon wissen“, meinte Derek.

„Ich hab ihn noch nie gemocht“, murmelte Seth. Und vielleicht war das auch der Grund, warum Hades so böse geworden ist.

„Schnell“, meinte ich nur und lief auf die Tiefgarage zu. Die anderen folgten mir. Ich musste mich kurz konzentrieren, um vielleicht noch ein bisschen von Aidens Geruch zu riechen.

Gerade als wir unten bei den ganzen Autos angekommen waren, öffnete sich eine Türe.

Derek packte mich am Arm und zog mich hinter einen Wagen. Er hielt mir den Mund zu und schirmte mich mit seinem Körper ab. Ich spürte seinen Atem an meinem Hals und seinen Körper an meinem.

„Es sind Dämonen“, flüsterte er und nahm langsam seine Hand von meinem Mund.

„Ich wollte unbedingt dabei sein, wenn Aiden seine Macht verliert“, meinte eine Männerstimme.

„Ja, ich auch. Wir könnten mit diesem Idioten machen, was wir wollen, wenn er nicht mehr so stark ist“, lachte ein anderer. „Dann ist er nur noch ein normaler Mensch.“

„Ein schwacher normaler Mensch“, stimmte der erste lachend zu. Ich ballte meine Hand zur Faust und hatte wirklich den Drang, den beiden eine zu verpassen, aber Derek hielt mich zurück.

„Scht“, machte er und brachte mich damit nur noch mehr zum Rasen. Was erlaubte er sich, mich hier so zu behandeln und mich nicht einfach drauf schlagen zu lassen? Aber im nächsten Moment hörten wir auch schon etwas knacken.

„Wir können weiter“, meinte Seth und kam aus seinem Versteck heraus. Auch wir anderen tauchten hinter Autos auf und ich sah neben einem weißen Van einen schwarzen Stiefel. Seth und Darien hatten den Dämonen das Genick gebrochen.

„Wir müssen uns beeilen“, befahl Darien und ging auf die Türe zu, aus der die beiden Dämonen gekommen waren. Ich wollte mich auch gerade auf den Weg machen, aber Derek hielt mich am Handgelenk fest.

„Derek was soll das? Wir müssen zu Aiden“, regte ich mich auf und wollte mich von ihm los reißen, aber er hielt mich einfach weiter fest.

„Dylen, wenn wir zu spät sind, dann darfst du nicht zusammenbrechen.“ Meine Augen weiteten sich und mein Körper erstarrte. Der Gedanke, dass wir zu spät kamen, war einfach schrecklich. „Auch wenn es darum geht Aiden hier raus zu holen, gilt es auch Hades aufzuhalten. Du musst auf dich aufpassen, okay?“

„Er ist nicht tot“, hauchte ich.

„Das hoffe ich auch, aber du musst es mir versprechen, Dylen.“ Ich sah Derek in die hellblauen Augen und bekam für einen Moment kein Wort heraus. Er sah traurig aus und er hatte Angst um mich. Gott, er liebte mich wirklich. Und ihm gefiel nicht, dass ich mich so um Aiden sorgte und doch sagte er nichts dazu. Er war hier um seinen Bruder zu retten, den Bruder, der ihm sein Mädchen genommen hatte.

„Derek“, flüsterte ich.

„Versprich es mir, Dylen. Ich weiß, das du stark bist und das macht es ein bisschen erträglicher, dich hier zu haben, aber ich will dich nicht verlieren.“ Er legte sanft eine Hand auf meine Wange. Oh Derek.

Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und küsste seine Wange.

„Versprochen“, murmelte ich. Er nickte und ließ mich los. Zusammen gingen wir dann zu der Türe, wo die anderen schon durchgegangen waren.

„Kommt ihr auch mal“, meinte Darien und war an der Spitze unserer Gruppe. Jess sah zu mir und bekam einen traurigen Ausdruck in den Augen.

Es ist nicht zu spät, sagte ich ihr in Gedanken. Sie nickte und nahm Adams Hand. Jetzt mussten wir leise sein, damit uns keiner bemerkte.

Wir waren jetzt in einem Treppenhaus, das noch weiter nach unten führte … nach oben ging es erst gar nicht. Darien führte uns an und ging langsam die Treppen runter. Es dauerte aber nicht lange, da kamen wir an einem Korridor an. Die Treppe ging weiter nach unten … der Kerker. Da war ich mir hundert prozentig sicher.

„Wir sollten uns aufteilen, vielleicht ist Aiden noch da unten“, murmelte Seth. Die Jungs sahen sich an und nickten. „Darien und ich gehen gucken.“ Wieder ein nicken und wir trennten uns. Darien und Seth gingen die Treppe weiter herunter und wir schlichen uns den Korridor entlang. Es war ungewohnt still hier, was ich gar nicht verstehen konnte. Sollte man hier nicht Wachen begegnen? Wir kamen an drei Türen vorbei, bis vor uns eine Türe zum Vorschein kam. Unten an der Tür dran ein Lichtstrahl hervor und Energie prallte uns entgegen … und sie roch nach Aiden. Ich wollte schon los laufen, aber Derek hielt mich am Arm fest.

„Wir dürfen nicht einfach hinein stürmen, wir wissen gar nicht wie viele da sind“, motze er mich an. Ich sah ihn grimmig an.

„Es sind acht“, murmelte Jess. „Hades und ein Riese und dann noch sechs Dämonen.“ Plötzlich zuckte Jess zusammen und Adam fing sie auf, bevor sie zu Boden sackte.

„Jess“, sagte er und legte ihr eine Hand auf die Wange.

„Ares“, hauchte sie. „Sie haben ihn … er ist draußen.“ Ich riss mich von Derek los und stürmte auf die Türe zu.

„Dylen!“, rief Derek mir nach und wollte mich wieder packen, aber er bekam mich nicht mehr zufassen. Schnell riss ich die Türe auf und stolperte in den Saal. Es war fast so als würde ich in den gleichen Raum laufen, wie der in meiner Vision. Es war ein großer Saal, mit einem Altar mitten im Zimmer, der auf einem Podest thronte. Allerdings war das alles zweitrangig. Die Energie, die ich gespürt hatte, schwebte in der Luft. Es war ein Schatten, der sogar ein Gesicht hatte … Aidens Gesicht. Ich wusste sofort, wer es war. Es war Ares. Mit einem Affenzahn steuerte er auf Hades zu.

„Nein!“, schrie ich und sprintete los, aber das half nichts. Ich war zu langsam. Der Schatten fuhr in Hades Brust und dieser schrie auf. Er sackte auf die Knie und stützte sich mit seinen Händen auf den Boden ab. Für einen kleinen Moment war alles still, aber dann lachte Hades laut auf.

„Unglaublich“, lachte er und kam langsam wieder auf die Beine. „Diese Kraft, sie durchströmt mich und macht mich stärker … mächtiger.“ Hades streckte die Arme aus und lachte lauter. Von ihm ging eine Energie aus, die einen umhauen konnte. Plötzlich drehte Hades sich zu uns um und lächelte mich an. „Ihr seid endlich da. Und keine Minute zu früh.“ Hades brauchte nur in unsere Richtung nicken und schon kamen die Dämonen auf uns zu. Der Riese, der an dem Altar stand war nicht dabei. Als ich nach hinten griff, um mir einen Pfeil zu holen und ihn dann spannte, sah ich, wie der Riese die Fesseln von dem Altar los machte. Erst da erkannte ich den leblosen Körper, der da lag. Es war Aiden und er bewegte sich kaum. Sofort erstarrte ich.

Du musst es mir versprechen, Dylen, hallte Dereks Stimme in meinem Kopf wieder. Ich hatte ihm versprochen nicht auszuticken. Ich musste jetzt erst einmal die Dämonen los werden und dann konnte ich mich vergewissern, dass Aiden wirklich tot war.

Also kämpfte ich gegen meine Starre, spannte den Bogen noch ein bisschen mehr und ließ den Pfeil dann fliegen. Er bohrte sich in den ersten Dämon, der mir zu nahe kam. Er fiel zu Boden und bewegte sich nicht mehr. Schnell holte ich noch einen Pfeil und feuerte auch den ab. Ich wollte gerade noch einen Pfeil ziehen, da kam ein Schatten auf mich zu und umfasste meinen Hals. Der Schatten hatte sich in eine Hand verwandelt, die mir jetzt den Hals zudrückte. Mein Bogen fiel zu Boden, weil ich meine Hände hob, um diese Schattenhände los zu werden. Ich versuchte die Schattenhand zu kratzten, damit sie mich los ließ, aber das brachte sie nur dazu noch fester zuzupacken. So langsam ging mir die Luft aus.

„Geht es dir nicht gut, Dylen?“, fragte Hades leise Stimme. Er starrte mich unentwegt an und kam langsam auf mich zu. Ich versuchte, zu atmen, aber es klappte nicht. „Du bist die nächste, der ich die Kräfte nehme, außer du willst vielleicht an meiner Seite bleiben.“ Er lächelte und ich sah wie er seine Hand noch ein bisschen fester zudrückte. Genau in dem Moment wurde auch der Druck an meinem Hals verstärkt. Er steuerte diese Schattenhand.

„Hades … bitte“, keuchte ich. Langsam hob mich diese Schattenhand hoch, sodass ich ein paar cm über dem Boden schwebte.

„Hmm, das reicht mir noch nicht, Dylen. Willst du nicht noch ein bisschen betteln?“

„Lass sie runter“, knurrte hinter mir jemand. An meiner Wange zischte ein Pfeil vorbei und bohrte sich dann in Hades Schulter. Die Schattenhand verschwand und ich sackte auf meine Knie. Augenblicklich stand Adam vor mir und hatte schon den nächsten Pfeil gespannt.

„Oh, ein dritter Bruder? Kannst du dich denn nicht endlich mal zwischen meinen Brüdern entscheiden, Dylen?“ Adam erwiderte nichts darauf, ließ den Pfeil los und sah zu, wie auch er sich in Hades Schulter bohrte. Dieser ging einen Schritt zurück, lächelte aber. Mit einem einzigen Ruck hatte er die beiden Pfeile aus seiner Schulter gezogen. „Hast du vergessen, dass ich Aiden seine Macht geklaut habe?“, grinste Hades. „Jede Wunde wird mich nicht mehr aufhalten, denn ich spüre rein gar nichts mehr.“ Das war nicht gut. Wenn er keinen Schmerz spüren konnte, dann würden ihn die Treffer auch nicht schwächen, das heißt auch, dass wir unterlegen sind. Es musste ein Plan her und zwar sofort.

Gab es denn keinen Spruch, wo man die Kraft wieder verliert? … Den Spruch den auch Hades gesagt hatte! Wenn wir ihn sprechen würden, dann hätte er die Kraft nicht mehr, sondern der, der ihn gesagt hat.

Ich sah an Adam vorbei zu dem Altar, auf dem Aiden immer noch lag … bewusstlos oder sogar tot.

Das kann nicht sein. Er stirbt nur durch den Dolch und dem Blut von derjenigen, die er liebt. Tot ist er sicher nicht.

Du hast Recht, aber wir müssen zu ihm kommen, damit er seine Macht wiederbekommt … Wenn ich diesen Spruch nur kennen würde.

Das würde auch nichts bringen. Du kannst die Macht eh nicht kontrollieren.

Mit einem schnellen Blick, sah ich hinter mich, um zu sehen, wo Jess war. Sie stand hinter Derek, der gegen die Dämonen zukämpfen hatte. Allerdings hielt sie einen Dolch in der Hand … und sie wusste genau, wie man damit umging. Denn gerade schaffte es ein Dämon an Derek vorbei und lief auf Jess zu. Sie drehte sich blitzschnell um, sodass sie mit dem Rücken zu dem Dämon stand und rammte den Dolch unter ihrer Schulter hindurch in die Brust des Dämons. Dieser riss die Augen auf und kippte dann um. Jess drehte sich wieder und sah mich an.

Kennt Adam den Spruch?, fragte ich sie in Gedanken, weil ich mir sicher war, dass sie sie lesen würde. Aber Jess schüttelte den Kopf. Das war nicht gut.

Plötzlich machte Adam vor mir einen Schritt zurück. Meine Aufmerksamkeit galt wieder Hades und was ich sah gefiel mir gar nicht. Adam zog einen Pfeil aus seinem Arm und umfasste ihn fester. Blut floss aus der Wunde.

Vor Hades war der schwarze Schatten, der mich eben fast erwürgt hatte, der wieder eine Hand formte und sich meinen Bogen geschnappt hatte. Einen Pfeil hielt Hades noch, den er aber jetzt von einer zweiten Schattenhand spannen ließ. Ich war zu langsam, da sauste der Pfeil auch schon in Adams Schulter … doch diesen scherte das nicht wirklich. Konnte es sein …

„Och, willst du nicht mit Derek tauschen?“, jammerte Hades. „Es ist doch langweilig, wenn wir beide keine Schmerzen spüren.“ Ich sah sofort zu den beiden Wunden, die Adam hatte … aber sie bluteten nicht mehr. Also hatte auch Adam die Fähigkeit, die auch Aiden hatte. Das war gut. Das war sehr, sehr gut.

Gerade dachte ich schon, wir hätten die Oberhand, aber da ertönte ein Schrei. Adam blieb still stehen, er zuckte nur kurz, weil er genau wusste, wer geschrien hatte. Er brauchte nicht zu gucken, um zu wissen, dass es Jess war, die geschrien hatte. Ich wollte mich aber vergewissern, da Hades anfing zu grinsen. Schnell sah ich zu ihr. Aber es stimmte. Irgendwie war der Riese, der eben noch neben den Altar gestanden hatte hinter sie geschlichen und hielt Jess jetzt ein Messer an die Kehle. Derek wollte ihr zur Hilfe kommen, aber da ritzte der Riese sie leicht in den Hals. Diesmal schrie sie nicht, keuchte nur auf. Derek blieb augenblicklich stehen und hob die Hände, um dem Riesen zu zeigen, dass er nichts tun würde. Im nächsten Moment schlugen zwei Dämonen ihm das Messer aus der linken und die Pistole aus der rechten Hand. Dann packten sie ihn an den Armen, verdrehte sie auf seinen Rücken und zwangen ihn auf die Knie. … Und schon war unsere Chance wieder auf Null gesunken.

„Ich wäre ja dafür, dass ihr zwei jetzt auch niederkniet und euch fesseln lasst. Ich muss schnell weiter machen“, meinte Hades. Ich wollte schon protestieren, aber Adam war schneller. In windeseile hatte er seinen Bogen wieder gespannt und einen Pfeil abgefeuert. Dieser sauste auf die Schattenhände zu und flog hindurch. Ich dachte erst, es wäre umsonst gewesen, aber da verschwanden sie und mein Bogen fiel wieder zu Boden. Den nächsten Pfeil hatte Adam auch schnell gespannt und zielte jetzt auf Hades, der reagierte aber auch schnell und fing den Pfeil auf. Dann hob er den Dolch mit der schwarzen Klinge und warf ihn … aber nicht in unsere Richtung, nein, er warf ihn zu Jess und seinem Riesen. Was … Ab da ging es einfach zu schnell.

Der Dolch traf Jess an der Schulter, im gleichen Moment hatte sich die Schattenhand wieder gebildet und zog den Dolch wieder aus ihr heraus. Bevor Adam reagieren konnte, schleuderte die Schattenhand den Dolch auch schon auf Adam zu. Ich schrie auf und schubste ihn aus der Bahn.

Ein stechender Schmerz durchfuhr meinen Körper … ausgehend von meinem Oberschenkel. Der Dolch mit der schwarzen Klinge steckte in meinem Oberschenkel fest und ließ mich augenblicklich erstarren.

„Nicht“, hauchte Jess und versuchte sich aus dem Griff des Riesen zu winden. Hades lachte auf und schon kam die Schattenhand auf mich zugeschossen. Sie schnappte sich den Dolch und legte ihn Hades in die Hand.

„Jetzt ist wohl auch Aidens Schicksal besiegelt“, lächelte Hades siegessicher. Meine Augen weiteten sich und ich schüttelte den Kopf.

„Aiden liebt mich nicht“, sagte ich und hörte nicht auf meinen Kopf zu schütteln.

„Oh Dylen“, lächelte Hades und streckte seine Hand aus. Die Schattenhand kam wieder auf mich zu und umfasste meinen Hals. Ich schnappte nach Luft und wurde dann in die Luft gehoben.

Plötzlich hielt mich etwas am Fuß fest, aber das hielt nicht lange an. Adam hatte versucht mich wieder auf den Boden zu ziehen, aber da hatte ihn schon irgendetwas getroffen, sodass er mich loslassen musste. Die Schattenhand brachte mich wieder zu Hades. Das war unser Ende.

 

Kapitel 40

Kapitel 40

 

Es schien so, dass Hades gewonnen hatte.

Nachdem ich wieder vor ihm in der Luft hing und nach Atem rang, tauchte Logan mit weiteren Gefolgsmännern auf. Und diesmal waren es nicht nur Dämonen. Es waren Vampire, Wandler, Hexen und sogar Werwölfe. Hades hatte sich eine ganze Arme geschaffen, die wir nie im Leben besiegen konnten. Vor allem, weil Hades auch noch die Macht von Aiden hatte. Und so wie es aussah, hatte er auch schon Lilianas Macht. Denn gerade nahm er sich die Zeit, um seine Wunden zu heilen. Sie hatte mir von ihren Fähigkeiten erzählt und ich war mir sicher, dass Hades so etwas vorher nicht konnte. Es schien, als sei er unbesiegbar. Wenn mir nichts einfiel, dann würde Hades auch noch unsere Macht bekommen und dann stand ihm nichts mehr im Weg.

Mir ging langsam die Luft aus und das machte es mir schwer nachzudenken. Hades betrachtete den Dolch in seiner Hand und packte ihn dann fester. Nein, er durfte Aiden nicht töten. Er drehte sich und ging einen Schritt auf den Altar zu.

„Du wirst ihn nicht töten können“, meinte Derek und brachte Hades dazu stehen zu bleiben. „Dylen hat es dir eben doch schon gesagt, oder nicht? Er liebt sie nicht. Sie gehört zu mir.“ Nein, nein, nein! Hades sprang auf Derek an und drehte sich zu ihm um.

„Nicht“, hauchte ich unverständlich. Ich musste etwas tun, unbedingt. Aber da schleuderte Hades auch schon den Dolch auf Derek zu.

„Nein!“, schrie ich erstickt auf. Ich konnte nur aus den Augenwinkeln sehen, wie Derek zusammen sackte, allerdings hielten die Dämonen ihn aufrecht. Sofort krallte ich meine Finger in die Schattenhand, um sie los zu werden, aber meine Finger glitten durch sie hindurch.

Doch dann brach die Hölle aus. Seth und Darien kamen herein gestolpert. Allerdings kamen sie nicht alleine. Hinter ihnen kamen noch weitere Dämonen und Anderswesen hinein. Ich bekam nicht mehr mit, was dann passierte, denn Hades trat einen Schritt auf mich zu. Er verdrehte die Augen und seufzte.

„Wir brauchen etwas Ruhe, findest du nicht auch, Dylen?“, fragte er mich und dann verschwanden wir.

Es war plötzlich ruhig und Hades und ich waren alleine. Die Schattenhand hob mich noch ein Stückchen weiter nach oben und knallte mich dann auf etwas hartes. Ich keuchte auf und der letzte Rest Sauerstoff strömte aus meinen Lungen. Allerdings ließ der Schatten mich jetzt los und ich konnte wieder atmen. Gierig saugte ich die Luft wieder in meine Lungen. Sie rebellierte und ich hustete. Das war zu viel, zu schnell.

Ich hatte mich so langsam beruhigt und merkte jetzt erst, wo Hades mich wieder hingebracht hatte. Wir waren wieder in seinem ersten Versteck. Nein, nein, das konnte nicht sein. Ich musste hier weg. Ich war ganz alleine mit ihm und konnte mich nicht wehren … doch! Ich war ein Wolf. Ich lass mich doch nicht von diesem Typen unterkriegen, nur weil er Hades, der Gott der Unterwelt war. Auf keinen Fall. Es war ja nicht so, dass ich nicht auch eine Göttin war. Ich konnte ihm das Wasser reichen, wenn ich nur an mich glaubte, dann könnte ich ihn auch besiegen.

Gerade wollte ich mich aufsetzten; meine Lunge hatte sich wieder beruhigt und ich konnte wieder normal atmen. Klar, ich keuchte noch etwas, aber das würde mich nicht aufhalten und wenn … dann unterdrückte ich einfach den Schmerz. Ich musste Hades aufhalten, das war im Moment das wichtigste. Doch ich kam nicht zu einem einzigen Schlag. Denn sofort waren die Schattenhände wieder da und drückten mich auf den Altar zurück. Ich riss an meinen Armen und strampelte mit meinen Beinen, aber es half nichts. Sie pinnten mich einfach auf den Altar. Hades Gesicht tauchte über meinem auf; seine Lippen waren zu einem süffisanten Grinsen verzogen. Sofort kochte Wut in mir hoch. Ich sah Aidens Körper, der reglos auf dem Altar lag und sah nur noch rot. Hades hatte ihm das angetan und das nur, weil er sich gegen ihn gestellt hatte. Dafür würde er bezahlen.

Ich schloss die Augen und wollte mich gerade verwandeln – meine Klamotten waren mir gerade wirklich egal. Aber dazu kam es nicht, denn plötzlich breitete sich ein Schmerz in meinem Bauch aus. Ich keuchte auf und riss meine Augen auf. Hades hatte mir mit den Zeremoniendolch eine Wunde am Bauch verpasst. Er grinste und hob den Dolch mit dem goldenen Griff an seine Lippen und färbte sie blutrot. Das war es … ich konnte doch nichts ausrichten.

