Unicon
Wortlos gingen die beiden Schwestern in das kleine, abgelegene Haus am Ende des Dorfes. Der riesige Orangengarten umhüllte die Atmosphäre mit einem süßlichen-fruchtigen Duft. Dieses Aroma bedeutet genauso Heimat für Nami, wie die salzige Meeresluft. Ein weiteres ehrliches Lächeln zaubert sich auf ihre Lippen. „Nojiko, ich möchte duschen.“, kam der zaghafte Wunsch von Namis Lippen. „Ich lass dir auch gerne ein Bad ein.“, bot ihre ältere Schwester ihr an. Ihr Angebot wurde von einem heftigen Kopfschütteln abgelehnt. Die Verwunderung darüber war Nojiko ins Gesicht geschrieben. Sie kannte die Vorliebe ihre Schwester für lange wohltuende Bäder. Ein geschenktes Lächeln und die warmen Worte ihre Schwester, sie wolle lieber nur schnell duschen, änderten an diesem verwundertem Blick keine einzige Mimik. Doch merkte Nojiko, dass ihre Schwester einen bestimmten Grund für diesen Wunsch hatte und diesen vor ihr verheimlichen wollte. So schwer es ihr auch fiel, so wollte sie die unausgesprochene Bitte ihre Schwester respektieren. Zwar war zwischen den zwei Schwestern das Versprechen jedes Geheimnis miteinander zuteilen, jedoch hatte ihr Nami vor Jahren schon klar gemacht, dass sie sich bezüglich der Strohhutbande nicht daran halten wollte.
„Na gut.“, sagte die Ältere nun mit liebevoller Stimme. „Ich leg dir ein paar alte Klamotten von mir raus.“ Die Oranghaarige nahm, dieses Angebot dankend an, da sie wohl kein einziges sauberes Kleidungsstück mehr besaß. Ein verschmitztes Lächeln brachte Nojikos Gesicht hervor. „Oh kein Gejammer darüber, dass du meine alten Klamotten kriegst?“ Eins ihrer breitestes Grinsen zeichnete sich in Nami Gesicht ab. „Ich dachte, es ist das Normalste von der Welt, dass die kleine Schwester die alten Klamotten ihre Älteren bekommt?“, fragte sie amüsiert und verschwand ohne auf eine Antwort zuwarten im Badezimmer. Ein Seufzer entwich Nojikos Kehle. Dieser verfluchte Sturkopf ihrer Schwester war einfach unmöglich. Sie konnte schwören, dass sich diese Eigenschaft, welche Nami definitiv durch die Erziehung ihrer gemeinsamen Stiefmutter angeeignet hatte, durch die gemeinsam Abenteuer mit der Strohhutbande verstärkt hatte. Gerne hätte sie ihrer kleine Schwester noch gerne in einem spaßigen Ton daran erinnert, wie sie als kleines Kind darüber gedacht hatte.
Nami entledigte sich ihrer kompletten Kleidung. Nur der weiße Hibiskus, der ihre Haare zierte, blieb an derselben Stelle. Sie drehte das warme Wasser auf. Die heißen Wasserstrahlen aus dem Duschhahn berührten ihre eiskalte Haut. Absurderweise war sie glücklich und traurig zu Gleich, endlich wieder etwas auf ihre Haut spürte. Die reinigende Wirkung des Wassers schwächte sie. Diese warmen Berührungen erinnerten sie an das Gefühl, welches der Mann, den sie so geliebt hatte, in ihr immer ausgelöst hatten. „Ich liebe dich, Nami“, hörte sie seine Stimme schwach in ihrem Kopf. Mittlerweile war es nicht nur das Duschwasser, welches über ihre schmalen Wangen, sich dem Weg nach unten bahnte. Langsam rutschte sie mit ihrem Rücken über die kalten Fliesen auf den Boden. Die Kraft in ihrem Körper war nun allmählich komplett entwichen. Der Schmerz über ihren Verlust war selten so groß gewesen. Sie spürte seine Berührungen immer noch klar und deutlich. Wenn sie ihre verweinten Augen schloss, sah sie immer noch sein Lächeln vor sich. Dieses Lächeln, welches ihr in jeder aussichtslosen Situation den nötigen Mut und die nötige Kraft gegeben hatte.
