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Es klickte, als ein Schlüssel ins Schloss gesteckt und herumgedreht wurde. Sakura zuckte erschrocken zusammen und sah zur Küchentür.
„Keine Sorge, das ist nur Jugo“, beruhigte Sasuke sie sofort.
Sie saßen noch immer am Esstisch und er hatte ihr gegenüber auf dem Stuhl Platz genommen. Die ganze Zeit über hatten sie kaum noch ein Wort miteinander gewechselt und ein paar Mal waren ihr fast die Augen zugefallen. Doch Sasuke wollte sie nicht gehen lassen, bevor sie nicht noch ein paar Dinge geklärt hatten. Wenn Jugo endlich auftauchte, bedeutete das vielleicht, dass sie bald nachhause konnte. Sie sehnte sich nach ihrem Bett und ihrer kuschelig warmen Decke und wollte einfach nur noch schlafen, um diesen schrecklichen Tag zu vergessen. Wenigstens wurden durch die Tablette die Kopfschmerzen allmählich besser.
Auf dem Gang ertönten schlurfende Schritte und kurz darauf tauchte ein ihr bekanntes Gesicht im Türrahmen auf, das jedoch nicht zu Jugo gehörte.
„Ist bei euch alles in Ordnung?“, erkundigte sich Shikamaru besorgt.
Es war offensichtlich, dass er gerade erst aufgestanden war und dass ihn wohl irgendetwas aus dem Schlaf gerissen hatte. Seine Haare waren noch unordentlicher als sonst zurückgebunden und sein Blick war trüb und verschlafen. Offensichtlich hatte er sich seine Jacke ziemlich hastig übergezogen, denn die Kapuze hing noch halb unter dem Kragen und auch so wirkte er recht zerknittert.
„Du hättest nicht extra herkommen müssen“, entgegnete Sasuke ihm, ohne dabei wirklich auf die Frage einzugehen.
Shikamaru betrat die Küche und sein Blick blieb an Sakura hängen. Wahrscheinlich sah sie schon besser aus als noch vor wenigen Minuten, aber trotzdem sah man ihr die Strapazen deutlich an. Auf seiner Stirn bildete sich eine nachdenkliche Falte.
„Ich hab mir Sorgen gemacht, als der Penner dich auf die Tischplatte geknallt hat. Geht es dir gut?“
Sakura nickte verblüfft. Zu mehr war sie gerade nicht im Stande. Woher wusste Shikamaru, was Hidan getan hatte? Bisher hatte sie nicht einmal Sasuke erzählt, was genau vorgefallen war. Fast war es so, als hätte er das Ganze selbst miterlebt.
„Shogi“, sagte er plötzlich.
Irritiert runzelte sie die Stirn.
„Was?“
„Shogi ist das Passwort für den Laptop“, erklärte Shikamaru knapp. „Falls er dich das nächste Mal fragt, kannst du ihm das ruhig sagen. Es sind keinerlei Daten drauf. Die sind alle hier.“
Aus dem Innenfutter seiner Jacke zog er ein rechteckiges Gehäuse hervor, das Sakura auf den zweiten Blick als externe Festplatte identifizieren konnte. Mit dem Finger tippte er ein paarmal kurz auf die Oberfläche und legte sie dann zwischen ihnen auf die Tischplatte.
„Wonach könnten sie gesucht haben?“, wollte Sasuke wissen.
Shikamaru zuckte nur mit den Schultern und setzte sich dann auf den freien Stuhl neben Sakura.
„Nachdem Hidan versucht hat den Laptop hochzufahren, hat er nichts mehr gesagt, was uns irgendwelche Hinweise geben könnte. Zumindest hab ich nichts mitbekommen, außer dass er ständig nach dem Passwort gefragt hat. Er könnte alles Mögliche gesucht haben.“
Allem Anschein nach, hatte Shikamaru sie also beobachtet. Ihr fiel nur eine Möglichkeit ein, wie er das gemacht haben konnte. Wahrscheinlich hatte der Laptop eine Art Alarm, wenn sich ein Unbefugter daran zu schaffen machte und übertrug anschließend über die Webcam ein Bild an ihn. Allerdings hatte Hidan zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht besonders viel von sich gegeben, was Aufschluss über seine Motive geben konnte. Zuvor allerdings schon.