„Lass sie los!“ Mein ganzer Körper erstarrte. Das konnte nicht sein … das … das war Aidens Stimme gewesen. Hades Schultern zuckten kurz und dann drehte er sich langsam um. Auch ich drehte langsam meinen Kopf. Er … er … ihm ging es gut.

„Du bist lästig“, meinte Hades und sah seinen Bruder an. Aiden stand mitten im Raum, wackelig, aber er stand.

„Aiden“, hauchte ich und traute immer noch nicht meinen Augen. Das … ich wusste ja, dass Hades ihn nicht einfach so töten konnte und doch war es einfach ein Schock gewesen, Aiden so leblos auf dem Altar zu sehen. Mein Verstand hatte es gewusst, aber meine Augen hatten nur das gesehen. Gesehen, dass er sich nicht bewegte, kein Lebenszeichen von sich gab. Und jetzt stand er hier. Atmete und bewegte sich. Seine Beine waren noch nicht ganz wieder belastbar, aber er hatte den Willen zu stehen. Ich war mir sicher, dass es ihm nicht gut ging, dass er keine Kraft hatte. Wie konnte es ihm auch gut gehen? Hades hatte ihm seine Macht genommen, ohne diese war einfach ein normaler Mensch, nichts besonderes. Und eigentlich konnte er gegen Hades nichts ausrichten.

„Was willst du, Aiden? Du kannst dich doch kaum auf den Beinen halten“, grinste Hades und hob die Hände. „Dass du es überhaupt geschafft hast, hier her zu kommen.“

„Ich hab mich einfach an dir festgehalten“, meinte Aiden nur. Ein Schweißtropfen rann ihm über die Schläfe, seine Kiefer presste er zusammen. Ihm ging es nicht gut, er würde nichts ausrichten können. Hades lachte und hob den Dolch wieder an seine Lippen. Mein Blut klebte immer noch an dem Dolch und auch noch an seinen Lippen. Aber er wollte Aiden reizen.

„Und wie willst du mich aufhalten, Aiden? Ich kann Ares viel besser einsetzten, als du!“ Die Schattenhände ließen mich los und flogen neben Hades, wo sie sich in einen Menschen verwandelten. Er war zwar aus Schatten, aber es war ein Mann … es war Ares. Das konnte nicht sein. Wenn die anderen die Wahrheit sagten, dann könnte Aiden nichts gegen sein anderes Ich ausrichten. Ares würde töten, alles was sich ihm in den Weg stellt und das war gerade nun mal Aiden. Hades lachte wieder, diesmal klang es ein bisschen siegessicher.

„Mach ihn für mich fertig“, gab er dann den Befehl. Der Schattenmann machte einen Schritt auf Aiden zu.

„Nein!“, rief ich, aber da preschte der Schatten auch schon los. Ich konnte nur zusehen, wie der Schattenmann mit der Faust ausholte und Aiden einen Kinnhacken verpasste.

Nur nebenbei vernahm ich gemurmelte Worte einer anderen Sprache. Aber als ich dann ein leichtes ziehen in meinem Inneren verspürte, sah ich zu Hades. Er hatte die Arme gehoben und murmelte etwas vor sich hin. Plötzlich schrie ich auf und krümmte mich auf dem Altar. Ein unerträglicher Schmerz fuhr durch meinen gesamten Körper. Und dann brach aus meinem Bauch ein grüner Strahl heraus.

„Aiden!“, schrie ich voller Schmerz.

 

 

Ihr Schrei ging mir durch Mark und Knochen. Mein Körper erstarrte und hatte nur noch Augen für den grünen Machtstrahl, der aus Dylen herausbrach. Ich hatte Daphne versprochen auf sie auf zupassen. Ich hatte sie mein ganzes Leben beschützt und jetzt sollte ich versagen? Aber das war es nicht. Nicht mein Versprechen an Daphne, war es das meinen Körper erstarren ließ. Es war die Angst sie zu verlieren. Die Angst nicht mehr in ihre strahlend blauen Augen zu sehen, wenn sie mich ansah. Die Angst, sie nie mehr im Arm zu halten. Die Angst, ihr nicht sagen zu können, wie viel sie mir bedeutete, dass ich sie liebte.

Doch da traf mich die Schattenfaust von Ares und ich ging zu Boden. Ich starrte hinauf in mein eigenes Gesicht. Ich würde an ihm nicht vorbei kommen, er würde mich bewusstlos prügeln und dann konnte Hades mich töten. Ohne Widerstand.

Ares trat noch weiter auf mich zu, sodass ich zwischen seinen Beinen lag und gedemütigt wurde, indem ich aus dieser Position zu ihm herauf schauen musste. Es war so oder so demütigend von sich selbst geschlagen zu werden. Wir sahen uns in die Augen … na ja, er hatte nicht wirklich Augen. Es waren einfach schwarze Augen.

Vertrau mir, hallte es in meinem Kopf.

Ares?

Vertrau mir einfach.

Gut, ich vertraue dir.

Er streckte seine Hand aus und hielt sie mir hin. Vertrauen … meinem anderen Ich, was mir immer Schwierigkeiten bereitet hat? Ich hatte keine andere Wahl. Meine Kraft war am Ende und ohne ihn würde ich es nicht schaffe, Dylen zu retten.

Als ich seine Hand annahm, schrie Dylen wieder. Ares zog mich auf die Beine und dann geschah es. Kaum das ich stand, löste Ares sich auf und sauste auf meine Brust zu. Der Schatten drang in mich hinein und ich musste einen Schritt zurück machen. Er war wieder bei mir, er war wieder in mir … ich war wieder er. Sofort als ich spürte, dass Ares und ich wieder eins waren, ließ ich ihm freien Lauf. Genau das hatte er von mir verlangt, als er sagte, ich solle ihm vertrauen. Und das tat ich, zwar hatte ich noch Zweifel … aber ich musste ihm jetzt freien Lauf lassen. Anders würde ich es nicht schaffen.

Zu unserem Glück hatte Hades sich umgedreht und bekam so nicht mit, dass ich mich ihm näherte. Ich musste ihn jetzt aber stoppen, sonst würde er Dylen ihre Macht nehmen. Meine Hand ballte sich zur Faust und dann schlugen wir zu. Nicht auf Hades Körper oder Kopf, sondern auf die Hand, die den Dolch hielt. Er schepperte auf den Boden und Hades drehte sich um. Die Formel sagte er nicht mehr auf, sodass Dylens Körper sich wieder entspannte und auch die Macht, die sich über ihr gesammelt hatte, fuhr wieder in ihren Körper zurück. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sie leicht in sich sackte, aber jetzt mussten wir uns erst einmal um Hades kümmern. Schnell hoben wir den Zeremoniendolch auf und wischte Dylens Blut an meinem Ärmel ab.

„Ares, komm zurück“, befahl Hades, streckte eine Hand aus und machte eine Faust.

Nichts geschah.

„Ich bin nicht dein Sklave“, sagte ich, aber es war nicht meine Stimme die dort sprach. Sie hörte sich eher an wie ein Echo, ein Echo das Schrecken verbreitete.

„Ich habe dich an mich gebunden, wie kann das sein?“

„Ich bin nicht etwas, was man besitzen kann. Ich bin derjenige, der besitzt.“ Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Hades sich ergab oder herumstammelte und genau das tat er auch nicht. Er war viel zu gerissen, um sich deswegen Sorgen zu machen. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das immer größer wurde.

„Ich hatte gehofft, dass ihr zwei wieder zueinander finden würdet. Ich muss zugeben, dass ich Ares gerne gesteuert hätte, aber gegen dich zu kämpfen wird mir wohl mehr Spaß machen.“

„Ich werde mit dir spielend fertig und das weißt du auch“, knurrte Ares und seine Stimme wurde noch ein bisschen dunkler.

„Das werden wir ja sehen.“ Hades machte einen Schritt auf Dylen zu. Aus Reflex warfen wir den Zeremoniendolch. Hades fing ihn auf und lächelte.

„Danke“, damit verschwand er.

„Mist!“ Neben uns bewegte sich Dylen und sofort war sie der Mittelpunkt.

Lass mich wieder übernehmen, sprach ich Ares an, aber er ignorierte mich. Unsere Augen studierten sie, wie sie sich langsam auf ihre Arme stützte und sich hinsetzte. Wir machten einen Schritt auf sie zu und ich spürte die Wut in uns. Die Wut, die immer da war, die ich aber unterdrückte.

„Aiden?“, flüsterte sie, hielt sich den Kopf und sah uns dann in die Augen … nein, sie sah nicht uns in die Augen … sie sah ihm in die Augen. Und diese waren das Gegenteil von meinen, sie waren dunkler, grausamer. Dylens Augen weiteten sich und sofort fuhr eine Hand an ihren Hals, wo sich bald ein blauer Fleck abzeichnen würde. „Ares“, hauchte sie voller Angst. Er hatte sie gewürgt, hatte sie beinahe erwürgt.

Ich schwöre dir, wenn du ihr noch weiter weh tust, dann werde ich dich töten!, knurrte ich Ares an … aber er reagierte immer noch nicht. Er ging weiter auf sie zu - ich hatte keine Kontrolle mehr über ihn. Dylen verkrampfte sich und versuchte irgendwie ihren Hals zu schützen. Und jetzt als Ares den Arm nach ihr ausstreckte, zuckte sie sogar zusammen.

„Wo ist Aiden?“, hauchte sie leise und versuchte stark zu sein.

„Er ist in mir“, sagte Ares mit seiner dunklen und Angst einflößenden Stimme.

„Du musst ihn wieder frei lassen.“ Ihre Stimme zitterte noch ein wenig, aber sie beruhigte sich langsam.

„Was, wenn ich das nicht tue?“ Er ging einen weiteren Schritt auf sie zu; sie lehnte sich automatisch ein bisschen weg. Und genau das reizte Ares. Er liebte es, wenn Menschen Angst vor ihm hatten, wenn sie um Gnade bettelten. „Wirst du mich dann verfluchen?“ Ein weiterer Schritt. „Oder wirst du mich dann nur anschreien?“ Noch ein Schritt. „Oder wirst du mich vielleicht schlagen?“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Aber das alles nahm ich nicht wirklich war, es war Dylen, die ich sah. Sie hatte Angst vor Ares, weil sie den Geschichten glaubte und das war gut so, so unterschätzte sie ihn nicht, aber da hatte sich etwas an ihr verändert. Sie ließ die Hand von ihrem Hals sinken und war viel offener. Sie ging von der Defensive in die Offensive. Das war unglaublich.

„Vielleicht mache ich das“, entgegnete sie. Allerdings spornte das Ares noch mehr an. Er brauchte nur noch zwei Schritte bis er bei ihr war.

„Meinst du, ein kleiner Schlag von einer so zierlichen Frau wie dir, würde mich dazu bringen ihn wieder herauszugeben?“

„Ich geb dir gerne eine Kostprobe.“ Jetzt war sie vollkommen in Angriffsposition. Sie hatte ihre Beine vom Altar genommen, sodass sie ihm gegenüber saß. „Kannst dir aussuchen, ob du nur meine Faust oder auch meine Zähne spüren willst.“ Ares lachte und war blitzschnell bei ihr. Sie hatte keine Chance irgendetwas zu tun. Er hatte sie wieder auf den Altar gepinnt, sie zwischen seinen Knien und hielt ihre Arme über ihrem Kopf gefangen … mit nur einer Hand. Dylen hatte kurz aufgekeucht, aber jetzt starrte sie ihn böse an. „Also meine Zähne.“ Das brachte Ares wieder zum Lachen und er packte ihr Kinn … sanft. Er war nicht grob oder aggressiv, er war sanft. Dylens Augen weiteten sich.

„Das ist meine Aphrodite“, hauchte er und dann küsste er sie. 

Kapitel 41

Kapitel 41

 

Ich riss meine Augen auf. Was … was tat er da? Er küsste mich doch nicht wirklich. Oder?

Ich wusste nicht, was ich tun sollte, aber als Ares Zunge über meine Lippen strich, öffnete ich sie ohne zu zögern. Wir küssten uns immer leidenschaftlicher und je länger wir uns küssten, desto lockerer wurde Ares Griff an meinen Händen … bis er mich ganz los ließ.

Ich keuchte, als wir uns lösten und starrte in dunkelgrüne Augen … in Aidens dunkelgrüne Augen.

„Aiden“, hauchte ich und wie automatisch legte sich meine Hand auf seine Wange.

„Ich dachte, er würde dir etwas tun“, flüsterte er zurück … in seiner normalen rauen Stimme. Ich lächelte leicht und strich mit den Daumen über seine Wange.

„So wie es aussieht mag er mich.“ Aiden schloss die Augen und schüttelte den Kopf.

Es war komisch, aber ich hatte keine Angst mehr. Und auch, wenn ich jetzt an Ares dachte, hatte ich ein ganz anderes Gefühl. Ich wusste jetzt, dass ich vor ihm keine Angst mehr haben brauchte. Er war brutal, er war blutrünstig und bedrohlich, aber er war auch sanft. Auf jeden Fall war er das zu einer bestimmten Frau: Aphrodite.

„Er mag dich nicht nur“, murmelte Aiden. Was meinte er damit? Ich verstand nicht richtig, was er damit meinte, denn gerade drehten sich meine Gedanken um Aphrodite. Ares hatte mich so genannt … oder? Oder hatte er sich nur an seine Aphrodite erinnert? „Wir müssen zurück.“ Aiden richtete sich auf und ging dann von dem Altar herunter. Ich war noch leicht perplex und wusste nicht so recht, was er von mir wollte. Aber dann nahm Aiden meine Hand und zog mich hoch … allerdings stoppte er dann auch. Er sah mir in die Augen und ich sah, wie er überlegte. Und ich wusste genau über was er nachdachte.

„Auf keinen Fall lässt du mich hier zurück“, sagte ich und sprang von dem Altar herunter. „Wenn du das tust, Aiden, dann hasse ich dich“, drohte ich ihm.

„Dylen, wenn du mit kommst dann ...“

„Was dann? Dann könnte er mir wieder meine Macht nehmen? DIR kann er auch wieder etwas tun, auch wenn du Ares wieder bei dir hast, heißt das noch lange nicht, dass du auch wieder stark genug bist.“ Er machte den Mund auf, um zu widersprechen, aber ich ließ ihn erst gar nicht zu Wort kommen. „Nein, du sagst jetzt nichts mehr. Wir zwei müssen zurück. Hades hat den Dolch, der euch Unsterblichen umbringen kann, mit meinem Blut auf Derek geworfen, wir müssen zurück.“ Aiden sah mich an und ich hatte geglaubt, dass er weiter diskutieren würde, aber stattdessen hielt er mir seine Hand hin. Ich lächelte und nahm sie an.

„Du hältst dich erst einmal zurück und suchst dir eine Waffe“, meinte Aiden dann und zog mich in seinen Arm. „Verstanden?“ Ich sah zu ihm auf und in seine dunkelgrünen Augen, aber sie waren nicht mehr wirklich dunkelgrün … auch Aidens Stimme hatte sich etwas verändert. Sie war immer noch die raue Stimme, die ich so sehr mochte, aber sie war auch die dunkle, beängstige Stimme von Ares. Und genauso war es auch mit seinen Augen. Das rechte war dunkelgrün, wie ich es in Erinnerung hatte und das linke war einfach nur schwarz. Sie agierten zusammen. „Dylen?“, fragte Aiden jetzt ein bisschen sanfter und sah mir in die Augen.

„Ja, verstanden“, nickte ich. „Aber versprich mir, dass euch auch nichts passiert.“ Er blinzelte und sah mich perplex an. „Verstanden?“

„Ich kann nichts versprechen, Dylen.“ Ich wollte ihn wieder anmotzen, aber da schnitt er mir auch schon das Wort ab. „Ich versuche es.“ Damit musste ich jetzt leben, zu mehr würde ich ihn nicht bringen können … und vor allem mussten wir so schnell es ging zurück. Hades hatte den Zeremoniendolch und ich hatte keine Ahnung was mit Derek war.

Mit einem Wimpernschlag waren wir wieder mitten im Getümmel. Überall kämpften Leute. Es war eigentlich so unübersichtlich und auch total unwahrscheinlich, dass wir gegen die Anzahl von Dämonen und Anderswesen ankamen … und doch hielten Aidens Brüder durch. Jeder von ihnen stand bestimmt zehn Gegnern entgegen, aber Sorgen machte ich mir nicht um sie … nur um zwei Personen sorgte ich mich. Die eine war Jess, aber sie war bei Adam und schlug sich tapfer gegen die Dämonen. Als ich sicher war, dass Jess klar kam, suchte ich Derek. Meine Augen suchten ihn im ganzen Saal, aber ich fand ihn nicht … auf jeden Fall nicht am kämpfen. Erst da sah ich einen Stiefel … Dereks Stiefel. Seth stand vor einem Körper und kämpfte gegen acht Dämonen. Der Körper, der da auf dem Boden lag, war Derek. Er bewegte sich nicht … das konnte nicht sein.

Plötzlich schubste mich etwas zur Seite. Ich sah nur, wie Aiden einen Schritt nach vorne machte und Logan gegenüber stand. Neben mir steckte ein Pfeil im Boden.

„Och man, Aiden, lass mir doch den Spaß“, meinte Logan und grinste mich an. Ich funkelte ihn nur an und schnappte mir den Pfeil. „Hast du Derek schon gefunden?“ Ich erstarrte sofort. „Der Zauberspruch von Dragana hatte ein kleines Schlupfloch“, grinste er mich an.

„Halt die Klappe“, brauste Aiden ihn an … nein, es war diesmal Ares. Seine Stimme unterschied sich so dermaßen von Aidens, dass ich es einfach wusste. Nur … warum verteidigte er mich? Warum arbeitete er plötzlich mit Aiden zusammen? Aber darüber konnte ich nicht weiter nachdenken, denn Logan sprach weiter.

„Ich weiß nicht, was hier los ist oder was auch immer bei euch los ist“, meinte Logan und zuckte die Schultern. „Aber eins weiß ich, Derek und Aiden lieben dich und einer von beiden ist sogar dein Gegenstück … und deswegen ist Derek wohl auch ...“

„Nein!“, schrie ich dazwischen. „Nein, er ist nicht tot.“ Das konnte nicht sein, das … ich hatte gehofft, dass der Dolch ihn verfehlt hatte und ich konnte Logan auch einfach kein Wort glauben. Ich musste Derek sehen …

Logan lachte und schloss die Augen.

„Du bist zu naiv, Dylen. Ihm war doch klar, dass wenn er Hades auf sich lenkte, dass er sterben würde, weil er dich liebt.“

„Nein“, hauchte ich und schüttelte den Kopf.

„Du solltest jetzt die Klappe halten“, meinte jetzt wieder Aiden, mit seiner gemischten Stimme. Logan konzentrierte sich wieder auf Aiden, der jetzt auf ihn zupreschte. Für einen kleinen Moment vergaß ich, dass Aiden noch immer das Siegel von Logan auf seinem Rücken hatte. Ich wollte mich umdrehen, um zu Derek zu laufen, um ihm zu helfen, als Aiden stehen blieb und Logan lachte.

„Ich muss sagen, ich muss mich jetzt darauf konzentrieren, dir wirklich weh zutun, am Anfang war es einfach nur so, dass ich in deiner Nähe sein musste, aber jetzt durch Ares ist es schwerer … aber es funktioniert.“ Ich musste ihm helfen. Zwar hatte ich einen Pfeil in der Hand, aber mein Bogen war weg … er lag am anderen Ende des Saales und ohne Aufsehen zu erregen, würde ich niemals an ihn heran kommen. Und gerade als ich mir etwas ausdenken wollte, wie ich den anderen helfen konnte, war es schon fast vorbei.

Ein Schrei hallte von den Wänden ab und mein Kopf schwenkte sofort in Jess Richtung.

„Adam!“, schrie sie und wurde von zwei Dämonen gepackt, ihr Messer rutschte über den Boden und blieb neben Adams Fuß stehen. Dieser drehte sich um und wollte Jess helfen, aber dann überwältigten ihn zwei Vampire, drehten ihm die Arme auf den Rücken und zwangen ihn auf die Knie. Auch Seth wurde in die Enge getrieben, sodass er über Dereks leblosen Körper stolperte. Die Vampire begriffen sofort und packten ihn. Dann huschte mein Blick zu Darien, aber der war auch in einer verzwickten Lage. Er wurde von zwei Vampiren und sogar zwei Wölfen umringt. Ich wollte ihm zurufen, aber da sprangen die beiden Wölfe schon los und verbissen sich in Dariens Armen. Er schrie auf und ging zu Boden. Jetzt blieb nur noch Aiden. Er stand still vor Logan, aber ich sah, wie er langsam anfing zu zittern und auch an seiner Schläfe rann etwas Schweiß herunter. Allerdings hielt das nicht lange an. Plötzlich strafften sich seine Muskeln und er wurde ruhiger. Er hatte Ares jetzt wieder ganz raus gelassen, anders konnte er Logan nicht gegenübertreten.

„Schluss mit dem Theater“, rief Hades. Die Dämonen, Vampire, Wandler und alle anderen gehorchten ihm und standen still, außer die, die die Jungs und Jess festhielten. Hades schlenderte auf Dereks Körper zu. Ich folgte ihm mit meinem Blick und sah dann Derek an. In seiner Brust steckte noch der Dolch, der Dolch mit der schwarzen Klinge.

Es war meine Schuld, dass Derek tot war. Ich hatte nicht zulassen dürfen, dass Hades den Dolch warf.

Und wie hättest du das verhindern sollen? Ares Schattenhände hätten uns beinahe auch getötet. Derek hatte dich einfach retten wollen, er hat die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, anstatt auf dich.

Das hat ja auch super funktioniert! Ich hätte Hades einfach wieder auf mich lenken müssen.