Jetzt war sie hier ohne ihn.
Ohne seine Berührungen.
Ohne seine starke, ehrliche Liebe.
Alleine und so schwach.
Zu schwach.
So oft hatte sie sich gewünscht, nur ein bisschen stärker zu sein.
Er musste immer alle großen Kämpfe alleine austragen.
Bis heute fühlte sie sich noch schuldig, dass sie nicht an seiner Seite sein konnte, als sein Bruder starb. Nicht mit ihm, an diesem Tag kämpfen, zu können. Es war etwas, was sie ihm nie gesagt hatte. Diese eine Sache hatte sie, als ihre kleine eigene Last immer mit sich herumgetragen. Mittlerweile hatte dieser kleine Stich in ihrem Herzen weitere Schuldgefühle in ihr hervorgerufen.
Wäre sie doch nur von Anfang an stärker gewesen.
Vielleicht wäre alles anders gekommen.
Wahrscheinlich wäre er dann noch am Leben.
Er würde weiter mit ihr auf der Thousand Sunny unzählige Abenteuer erleben. Ihre Hand streichelte sanft über ihren Bauch. Mit ihm wäre alles so viel einfach gewesen.
Nami konnte die Flut aus Tränen nicht aufhalten. Langsam stieg wieder diese Wut in ihr auf. Er hatte sie alleine zurückgelassen, obwohl sie nur seinetwegen Piratin geworden war. Wie sehr sie doch Piraten eigentlich hasste. Mittlerweile war eine immens hohe Summe auf ihrem Kopf ausgesetzt. Sie war eine der meist gesuchten Verbrecherinnen dieser Welt. Die Marine würde sie sicher noch mehr jagen, wenn sie ihr kleines Geheimnis kennen würde. Der einzige Grund, warum sie irgendwie es doch schaffte, über die Tatsache glücklich zu sein, dass nicht mal er ihr Geheimnis kannte. Sie selber hatte er ja nicht einmal gewusst, als sie ihm zum letzten Mal gesehen hatte.
~*~
„Nami, ich liebe dich.“, grinste er sie an. Ihre gemeinsamen Abenteuer hatten ihrer Spuren hinterlassen. Er war nicht mehr der unschuldige, naive Junge, den sie in der kleinen Stadt Orange kennengelernt hatte. Er war auf seine eigene Weise irgendwie doch noch erwachsen geworden. Ein richtiges Talent, dabei nicht noch seine kindliche Art zu verlieren. Sie sah in seine Augen. Traurig erkannte sie wieder, dass die Sehnsucht nach Abenteuern nicht nur ihre Charakter geprägt hatte. Sein Blick war so krank und schwach. Sie zitterte. In ihrer Gedankenwelt versunken, in seinem Blick gefangen, erschrak sie, als er sie zu sich hinunter zog. Seine Lippen an ihrem Ohr flüstern heiser: „Diese Kälte tut so gut.“ Sein Körper war durch das hohe Fieber extrem warm. Mittlerweile war diese Wärme für sie unerträglich geworden. Dennoch legte sie ihren Kopf auf die X- förmige Brandnarbe seiner Brust. Apathisch strichen ihre Finger über die Konturen dieser Narbe, welchen noch nicht mit ihrem Kopf bedeckt waren. Er wiederum streichelte sanft durch ihre Haare. Wortlos langen die Liebenden in ihrem eigenen erschaffenen Paradies auf einer unbewohnten Tropeninsel. Der klare Sternen besetzte Nachthimmel wachte über sie. Seine Lippen suchten sehnsüchtig die ihren. Nami spürte, dass dieser Kuss ihr etwas mitteilen sollte. Sie spürte wie anders und sehnsüchtiger dieser Kuss war. Sie erkannte diese Nachricht, wollte sie aber nicht wahr haben. Ihr Bewusstsein verdrängte jegliche Realität in diesem Moment. Auf der Suche nach Reichtum, Macht und Ruhm hatten Käpt'n und Navigatorin noch etwas viel Wertvolleres gefunden.
~*~