„Als wir im Übungsraum waren, hat Deidara den Entwurf mit seinem Handy abfotografiert“, erinnerte sich Sakura. „Sie wussten aber, dass es meine Arbeit war, deswegen wollte Hidan nochmal nach dem Original suchen.“
Shikamarus Gesichtsausdruck verfinsterte sich und er warf Sasuke aus dem Augenwinkel einen seltsamen Blick zu, den sie nicht recht deuten konnte.
„Was für ein glücklicher Zufall, dass Sakura genau zu der Zeit oben war und die beiden belauschen konnte“, seine Stimme triefte nur so vor Sarkasmus. „Wären sie zuerst dir begegnet, hätten wir jetzt wahrscheinlich überhaupt keinen Anhaltspunkt, was sie wollten.“
Offensichtlich ging er ganz und gar nicht davon aus, dass es sich um einen Zufall handelte und auch Sakura begann mehr und mehr zu zweifeln. Möglicherweise war das genau die Erklärung, die sie die ganze Zeit über gesucht hatte. Der Grund, weswegen er sich so viel Zeit gelassen hatte, bis er schließlich ebenfalls nach oben gekommen war. War er wirklich so skrupellos? Sie sah fragend hinüber zu Sasuke, doch der zog nur eine Augenbraue nach oben und bedachte Shikamaru mit einem mahnenden Blick.
„Wie du schon sagtest, ein Zufall“, er betonte das letzte Wort besonders eindringlich. „Außerdem bleiben noch viele weitere Fragen. Selbst wenn sie es wirklich auf den Originalentwurf abgesehen haben, woher wussten sie, dass wir ausgerechnet heute damit arbeiten würden?“
„Ich denke, dass sie noch viel mehr wussten“, warf Shikamaru ein. „Sakura und du wart heute allein hier. Wie oft kommt das vor? Normalerweise ist Jugo so gut wie immer da, wo du auch bist und ich bin meistens auch bis weit nach Mitternacht im Haus. Es kommt mir so vor, als hätten die beiden darüber Bescheid gewusst. Nicht mal Hidan ist so blöd und marschiert einfach in ein Haus, in dem gleich mehrere Personen anwesend sind. Insbesondere Jugo hätte ihm gefährlich werden können, aber Sakura ist nun wirklich kein Hindernis.“ Er warf ihr einen entschuldigenden Blick zu. „Nimm es mir nicht übel.“
Sakura winkte schnell ab. In Gedanken war sie immer noch bei dem, was Shikamaru zuvor gesagt hatte und war dem Gespräch dementsprechend nicht wirklich gefolgt. Er hatte Sasuke indirekt unterstellt, dass er sie mit Absicht oben allein gelassen hatte, damit sie für ihn Informationen beschaffen konnte. Wenn man mal ehrlich war, hatte diese Methode ja auch funktioniert, was nicht zuletzt daran lag, dass die beiden Eindringlinge keine Gefahr in ihr gesehen hatten. Vor Sasuke hätten sie vermutlich niemals so frei geredet.
Immer wieder ließ sie ihren Blick über sein Gesicht gleiten, in der Hoffnung irgendetwas darin lesen zu können, doch er hatte absolut dichtgemacht. Keinerlei Hinweise, keinerlei Emotionen, nur noch kühles und logisches Schlussfolgern. Für ihn schien die Sache mit Sakura kein Thema mehr zu sein und stattdessen beschäftigten ihn jetzt vielmehr die Gründe für den Einbruch.
„Es ist kein Zufall, sie wussten es“, verkündete Sasuke überzeugt. „Ich habe zwar keine Ahnung, woher sie ihre Informationen haben, aber wahrscheinlich ist das auch nicht das einzige, was sie herausgefunden haben.“
„Du meinst den Zeitpunkt für den Wettbewerb?“, hakte Shikamaru nach.
Sasuke nickte.
„Wahrscheinlich dauert es nicht mehr lange. Ich würde höchstens noch mit einer Woche rechnen, eher vier bis fünf Tage.“
Sakura spürte, wie sich ihre Brust ein wenig zusammenzog. Bisher hatte sich das alles immer noch recht abstrakt angefühlt. Niemand wusste genau, wann oder wo der Wettbewerb stattfinden würde, was die Bedingungen waren und wie lange sie noch Zeit hatten. Obwohl sie immer im Hinterkopf behalten hatte, wofür sie trainierte, waren es doch immer nur sie und Naruto in dem kleinen Übungszimmer gewesen. Später dann war Naruto durch Sasuke abgelöst worden. Trotzdem hatte für sie nie eine reale Gefahr bestanden, sie war immer in einem geschützten Raum geblieben. Mit dem Wettbewerb würde sich das ändern.