Oder auf Aiden, aber das konntest du nicht. Derek wusste, was er tat.

Und trotzdem fühle ich mich schlecht.

„Oh, Bruderherz, du atmest ja noch“, meinte Hades und holte mich so aus meinen Gedanken. Ich sah sofort zu Derek, neben dem Hades kniete. Das konnte nicht … oh bitte, bitte lass ihn durch kommen. Ich stand gerade auf, da zog Hades den Dolch aus Dereks Brust. Dieser hustete und spuckte Blut. Er lebte … noch … aber dieser Zustand würde auch nicht mehr lange anhalten.

Und genau deswegen dachte ich jetzt nicht mehr, sondern handelte. Auf einmal lief ich durch die Dämonen hindurch, ließ mich auf den Boden fallen und schlitterte zu meinem Bogen. Dann kam ich wieder auf die Beine, spannte den Bogen und zielte auf Hades Rücken.

„Geh weg von ihm“, rief ich und zog die Aufmerksamkeit auf mich.

„Nicht“, rief Jess, aber es war eh zu spät. Hades drehte sich zu mir um und lachte.

„Oh Dylen, ich bewundere deinen Mut, aber es ist zu spät. Derek wird sterben und das nur, weil er dich liebt.“ Meine Lippen bebten, aber ich durfte jetzt nicht einknicken.

„Das kann sein“, presste ich hervor und zielte direkt auf Hades Herz. „Aber ich werde nicht zulassen, dass du ihm auch noch seine Macht stielst.“

„Und du meinst, ein Pfeil würde mich aufhalten?“ Ich wusste nicht, ob Hades noch Aidens Macht hatte, weil nicht sicher war, ob nur Ares wieder zurück gekommen war … aber ich wusste, dass er immer noch Lilianas Macht in sich hatte … und das hieß, dass er sich heilen konnte. Aber solange ich ihn etwas ablenken konnte, würde es schon reichen.

„Nein, ein Pfeil nicht, aber ich“, antwortete ich ihm.

„Dylen, sieh dich doch mal um, selbst meine Brüder können nichts gegen mich ausrichten.“ Er grinste immer breiter und spielte mit den Dolch herum. Er machte einen Schritt in meine Richtung. Wenn ich den Pfeil jetzt abschoss, hatte ich nichts mehr in der Hand … ließ ich Hades aber noch näher treten, dann könnte es sein, dass ich erst gar nicht zum Schuss komme.

Er trat noch einen Schritt auf mich zu … und ich ließ den Pfeil los. Er sauste auf Hades zu, der sich versuchte, zu retten. Allerdings versank die Pfeilspitze in seiner Schulter. Hades schrie nicht auf oder sackte zusammen, lediglich riss seine Schulter nach hinten, bei der Wucht und der Geschwindigkeit des Pfeiles war das verständlich. Aber ich hatte erreicht, was ich erreichen wollte. Alle sahen jetzt entweder zu mir oder zu Hades, weil sie Angst hatten, dass Hades doch etwas passiert sein könnte.

„Runter!“, rief Aiden. Ich verstand nicht wirklich was er von mir wollte, aber da kam er schon auf mich zu und zusammen stürzten wir auf den Boden. Aiden kniete über mir und barg meinen Kopf an seiner Brust. „Halt die Luft an, wenn ich es dir sage“, befahl Aiden mir. Ich verstand immer noch nicht, was hier jetzt vorging, aber ich wusste, dass ich auf Aiden hören musste.

Plötzlich erbebte der Boden und ich bekam richtig Angst. Aiden sagte Luft anhalten... was passierte hier?

„Jetzt!“, rief er und ich holte tief Luft. Aiden hielt mich fest und dann kam eine riesige Wassermasse auf uns zu. Ich kniff die Augen zusammen und krallte mich an Aiden fest. Aber das half nichts; wir wurden von dem Wasser erfasst und mitgerissen. Ich hatte keine Ahnung, woher das Wasser kam, noch wo es uns hin spülte.

Langsam wurde mir der Sauerstoff knapp und ich merkte, wie mein Körper nach diesem verlangte. Aber das Wasser verschwand noch nicht. Und ich wusste auch nicht, wann das so sein würde. Wer steuerte das alles hier eigentlich? Wenn es nicht einer aus unseren Reihen war, dann würden wir noch lange im Wasser schmoren, bis wirklich gar keiner mehr Luft bekam. Hades würde ich so etwas zutrauen.

Aiden zog mich näher an sich und drehte uns. Ich hatte meine Augen immer noch geschlossen und ich zwang mich auch, sie weiter zu zulassen. Ich wollte nicht sehen, wie hier alles unter Wasser stand und Dämonen und andere Wesen herum schwammen. Aber dann knallten wir gegen etwas. Ich riss meine Augen auf und automatisch machte ich auch meinen Mund auf. Doch bevor Wasser in meinen Mund dringen konnte, zog Aiden mich näher an sich und verschloss seinen Mund mit meinem. Aiden gab mir Luft und zeigte mir dann mit einer Hand, dass ich den Mund wieder zu machen sollte. Ich gehorchte und presste meine Lippen fest zusammen. Lange würde ich zwar nicht mehr durchhalten können, aber ich musste es wenigstens versuchen.

Aiden drehte uns wieder und drückte mich gegen die Wand, gegen die wir gerade eben gedrückt worden waren. Ich wollte schon fragen, was er vor hatte, aber das ließ ich lieber. Er zeigte mit seinem Zeigefinger auf die Stelle, wo wir schwammen. Das hieß wohl soviel wie: Du bleibst hier! Ich nickte, obwohl ich nicht verstand was er vor hatte. Doch dann sah ich Derek, der etwas weiter weg trieb. Aiden stieß sich von der Wand ab und schwamm zu Derek. Ich wollte ihm schon hinterher, aber das war wohl nicht der Sinn der Sache.

Aiden packte Dereks Arm und wollte wieder zu mir kommen, doch da rumorte es irgendwo und das Wasser sank. Ich persönlich fand das klasse, denn ich spürte so langsam, dass mir die Luft ausging. Das Wasser floss genauso schnell ab, wie es gekommen war … wohin? Wusste ich nicht und es war mir eigentlich auch egal, Hauptsache es war weg, damit ich wieder atmen konnte.

Ich holte tief Luft und rappelte mich auf. Aiden und Derek waren nicht weit von mir weg, allerdings lagen auch ein paar Dämonen hier herum, die nach Atem rangen. Und als ich ans Ende des Raumes sah, entdeckte ich Adam … oder eher Poseidon. Er hatte das Wasser heraufbeschworen und deswegen hatte Aiden auch gewusst, was zutun war. Hätte er es nicht begriffen, dann lägen wir auch auf dem Boden und wären vielleicht ertrunken.

Ich kam bei Aiden und Derek an und ließ mich auf den Boden fallen.

„Derek“, redete ich auf ihn ein und legte eine Hand auf seine Wange. Aber er machte keine Geräusche und bewegte sich auch nicht. „Bitte, bitte wach auf“, hauchte ich und legte meine Stirn auf seine Brust.

„Wisst ihr, was ich mich jetzt frage?“, ertönte Hades Stimme hinter uns. Ich schloss nur die Augen und versuchte, seine Stimme, die mir einfach nur eine Gänsehaut bescherte, auszublenden. Ich wollte nicht hören, was er zu sagen hatte. „Zu wem gehört die kleine, süße Dylen denn jetzt?“

„Was interessiert dich das?“, knurrte Seth. Jemand legte mir die Hände auf die Schultern, die leicht zittern. Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich leicht weinte. Und als ich aufsah, sah ich in Jess hellgrüne Augen. Sie waren alle näher getreten und beschrieben jetzt einen Halbkreis um Derek und mich.

Ich sah Jess in die Augen und sah dort Entschlossenheit. Sie sah mir fest in die Augen und schien sich wohl zu konzentrieren.

Dylen, hörst du mich?, ertönte ihre sanfte Stimme in meinem Kopf.

Ja, ich höre dich.

Ich war zwar voll perplex, aber ich musste jetzt Ruhe bewahren.

Gut, ich werde das jetzt nicht lange durchhalten also hör mir gut zu. Du nimmst jetzt die Kette, die Dragana uns gegeben hat, und verschwindest mit Derek zu Xander und Dragana. Vielleicht können sie noch etwas für ihn tun.

Was? Nein, ich kann euch nicht alleine lassen, Jess.

Die Jungs wollen das wir verschwinden. Ich komme auch gleich nach. Seth und Darien haben die andere Göttin gefunden, von der du gesprochen hast. Ich werd sie aus dem Kerker holen und auch hoch kommen.

Ja, aber …

Nein, die Jungs müssen sich konzentrieren und sich nicht auch noch mit uns herumschlagen.

Ich sah über meine Schulter zu den Jungs. Sie hatten Derek, Jess und mich abgeschottet. Allerdings standen hinter Hades wieder Dämonen, die den Überschwemmungsangriff von Adam überlebt hatten. Es waren nicht mehr viele, die noch auf dem Boden lagen … und tot waren. Ich hatte kein gutes Gefühl bei der ganzen Sache. Ich konnte die Jungs nicht alleine lassen.

Bitte Dylen. Sie können uns hier nicht gebrauchen. Wenn Hades unser Blut noch mal in die Hände bekommt, dann haben Adam und Aiden ein großes Problem.

Aiden wird nichts passieren … Derek wird schon wegen mir sterben …

Und genau deswegen müssen wir ihn zu Dragana schaffen. Vielleicht kann sie ihn retten. Sie hat die Jungs mit diesem Zauberspruch belegt, vielleicht kann sie ihn wieder rückgängig machen.

Aber …

Nein, du bringst ihn jetzt hoch!

Und wir sollen die Jungs alleine lassen?

Im nächsten Moment hörten wir ein Geräusch … als wenn jemand ertrinken würde. Es war ein Gurgeln, ein Geräusch, was mir eine Gänsehaut verpasste. Und mit einem Blick über meine Schulter, sah ich was geschah. Zwei der Dämonen hatten Blasen um deren Köpfe … Blasen voller Wasser. Panisch versuchten sie, die Blasen von ihren Köpfen zu ziehen, aber das gelang ihnen nicht. Dann rissen sie die Münder auf um zu atmen und bekamen das ganze Wasser in den Mund. Sie fielen zu Boden, zuckten noch mal und waren dann tot.

Verschwinde jetzt nach oben!, befahl Jess noch mal und stand dann auf. Ich drehte mich wieder zu Derek und sah in sein Gesicht. Sie hatte ja recht, ist musste versuchen ihn zu retten.

Schnell zog ich die Kette über meinen Kopf, nahm sie fest in die Hand und krallte die andere in Dereks Hand.

Dragana, bitte hol mich hier raus, ich brauche dich.

Es dauerte nicht lange, da spürte ich ein kribbeln in meinem ganzen Körper … und dann waren wir wieder oben.

„Dylen!“, rief Dragana und sprang von ihrem Thron auf. Xander war schon neben mir und schaute sich Derek an. Und dann liefen meine Tränen unaufhörlich über meine Wangen. 

Kapitel 42

Kapitel 42

 

Die Tür war zu … und ich kam nicht rein. Dragana hatte mich erst gar nicht mit ins Zimmer gelassen. Sie war mit ihren Heilern und mit Loona in dem Zimmer verschwunden und versuchten jetzt Derek wieder auf die Beine zu bekommen. Ich hoffte zwar, dass sie es schafften, aber ich fand es auch blöd, das Dragana mich einfach ausschloss.

„Wie geht’s ihm?“, ertönte Jessicas Stimme hinter mir. Ich drehte mich sofort zu ihr um und schüttelte den Kopf.

„Dragana lässt mich nicht rein und bis jetzt ist auch noch keine Antwort heraus gekommen“, meinte ich und sah wieder zur Tür. Jess stellte sich neben mich.

„Dragana wird etwas finden.“ Ich nickte.

„Was ist mit Liliana?“

„Ich hab sie in ein freies Zimmer gebracht. Sie schläft jetzt.“ Wenigstens eine Sache, die wir geschafft hatten. Jetzt fehlte nur noch Derek und die Jungs … die immer noch unten mit Hades kämpften.

 

 

Wir hatten Jess eine Möglichkeit gegeben, zu verschwinden, um Liliana hier raus zu holen. Um ehrlich zu sein, war ich froh, dass Jess, Liliana und vor allem Dylen hier raus kamen.

Hinter uns fiel die Türe zu. Hades gab ein kleines Nicken als Zeichen und schon schossen zwei Dämonen an uns vorbei, um Jess zu folgen. Seth und Darien reagierten sofort und hielten die Dämonen auf. Seth schleuderte ihn mit einem gezielten Kick zurück vor Hades Füße; Darien sammelte seine Kraft und setzte den Dämon in Flammen. Hades lächelte und erst dachte ich, dass er jetzt Ernst machte … aber er machte einen Schritt zurück und da verstand ich sein Lächeln erst.

„Ich danke euch“, meinte er und verbeugte sich leicht. Um ihn herum verwandelten sich die Dämonen zurück in schwarze Rauchschwaden und rauschten davon. Mit einem breiten grinsen verschwand dann auch Hades, mit seiner restlichen Crew.

„Was ist denn jetzt los?“, rief Seth aus. Ich sah mich im Saal um, aber alle waren weg. Adam drehte sich blitzschnell um und lief aus dem Saal hinaus … Jess hinterher.

„Er hat uns gedankt“, murmelte Darien und starrte immer noch auf den Punkt an dem Hades eben noch gestanden hatte.

Das kam mir auch komisch vor. Er plante doch etwas. Etwas anderes, als wir angenommen hatten.

„Alle weg“, meinte Adam und stellte sich wieder neben mich; ich nickte bloß.

„Ihr verschwindet wieder hoch“, befahl ich.

„Und was machst du?“

„Ich will mich noch mal umsehen.“

„Okay, beeil dich aber“, meinte Seth und innerhalb von ein paar Sekunden waren die drei dann auch verschwunden. Sobald ich alleine war, lief ich zwei mal um den Altar … aber es gab keine versteckten Hebel, die zu einer Falltür führten. Also dematrelisierte ich mich zu dem anderen Versteck von Hades … aber selbst da waren sie nicht. Hades spielte doch mit uns. Das alles hier war nicht der wirkliche Plan gewesen. Das hier war Mittel zum Zweck. Klar, ohne uns hatte er keine Macht, aber ich hatte das ungute Gefühl, dass da noch was war. Etwas, was Hades noch nicht durchsickern ließ.

Was hältst du davon?, horchte in mich hinein.

Ich hab auch kein gutes Gefühl. Als ich in Hades war, hat er eine Seite von sich verschlossen.

Also hat er etwas vor.

Etwas wichtiges, wenn er es vor mir versteckt. Ihm konnte nicht klar gewesen sein, dass ich wieder zurück zu dir komme.

Ich blieb stehen, sah auf einen Punkt, den ich nicht wirklich sah.

Du wolltest zurück?

Ares antwortete mir nicht.

Ich weiß nicht, ob ich dir vertrauen kann. Du und ich, wir haben schon immer gegeneinander gekämpft. Was hat sich geändert? Antworte mir, Ares!

Bei Hades war es nicht so schön. Klar, er hat mir freien lauf gelassen … zwar mit seinem Wille, aber ich mag den Streit mit dir.

Die Antwort gefiel mir zwar nicht, weil sie nicht eindeutig war, aber das musste mir jetzt reichen.

Mit einem kurzen Gedanken dematrelisierte ich mich nach oben; in den Thronsaal. Meine Brüder standen alle vor dem Thron, auf dem diesmal unser Vater saß.

„Hast du was gefunden?“, fragte Adam, der Jessicas Hand hielt. Ich schüttelte den Kopf und sah dann Jess an.

„Wo ist Dylen?, fragte ich sie.

„Sie wartet auf Derek.“ Mehr brauchte ich nicht. Sofort machte ich mich auf den Weg zur Treppe. Rechts führte die Treppe einmal nach oben zu den Schlafgemächern und einmal, aber ich ging links herunter, die in den Wellnessbereich und einer kleinen Krankenstation führte.

Ich sah Dylen sofort. Sie stand vor der Krankenstation und starrte auf die Türe. Ich machte mich nicht bemerkbar; ging einfach auf sie zu und umarmte sie von hinten. Sie erschreckte sich nicht, hob nur die Hände und legte sie auf meine Arme.

„Sie schaffen es nicht, oder?“, fragte sie leise.

„Sie geben ihr bestes.“

„Es war meine Schuld. Ich hab Adam einfach weg geschubst, er hätte den Dolch bestimmt abwehren können, aber Jessicas Blut war dran. Ich konnte nicht zulassen, dass Adam stirbt … und stattdessen bekam Hades mein Blut. Ich war so dumm.“

„Es ist nicht deine Schuld, Dylen. Derek hat dich geliebt und das war es. Du bist nicht Schuld, du kannst dafür nichts. Hades war derjenige, der den Dolch benutzt hat, er hatte die Absicht Derek zu töten. Du nicht.“

„Aber es war mein Blut.“ Ich drückte sie fester an mich. Nichts würde sie von dieser Idee abbringen, also hielt ich sie einfach fest. Ich konnte ihr nicht helfen und vor allem konnte ich ihr nicht sagen, dass sie nicht zu Derek sondern zu mir gehörte. Denn wenn Derek starb, dann würde sie sich noch mehr Vorwürfe machen. … Irgendwann muss ich es ihr sagen, aber das hatte noch ein bisschen Zeit.

Plötzlich ging die Türe auf und Loona trat heraus. Sie sah erst Dylen dann mich an.

„Wie geht’s ihm?“, fragte Dylen.

„Mom sagt, das sie versucht den Zauber zu brechen, aber er ist von dem Dolch getroffen worden, das ist unser Tod.“ Sofort fing Dylen an, zu zittern. Ich hielt sie fester und presste ihren bebenden Körper an meinen.

„Also stirbt er auf jeden Fall“, hauchte sie. Loona schluckte, sagte aber nichts.

„Nein!“, schrie jemand. Wir drei sahen zur Türe und wussten sofort, dass Mutter geschrien hatte. „Verdammt Derek, tu mir das nicht an.“ Dylen machte einen Schritt auf die Türe zu und entzog sich so meiner Umarmung.

„Dy ...“, fing ich an, aber jemand legte mir seine Hand auf die Schulter. Ich sah hinter mich und in Vaters blaue Augen.

„Versuch nicht sie aufzuhalten, sei einfach für sie da“, sagte er mit ruhiger Stimme. Dylen ging wie von selbst in die Krankenstation. Ich folgte ihr nicht … nicht sofort.

Als ich dann auch die Türe hinter mir schloss, stand Dylen an Dereks Bett und hielt seine Hand. Er sah schrecklich aus. Zu blass, zu müde … aber er atmete und hatte die Augen offen.

Jemand schluchzte und ich sah zum Fenster des Zimmers. Mom lehnte gegen die Wand und weinte. Ich war sofort bei ihr und nahm sie in meinen Arm.

„Wie konntest du das zulassen?“, schluchzte sie und vergrub ihren Kopf in meinem Shirt.

Ich sagte nichts dazu, weil ich genau wusste, dass sie nicht mich damit gemeint hatte. Sie hatte von sich selbst geredet.

"Mom, es ist nicht deine Schuld", murmelte ich und drückte sie fester an mich.

"Ich hätte euch nicht mit so einem Zauber belegen sollen. Wenn ihr sterbt, dann ist das alleine euch zuzuschreiben, aber jetzt macht Dylen sich Vorwürfe ... das hätte ich nie tun sollen", flüsterte sie.

"Ihr braucht euch beide keine Schuld geben."

"Aber es ist die Wahrheit, Aiden." Ich küsste ihre Stirn und sah dann zu Dylen, die krampfhaft Dereks Hand festhielt. Sie weinte, sie weinte um ihn, hatte Angst um ihn. Mir wurde jetzt erst richtig klar, dass sie Derek doch noch liebte. Sie war von ihm verletzt worden und hasste ihn auch, keine Frage, aber etwas empfand sie doch für ihn

Sofort bekam ich ein ungutes Gefühl. Sie wusste noch nicht, dass Mom sich geirrt hatte. Vielleicht akzeptierte sie jetzt ihr Schicksal und fing wieder an, ihn zu lieben.

Wird das jetzt immer so sein? Dieses liebes Gesülze?

Liebes Gesülze? Du hast sie geküsst!

Ich hab sie nicht geküsst.

Oh doch, das hast du. Du warst geschockt, als du gesehen hast das SIE dich ansieht, wie ein Monster. Sie hatte Angst vor dir, vor uns!

Sie liebt uns!

Uns?

Ja uns, was dagegen?

„Aiden“, keuchte jemand. Ich blinzelte und sah zu dem Bett indem Derek lag. Er hatte seinen Kopf zu mir gedreht und sah mich jetzt an. Dylen hielt immer noch seine Hand fest, hatte sich aber jetzt auf einen Stuhl gesetzt. Mom ließ mich los und drehte sich zu Derek. Ihre Lippen bebten immer noch und auch Tränen rannen ihr über die Wangen. Ich drückte ihre Schulter und ging dann zu Derek. Dieser drückte Dylens Hand und sah sie an. „Lass mich kurz alleine mit meinem Bruder“, hauchte er. Dylen wollte widersprechen, aber dann ließ sie doch seine Hand los und ging stattdessen zu Mom, um sie in den Arm zu nehmen.

Derek machte seine Hand auf, zeigte mir so, dass er meine Hand haben wollte. Ich setzte mich auf die Bettkante und nahm seine Hand an. Wir verschränkten unsere Finger. „Du musst ihr sagen, was los ist“, flüsterte er.

„Derek, sie ...“, fing ich an, aber er schüttelte den Kopf.

„Sie gibt sich die Schuld hier für.“

„Wenn ich ihr die Wahrheit sage, dann gibt sie sich noch mehr die Schuld. Wir wissen beide, dass du das hier nicht schaffst. Sie wird sich die Schuld geben, dass du gestorben bist, obwohl du noch nicht mal zu ihr gehörst.“

„Sie braucht die Wahrheit, Aiden, damit sie sich an dir festhalten kann.“ Ich machte meinen Mund auf, sagte aber nichts. Derek hatte Recht. Ich würde für Dylen da sein, aber ich war nicht der Meinung, dass ich ihr jetzt schon sagen musste, das Mom sich geirrt hatte.

Derek drückte nochmal meine Hand und schloss dann die Augen.

„Pass auf sie auf“, hauchte er noch leise.

„Mach ich.“ Es war nutzlos zu streiten, eher sollten wir uns darüber streiten, wie wir Hades das Handwerk legten. Das war wichtiger, als die Sorge um Dylen, wie sie es auffassen würde … Hades war wichtiger.

Langsam stand ich vom Bett auf und überließ Derek wieder Dylen. Sie nahm sich sofort wieder seine Hand und starrte auf diese.

Plötzlich bebte es, ein lauter Knall ertönte. Mom riss sofort die Augen auf und sah mich an.

„Das kann nicht sein“, hauchte sie. Mein Körper und auch meine Instinkte stellten sich sofort auf Kampf ein.

Das heißt nichts gutes, meldete Ares sich.

„Ihr bleibt hier, ich schließe ab“, befahl ich Mom und ging schon auf die Tür zu, doch diese ging schon auf und Loona trat ein.

„Aiden“, sagte sie nur.

„Ihr bleibt hier“, sagte ich auch ihr.

„Dad ist sofort losgerannt.“ Ich nickte und drückte sie in den Raum.

„Aiden, wo willst du hin?“, fragte Dylen, ließ Dereks Hand los und wollte auf mich zukommen. Aber ich hob schnell die Hand und stoppte sie so. Ich wusste nicht, was passieren würde, wenn sie sich jetzt Sorgen machte und mir das zu sehr zeigte, ich wusste nicht, was passieren würde, wenn sie mich jetzt anfassen würde.

Wahrscheinlich würden wir uns überreden lassen, seufzte Ares in meinem Kopf. Dieser Gedanke hatte einen komischen Nachgeschmack … das er das gleiche dachte, wie ich … war schon komisch.

„Ich muss nachsehen, was los ist.“

„Geh nicht da hoch, du weißt doch gar nicht, was da oben ist.“

„Da oben sind meine Brüder und auch Jess und Liliana. Ich schließe ab.“ Keine Widerrede. Schnell machte ich die Türe zu und schloss ab; den Schlüssel steckte ich in meine Hosentasche. Bitte, lass sie auf mich hören und da drinne bleiben, bitte.

Es dauerte nicht lange, da war ich schon auf dem Gang, der zum Thronsaal führte … denn aus der Richtung kamen Kampfgeräusche. Mit einem weiteren Knall flog die Flügeltür des Thronsaales auf und etwas flog gegen die Wand. Nicht etwas … es war Seth.

Stöhnend rappelte er sich wieder auf und hielt sich den Kopf. An seiner Schläfe lief ein kleines Rinnsal an Blut herunter. Schnell war er wieder auf den Beinen, wischte sich das Blut weg und stürmte wieder in den Thronsaal. Ich lief ihm hinterher, blieb aber kurz vor den Flügeltüren stehen. Ich wollte erst mal sehen, was im Thronsaal los war, bevor ich handelte. Und das was ich sah, hätte eigentlich unmöglich sein sollen. Meine Brüder, Vater und Jess standen Hades und seinen Leuten gegenüber. Ich hatte ihn von hier verbannt, er durfte gar nicht in der Lage sein hier hoch zu kommen.

„Wie ich den Thronsaal vermisst habe“, sagte Hades und grinste. „Weißt du noch, Vater, wie ich immer auf dem Thron saß?“ Vater ballte die Hände zu Fäusten. „Ich sollte hier sitzen und regieren.“

„Du bist nicht in der Lage zu regieren“, knurrte Vater.

„Ich werde dich vom Gegenteil überzeugen.“

Wir müssen Jess und Liliana in Sicherheit bringen, meldete sich Ares in meinem Kopf.

Ja, du hast Recht.

Jess stand zwar recht nah bei mir, aber ich würde sie nicht einfach so gepackt bekommen ohne das es jemand merkte. Ich könnte mich hinter sie teleporieren und dann sofort mit ihr verschwinden. Nur das Risiko war zu groß, gesehen zu werden. Andererseits würde Hades nicht wissen, wo ich sie hinbringen würde.

Wir müssen es riskieren.

Schnell konzentrierte ich mich und teleportierte mich hinter Jess. Sie schreckte zusammen, als ich meine Hand auf ihre Schulter legte und mit ihr zusammen verschwand. Sie schrie auf, aber da waren wir allerdings schon längst unten im Krankenzimmer. Mom, Loona und Dylen erschreckten sich auch total und sahen zu uns.

Sofort drehte Jess sich um, hob die Faust und schlug mir mit voller Kraft auf die Nase.

„Jess!“, stöhnte ich auf und hielt mir die schmerzende Nase.

„Oh Mist, sorry Aiden“, murmelte sie, als sie realisiert hatte, dass ich es war. „Aber selber Schuld, du kannst mich doch nicht einfach so packen.“ Langsam nahm ich meine Hand wieder von meiner Nase. Allerdings spürte ich im nächsten Moment schon, wie mir Blut aus dieser lief. „Oh Mist!“

Ich wollte mich gerade nach einem Taschentuch umsehen, als schon eins vor mir auftauchte. Dylen hielt es mir hin, aber als ich danach greifen wollte, zog sie es weg. Stattdessen stellte sie sich vor mich und wischte das Blut von meiner Oberlippe. Ich sah ihr dabei ins Gesicht. Ganz in Ruhe, als würden nur wir zwei existieren, wischte Dylen mir das Blut ab, allerdings lächeln tat sie nicht dabei. Sagen tat sie auch nichts, sie hielt mir auch keine Predigt, von wegen: Du kannst doch nicht einfach jemanden packen und dich dann teleporieren.

Als sie dann fertig war, zerknuddelte sie das Taschentuch und ging einen Schritt zurück. Ich dachte schon, dass jetzt die Predigt käme … aber auch jetzt kam sie nicht. Sie sah mich nur an. Ich wusste nicht, ob ich etwas sagen sollte … ich wollte ihr eigentlich ein paar Sachen sagen, vor allem dass ich sie liebte. Und ich wollte sie wirklich anflehen, hier im Krankenzimmer zu bleiben, weil ich mir einfach Sorgen um sie machte, vor allem jetzt wo ich wusste, dass Hades hier war. Aber am meisten wollte ich sie einfach in meinen Arm ziehen, sie küssen und ihr sagen, dass sie nur zu mir und zu keinem anderen Mann gehörte …

Das können wir später noch machen, Romeo. Wir müssen es jetzt erst einmal sicher für Dylen machen. Wir können ihr jetzt zwar all den schnulzigen Kram sagen, aber wenn Hades sie in die Finger bekommt, haben wir alle nichts davon.

„Ich komme gleich wieder. Jess, wo hast du Liliana einquartiert?“, fragte ich.

„In das freie Zimmer neben deinem“, antwortete mir diese und es dauerte keine Sekunde, da stand ich genau in diesem Zimmer. Natürlich erschreckte Liliana sich, aber sie schrie nicht. Wahrscheinlich war sie es einfach gewohnt, dass Leute plötzlich auftauchten, aus der Zeit in Hades Kerker.

„Ich bringe dich nach unten zu den anderen“, erklärte ich ihr schnell und nachdem sie genickt hatte, nahm ich mir einfach ihren Arm und teleportierte uns nach unten. Diesmal erschreckte sich keiner. Jess erklärte den anderen schon, was los war. Auch Derek saß jetzt aufrecht in dem Krankenbett. An seinem Gesicht sah ich, dass er höllische Schmerzen hatte, aber seine Augen loderten und gierten nach einem Kampf. Aber das konnte ich nicht zulassen. Wenn es nötig ist, würde ich ihn hier ans Bett fesseln. Für mich war das kein Problem.

„Das kann nicht sein“, hauchte Mom, fasste sich ans Herz und taumelte zurück. „Er dürfte gar nicht hier sein.“

„Wir bekommen das hin, ihr müsst mir nur versprechen hier zu bleiben“, meinte ich und sah Mom kurz an. Bei ihr und bei Loona wusste ich, dass sie hier bleiben würden, deswegen machte ich mir keine Sorgen. Die Sorge galt Jess, Dylen und Derek … und natürlich auch Liliana, allerdings wusste ich nicht, wie sie so drauf war. Vielleicht war sie nicht so draufgängerisch wie Dylen und Jess. Und die drei sah ich jetzt an. Sie sagten nichts. „Verspricht es mir.“

„Ich kann mich ja kaum bewegen“, brummte Derek und zuckte schon wieder zusammen. Davon mal abgesehen, dass er im sterben lag … soetwas hatte ich noch nie gesehen, aber Mom hatte ihm ein bisschen mehr zeit gegeben … allerdings hatte ich das ungute Gefühl, dass ich mich nicht mehr richtig von meinem Bruder verabschieden konnte.

„Jess“, bat ich sie. Diese verschränkte nur die Arme vor der Brust und machte ein zustimmendes Geräusch. Es war nicht ideal, aber damit musste ich jetzt leben. Jetzt sah ich Dylen an. Sie hatte mir den Rücken zugedreht und sah Derek an. „Dylen ...“, fing ich an, aber sie rief mir dazwischen.

„Hör auf“, rief sie aus. „Ich will nichts hören, ich werde schon hier bleiben.“ Ich nickte und teleportierte mich wieder nach oben … ins Kampfgetümmel.  

Kapitel 43

Kapitel 43

 

In dem einen Moment stand er noch hinter mir und dann war er auch schon weg. Ich hatte ihn nicht anschreien wollen oder generell laut werden wollen, aber das alles hier war einfach zu viel.

Derek lag wegen mir im Sterben und dann schaffte es Hades auch noch hier her zu kommen. Innerhalb von ein paar Sekunden war der sicherste Ort zu einem unsicheren geworden. Und keiner hatte eine Ahnung, wie Hades es geschafft hatte, her zu kommen. Jetzt mussten die Jungs wieder kämpfen und auch noch ihr zuhause verteidigen … und ich? Ich konnte nicht helfen, weil ich genau das Objekt war, was Hades haben wollte. Klar, nicht nur mich, sondern auch Jess und Liliana, aber ich war auch ein Grund. Ich hatte helfen wollen, ich wollte den Jungs so unbedingt helfen. Für was hatte ich sonst mit Derek trainiert, zwar nicht Monate lang, aber ich war gut im Bogenschießen. Und außerdem war ich kein kleines Mädchen, dass nichts konnte. Verdammt, ich war ein Werwolf und durch die Macht der Göttin in mir, auch noch ein starker Wolf. Ich könnte ihnen helfen, verdammt noch mal.

„Dylen, auch wenn du denkst, das du helfen könntest. Irgendetwas passiert immer und dann kann Hades dich gegen die Jungs benutzen“, meinte Jess und legte ihre Hand auf meine Schulter. „Ich bin auch sauer und ich würde auch lieber an Adams Seite sein, aber wenn sie mein Blut in die Finger bekommen, dann ist Adam tot und das ist noch schlimmer, als die Ungewissheit, ob ihnen jetzt etwas passiert.“

„Jess hat Recht“, mischte sich Loona ein. „Ohne euer Blut werden die Jungs nur verletzt, sie können nicht getötet werden, aber wenn ihr in der Nähe seit, sieht es wieder ganz anders aus.“

„Derek liegt doch schon hier im Sterben, wegen mir … warum kann ich dann nicht einfach hoch gehen und ihnen helfen? Mein Blut bringt Hades doch nichts mehr“, verzweifelte ich.

„Er könnte Aiden damit töten“, hauchte Derek und ich sah ihn sofort ungläubig an.

„Derek, es tut mir leid, dass ich zu dir so blöd war und ich mich auch nicht wieder in dich verliebt habe, aber Aiden hat doch gar nichts damit zu tun.“ Er schüttelte den Kopf.

„Du gehörst zu ihm, Dylen.“ Diese Worte hallten in meinem Kopf wieder. Es war bescheuert, er lag doch hier im Sterben, wegen mir. Mein Blut war sein Todesurteil.

„Was redest du da? Du musst es nicht noch schlimmer machen, als es schon ist. Und wenn du meinst, mir so die Schuldgefühle abzunehmen, hast du dich geschnitten.“

„Ich sage es dir nicht, weil ich dir die Schuldgefühle nehmen will. Eigentlich sollte Aiden dir alles erklären, aber es stimmt.“ Derek wurde immer leiser und jetzt hustete er auch. Ich war sofort bei ihm und nahm seine Hand. Es stimmte schon, dass ich nichts mehr für ihn empfand, aber ich hatte mal etwas für ihn empfunden und deswegen hing ich schon noch etwas an ihm. Ich konnte ihn einfach nicht sterben lassen oder ihm dabei zusehen … es tat zu weh. „Es tut mir leid.“ Ich schüttelte den Kopf. Ich verstand kein Wort mehr, was war hier los?

„Derek versucht dir etwas ganz wichtiges zu sagen, was ich vermasselt habe“, murmelte Dragana und stand neben mir. Sie sah traurig zu Derek herunter und eine einzelne Träne rann ihr über die Wange. „Als Derek vor einer Woche zu mir kam und meinte, dass irgendetwas nicht mit ihm stimmte und er dachte, dass ihm etwas fehlen würde, habe ich die Sterne befragt. Ich hatte die Hoffnung, dass er sich vielleicht verliebt hatte, es aber nicht wirklich realisiert hatte“, erzählte sie. „Sie zeigten mir etwas was ich zu sehr wollte. Sie zeigten mir dich, Dylen. Und als ich ihn auf dich ansprach, war Derek Feuer und Flamme. Ich war so glücklich, dass ich ihm gesagt hatte, dass du Hebe seist und somit seine Seelenverwandte.“ Sie machte eine kleine Pause und zog die Nase hoch. „Aber das bist du nicht, Dylen. Ich hab etwas gesehen, was gar nicht sein sollte. Du bist Aphrodite, die Göttin der Liebe.“ Diese letzten Worte trafen mich wie ein Pfeil, der direkt in meine Brust fuhr. Aphrodite? Aphrodite und Ares? Das … das konnte doch nicht …

Mir kamen unsere ganzen Küsse in Erinnerung. Der erste, als er mich vor diesen Vampiren gerettet hatte. Dieser Kuss, er war sehnsüchtig gewesen. Aber hatte Aiden es gewusst?

Für sie wäre es nicht so schmerzhaft, wenn sie in meiner Nähe wären … oder hat es mit etwas persönlichem zutun?“ , hallte Logans Stimme in meinem Kopf wieder. Hatte Aiden schon gewusst, wer ich wirklich war? War er deswegen gekommen, obwohl er in Logans Nähe Schmerzen hatte?

Aber sie ist doch der Mittelpunkt von all dem Drama.“ , erinnerte ich mich weiter. Logan hatte immer Anspielungen gemacht. Woher hatte er gewusst, wer ich wirklich war … nur weil Aiden mich gerettet hatte, schon früher? Oder hat er es einfach angenommen?

Ja, etwas, aber hast du ihr auch schon gesagt, dass du sie liebst?“ Er liebte mich … er liebte mich wirklich … und er war gekommen, um mich zuretten, weil er mich liebte und weil ich zu ihm gehörte. Und genau deswegen wollte er auch nicht, dass ich ihnen half. Ich würde seinen Tod bedeuten. Diese Erkenntnis war so erschreckend und doch … und doch war sie wundervoll.

„Es war meine Schuld, dass ihr dieses ganze Drama durch machen musstet“, holte Dragana mich aus meinen Gedanken. „Nachdem Logan dich entführt hatte, ist Aiden total ausgeflippt. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass er so viel für dich empfinden konnte … ich habe die Sterne noch mal befragt und da kam es raus.“ Ich taumelte zurück und fiel auf den Stuhl. Also war Aiden wirklich gekommen, um mich zu retten, obwohl es auch sein Ende hätte bedeuten können. Ich konnte nicht fassen, dass er mich liebte … er liebte mich. Die ganzen Küsse, waren nicht nur so gewesen, er hatte wirklich etwas für mich empfunden.

Das war alles so toll, aber plötzlich sah ich wieder Derek vor mir, der im Sterben lag.

„Warte mal, wenn ich zu Aiden gehöre, warum stirbt Derek dann? Ich dachte, man kann einen Gott nur mit dem Dolch und dem Blut der Frau die er … liebt“, fing ich an, aber beim Sprechen wurde mir erst klar, was los war. Derek liebte mich, er hatte gedacht, dass ich zu ihm gehörte und er hatte wirklich stärkere Gefühle für mich.

„Ich weiß auch nicht, was los ist, aber Derek liebt dich und mein Zauber war eben auf diejenige gerichtet, die er liebt“, murmelte Dragana und sah Derek an. Sofort war mein gutes Gefühl wieder weg. Ich konnte mich gar nicht freuen, dass Aiden das gleiche empfand wie ich, weil ich immer noch der Grund war, warum Derek starb.

„Mir geht es gut, macht euch keine Sorgen“, ertönte Dereks leise Stimme. Am liebsten hätte ich ihm eine verpasst. Wie konnte er immer noch den starken mimen? Wir alle sahen doch, dass es ihm nicht gut ging. Was sollte der ganze Mist also?

„Halt die Klappe“, motzte Loona plötzlich, obwohl ich das gerade machen wollte. Alle sahen sie erschrocken an. „Du bist zwar der größte Vollidiot von euch sechs, aber trotzdem musst du nicht so einen Mist von dir geben.“ Derek sah zur Decke und lächelte dann.

„Aber das hier ist einfacherer, wenn ich das sage.“

„Trotzdem bringt es nichts.“ Sie drehte sich um und starrte gegen die Wand. Sie war sauer, das sah man ihr an.

Plötzlich polterte es wieder über uns. Ich sah nach oben und es kribbelte mir in den Füßen, einfach die Türe aufzubrechen und den Jungs oben zu helfen. In meiner Wolfsgestalt würde es einfach sein, die Türe aufzubrechen … und doch hatte ich Aiden versprochen hier zu bleiben.

„Du würdest ihnen nicht helfen, Dylen“, meinte Jess, die sich mittlerweile einen Stuhl genommen hatte und sich darauf gesetzt hatte. Ich drehte mich zu ihr um und sah sie leicht böse an.

„Hör auf in meinem Kopf herum zustöbern.“

„Ich muss dafür sorgen, dass du nichts unüberlegtes tust.“

„Werde ich schon nicht.“

 

 

 

Als ich mich oben im Thronsaal materialisiert hatte, war schon die Hölle ausgebrochen. Meine Brüder und auch Dad waren in einen Kampf verwickelt … außer Hades. Dieser hatte sich einfach so auf Mutters Thron gesetzt und sah dem ganzen Schauspiel zu.

„Ich habe auf dich gewartet“, ertönte Hades dunkle Stimme. Ich stand ihm genau gegenüber, nichts versperrte mir den Weg. „Wo hast du kleine, süße und unschuldige Dylen gelassen?“ Sein Grinsen wurde immer größer, als er sah, wie ich meine Hände zu Fäusten ballte.

„Wie konntest du her kommen?“, sagte ich, allerdings war es nicht nur meine Stimme. Ich war jetzt Aiden und Ares zugleich und dadurch hatte meine Stimme wieder diesen gefährlichen und dunklen Unterton, der einem einfach eine Gänsehaut verpasste. Außerdem hallte meine Stimme von den Wänden ab, sodass augenblicklich alle Kämpfe aufhörten. Hades aber erhob sich nicht von dem Thron, der machte er sich noch gemütlicher und schwang die Beine über die Lehnen.

„Wie ich hier hoch kommen konnte?“, fragte er, als hätte er meine Frage nicht verstanden. Ich gab keine Reaktion darauf, denn das war es, was er wollte. Er wollte, dass ich ausrastete und diesen Gefallen tat ich ihm auf keinen Fall. „Ich liebe diesen Thron“, meinte er und rutschte noch etwas auf ihm hin und her. Auf sein Spiel ließ ich mich aber nicht ein. Ich blieb einfach stehen und beobachtete ihn. „Och, Bruder, sei doch nicht so ernst.“ Als ich immer noch nicht reagierte, sprang Hades von dem Thron auf und sah mich enttäuscht an. „Ich hatte erwartet das du und Ares ein bisschen gereizter seid. Schade, also muss ich dir wirklich sagen, wie ich her gekommen bin? Willst du es nicht aus mir heraus prügeln?“

Jetzt fing ich an, zu grinsen, weil ich Hades in meiner Hand hatte. Denn ich machte genau das, was er bei mir versucht hatte. Indem ich nicht auf ihn einging, wurde er hibbelig und ungeduldig. Er war nun mal sojemand, der Aufmerksamkeit brauchte und wenn ich ihn einfach ignorierte machte ihn das Wahnsinnig.

Aber als ich ihn ansah, wurde sein Grinsen auch immer größer.

„Denkst du, ich lasse dir irgendwelche Freiheiten, Aiden?“, lachte er.

Er ist besser geworden, Aiden.

Er spielt einfach mit uns.

Wir müssen etwas unternehmen.

Und was? Dein unternehmen heißt, alles kaputt machen. Wir brauchen eine Lösung bei der nicht das ganze Schloss und seine Bewohner drunter leiden.