Abgesehen davon schoss ihr Sasukes Angebot wieder in den Kopf. Er würde sie gehen lassen, was bedeutete, dass auch Ino außer Gefahr sein würde. Allerdings war die Voraussetzung dafür, dass es ihr gelang ihren Bezirk, den Bezirk Nummer sieben, gegen Deidara zu verteidigen. Momentan fühlte sie sich einfach noch nicht bereit dafür. Da waren noch so viele Baustellen, an denen sie gemeinsam mit Sasuke arbeiten musste, und obwohl sie oftmals stundenlang gemeinsam übten, war sie noch weit entfernt von dem, was nötig sein würde, um Akatsuki zu schlagen. Aber sie musste es schaffen. Für Ino und sich selbst zuliebe.
„Sakura, wie genau haben sie sich den Entwurf angesehen?“
Sie erschrak kurz, als Sasuke sich plötzlich wieder direkt an sie wandte. Das Rauschen des Bluts in ihren Ohren hatte sie gänzlich abgeschottet von dem, was um sie herum geschah. Abgesehen davon nahm ihre Müdigkeit immer mehr zu und Sakura hatte wirklich Mühe, die Augen offenzuhalten, geschweige denn sich zu konzentrieren. Es war einfach viel zu viel geschehen und ihr Gehirn begann allmählich zu protestieren, wollte keine weiteren Informationen mehr aufnehmen oder verarbeiten.
„Ziemlich genau“, antwortete sie schließlich mit rauer Stimme. „Deidara hat einen Blick dafür, deswegen wusste er auch, dass der Entwurf von dir kommt. Außerdem haben sie ja ein Foto gemacht.“
Nachdenklich trommelte Sasuke mit seinen Fingerspitzen auf die glänzende Oberfläche der Festplatte, was Shikamaru nur mit einem missgestimmten Knurren kommentierte. Im Hinblick auf seine Technik verstand er absolut keinen Spaß, doch Sasuke ignorierte das vollkommen.
„Was denkst du? Reicht das aus, um ihre Fähigkeiten zu analysieren?“
Shikamaru seufzte.
„Du bist der Fachmann“, sagte er dann. „Aber wir haben, wie du wolltest, jemanden ausgewählt, von dem absolut nichts im Internet und auch sonst nirgendwo zu finden ist. Die Abgaben für die Uni habe ich aus dem System gelöscht. Das heißt, sie haben wirklich nur dieses eine Bild. Und wer weiß, wie die Qualität von dem Foto ist, in dem Raum gab es ja kein Licht. Außerdem ist es jetzt zu spät, um nochmal umzusatteln.“
Ungläubig sah Sakura ihn an.
„Ihr habt euch mich ausgesucht, weil ich keine Sachen von mir im Internet veröffentlicht habe?“
Sasuke schmunzelte.
„Jedenfalls nicht, weil du die Beste im Kurs warst.“
Empört schnaubte Sakura. So einfach war es also? Sie hätte einfach nur irgendeine Zeichnung von sich ins Netz stellen müssen und schon wäre sie für Sasuke Uchiha nicht mehr interessant gewesen. Es ging ihm nur darum, jemanden zu finden, über den Akatsuki keine Nachforschungen anstellen konnten, sodass er ihnen gegenüber einen Wettbewerbsvorteil hatte. Im Grunde genommen hatte sie wohl einfach nur Pech gehabt.
„Es gab auch noch andere Kriterien“, warf Shikamaru ein. „Aber du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viele Leute alles, was sie machen, sofort irgendwo hochladen. Es war ganz schön mühsam, jedes Mal sämtliche Webseiten zu durchsuchen.“
Ein bisschen hatte sie das Gefühl, dass er sie irgendwie aufmuntern wollte, doch es funktionierte nicht. Die ganze Zeit über hatte sie gedacht, dass es ihr Fehler gewesen war und dass sie irgendetwas falsch gemacht hatte. Nun zu erfahren, dass es nichts weiter als ein dummer Zufall war, dass seine Wahl gerade auf sie gefallen war, war wie ein harter Schlag in die Magengrube. Aus Shikamarus Aussage schloss sie zudem, dass Sasuke sogar mehrere potentielle Kandidaten gehabt hatte. Wahrscheinlich war ihr erstes Zusammentreffen mit Naruto nochmal sowas wie ein finaler Test gewesen, nachdem sie nichts von ihr im Netz gefunden hatten. Sie hatte ihre Mappe fallen lassen und er hatte ihre Arbeiten gesehen. So konnte Sasuke sich zumindest sicher sein, dass er keine komplette Amateurin anheuerte.