Die gibt es aber gegen unseren Bruder nicht und das weißt du ganz genau. Wir müssen ihn jetzt für immer los werden. Noch einmal verbannen bringt nichts, das siehst du doch.

Du hast ja Recht, aber ….

Kein aber, wir machen es jetzt auf meine Weise.

Und damit übernahm er die Kontrolle über meinen Körper, allerdings nicht ganz. Wir konnten noch im Geist mit einander reden und ich hatte auch das Gefühl, dass Ares mir auch zuhören würde, wenn es wirklich wichtig war.

Was hast du jetzt vor?, fragte ich ihn.

Ich werde herausfinden, wie er hier hoch kommen konnte.

„Hör auf zu spielen und sag endlich, wie du her gekommen bist“, sagten wir und diesmal war unsere Stimme noch dunkler, weil jetzt Ares allein sprach. „Du bist hier, um uns allen die Macht zu stehlen, das wissen wir doch schon, warum also warten?“ Hades grinste wieder und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Hat mein Bruder dich endlich raus gelassen?“

„Nein, wir haben das beide gemeinsam entschieden.“ Hades nickte anerkennend.

„Also seid ihr jetzt beste Freunde?“

„Brüder wohl eher“, reizten wir ihn.

„Brüder? Das ich nicht lache“, meinte Hades und sprang auf Ares an. Auch wenn Hades der Böse war, er nannte uns immer noch seine Brüder. Am Anfang hatte ich gedacht, dass er es nur tat, um uns zu ärgern und jetzt begriff ich erst, dass er uns immer noch als das ansah, auch wenn er uns töten wollte.

Wir machten einen Schritt auf ihn zu, aber Hades bemerkte es nicht wirklich. Für einen Moment war er wie weggetreten, aber dann sah er uns ins Gesicht und schon war er wieder bei sich.

„Soll ich euch verraten, wie ich her gekommen bin?“, grinste er und holte hinter sich den schwarzen Dolch hervor. Mit der Spitze zeigte er auf unser Herz. „Dank Liliana. Ich habe einen Zauber gesprochen, der mich an sie bindet.“

Ares hörte ihm nicht mehr zu, wollte nur noch auf ihn zusprinten und dem ein Ende setzten, aber ich sah ein ganz anderes Problem.

Nicht!, rief ich in meinem Kopf.

Wir müssen ihn aufhalten.

Nein, er ist mit ihr verbunden, Ares, er wird nach unten kommen, er wird zu Dylen gehen, wenn du ihn angreifst!

Aber es war schon zu spät. Wir hatten Schwung genommen und sprinteten auf Hades zu. Dieser grinste nur und war dann auch schon verschwunden, unsere Faust traf ins Leere. Jetzt hatte Ares es auch verstanden und wir wollten uns gerade teleportieren, da traf uns etwas an der Schulter. Ein Schmerz durch fuhr meinen Körper und hörte auch nicht mehr auf. Ares hatte sich wieder zurückgezogen, allerdings nicht von selber. Durch den unerwarteten Schlag war es einfach passiert und jetzt spürte ich den wohlbekannten Schmerz, der durch meinen ganzen Körper zog. Dieser Schmerz ging nur von einer einzigen Person aus.

„Ich werde nicht noch einmal zulassen, dass ihr Hades im Weg steht“, ertönte Logans schleimige Stimme. Ich drehte mich um und sah ihm direkt in die Augen.

Dad und die anderen kämpften wieder gegen die Dämonen, aber neben mir hatte sich auch schon ein Portal geöffnet aus dem immer mehr von Hades Handlangern strömten. Ein paar liefen direkt auf den Kampf zu, ein paar andere liefen herum und machten alles kaputt, was ihnen in die Quere kam. „Hades wird eure ganze Macht in sich aufnehmen und dann werdet ihr unsere kleinen Diener.“ Er ballte seine Hand zur Faust und augenblicklich wurden die Schmerzen noch unerträglicher. Keuchend sackte ich zusammen und krallte mich in den Steinboden. Meine Gedanken waren von dem Schmerzen besessen, keinen einzigen Gedanken konnte ich fassen. Die Schmerzen machten mich bewegungsunfähig und schlapp.

Du musst dagegen ankämpfen!

Ich kann nicht. Das Siegel …

Dann lass mich raus … ganz!

Das war meine einzige Chance, unsere letzte Chance. Also ließ ich einfach los und übergab die Kontrolle. Jetzt war ich wieder nur Zuschauer, Zuschauer meines eigenen Körpers.

Augenblicklich hörten die Schmerzen auf und Ares stand auf. Er strahlte eine übermenschliche Macht aus und sofort bekam Logan große Augen.

„Nicht. Ich hatte dich doch vollkommen unter Kontrolle“, stammelte er. Ares grinste nur.

„So wie es aussieht nicht“, sagte er mit seiner grausamen Stimme. Er ballte seine Hände zu Fäusten und dann brach das Chaos aus. Ich wusste nicht was passierte, aber irgendwie lief alles schief.

Seth haute mit den Fäusten auf seine Gegner ein, aber plötzlich tauchte ein Vampir hinter ihm auf. Seth sah ihn allerdings nicht, also konnte der Vampir ihn einfach in den Hals beißen und schon erstarrte Seth. Die Dämonen hatten jetzt leichtes Spiel mit ihm, packten ihn und zwangen ihn auf die Knie.

Darien hatte einen Ring aus Feuer um sich, den er dazu benutze, die Dämonen aufzuhalten, aber auch um daraus kleine Flammen zu ziehen und sie dann auf seine Gegner zu werfen. Es sah so aus, als sei Darien unbesiegbar, aber dann tauchte ein Hexer auf, der sich Darien zum Vorbild genommen hatte und schleuderte seinerseits auch Feuerfälle auf Darien. Dieser konzentrierte sich nur noch auf den Hexer und bekam nicht mit, wie die Dämonen immer näher kamen. Erst als es zuspät war, merkte er es und wollte angreifen, aber da hatte der Hexer schon einen Zauber gesprochen, der den Feuerring um Darien löschte.

Adam schlug sich noch am Besten. Er tötete ein paar Dämonen, wie er auch die in Hades Versteck getan hatte. Eine Wasserblase um deren Köpfe und schon ertranken sie. Nebenbei kämpfte er mit zwei Vampiren, die immer und immer wieder mit ihren scharfen Fängen nach ihm schnappten.

Genauso hielt sich Dad. Er verprügelte einen Dämonen nach dem anderen oder schickte einfach mal einen Blitz los.

Doch da ertönte ein Mark erschütternder Schrei.

„DEREK!“

Kapitel 44

Kapitel 44

 

Es war schrecklich gewesen. Oben hatten wir immer irgendwelchen Krach gehört und auch Kampfgeräusche waren zu hören und dann auf einmal hatte Hades im Zimmer gestanden. Keiner von uns hatte reagieren können. Er stand plötzlich hinter Jess und hatte sie gepackt. Den Dolch mit seiner schwarzen Klinge hielt er ihr jetzt an den Hals und suchte den Raum mit seinen Augen ab. Ich wusste nicht, was er suchte oder ob er sich nur der Situation bewusst wurde. Er musste natürlich alles unter Kontrolle haben.

„Keiner bewegt sich“, meinte er und erblickte dann Dragana. Seine Lippen verformten sich zu einem Lächeln. „Mutter.“ Dragana straffte die Schultern und starrte ihren verbannten Sohn an.

„Lass sie los, Hades, und dann wird dir auch nichts passieren“, drohte sie, aber Hades reagierte gar nicht darauf.

„Du siehst gut aus.“ Dragana wollte ihm wieder etwas sagen, aber er schnitt ihr das Wort ab. „Aber jetzt sei brav und halt dich zurück. Zu dir und Dad komme ich gleich zurück.“ Dieses … Jetzt war ich sauer, ballte meine Hände und ging einen Schritt auf ihn zu, aber Hades sah mich nur an und dann schossen auch schon vier Schatten aus den Wänden. Einer der Schatten schnappte sich Liliana und fesselte sie auf ihrem Stuhl, der zweite packte sich Dragana und drückte sie an die Wand. Der dritte machte das gleiche mit Loona und der letzte kam auf mich zu. Allerdings wusste ich jetzt, was er vorhatte, also bückte ich mich weg und lief auf Hades und Jess zu.

„Nicht!“, rief Jess und da sah ich, dass Hades ihr die Dolchspitze in den Hals bohrte, sodass ein kleines Rinnsal an Blut heraus quoll.

„Zu dir, Dylen. Du bist mir wirklich lästig“, meinte Hades und holte einen zweiten Dolch aus seiner Tasche. Diesen schleuderte er gerade auf mich zu. Ich wollte mich gerade auf Seite werfen, aber da packte mich der schwarze Schatten und hielt mich an Ort und Stelle fest. Ich sah schon, wie der Dolch sich in mein Fleisch bohrte und ich spürte auch schon den stechenden Schmerz … aber es kam nichts. Jemand hatte den Dolch aufgehalten … Derek hatte den Dolch aufgehalten.

„Nein“, hauchte ich. Derek ging in die Knie und kippte dann nach vorne über. „DEREK!“

„Oh Gott, schrei doch nicht so“, beschwerte sich Hades und schnippte einmal. Der Schatten der mich festhielt, packte mich etwas fester und dann kam noch ein fünfter durch die Wand. Hades übergab Jess und diese wurde auf das Krankenbett gedrückt. Sie wehrte sich, aber sobald sie lag verschwand der Schatten in ihr und sie blieb ganz still liegen. „Es macht so zwar nicht mehr so viel Spaß, aber dank deinem Geschrei, werden meine Brüder sicherlich bald hier auftauchen. Diese Dämonen bringen eh nichts. Viel zu schwach und viel zu dumm, um Götter aufzuhalten.“ Er schnitt Jess in den Arm und füllte etwas von ihrem Blut in eine kleine Ampulle, dann holte er den Zeremoniendolch aus einer Tasche und schnitt sie wieder in den Bauch. „Me afto to ema se fonazo chameni mou dynami. Se epikalo ela mesa mou“, murmelte er fünf Mal vor sich her und dann geschah genau das, was ich schon ein paar Mal beobachtet hatte. Eine leuchtende Macht fuhr aus Jess heraus, beschrieb einen hohen Bogen und fuhr in Hades Körper. Dieser zuckte kurz zusammen, ging in die Knie und stand dann wieder auf. „Es ist immer wieder ein Kick“, grinste er und sah mich an. „Steh auf!“, befahl er Jess. Diese gehorchte auch noch. Sie stand auf und blieb dann neben dem Bett stehen. Sie war wie in Trance, aber nur weil es nicht Jess war, sondern einer dieser Schatten, die in sie gefahren war. Sie hatte keine eigene Kontrolle mehr. „Schwesterchen hast du nicht Lust mal her zu kommen?“

„Auf keinen Fall, Hades! Du kannst mich nicht so leicht kontrollieren“, protestierte Loona und starrte ihrem Bruder entgegen. Hades schloss die Augen und ließ seinen Nacken knacken.

„Würdest du dich jetzt bitte bewegen?“, ignorierte er einfach Loonas Proteste. Sie wollte sich wieder wehren, aber da verschwand der Schatten einfach in ihr und prompt war es still. Stattdessen machte sie genau das, was Hades verlangte. Sie ging auf das Krankenbett zu und legte sich brav drauf.

„Hör auf!“, rief ich und versuchte, den Schatten los zu werden. Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass er in mich fährt und ich alles tue was Hades will. Damit haben die beiden sich aber geschnitten. So leicht lasse ich mich nicht kontrollieren.

Jetzt lief es genauso wie bei Jess ab, nur dass er Loonas Blut nicht brauchte, um einen der Jungs auszuschalten. Er schnitt sie, sprach die Worte und schon war Loonas Macht die seine. Wie Jess stand Loona einfach auf und stellte sich neben das Bett. „Oh fühlt sich das gut an“, schnurrte Hades und ließ die Schultern kreisen. Hades schnippte einmal und eine Lichtkugel erschien in seiner Handfläche. „Wunderbar, wer will als nächstes?“ Hades drehte sich zu uns um. Sein Blick blieb an Liliana hängen, allerdings war sie immer noch zu schwach und außerdem hatte er ihre Macht schon längst. Sie war kein Problem mehr für ihn. Übrig blieben nur noch Dragana und ich. Und bei ersteren wusste ich nicht, ob es auch so leicht war, ihr die Macht zu nehmen, wie uns.

„Hades, lass es. Deine Brüder werden dich besiegen und dann war all das Leid umsonst“, fing Dragana an und sah ihren Sohn an. Sie konnte sich nicht wehren und sie hatte es auch gar nicht vor. Sie zählte auf ihre Mutterinstinkte und versuchte es mit Reden, was bei Hades aber nicht anschlug. Er würde sich nicht ändern, das hatte er schon vor Jahren nicht, also würde er es auch jetzt nicht tun. „Nathaniel, bitte.“ Hades zuckte zusammen und sah jetzt doch nicht mehr so gelassen aus. Mit Hass in den Augen sah er seine Mutter an.

„Ich heiße nicht so.“

„Doch, so habe ich dich immer genannt und das weißt du. Nathaniel ...“

„Stopp!“, schrie Hades plötzlich. Das war also seine Schwachstelle. Dragana versuchte es nochmal, aber da rastete Hades voll aus. In weniger als ein paar Sekunden war er bei ihr und schnürte ihr den Hals zu.

„Nate ...“, hauchte Dragana leise.

„Nicht, Hades hör auf!“, rief ich und kämpfte gegen den Schatten an. „Lass sie los!“

„Nenn mich nie wieder so. Ich bin nicht dein Sohn, den du herumkommandieren kannst, wie meine Brüder. Ich bin mehr als das! Ich bin der Herrscher der Welt und wenn das hier vorbei ist, werdet ihr schon einsehen, dass ich nur dafür gemacht worden bin“, knurrte er und drückte noch mal fester zu. Dragana schnappte nach Luft, aber dann drehten sich ihre Augen nach oben und sie sackte Bewusstlos in sich zusammen.

Im nächsten Moment wurde die Türe aufgebrochen und für einen kleinen Augenblick hatte ich gehofft, es sei Aiden … aber es waren nur Hades Handlanger.

„Nimmt diesen Abschaum mit“, bellte Hades laut und drehte sich dann zu mir um. „Und jetzt bist nur noch du dran, Dylen.“

Ich spürte wie der Schatten in mich hinein glitt und wie sich meine Beine plötzlich von selber bewegten.

„Nein, nein!“, protestierte ich noch, aber es half nichts. Erst wurde alles schwarz, ich sah nichts mehr und dann fiel ich.

Plötzlich wurde alles hell, sodass ich meine Augen zusammen presste. Und plötzlich stand ich im Thronsaal, in einem hell erleuchteten Thronsaal. Vögel zwitscherten und die Sonne schien hinein. Es war sonst still und da begriff ich, dass ich wieder eine Vision hatte. Eine Vision, die mir vielleicht helfen konnte.

„Ihr bekommt mich eh nicht!“, rief eine Mädchenstimme und im nächsten Moment kam ein weißhaariges Mädchen in den Thronsaal gestürmt. Sie kam durch die großen Glastüren, die in den Garten führte.

„Wir sind zu sechst, klar bekommen wir dich!“, rief ein Junge. Das Mädchen lief auf mich zu, aber durch meine letzten Visionen wusste ich, dass sie mich nicht sehen konnte, dass ich lediglich ein Beobachter war. Kurz vor mir blieb die Kleine stehen und ich konnte in ihre Augen sehen, in perlen weiße Augen. Loona.

Aber im nächsten Moment kam eine Horde Jungs in den Thronsaal … und ich erkannte jeden der sechs. Ein kleiner blondhaariger Junge, mit recht langen Haaren, lief voran. Das war Darien. Ihm folgten ein kleiner Seth und ein kleiner Derek. Hinter den beiden trabte Adam, der einen selbstgebastelten Dreizack in der Hand hielt, und als letztes liefen Aiden und Hades neben einander.

„Ich sollte die Prinzessin sein, die ihr vor einem Drachen rettet. Und nicht der Drache, den ihr tötet“, beschwerte sich Loona und war prompt von ihren Brüdern umzingelt.

„Das macht aber keinen Spaß“, meinte Hades.

„Prinzessinen retten ist was für Prinzen“, stimmte Aiden zu. „Wir sind Krieger.“

„Dann will ich aber nicht mehr mitspielen“, protestierte Loona und stampfte auf.

„Du musst unser Drache sein“, bestand Seth darauf.

„Nein.“

In dem Moment kam Dragana in den Saal und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Jungs, ärgert ihr wieder eure Schwester?“, fragte sie und sah auf ihre Sprösslinge hinunter.

„Nein, Loona wollte Drache spielen“, verteidigte Derek die Jungs.

„Stimmt nicht“, rief Loona aus, schlüpfte zwischen den Jungs hindurch und versteckte sich hinter ihrer Mutter.

„Ihr wisst doch, dass ihr auch mal mit Loona spielen sollt“, pflichtete Dragana den Jungs bei.

„Tun wir doch“, meinte Hades. Sie seufzte und sah auf die Uhr.

„So jetzt Schluss mit spielen. Loona du gehst zu deinem Unterricht. Adam, du gehst schwimmen. Derek, Aiden, Darien, ihr geht trainieren. Seth, ab zum Fliegen“, kommandierte Dragana.

„Ja Mama“, sagten die sechs lieb und verstreuten sich dann in alle Richtungen, nur Hades blieb vor seiner Mutter stehen.

„Und du gehst zu deinem Vater.“

„Ja Mama“, sagte er und senkte den Kopf.

„Nathaniel, streng dich an“, lächelte sie.

Mit einem Ruck wurde ich nach hinten geschleudert und war plötzlich nicht mehr in dem schönen Thronsaal. Jetzt stand ich tatsächlich an den Toren der Hölle. Vor mir standen Xander und auch Hades … der gleiche kleine Hades, wie gerade eben. Er war vielleicht zehn Jahre alt und stand hier, vor den Toren der Hölle?

„Streng dich was mehr an, Hades. Du musst die Tore beherrschen und alles Böse einschließen. Wenn du nur einen Fehler machst, wird die ganze Welt in Trümmern liegen“, pflichtete Xander ihm bei. Hades schwitze und man sah ihm an, dass er einfach noch zu klein, zu unerfahren hierfür war.

„Ich kann nicht, Papa“, keuchte der Kleine.

„Du musst!“

„Ich kann nicht.“

Ich wollte gerade einen Schritt auf den kleinen Jungen zugehen, auch wenn ich nichts hätte ausrichten können, aber da wurde ich wieder durch die zeit geschleudert und stand wieder im hellen Thronsaal. Diesmal saßen Dragana und Xander auf dem Thron und unterhielten sich. Ich hörte nicht, was sie sagten, aber als nächstes wurden die Flügeltüren aufgerissen und sechs Männer betraten den Saal. Es waren die gleichen sechs Götter, die ich jetzt kannte. Sie waren jetzt älter und viel reifer.

„Wir gehen aus, nur damit ihr Bescheid wisst“, meinte Darien und verbeugte sich vor seinen Eltern. Die anderen taten es ihm nach. Sie drehten sich um und wollten gehen, aber da stand Xander auf.

„Nate“, sagte er nur und schon blieb Hades stehen. Die anderen drehten sich zu Xander um, aber dieser nickte nur und entließ sie somit. „Du hast noch etwas zutun.“

„Ja Vater“, sagte Hades leise und verschwand auch. Und ich wusste genau, wohin. Wieder runter zu den Höllentoren.

„Du hättest ihn doch einmal ziehen lassen können“, murmelte Dragana und ich drehte mich sofort zu ihr um. „Er hat sich das doch nicht ausgesucht.“

„Ich mir auch nicht, aber einer muss es tun.“ Und was Zeus sagte, war Gesetz.

Ein weiteres Mal wurde ich aus dieser Vision gezogen und fand mich diesmal vor einem Club wieder. Es war wirklich viel los und ich wusste wirklich nicht, wo ich hier war und vor allem, was das zu bedeuten hatte, aber da kam Derek mit einer Blondine aus dem Club. Die Leute vor dem Club hatten nur grelle Farben an , die Männer trugen Vokuhilas, in verschiedenen Variationen, meistens Achselshirts oder Westen und die Frauen waren ganz bunt. Die kleine Blondine in Dereks Armen trug ihre Haare hoch toupiert mit Haarband und dazu ein löchriges, neonfarbiges Top und neonfarbige Lederleggins.

Ich war in den 80ern gelandet. Bei der Gelegenheit, sah ich mir Derek mal genauer an. Seine Haare waren mit ganz viel Gel zurecht gemacht, außerdem trug er eine neonblaue Röhrenjeans. Er sah bescheuert aus, aber so sah früher die Mode aus.

Als nächstes sah ich Hades, wie er sich, mit einer brünette im Arm, durch die Leute drängelte, um zu Derek zu kommen. Allerdings sah er nicht so aus, wie ich ihn kannte. Er hatte keinen Bart und er sah noch nicht so hart aus, nicht so verbittert und blutrünstig. Seine schwarzen Haare standen in alle Richtungen ab und seine Sachen sahen auch ganz anders aus, als die von Derek. Er trug eine weiße Jeans, ein pinkes Poloshirt, was er in die Hose gesteckt hatte und eine viel zu große Anzugsjacke. Seine brünette Begleitung drückte sich total fest an seinen Arm und so wie es aussah, würde sie ihn auch nicht mehr los lassen. Sie trug Netzstrumpfhosen in Pink, pinke Stulpen, weiße Pumps und dazu ein trägerloses Kleid. Und ich musste sagen, sie war wirklich hübsch.

Derek machte sich gerade eine Zigarette an und stieß den Rauch in Richtung Hades aus.

„Du auch?“, fragte er und hielt Hades seine Schachtel hin; seine Zigarette gab er seiner Begleitung weiter, die einen tiefen Zug nahm. Hades nickte, nahm sich eine und machte sie dann auch an. Die Brünette nahm ihm einfach die Zigarette aus dem Mund und nahm auch einen Zug, den Rauch stieß sie in kleinen Ringen wieder aus. Dabei kicherte sie und krallte sich noch mehr in Hades Arm.

„Hey Jungs“, rief plötzlich jemand und schon sah ich die anderen vier. Seth führte die kleine Gruppe an und hob zur Begrüßung den rechten Arm. Er hatte eine hautenge Jeans an und dazu ein Achselshirt. Ich weiß echt nicht, was die früher daran toll gefunden haben. Auch Darien und Adam hatten fast die selben Klamotten an. Hautenge Röhrenjeans oder auch normale Jeans mit Achselshirt oder Shirt und Anzugjacke. Und dann sah ich Aiden. Er schlenderte eher vor sich her, sein Blick war zu keinem wirklich gewandt und doch machten ihm alle platz … so wie es auch bei unserem Ersten Treffen gewesen war. Aiden strahlte einfach etwas feindseeliges aus, etwas bedrohliches. Und doch sahen ihm die Mädels nach und ich musste sagen, er sah gar nicht mal so schlecht aus. Eine Röhrenjeans in Zebrastyle, ein Achselshirt und dazu rote Chucks. Seine muskulöse Brust und seine starken Arme kamen durch das Achselshirt total gut zur Geltung.

Gleichzeitig seufzten ich und Hades Begleitung auf. Sofort sah ich zu ihr und mit jedem Schritt, den Aiden auf uns zumachte, desto mehr entfernte sie sich von Hades.

„Sind das deine Brüder?“, fragte sie, die Augen fest auf Aiden gerichtet. Hades sah erst sie, dann Aiden an, dann wieder sie. In seinen Augen veränderte sich etwas und er zog seinen Arm gänzlich aus der halbherzigen Umarmung seiner Begleitung. Dieser Ausdruck war, als würde er diese Szene kennen … als würde es immer passieren. Und schon war seine Begleitung nicht mehr an seiner Seite, sondern stand grinsend vor Adam und Aiden. Hades seufzte und dann wurde ich wieder hin und her geschleudert. Es war fast so, als würde ich Hades Leben durchlaufen.

 

Kapitel 45

Kapitel 45

 

Ich stand in einer Wohnung. Einer mir unbekannten Wohnung. Und diese gehörte sicherlich einer Frau, denn überall standen Dekoartikel, Fotos von einer glücklich aussehenden Familie und alles sah aus, als sei es bedacht ausgesucht. Sowas konnte nur eine Frau machen.

Ich ging auf ein Sidebord zu, auf dem mehrere Bilderrahmen standen. Erst kamen zwei Familienfotos, dann eins von einem kleinen Jungen und dann eins von einer hübschen jungen Frau. Sie hatte schwarze Haare und strahlte in die Kamera. Gerade wollte ich weiter gucken, da wurde die Wohnungstür aufgeschlossen und kein geringerer als Hades betrat die Wohnung. Er sah genauso aus, wie in der letzten Vision. Jung und ohne Bart.

„Schatz, bist du da?“, rief er durch die Wohnung und es dauerte auch keine Minute, da kam jemand aus einem Zimmer … aus dem Bad. Und es war die junge Frau von dem Bild. Sie war richtig hübsch gemacht und zog sich gerade Ohrringe an. „Willst du irgendwohin?“

„Ja“, lächelte sie und stupste Hades mit einem langen und manikürten Zeigefinger an. „Und zwar hoch zu deiner Familie.“ Hades stockte und sah sie nur an. „Du hast mir nie von ihnen erzählt und ich finde so langsam sollte ich sie kennenlernen, findest du nicht?“

„Wie kommst du auf so eine Idee?“, fragte Hades jetzt und ballte eine Hand zur Faust.

„Schatz, sei doch nicht so sauer“, meinte sie und küsste seinen Mundwinkel. „Hier hat heute morgen jemand geklingelt und hat nach dir gesucht. Aber weil du nicht da warst, habe ich mit ihm geredet. Es war dein Bruder … Seth meinte ich hatte er gesagt. Du hast dich wohl eine Zeit lang nicht mehr gemeldet.“

„Mit Absicht“, murmelte er.

„Lass uns doch bitte hoch gehen, Nate. Ich will deine Eltern kennenlernen, ich meine, wer kann schon sagen, dass sie mit einem Gott zusammen ist.“

„Melodie“, seufzte Hades. So hieß sie also.

„Komm schon, bitte.“ Sie machte ein Schüppchen und sah ihn ganz lieb an. „Bitte Nate.“

Eine ganze Weile war es still und die beiden sahen sich nur an, bis Hades ergeben aufseufzte und nickte.

„Ich liebe dich!“, rief Melodie aus und küsste Hades. Es war ein schönes Bild, auch wenn Hades sich von seiner Familie abgeschottet hatte, hatte er jemanden gefunden, der ihm viel bedeutete.

Als nächstes verschwamm alles um mich herum und dann stand ich am Ende der langen Tafel oben bei Dragana und Xander. Es war laut im Speisesaal, weil alle am Tisch saßen. Oben am Kopf Dragana und Xander. Neben Dragana saß Loona, dann kam Seth und dann Darien. Neben ihm war ein Platz gedeckt, aber noch nicht besetzt. Zu Xanders linken waren auch zwei Plätze gedeckt, aber noch frei und dann kam Derek und dann Adam.

Doch dann gingen die großen Flügeltüren auf und Hades erschien, hinter ihm stand Melodie.

„Nathaniel!“, rief Dragana aus und stand auf.

„Schön, dass ihr gekommen seid“, sagte Xander und stand auf, allerdings nicht so aufgeregt, wie seine Frau.

„Blieb uns ja nichts anderes übrig“, meinte Hades nur und beide traten an die Tafel; neben mich.

„Setzt euch doch“, bat Dragana und zeigte auf die beiden Plätze neben Xander. Hades nahm sich Melodies Hand und zog sie mit sich. Sie setzte er zwischen sich und Derek; bloß nicht zu nahe an seinen Vater.

„Danke für die Einladung“, bedankte sich Melodie sehr förmlich.

„Quatsch, wir wussten ja gar nicht, dass Nathaniel eine Freundin hat“, lächelte Dragana warm und ich sah sofort, wie Melodie sich ein bisschen entspannte. Hades allerdings saß immer noch Kerzengerade auf seinem Stuhl. „Wie heißt du denn?“

„Wie unhöflich, entschuldigt. Mein Name ist Melodie“, antwortete Melodie sofort.

„Wie habt ihr euch denn kennengelernt?“, fragte Seth sofort drauf los.

„Seth“, mahnte ihn Xander streng und sah Melodie dann an. Diese lächelte nur. „Lass Nathaniel uns erst einmal vorstellen.“ Und das war ein Befehl und kein Vorschlag. Also ging Hades alle durch, angefangen mit Xander. Melodie hörte gespannt zu und lächelte jeden an. Eigentlich war alles total normal und ich freute mich sogar ein bisschen für Hades. Das hier war eine Vision in der er mal nicht einstecken musste. Es war friedlich.

Als Hades bei dem leeren Platz ankam, sah er diesen erst ein paar Sekunden an und ging dann weiter über zu Adam … stimmt, Aiden fehlte, das war mir gar nicht so richtig aufgefallen.

„Seit ihr nicht zu sechst?“, fragte Melodie, als Hades geendet hatte.

„Doch sind wir schon, nur Aiden ist im Moment noch verhindert“, erklärte Adam mit einer ruhigen Stimme.

„Er kommt immer später“, zuckte Seth mit den Schultern. „Ne Angewohnheit von ihm.“

„Oder eher eine Provokation“, murmelte Darien.

„Hört auf“, befahl Dragana und widmete sich dann wieder Melodie. „Ich würde gerne die Frage meines Sohnes wieder aufrollen. Wie habt ihr zwei euch denn kennengelernt?“

Sehr direkt diese Frau … wie immer. Melodie wollte gerade antworten, als wieder die Flügeltüren aufgestoßen wurden. Ich brauchte mich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass es Aiden war. Diese Präsenz, die er ausstrahlte, war einfach nur unglaublich, aber nicht im positiven gemeint. Er hatte schon bei unserem ersten Treffen bedrohlich gewirkt, aber ich hatte echt nicht erwartet, dass es früher noch schlimmer gewesen war.

Alle sahen zur Türe, sodass ich mich auch umdrehte und den Neuankömmling ansehen musste. Aber das war nicht Aiden, nicht der Aiden, den ich kannte. Die Dunkelheit in ihm war fast greifbar und seine Augen … es waren die eines anderen, die von Ares.

Er ging an mir vorbei und setzte sich dann auf seinen Platz.

„Schön, dass du es einrichten konntest“, meinte Xander und sofort sah ich ihn an. Irgendetwas hatte sich in seiner Stimme verändert. Durch Melodie hatte er sich angestrengt nett und beruhigt zu klingen, aber jetzt war es ganz anders. Sein Ton war strenger geworden.

„Hatte Hunger“, meinte Aiden nur und das mit der gleichen Stimme, die mir eine Gänsehaut verpasst hatte, als ich sie das erste Mal gehört hatte. Diese Stimme, die einfach nur Gefahr ausstrahlte.

„Oh Gott“, hauchte es aus Melodies Richtung. Sie starrte Aiden an und kam nicht mehr aus dem Staunen heraus. „Er ist wirklich so, wie man es sagt.“ Da wurde Aiden auch hellhörig und sah sie an.

„Wie man es sagt?“, fragte er und Melodie blinzelte. Sie biss sich auf die Lippe und fuhr sich durch die Haare.

„Ja“, hauchte sie.

„Was sagt man denn über mich?“

„Das man Angst vor dir haben kann oder aber auch nicht.“ Aiden grinste, aber es war nicht schön. Es sah eher so aus, als hätte er sich gerade seine nächste Beute ausgesucht. Und Melodie ging darauf ein. Sie fing echt tatsächlich an, mit ihm zu flirten, obwohl sie als Hades Freundin hier war. Das kann doch nicht sein. Automatisch machte ich einen Schritt zurück und dann fiel ich, ich fiel in ein schwarzes Loch. Über mir bildete sich die letzten Bilder meiner Vision. Es war der Garten des Schlosses und da standen sie. Melodie und Ares, sich küssend. Das Bild veränderte sich und zeigte mir etliche Frauen, für die Hades je etwas empfunden hatte und dann standen sie doch wieder an der Seite einer seiner Brüder.

Und dann war es vorbei und ich schwebte in einem schwarzen Raum. Alles um mich herum war dunkel und ich konnte nicht ausmachen, wo ich war. Was war los?

Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, aber dann wurde ich zurück in meinen Körper geschleudert. Meine Augen rissen auf und ich stand im Thronsaal. Es war noch alles verschwommen, aber nach und nach sah ich alles klar. Aber mir war nicht klar, warum ich plötzlich im Thronsaal stand und nicht wie eben im Krankenzimmer. Ich versuchte meine Arme zu bewegen, aber es ging nicht.

Was … was ist hier los? Warum kann ich mich nicht bewegen?

Neben mir standen Jess, Loona und Liliana, die sich aber auch nicht bewegten. Aber sie starrten einfach nur vor sich her.

„Ich werde dich in Stücke reißen, Hades, wenn Jess auch nur ein Haar fehlt“, hörte ich Adams markante Stimme.

„Dann sollte sie dir vielleicht ein paar Haare rupfen“, lachte Hades und dann bewegte Jess sich. Ein Dämon warf ein Schwert in ihre Richtung. Ich dachte erst, es würde sie treffen, aber Jess fing es, als sei es nichts. Sie packte es fester und lief einfach so auf Adam zu.

Schnell sah ich mich um, um zuwissen, was hier überhaupt passiert war, als ich in meiner Vision gefangen war. Seth und Darien waren von Vampiren und Dämonen umzingelt, zudem waren ihre Hände auch noch auf den Rücken gefesselt. Adam und Xander standen uns entgegen und hatte so wie es aussah, ihre Gegner besiegt. Dann sah ich Aiden, der vor dem Thron stand und nicht er war … seine Augen hatten einen düsteren Ausdruck und ich merkte sofort, dass es Ares war, der jetzt die Kontrolle über Aidens Körper hatte. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es so richtig war, dass beide es so entschieden hatten und nicht nur Ares alleine. Gegenüber von ihm stand Hades und hatte somit den ganzen Raum im Blick, da hinter ihm nur noch die großen Flügeltüren waren.

Ein ohrenbetäubendes Geräusch ertönte und meine Augen fuhren sofort zu Adam und Jess, die sich jetzt gegenüber standen. Adam hatte seinen Bogen zur Abwehr benutzt.

„Jess, hörst du mich? Du musst dich dagegen stemmen und die Kontrolle wieder bekommen“, redete er auf sie ein, aber der Schatten in ihr grinste nur und holte wieder aus. Adam wich aus, zog automatisch einen Pfeil aus seinem Köcher und zielte auf Jess.

„Schieß doch“, sagte eine fremde Stimme, aber dazu bewegten sich Jess Lippen. Das war unangenehm. Es war eine tiefe und angsteinflößende Stimme, die da aus Jess zartem Körper kam. „Ich wünschte, ich könnte dir zeigen, wie sie in meinem Kopf schreit und versucht mich hinauszuwerfen“, lachte der Schatten. Dann machte er einen Sprung zur Seite und hechtete wieder auf Adam zu. Dieser reagierte sofort und schoss Jess vor die Füße. Sie musste stoppen und sah Adam an. Der Schatten lachte laut und warf den Kopf zurück. „Wie lächerlich.“ Er sprang einfach über den Pfeil hinweg und griff Adam an.

Jetzt setzten sich auch Loona und Liliana in Gang. Sie liefen auf Xander zu und attackierten ihn. Allerdings konnte ich mich nicht darauf konzentrieren, da auch meine Füße sich plötzlich bewegten.

Nein! Ich will stehen bleiben!

Aber meine Füße hörten nicht, sie trugen mich weiter voran … voran zu Aiden. Erst da sah ich das Portal neben dem Thron, aus dem etliche Wesen heraus traten. Die Jungs hatten gar keine Chance. Hades hatte sich so eine riesige Armee aufgebaut, dass die Jungs immer und immer mehr Gegner bekamen.

„Was hast du vor, Hades?“, fragte Ares gefährliche Stimme, ließ mich aber nicht aus den Augen.

„Weißt du, ich wollte nur mal sehen, wie ihr euch so macht, wenn eure liebsten euch angreifen“, sagte Hades Stimme plötzlich direkt hinter mir. Ich war stehen geblieben und stand jetzt genau vor Aiden.

„Ich werde nicht gegen sie kämpfen, Hades.“ Dieser lachte und gab mir einen Dolch in die Hand.

„Jetzt wirst du wohl müssen.“ Ich sah langsam zu meiner Hand … wo jetzt der Dolch mit der schwarzen Klinge steckte. Allerdings war die Klinge nicht schwarz, sondern Blut bedeckt. „Es ist natürlich Dylens Blut, es wäre ja langweilig wenn nicht, oder nicht?“

Automatisch packte ich den Dolch fester und hielt ihn dann vor meinen Körper.

Nein, bitte. Ich konnte doch nicht gegen Aiden kämpfen. Nicht mit diesem Messer, nicht mit meinem Blut. Wenn ich ihn nur damit streife, werde ich ihn töten.

Komm schon, zu irgendwas muss ich doch gut sein.

Ich strengte mich an, um wieder die Kontrolle zu bekommen, aber dieser Schatten wehrte mich einfach ab. Ich hatte gar keine Chance gegen ihn. … Oder redete ich mir das nur ein? Ich musste mir einfach sagen, dass ich stark genug war. Wir mussten hier gewinnen, sonst würde die ganze Welt in Trümmern liegen.

Mein Körper machte sich selbständig und lief auf Aiden zu. Er sprang nach hinten und wich meinen Schlägen aus. Lange würde er das nicht mehr aushalten. Und vor allem kam der Thron immer näher. Aber Aiden sprang einfach hoch und landete auf der Rückenlehne. Er sah mir in die Augen und flüsterte dann etwas. Ich verstand durch den ganzen Lärm hinter mir nichts, aber ich vertraute ihm. Er würde schon das richtige tun.

Aiden sprang von der Rückenlehne … direkt auf mich zu. Er packte meinen Arm, in dem ich den Dolch hielt, verdrehte ihn mir auf den Rücken und hielt mich so vor seinem Körper fest, sodass wir jetzt Hades gegenüberstanden. Er stoppte kurz, aber dann zog er einfach ein Messer und ging auf uns los. Aiden packte mich ein bisschen fester und dann schubste er mich einfach zur Seite. Ich stolperte, konnte mich aber gerade noch fangen und drehte mich um. Hades schoss auf Aiden zu, der sich etwas bückte und Hades Arm packte. Dann rollte er ihn über seine Hüfte und knallte ihn auf den Boden. Meine Füße waren auch wieder in Bewegung. Sie hielten auf Aiden zu, der Dolch immer voran. Mit einem gezielten schlag auf mein Handgelenk, ließ ich den Dolch los, der jetzt im hohen Bogen auf Aiden zuflog. Doch er fing ihn, ohne einen Kratzer davon zu tragen.

Mein Körper blieb stehen, bewegte sich nicht mehr. Auch Hades war stocksteif stehen geblieben, als er gesehen hatte, dass Aiden den Dolch in Händen hielt. Denn Hades brauchte kein Blut einer Gefährtin, um getötet zu werden. Dragana hatte für ihn keinen Zauberspruch gehabt, weil er zu der Zeit schon lange verbannt gewesen war. Für ihn hieß allein der Dolch seinen Tod.

Für einen kleinen Moment dachte ich wirklich, dass wir ihn jetzt endlich hatten. Nach dieser langen Zeit des Versteck spielens und dem Hin und Her, aber da stellte Hades sich normal hin und legte den Kopf in den Nacken. Als nächstes Lachte er. Er lachte laut und schon fast hysterisch, sodass auch hinter uns die Kämpfe aufhörten.

„Jetzt dreht er total durch“, murmelte jemand und Hades lachen verstummte. Seine Arme streckte er über seinen Kopf aus und grinste ein breites Grinsen. Und erst da fiel mir wieder ein, dass er nicht nur Lilianas Macht in sich trug, sondern auch Jess, Loonas, Dereks … und meine.

„Keiner von euch wird mich aufhalten“, rief er und dann gab es nur noch eine Explosion. Ich wurde durch die Luft geschleudert und knallte gegen die Wand. Das helle Licht der Explosion wurde immer dunkler und dunkler, bis um mich herum alles schwarz war. 

Kapitel 46

Kapitel 46

 

Ich wusste nicht, wie lange ich Bewusstlos war. Aber als ich die Augen öffnete sah ich nur Chaos. Die Explosion, die Hades ausgelöst hatte, hatte den ganzen Thronsaal zerstört. Und überall lagen leblose Körper. Ich wusste nicht, ob sie tot waren. Also die Dämonen und anderen Wesen, die sich mit Hades zusammen getan hatten, waren bestimmt tot, aber die Unsterblichen waren es nicht. Ich sah wie Xander und Adam langsam aufstanden und sich etwas orientierten. Ich wollte ihnen helfen, also versuchte ich aufzustehen.

Auch wenn ich Bewusstlos war, war ich überrascht, dass mir nichts schlimmeres passiert war. Klar, ich hatte Wunden an Armen, Beinen und Gesicht, die leicht bluteten, aber mir ging es gut … bis ich versuchte, mich richtig auf zusetzen. Ein entsetzlicher Schmerz fuhr durch meinen Körper, ausgehend von meinem Bein. Durch den harten Aufprall gegen die Wand, hatte ich mir wohl ein Bein gebrochen oder etwas anderes, denn der Schmerz war wirklich schrecklich. Mit Mühe und Not richtete ich mich auf und lehnte mich gegen die Wand.

Nach und nach standen allerdings auch ein paar von Hades Leuten auf. Xander und Adam hatten den Vorsprung genutzt und suchten die Gegend nach Loona, Jess, Liliana und wahrscheinlich mir ab. Seth und Darien konnten sich jetzt auch von ihren Fesseln befreien und ich sah aus dem Augenwinkel, dass Seth auf mich zukam. Ich allerdings suchte nach Aiden. Ich wusste zwar nicht, wie es den anderen ging, Jess, Loona, Liliana und vor allem Dragana … sie war auch vorher nicht hier gewesen. Wo sie wohl steckte? Wo hatte Hades sie hinbringen lassen? Aber Xander, Adam und Darien kümmerten sich schon um die drei.

Als ich zum Thron sah, war der Schock erst einmal groß. Die Explosion hatte Aiden nach hinten geschleudert, gegen den Thron, sodass er jetzt mit vorgebeugtem Oberkörper da saß. Der Schock war nicht wirklich das er da lag und aussah als würde er nicht mehr aufstehen, sondern der Schock galt Hades der einfach ohne einen Kratzer vor Aiden und dem Thron stand. Ich hatte gehofft, dass er wenigstens ein bisschen außer Atem war oder vielleicht auch etwas abbekommen hatte, aber das war nicht der Fall. Warum war er unbeschadet? Es wäre einfacher gewesen, wenn er dabei drauf … nein, das wäre es nicht. Er war nicht immer wo gewesen … man hatte ihn zu dem gemacht der er jetzt war. Wie sollte er auch anders reagieren?

Nur wie konnte ich ihn aufhalten? Was könnte ich tun oder sagen, was ihn beruhigt oder umstimmt.

Hades streckte sich und sah dann lächelnd zu Aiden.

„Du siehst nicht gut aus, Bruderherz“, meinte Hades und ging einen Schritt auf den Thron zu. Aber da bewegte Aiden sich. Seinen Oberkörper kippte nach hinten und dann machte er die Augen auf. Überall an seinen Armen waren Wunden und auch in seinem Gesicht. An seiner Schläfe lief ein Rinnsal an Blut herunter. Also hatte er sich den Kopf am Thron angeschlagen. Hades beugte sich nach unten und hatte dann wieder den schwarzen Dolch in der Hand. „Du bist schwächer, Aiden.“ Dieser stöhnte und befühlte seine Schläfe, dadurch wurden seine Fingerspitzen rot. „Liegt vielleicht daran, dass ich immer noch deine Macht habe“, lachte Hades. Was? Wie konnte das sein? Ares war doch zu Aiden zurück gekommen, wie konnte Hades dann noch seine Macht haben? „Durch Ares bist du stark, aber er konnte nicht alles mitnehmen. Nur er ist zu dir zurückgekommen und deswegen bist du noch anfälliger. Vielleicht reicht es ja, dich mit dem Dolch zu töten.“ Meine Augen schnellten zu der Klinge, doch durch die Explosion war mein Blut von der Klinge verschwunden. Das war schon mal eine gute Nachricht, allerdings konnte Hades Aiden auch nur mit dem Dolch verletzten.

Aiden reagierte nicht auf das Gesagte, er war eher damit beschäftigt die Ausmaße seiner Verletzungen zu erkennen. Das nutzte Hades natürlich aus und ließ den Dolch fliegen … direkt auf Aidens Herz.

„Aiden!“, schrie ich und kniff die Augen zusammen. Das konnte ich nicht mit ansehen.

Aber es kam kein Aufschrei oder ein schmerzhaftes Stöhnen. Nichts. Also machte ich meine Augen wieder auf und sah zu der Szene vor mir. Aiden hatte sich bewegt, um den Dolch zufangen … und das hatte er auch. Die Klinge steckte zwischen seinem Mittel- und Zeigefinger. Das war knapp.

Seth kam bei mir an, aber durch meinen Schrei war Hades jetzt auch auf mich aufmerksam geworden. Für einen Moment hatte Hades Aiden vergessen und kam auf mich und Seth zu. Seth aber stellte sich vor mich, um mich abzuschirmen.

„Verschwinde Seth“, knurrte Hades, aber Seth blieb eisern stehen. „Ich sage es nicht noch mal.“

„Ich werde nicht gehen“, meinte Seth und hob ein Messer. Hades lachte nur und hob seine Hand. Nein, ich wusste, was er vor hatte. Er würde wieder eine Explosion entstehen lassen … aber diesmal nur in Seths Richtung.

„Seth bitte“, flüsterte ich, aber er war stur, genauso wie all seine anderen Brüder. „Hades bitte, das muss doch nicht sein“, versuchte ich es so, aber bei ihm war es das gleiche. Ich versuchte, aufzustehen, da durchfuhr mich wieder dieser Schmerz, sodass ich sitzen blieb.

„Geh“, gab Hades seinem Bruder noch eine Chance … die Seth natürlich nicht nutzte … und im nächsten Moment flog Seth durch die Luft, mit dem Kopf zuerst gegen die Wand. Seths lebloser Körper rutschte die Wand hinunter und blieb neben mir liegen. Ich war zu sehr auf Seth konzentriert, als auf Hades, der auf mich zukam. Erst als sich seine Hände um meinen Hals schlangen. Augenblicklich bekam ich keine Luft mehr, da Hades mich fester packte und hoch hob. Ich krallte mich in sein Handgelenk und packte fester zu … es brachte nichts.

Doch plötzlich tauchte Aiden hinter seinem Bruder auf und holte aus. Allerdings sah Hades irgendeine Regung in meinem Gesicht, denn er ließ mich einfach los und ich knallte, mit meinem eh schon verletzten Bein, wieder auf den Boden. Ich schrie auf und krümmte mich vor Schmerzen.

Aiden kämpfte mit Hades, sie schlugen auf einander ein, Hades benutzte seine Explosionen, aber Aiden hatte jetzt schon zwei Mal gesehen, wie Hades sie benutzt hatte, also versuchte er ihnen auszuweichen. Entweder er warf sich zur Seite oder brückte sich unter Hades Arm hinweg. Genauso wie jetzt. Gleichzeitig packte er Hades am Arm und zog an diesem. Hades machte einen Salto und lag dann auf dem Boden. Aiden stützte sich auf seinen Knie ab und sah mich an. Er atmete schnell und da sah ich die Wunde an seiner Seite. Er war der Explosion zwar ausgewichen und doch hatte Hades ihn getroffen.

„Du musst hier weg“, hauchte er. Wenn ich das nur könnte und auch wollte. Ich würde ihn nicht hier zurücklassen, nicht noch einmal.

„Ich gehe nicht ohne dich“, flüsterte ich. Aiden sah mir in die Augen und schluckte dann. Er kam zu mir und kniete sich hin.

„Du musst trotzdem hier weg. Ich weiß, was du meinst und ich würde auch nicht gehen wollen, aber du musst hier weg, Dylen.“ Ich schüttelte den Kopf, aber Aiden hielt ihn sanft fest. „Tu mir das nicht an. Hades ist außer Kontrolle und ich weiß nicht, wie ich ihn anders stoppen kann. Er weiß, das du meine Schwachstelle bist.“ Ich blinzelte. Es war kein ich liebe dich, aber es war auch nichts negatives. Für den Moment reichte es mir, weil ich in seinem Blick sah, dass er sich Sorgen um mich machte. Und doch konnte ich ihn nicht alleine lassen.

„Gibt es eine Möglichkeit ihn irgendwie anders zu stoppen?“

„Ich weiß nicht. Hades ist unberechenbar.“ Ich schüttelte den Kopf. Aiden war es nicht klar gewesen, wie Hades so hasserfüllt geworden ist. Aiden und die anderen waren ja auch schuld dran, das er so war wie er war. Aber was konnte ich tun? Wie konnte ich ihn aufhalten? Wie konnte ich das was ich gesehen hatte, gegen ihn verwenden?

„Ich muss zu deiner Mutter“, murmelte ich. Aber ich konnte mich nicht bewegen. Aiden sah nach hinten zu Hades, dann legte er mir seine Hand aufs Bein und langsam verschwand der Schmerz in diesem.

„Du musst dich beeilen. Er wird Mom entweder in den Kerker oder in ein Zimmer gebracht haben. Er wird ihr nichts getan haben.“ Ich nickte und stand mit Aidens Hilfe auf. Gerade wollte ich etwas sagen, ihm sagen, dass er aufpassen sollte, aber da ließ er mich schon los und drehte sich zu Hades. Dieser stand langsam auf.

„Wenn du meinst, ich lass sie einfach gehen, hast du dich geschnitten“, fauchte Hades und preschte auf Aiden zu. Für einen kurzen Moment hatte ich Angst um Aiden, aber da erschien schon eine mir jetzt bekannte Aura. Ares.

„Verschwinde“, sagte er mit seiner bedrohlichen Stimme. „Dylen, geh!“ Hades war bei ihm angekommen, aber Ares stieß ihn einfach von sich, sodass Hades zu Boden fiel. Ares drehte sich zu mir um und sah mir in die Augen. Seine funkelten voller Wut und Zerstörung … aber da blitzte Sorge auf. „Geh verdammt noch mal.“ Er machte sich Sorgen um mich? „Geh!“ Ich nickte und lief los. Der Schmerz der eben noch da gewesen war, war vollkommen verschwunden, aber ich wusste auch, dass das nicht lange andauern würde. Also musste ich Dragana so schnell es ging finden.

Ich wollte erst herunter zu den Kerkern laufen, aber als ich die erste Stufe nach unten nahm wurde mir klar, dass Hades seine Mutter nie in den kalten Kerker stecken würde. Dragana würde oben in einem der Zimmer sein. Jetzt musste ich nur noch das richtige Zimmer finden.

Als wenn es um mein Leben ging rannte ich die Treppen hinauf, doch oben stoppte ich und spinckte um die Ecken. Vor einem der Zimmer standen drei Dämonen. Das war ja einfacher als ich gedacht hatte … klar würde man Dragana nicht alleine in ein Zimmer stecken. Ich überlegte nicht lange und zog mich schnell aus, um mich dann zu konzentrieren. Mein Körper explodierte und sofort war ich ein Wolf. Leise schlich ich um die Ecke und griff dann an. Lautlos. Schnell. Präzise.

Und schon lagen die drei bewusstlos auf dem Boden. Ich nahm kurz anlauf und sprang dann gegen die Tür. Sie sprang auf und ich stand im Türrahmen. Vor mir saß Dragana auf einen Stuhl gefesselt. Sie hatte die Arme an den Stuhllehnen gefesselt und auch einen Knebel im Mund. Sie murmelte irgendetwas und wackelte mit dem Stuhl, aber ich verstand kein Wort. Schnell lief ich zurück zu meinen Klamotten und verwandelte mich zurück in einen Menschen. Als ich dann auch alles wieder an hatte, schnappte ich mir einen Dolch von dem Halfter einer der Dämonen und ging dann auf Dragana zu.

„Du warst der Wolf“, meinte sie und rieb sich die Handgelenke.

„Hast du gedacht, dass ich einer von denen wäre?“ Sie nickte und lehnte sich auf dem Stuhl zurück.

„Es war schon mal ein Wolf hier gewesen.“

„Wir müssen reden.“ Dragana sah mich komisch an und ich machte die Türe des Zimmers wieder zu.

„Worüber?“

„Über Hades. Wie können wir ihn aufhalten?“

„Und damit kommst du zu mir?“ Ich fuhr mir durchs Gesicht und ging hin und her.

„Ich hatte noch eine Vision bevor Hades mir meine Kraft genommen hat. Ich sah einige Lebensabschnitte aus seinem Leben.“ Dragana sagte dazu nichts. „Alle seid ihr auf ihm rumgehackt, habt ihm Vorschriften gemacht und ihn schon als Kind seine Freiheiten genommen. Aiden und die anderen haben ihm immer die Frauen weggenommen, ich kann gut verstehen, warum er das alles hier tut.“ Ich machte eine kurze Pause und fuhr mir wieder durchs Gesicht. „Aber wir müssen ihn aufhalten.“

„Aiden muss ihn töten, Dylen.“ Blitzschnell drehte ich mich zu ihr um.

„Was?“

„Dylen, Hades ist mit Hass in sich aufgewachsen. Er wird auf kein gutes Wort hören, wenn du das meinst. Er wird sich nicht ändern, weil er nichts anderes gelernt hat.“ Sie schüttelte den Kopf und sah zu Boden. „Ich hätte mich mehr für ihn einsetzten sollen, das alles hier ist meine Schuld … und jetzt verliere ich auch noch zwei meiner Söhne.“

„Gibt es wirklich nichts?“ Sie schüttelte den Kopf und dann sah ich Tränen die auf ihre Knie tropften. „Vielleicht kannst du ihn doch noch umstimmen“, versuchte ich sie zu beruhigen und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Wir mussten einfach alles versuchen.

Dragana sah zu mir auf und wischte sich die Tränen weg.

„Du hast Recht, irgendwas müssen wir machen.“ Ich nickte und zusammen gingen wir aus dem Zimmer. Die Dämonen die ich Bewusstlos geschlagen hatte, lagen immer noch auf dem Boden. Zum Glück. Aber dann vibrierte plötzlich der Boden und Dragana und ich schwankten ein bisschen.

„Was war das?“, fragte sie. Ich wusste genau, was das gewesen war. Hades hatte wieder eine seiner Explosionen gegen Aiden eingesetzt. Schnell liefen wir weiter zum Thronsaal.

Ich hob die Hand, damit Dragana stehen blieb und lugte erst einmal in den Thronsaal, um die Lage zu checken.

Der Thronsaal war total zerstört, selbst der Thron hatte schon Risse. Hades stand mitten im Saal, mit ausgestreckten Armen … und um ihn herum nur leblos aussehende Körper. Xander war durch die Druckwelle an die Wand Geschleudert worden, Darien lag auf dem Rücken und bewegte sich kaum. Ich suchte schnell nach Jess, aber ich fand sie nicht. Doch da bewegte sich ein Körper und ich erkannte Adam. Aber er bewegte sich nicht von alleine, unter ihm lag Jess, die ihn vorsichtig auf den Rücken drehte. Sie setzte sich sofort auf und untersuchte Adam. Wahrscheinlich hatte er sich über sie gelegt, damit ihr nichts passierte. Er und die anderen konnten nicht sterben, aber Jess schon … genauso wie Liliana, die ich jetzt suchte. Sie lag nur ein bisschen von Jess entfernt, aber auch sie bewegte sich nicht. Als nächstes sah ich eine weitere Person die sich langsam aufrappelte. Es war Loona, sie war auch gegen eine Wand geschleudert worden. Und dann sah ich Aiden. Er stand Hades gegenüber und hatte immer noch diesen eiskalten, berechenbaren Blick. Also war Ares immer noch am Schalter.

„Langsam gehst du mir auf die Nerven, Bruderherz“, meinte Hades und zückte den Dolch mit der schwarzen Klinge. Und dann holte er noch etwas aus seinen Taschen. Ein kleiner Behälter mit roter Flüssigkeit. Nein!

Hades tunckte die Klinge in das Blut und hielt den Dolch dann eisern fest. Ich musste etwas tun. Sofort.

Ohne zu überlegen sprang ich in den Saal.

„Hades!“, schrie ich und sofort sahen alle zu mir. Hades grinste mich an.

„Was ist, meinst du, du könntest mich mit ein paar süßen Worten aufhalten?“, fragte er. Ares schüttelte den Kopf.

„Verschwinde“, formte er mit seinen Lippen, aber ich schüttelte nur den Kopf. Ich konnte ihn diesen Kampf nicht alleine machen lassen.

„Nathaniel“, sprach ich Hades an. Er drehte sich sofort zu mir um.

„Der bin ich nicht mehr“, meinte er.

„Aber du warst es mal und du wolltest nur er sein.“

„Dylen!“, zischte Ares und machte einen Schritt auf Hades zu. Ich hob die Hand, um ihm zu zeigen, dass er warten sollte.

„Ich weiß, warum du das hier alles tust“, meinte ich zu Hades.

„Du weißt rein gar nichts“, knurrte dieser und kam auf mich zu.

„Du bist sauer auf Xander, weil er dich nie ein Kind sein gelassen hat.“ Er verengte seine Augen und ich wusste, dass ich seine Aufmerksamkeit hatte. „Du hasst deine Brüder, weil sie nicht die Verantwortung für die Höllentore tragen mussten, sondern du. Du hasst sie, weil sie das sein konnten was sie wollten und nicht das, was dein Vater ihnen befohlen hatte.“ Er kam immer näher, aber das brachte mich nicht dazu aufzuhören. „Du hasst Aiden, weil er immer zwischen dir und den Frauen stand, genauso wie die anderen vier.“ Hades ballte seine freie Hand zu einer Faust. „Du hast Recht damit, dass du nicht mehr der bist, der du mal warst. Früher hast du noch mit aller Macht versucht, anders zu sein. Nicht Hades, der Gott der Unterwelt zu sein, sondern Nathaniel der normale Mann.“ Ich hatte gar nicht gemerkt, dass Hades so schnell bei mir war, aber da schlang er auch schon seine Hand um meinen Hals und hob mich hoch. Ich keuchte auf und krallte mich in sein Handgelenk.

„Ich habe dich und deine Visionen unterschätzt, Dylen“, meinte er. Ares setzte sich in Bewegung, aber Hades hob den Dolch in seine Richtung, sodass er sofort stehen blieb. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du mich in deinen Visionen gesehen hast, wenn nur als schreckliches Monster, vor dem du noch mehr Angst haben solltest, aber das gefällt mir auch, denn jetzt weißt du nicht, zu was ich im Stande bin.“ Ich schluckte.

„Ich weiß … wozu du im Stande bist“, keuchte ich. „Aber … ich glaube … das du auch anders kannst.“ Er lachte und drückte fester zu.

„Du hast meine Vergangenheit gesehen und jetzt frage ich dich, meinst du wirklich ich würde die ganzen schrecklichen Sachen vergessen, die meine sogenannte Familie mir angetan haben?“ Sein Griff wurde noch ein bisschen stärker und ich bekam kaum noch Luft. „Warum sollte ich Aiden nicht auch die nehmen, die er liebt, so wie er es bei mir getan hat? Eigentlich wollte ich ihn los werden, aber durch deine kleine Aktion denke ich, dass ich ihn vorher noch etwas leiden lasse. Für all die Male, die er mir meine Liebe genommen hat.“ Ich schnappte nach Luft, aber es nützte nichts. Hades beugte sich zu mir. „Erst hab ich deine Schwester umbringen lassen, die Frau, die Aiden wirklich über alles geliebt hatte.“ Er grinste. „Die kleine Daphne hatte um ihr und dein Leben gekämpft und jetzt ist beides um sonst gewesen. Sie ist tot und du wirst es auch bald sein und das alles nur, weil ihr Aiden begegnen musstet.“

„Nathaniel!“, rief jemand und ich erkannte Draganas sanfte Stimme. „Tu das nicht.“ Langsam sah ich schwarze Punkte. Es würde nicht mehr lange dauern, bis ich mein Bewusstsein verlor … oder sogar starb.

„Selbst du kannst mich nicht aufhalten“, meinte Hades und dann passierte es. Ich sah nur noch verschwommen, aber ich nahm noch alles war. Ares lief los und wollte Hades den Dolch abnehmen, aber der hatte es gemerkt, packte den Dolch fester und rammte ihn mir in den Bauch. Ich schrie auf und Hades ließ mich einfach auf den Boden fallen.

„Dylen!“, schrie eine Stimme … seine Stimme.

 

 

Mein ganzer Körper fühlte sich schwer an und je länger ich hier lag, desto kälter wurde mir. Um mich herum waren Kampfgeräusche, die ich aber nicht wirklich wahr nahm. Das einzige, was ich wahr nahm war, dass ich langsam immer mehr abdriftete … das ich starb.

„Dylen, Dylen hörst du mich?“, drang eine sanfte Stimme zu mir durch, aber es hörte sich so an, als wenn sie Meilen weit weg wäre. „Dylen, bitte, du musst noch etwas durchhalten.“ Ich wusste nicht, was sie von mir wollte. Ich hatte keine Kontrolle mehr über meinen Körper, er war einfach nur noch steif und wurde immer kälter. Dabei hatte ich Hades nur helfen wollen. Ich war davon überzeugt, dass ich ihn aufhalten konnte. Ohne Aiden, ohne Ares. Ich hätte Hades umstimmen können. „Sie reagiert nicht.“

„Dylen, hörst du mich?“, ertönte jetzt eine neue Stimme. Jess?

Dylen, hörst du mich?, ertönte ihre Stimme jetzt auch in meinem Kopf.

Jess?

Du musst durchhalten, okay?

Ich weiß nicht, wie.

Dylen? Dylen?

„Ich verstehe sie fast nicht, wir müssen etwas tun, Dragana.“

„Sie verliert zu schnell viel zu viel Blut“, verzweifelte diese.

Ich hörte den beiden zwar zu, verstand sie auch noch, aber eigentlich interessierte es mich nicht. Ich wollte wissen, was mit Hades war und ich wollte auch wissen, was mit Aiden war. Er kämpfte bestimmt mit ihm … und er würde Hades töten müssen. Denn jetzt konnte Hades keiner mehr aufhalten, selbst Dragana mit den Worten einer Mutter nicht. Hades hatte Aiden provoziert, indem er mich verletzt hatte und damit war auch der Wille in jedem gestorben, dass Hades sich ändern könnte.

Jess, Jess bitte hör mich.

Mein Körper wurde immer schwerer und ich wusste auch nicht, wie lange ich diese Schmerzen aushalten konnte. Dieser Schmerz lähmte mich, machte mich träge und vor allem schläfrig.

Meine Augen waren offen, denn ich sah die Decke des Thronsaales und ab und zu schob sich auch ein Gesicht in mein Blickfeld, aber ich war weggetreten. Jetzt tauchte Draganas Hand auf und wedelte herum, aber nach dem zweiten Hin und her achtete ich schon nicht mehr auf ihre Hand.

Jess, bitte. Bitte hör mich!

Dylen?

Hilf mir, bitte. Aiden …

Er wird Hades töten, Dylen. So wie es sein sollte. Hades hat zu viel Hass in sich.

Das wusste ich jetzt auch, aber ich meinte doch was ganz anderes. Ich spürte doch, dass ich starb, ich wusste, dass sie mich nicht mehr retten konnten. Der Kampf gegen Hades würde zu lange dauern, um mich dann noch zu retten. Mein Körper zeigte mir doch schon die Anzeichen, dass es zu spät war. Aber dennoch war da eine Sache … eine Sache, die ich schon lange hätte tun sollen. Ich hätte Aiden sagen sollen, dass ich ihn liebte, ich hätte nicht so blöd sein sollen und jetzt hatte ich keine Zeit mehr dazu.

Dylen? Dylen?!

Um mich herum wurde es dunkler; meine Augen fielen langsam zu. Mein Körper war noch kälter geworden. Ich hatte mich einfach zu sehr angestrengt, meine Kraft schwand und auch meine Hoffnung, Aiden noch einmal wieder zu sehen, schwanden. Ohne diese Hoffnung, war ich verloren.

Es wurde ganz schwarz um mich herum, aber da spürte ich einen Druck an meiner Hand.

„Ich liebe dich.“

 

 

Kapitel 47

Kapitel 47

 

Dylens Hand wurde schlapp und ihre Augen schlossen sich ganz. Sie war so kalt, als ich ihre Hand in meine genommen hatte … aber wie dumm war ich gewesen? Als ob ein Ich liebe dich ihr helfen konnte. Als ob sie dann einfach so aufwachen würde und mich anstrahlen würde.

Ich hatte sie verbluten lassen. Meine Wut, unsere Wut, hatte mich einfach alles vergessen lassen. Ich hatte einfach nur noch Hades tot gewollt, mehr nicht. Das war das einzige, an das ich denken konnte und dann … dann hatte ich die Chance gehabt. Ich hatte den Dolch, Hades im Griff und den Dolch an seinem Hals und doch hatte ich ihn nicht getötet. Weil ich Dylen gesehen hatte, wie sie auf dem kalten Boden lag und einfach so ausblutete, ohne das irgendwer etwas hätte tun können.

Ich hob ihre kalte Hand an meine Lippen und hauchte einen Kuss auf ihre Finger.

„Aiden“, flüsterte Mom und legte mir eine Hand auf die Schulter, aber darauf achtete ich nicht. Ich legte Dylens Hand auf ihren Bauch und stand auf.

„Weißt du jetzt, wie ich mich gefühlt habe?“, fauchte Hades. Er kniete auf dem Boden, die Hände auf seinem Rücken gefesselt und mit Dad und Adam an seiner Seite.

„Wir müssen ihm die gestohlene Macht wieder abnehmen“, meinte ich nur monoton und stellte mich vor Hades. „Mom?“

„Aiden, wir ...“, fing sie an, aber ich redete ihr dazwischen.

„Ihm macht das alles Spaß, da siehst du doch wohl. Er hat Derek und Dylen getötet, jetzt tu endlich, was das richtige ist und dann werden wir ihn wegschaffen.“ Sie nickte und kniete sich vor Hades hin. Dad gab ihr den Zeremoniendolch und dann fing sie an.

Erst schnitt sie Hades leicht in den Arm, nahm sich dann etwas von seinem Blut auf den Finger und malte auf den Boden eine Sigille. Dann wischte sie das Blut an der Klinge ab, hob sie an ihre Lippen und murmelte vor sich hin.

Wind kam auf und Hades warf den Kopf in den Nacken. Er schloss die Augen und dann schrie er auf. Es war ohrenbetäubend, aber das interessierte mich nicht. Ich wollte nur, dass er endlich verschwand und uns in Ruhe ließ.

Dann zitterte sein ganzer Körper und ein heller Lichtstrahl fuhr aus seiner Brust empor. Aus diesem lösten sich einzelne Kugeln, eine blau, eine grün, eine weiß, die nächste lila, eine weitere rot und die letzte war braun. Sie lösten sich von dem Strahl und flogen im Saal herum. Die grüne kam auf mich zu und versank dann in meiner Brust. Ich taumelte zwei Schritte zurück und hielt mir die Brust.

Die weiße flog zu Loona und verschwand auch in ihr. Die rote flog zu Jess, die braune zu Liliana. Und dann sah ich zu der lilanen Kugel, sie flog an mir vorbei zu Dylen. Aber das würde ihr auch nicht mehr helfen. Die letzte, die blaue, flog einen Bogen und sauste dann in Dads Brust … Derek. Seine Kraft kehrte zurück zu seinem Ursprung.

Mom sah zu Dad hoch und dann sah ich ihre Tränen. Sie rollten unaufhaltsam über ihre Wangen. Dad sah sie aber nur an und irgendwas war in seinem Blick, dass sie weiter machen ließ, denn sie sah wieder zu Hades und murmelte wieder etwas. Hades schrie noch mal auf und dann sackte sein Körper in sich zusammen. Auch Mom sackte in sich zusammen, aber bevor sie auf dem Boden ankam, kniete Dad schon neben ihr und hielt sie im Arm. Mein Blick schweifte zu Hades. Der helle Lichtstrahl hatte sich zu einer weiteren Kugel geformt, die langsam herunter schwebte. Sie hielt vor Mom und Dad an. Mom schluchzte und sah zu der Lichtkugel. Sanft strich sie über diese und schob sie dann auch in Dads Brust.

Das war es. Mom hatte Hades seine ganze Lebensenergie und auch seine ganze Macht genommen, sodass er keinen schmerzhaften tod sterben musste … oder aber auch, dass keiner von uns unseren eigenen Bruder töten musste. Was ich nicht verstehen konnte. Hades hatte auch nicht gezögert, wenn er die Gelegenheit gehabt hätte, hätte er uns alle getötet. Er verdiente keinen ehrenvollen tot.

Meine Hände ballten sich zu Fäusten.

„Ich konnte nicht anders, Aiden“, hauchte Mom, aber ich sah sie nicht an. Das alles hätte erst gar nicht passieren dürfen. Und vor allem hätte ich Dylen hier raus halten sollen. Ich hätte sie nicht hier mit her bringen sollen, ich hätte sie schnell nach unten bringen sollen, in Sicherheit. Sie verstecken sollen. Ihr tot war meine Schuld, meine einzige. Ich hätte schneller reagieren sollen oder sie erst gar nicht mit Hades reden lassen sollen. Einzig und allein meine Schuld, nur weil ich durchsickern ließ, dass sie mir mehr bedeutete als alles andere auf der Welt. … sie bedeutete mir sogar noch mehr wie Daphne. Und jetzt hatte ich beide verloren.

Ich drehte mich um. Dylen lag vor mir. Ihre Haut war leichenblass und ich wusste auch, dass sie eiskalt war. Jess sah mich an.

„Tu das nicht, Aiden“, sagte sie und stand wackelnd auf.

„Lass mich in Ruhe, Jess“, sagte ich nur und ging an ihr vorbei. Doch sie umklammerte mein Handgelenk und stoppte mich so.

„Geh nicht. Bleib hier und versteck dich nicht wieder.“ Ich riss mich los und ging weiter.

Aiden, versuchte Jess es noch mal in meinem Kopf, aber ich drängte sie hinaus und ging durch die Flügeltüren des Thronsaales. In einem teleportierte ich mich herunter auf die Erde, in meine alte Wohnung. Aber ich sah nichts mehr in dieser kleinen Wohnung. Es war nur noch ein Ort, an dem ich früher mal glücklich gewesen war. Mehr nicht.

Ich packte ein paar Sachen und verließ zum letzten Mal diese Wohnung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Monat später

 

 

Jess versuchte mich zu erreichen, aber ich blieb untergetaucht. Ich wollte keinen von ihnen sehen oder hören. Jetzt zog ich mein Ding durch.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zwei Monate später

 

 

Jess gab einfach nicht auf. Sie versuchte mich aufzuspüren, egal wie.

Jetzt hatte ich ein neues Handy.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vier Monate später

 

Jess hatte aufgehört mich zu suchen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Acht Monate später

 

Eine neue Wohnung. Eine neue Stadt. Ein Job.

Ich war Kellner in einem Club, manchmal spielte ich auch den Rausschmeißer, aber nicht oft, weil jeder Angst vor mir hatte und sich noch nicht mal traute irgendeinen Scheiß zu machen. Ares gefiel es zwar nicht, dass ich in einem Club arbeitete, aber ich wollte nicht auf einem Zimmer rumsitzen und nichts tun. Ein neues Leben war wohl die beste Idee gewesen.

Die letzten acht Monate war ich nur umher gestreift, war nirgendwo zuhause und fühlte mich auch nie wohl. Das pendeln hatte mir geholfen über einige Sachen klar zu werden und deswegen war ich dann auch hier geblieben, um neu anzufangen.

„Hey, Großer, bringst du mir noch ein Sex on the beach?“, lächelte mich eine Blondine von der Seite an. Sie saß mit ihren vier Freundinnen in einer Sitzecke, lästerte über andere Frauen und vor allem versuchte sie schon seit geschlagenen zwei Stunden mit mir zu flirten.

„Sonst noch was?“, fragte ich.

„Hast du nicht Lust, dich was zu uns zu setzten?“

„Ich muss arbeiten“, meinte ich nur und ging ihr den Cocktail holen.

Nachdem ich einem weiteren Flirtversuch von ihr ausgewichen war, ging ich zurück zur Bar. Doch da sammelten sich einige Leute zusammen und ich hörte eine Frauenstimme aus dem ganzen Getümmel heraus.

„Lass die Finger von mir“, knurrte diese.

„Ist aber ein süßer Hintern“, meinte ein Typ. Ich räusperte mich und sofort machten alle für mich platz.

„Was ist hier los?“, fragte ich und kam in der Mitte des Kreises an.

„Aiden?“, fragte die Frau und ich sah sie direkt an. Lange braune Haare, nussbraune Augen.

„Liliana?“, fragte ich verblüfft. Sie nickte und hatte den Typen, der sie angegrabscht hatte total vergessen.

„Wir haben dich überall gesucht, aber nicht gefunden.“

„Das war der Plan“, meinte ich und ging an ihr vorbei, zu dem Typen. „Lass deine Hände bei dir, sonst schmeiß ich dich hochkant raus, verstanden?“ Der Typ grinste aber nur. Ja, so Typen gab es auch, die eben keine Angst vor mir hatten und dachten, sie hätten eine Chance gegen mich.

„Vor dir hab ich keine Angst“, meinte er nur. Ich zuckte die Schultern, packte ihn an seinem Hemd und schleifte ihn nach draußen.

„Den nicht mehr rein lassen“, meinte ich zu den Türstehern. Diese nickten und ich drehte mich einfach um. Der Typ war viel zu schwach gewesen, um überhaupt irgendetwas gegen mich auszurichten.

Drinnen kam Liliana wieder auf mich zu, aber ich ging einfach zur Bar zurück. Ich wollte nicht mit ihr reden.

„Aiden, jetzt warte mal“, meinte sie und setzte sich an die Bar. „Wo warst du? Warum ...“

„Weil ich nicht zurück kommen will, Liliana, verstehst du das nicht? Und du kannst dir auch den Atem sparen und wieder gehen. Ich werde hier bleiben“, unterbrach ich sie und drehte mich zu einem Gast um.

„Jess hat dich aber gesucht, Aiden. Sie macht sich Sorgen um dich.“

„Du hast ja jetzt gesehen, dass es mir gut geht.“ Ich mixte einen Cocktail und gab ihn dann dem Gast, dann stempelte ich die Getränkekarte ab und er verschwand.

„Aiden ...“

„Verschwinde Liliana.“

„Sie heiraten in fünf Tagen, Aiden. Jess und Adam wollen dich dabei haben.“ Ich zuckte die Schultern. „Dylen ...“

„Hör auf!“, schrie ich und sah sie aus wilden Augen an. „Geh bitte, geh einfach und lass mich in Ruhe.“ Sie schluckte, holte etwas aus ihrer Tasche und legte es auf die Theke.

„Überleg es dir.“ Damit ging sie und wurde von der Menge verschluckt.

Ich sah auf das Stück ein laminiertes Papier, was sie zurück gelassen hatte. Es war Adams und Jess Einladung zur Hochzeit.

 

WIR SAGEN JA!

 

Adam und Jessica

 

 

Wir geben uns in unserem kleinen, festlich geschmückten Garten

das Ja-Wort.

Dazu wollen wir euch herzlich einladen und freuen uns auf einen unvergesslichen Abend.

 

Zur Hochzeit ist das schenken Sitte.

Wir haben deshalb eine Bitte.

Vom kleinen Löffel bis zum Bett

ist unser Hausstand schon komplett.

Für diesen alten Brauch

da tut´s was für´s Sparschwein auch.

 

 

Neben dem Text war noch ein Bild von zwei Händen, mit Ringen. Ich erkannte beide Hände sofort. Es waren Jess und Adams Hände.

Wir sollten hin gehen, meinte Ares in meinem Kopf.

Ich will nicht mehr zurück.

Sie heiraten, Aiden.

Wütend nahm ich mir die Einladung und steckte sie mir in die Gesäßtasche. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. 

Epilog

Epilog

 

Das Haus sah unglaublich aus. Jess hatte wirklich an nichts gespart. Ein kleiner roter Teppich ging durch den Vorgarten zur Haustüre und an den Seiten standen Blumentöpfe mit roten Rosen.

Ich stand schon zwanzig Minuten hier in meinem schwarzen Anzug und den Lackschuhen, die ich total bescheuert fand. Ich wollte eigentlich gar nicht kommen und doch stand ich hier. Weil ich das Jess nicht antun konnte. Ganze acht Monate hatte ich mich von allen abgekapselt, da konnte ich doch wenigstens zu ihrer Hochzeit kommen, oder?

Ich machte einen Schritt nach vorne, blieb aber dann stehen. Was sollte ich denn sagen? Sie würden mich fragen, wo ich gewesen war. Warum ich mich nicht gemeldet hatte. Verdammt! Ich sollte wieder gehen, bevor mich jemand sieht.

Ich hatte mich schon umgedreht und wollte gerade los gehen …

„Aiden?“ Jess Stimme würde ich überall heraus hören … genauso wie Dylens. Langsam drehte ich mich um und sah nach oben. Jess beugte sich aus dem Fenster und lächelte mich an. „Du bist gekommen.“ Ich seufzte und steckte die Hände in die Hosentaschen.

„Ich kann doch nicht verpassen, wie du im Hochzeitskleid aussiehst“, meinte ich. Sie presste die Lippen zusammen und verschwand dann vom Fenster. Sie kam herunter gelaufen, das wusste ich. Also ging ich ihr entgegen. Da ging schon die Türe auf und sie lief mir entgegen. Ich schlang die Arme um Jess und drückte sie an mich.

„Danke“, schluchzte sie. Ich drückte sie noch etwas mehr an mich und küsste ihren Kopf.

„Hör auf zu weinen“, murmelte ich und drückte sie etwas von mir weg, einmal um ihr die Tränen weg zu wischen, zum anderen weil ich sie mir ansehen wollte. Lachend wischte sie sich die Tränen weg und sah mir in die Augen.

„Tut mir leid, ich bin nur so froh, dass du gekommen bist.“ Ich lächelte auch und wischte eine Träne von ihrer Wange, dann sah ich sie mir an. Sie trug ein wunderschönes weißes Kleid, dass man mit zwei dünnen Trägern hinten im Nacken zumachte. Es war schlicht, lag eng am Oberkörper an und floss dann einfach an ihr herunter … aber da war noch etwas. Ihr Bauch war dick …

„Jess ...“, fing ich an und legte eine Hand auf ihren Bauch. Sie kicherte und legte ihre Hand auf meine.

„Ein Junge“, strahlte sie und genau in dem Moment trat er. „Ja, das ist dein Onkel Aiden.“ jetzt sah sie mich aber böse an. „Und du wolltest ohne ein Wort wieder verschwinden?“

„Jess, ich weiß nicht, ob das alles so gut ist.“

„Ich hab dich Monate lang gesucht. Dragana ist fast umgekommen vor Sorge und Dylen ...“ Ich schloss die Augen und schüttelte den Kopf.

„Bitte nicht.“ Jess hob die Hand und legte sie mir auf die Wange.

„Komm mit rein, bitte. Geh nicht schon wieder weg.“ Seufzend nickte ich und wurde dann von ihr mitgezogen.

Drinnen drückte Jess mich in Richtung Küche.

„Kannst du kurz helfen, das wäre echt super“, lächelte sie und ging zur Treppe.

„Jaja, dafür sollte ich kommen?“

„Danke Aiden, du bist ein Schatz“, meinte sie und ich ging in die Küche …. und bekam einen Schock.

An der Anrichte stand eine Frau in einem wunderschönen roten Kleid, es war trägerlos und reichte ihr bis zu den Oberschenkeln. Ihr dunkelblondes Haar hatte sie hochgesteckt und an ihren Ohren baumelten längliche Ohrringe. Ich würde sie überall erkennen. Aber das konnte nicht sein, sie konnte nicht … da drehte sie sich um und ich sah in strahlend blaue Augen, in die Augen, die mich schon immer angesehen hatten.

„Dylen“, hauchte ich.

„Du bist hier“, flüsterte sie. Ich konnte nichts anderes tun, als zu ihr zu gehen, sie an der Hüfte zu packen und sie dann zu küssen. Sie erwiderte meinen Kuss und schlang ihre Arme um meinen Hals.

Als wir uns lösten, lehnte ich meine Stirn an ihre und sah in ihre wunderschönen Augen.

„Wie?“, brachte ich nur heraus.

„Ich weiß es nicht“, flüsterte sie. „Ich hatte gedacht, ich sei tot, aber dann bin ich vor drei Monaten aufgewacht. Liliana und Dragana haben nicht aufgegeben. Liliana meinte, dass mein Herz noch geschlagen hat, zwar nicht regelmäßig, aber auf dieser Basis hatte sie es irgendwie geschafft mich zurück zu holen.“ Sie ließ ihre Hände über meine Schulter fahren und legte sie mir dann auf die Wange. Mit ihrem Daumen strich sie unter mein Auge. Erst da merkte ich, dass mir ein paar Tränen über die Wangen liefen. Ich hatte mich so sehr damit abgefunden, dass sie tot war … es war wie ein Traum sie jetzt hier in meinen Armen zu halten. „Ich hab nach dir gesucht“, flüsterte sie. „Aber Jess meinte, es sei sinnlos.“ Und da fiel mir alles wieder ein. Als Liliana in dem Club gewesen war … ich hatte sie nicht weiter reden lassen, als sie Dylens Namen gesagt hatte. Und eben auch Jess. Sie hatten mir nur sagen wollen, dass es ihr gut ging, dass sie nicht tot war.

„Ich dachte, ich hab dich verloren.“ Dylen stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste mich sanft.

„Ich liebe dich“, hauchte sie an meinen Lippen. Oh, das waren die schönsten Worte, die ich die letzten Monaten gehört hatte. 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Soooo Leute, das war das Ende =)
Ich wollte mich noch einmal bei allen bedanken, die sich die Mühe gemacht haben und meine Geschichte gelesen haben =) es hat mich echt gefreut, so viele tolle Kommentare zu lesen =)
Ich hoffe, es hat euch gefallen und ich konnte euch ein bisschen die Langeweile versüßen =)
Mit diesen Worten

Danke
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Kommentare zu dieser Fanfic (38)
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Von:  joshi_chan
2018-04-15T22:02:18+00:00 16.04.2018 00:02
uii, jedesmal wenn ich diese Geschichte lese, finde ich sie einfach wunderschön! danke dir!
Antwort von:  Ten-nii-san
16.04.2018 07:16
Ich hab zu danken 😁
Von:  Hidan_1975
2015-10-08T18:39:04+00:00 08.10.2015 20:39
Mir hat sie gefallen ;-);-);-);-)
Antwort von:  Ten-nii-san
08.10.2015 22:21
Danke schön :-D das freut mich sehr
Von:  Hidan_1975
2015-10-08T15:29:53+00:00 08.10.2015 17:29
Kann nur sagen,klasse geschrieben und mich auf die nächsten Kapi freu.

Antwort von:  Ten-nii-san
08.10.2015 19:27
Hast es ja bald geschafft :)
Von:  Hidan_1975
2015-10-07T17:09:10+00:00 07.10.2015 19:09
Mit Witz und viel Humor geschrieben.
Antwort von:  Ten-nii-san
07.10.2015 19:15
ja =) danke
Antwort von:  Hidan_1975
07.10.2015 19:20
Bitte nix zu danken ^^)
Von:  Hidan_1975
2015-10-07T16:35:21+00:00 07.10.2015 18:35
Na der Prolog liest sich doch ganz gut.
Also,sind hier die Griechen am Werk bzw deren Götter.

Ich freue mich jetzt auf jedes einzelne Kapi.

Wir lesen uns.
Von:  Miena
2015-10-06T20:58:02+00:00 06.10.2015 22:58
Wunderschönes und passendes Ende. *.*
Bin so froh, dass alles gut ging und Aiden mit Dylen glücklich sein kann. :)
Finde es zwar Mega schade, dass es vorbei ist, aber alles hat mal ein Ende. :)
Vielen Dank für diese tolle Geschichte. Hat mir sehr viel Freude bereitet. :)

Lg,
Miena
Antwort von:  Ten-nii-san
07.10.2015 06:40
Freut mich sehr das es dir gefallen hat. Ich war skeptisch ob euch das ende gefallen wird, weil es eben nur noch das treffen der beiden ist. Aber bin froh das es doch gefällt :-D
Von:  Ared
2015-10-06T19:50:50+00:00 06.10.2015 21:50
Ahhhh ein Happy End.
Ich bin begeistert richtig begeistert. Ich hatte schon das Bedürfnis dich gedanklich umzubringen, mir ist das Herz stehen geblieben als Aiden dachte sie sei Tod. Aber Gott sei Dank hast du sie nicht sterben lassen. Finde es ein bisschen schade das es schon zu ende ist.

GLG Ared

Antwort von:  Ten-nii-san
06.10.2015 21:56
Hehe ja ein bisschen gemein von mir..aber es freut mich sehr das es dir so gut gefallen hat. Es ist schön was zu hören. Danke noch mals :-D
Von:  Miena
2015-10-06T11:13:57+00:00 06.10.2015 13:13
Armer Hades. :(
Kann verstehen wieso er so gemein zu seinen Brüdern ist...
Hoffentlich können Sie ihm zeigen, dass sie sich geändert haben. :/
Bin gespannt, wie es ausgehen wird. :)

Lg,
Miena
Von:  Miena
2015-10-04T19:54:01+00:00 04.10.2015 21:54
Oh Gott... Was ist mit Derek? :/
Meine Güte, er tut mir leid...
Aber schön, dass er Dylen die Wahrheit gesagt hat. :)
Freue mich auf die nächsten Kapitel. :))

Lg,
Miena
Von:  Miena
2015-10-03T14:36:52+00:00 03.10.2015 16:36
Einfach der Wahnsinn!
Es wird echt immer spannender!
Und ich hoffe so sehr, dass alle da heil raus kommen. :/

Lg,
Miena


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