„Super“, murmelte sie frustriert.
Deswegen hatte er sich auch für sie entschieden, obwohl er mit ihrer Arbeit nicht wirklich zufrieden gewesen war. Ihm war es schlicht und ergreifend auf andere Faktoren angekommen.
„Du bist sehr lernfähig“, ergriff Sasuke überraschend das Wort. „Ich kenne deine Noten und du bist eine der Besten in deinem Jahrgang. Außerdem kannst du mit Stress und Druck umgehen und du bist nicht sofort verschreckt, wenn dir jemand gegenübersteht, der potentiell gefährlich sein könnte.“
Überrascht sah sie ihn an und wusste nicht so recht, was sie von seiner Aussage halten sollte. Soweit sie sich zurückerinnerte, war das so ziemlich das einzige Kompliment, das Sasuke ihr jemals gemacht hatte. Sie fühlte sich unglaublich geschmeichelt, auch wenn sie das am liebsten nicht einmal vor sich selbst zugeben wollte, und gleichzeitig war sie misstrauisch, weil sie irgendeine Strategie dahinter vermutete. Erst sagte Sasuke ihr, dass sie gehen konnte, wenn sie den Wettbewerb gewann, jetzt machte er ihr plötzlich Komplimente. Sie wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte.
„Ich dachte, du hältst nicht besonders viel von BWL-Studenten“, sagte sie deshalb nur.
„Tue ich auch nicht“, bestätigte er.
Ein Geräusch ließ sie alle drei aufhorchen und Sakura konnte nicht verhindern, dass ihr Herz erneut schneller schlug. Wahrscheinlich würde es noch eine ganze Weile dauern, bis sie das Quietschen des Gartentors nicht mehr mit etwas Negativem verbinden würde. Das dumpfe Pochen des Türklopfers ertönte und Shikamaru erhob sich von seinem Stuhl, um nachzusehen wer draußen war. Ein kühler Windstoß kam durch den Flur in die Küche, als er die Haustür öffnete und kurz darauf hörten sie Stimmen. Es war Jugo.
Wahrscheinlich hatte er selbst keinen Schlüssel, weil er meistens mit Sasuke unterwegs war. Nachdem er das Haus betreten hatte, gab Sasuke ihm die Kurzfassung der Ereignisse des heutigen Abends und bat Jugo dann sich umzusehen, ob Deidara und Hidan irgendwelche Spuren hinterlassen hatten. Außerdem fragte er ihn, wer alles gewusst hatte, dass er heute nicht im Haus sein würde. Angeblich niemand außer ihnen. Obwohl Sasuke immer noch misstrauisch wirkte, schien er Jugo in der Hinsicht zweifelsfrei zu glauben.
Sakura selbst war sich nicht sicher, ob Hidan und Deidara wirklich Bescheid gewusst hatten, denn wenn sie ehrlich war, traute sie insbesondere Hidan auch zu, dass er einfach drauf losgestürmt wäre. Es schien ihn nicht besonders zu kümmern, wer ihn erwischen könnte, fast so, als wäre er gänzlich unbesiegbar. Wahrscheinlich dachte er das wirklich über sich. Im Gegensatz dazu war Deidara die ganze Zeit über sehr nervös gewesen, was nicht gerade dafür sprach, dass er sich sicher war, nicht doch von Jugo erwischt zu werden. Möglicherweise interpretierten Sasuke und Shikamaru an dieser Stelle einfach zu viel in die Situation hinein.
Wieder saßen sie zu dritt am Küchentisch und warteten auf Jugo, der in der Zwischenzeit die anderen Zimmer, insbesondere im oberen Stock absuchte. Sakura unterdrückte mühsam ein Gähnen und stützte ihren Kopf auf der Handfläche ab, während sie erschöpft die Augen schloss. Auch Shikamaru neben ihr wirkte ziemlich müde und so als würde er am liebsten direkt wieder zurück in sein Bett oder zumindest auf die bequeme Couch in seinem Büro.
„Wir müssen uns noch um Hidan kümmern. Er darf damit nicht davonkommen“, wandte Sasuke sich an ihn. „Sieh zu, was du da machen kannst.“
Seine Stimme klang wieder einmal scharf und schneidend und sein Blick war entschlossen. Wahrscheinlich passte es ihm gar nicht, dass zwei Akatsuki so ohne weiteres in sein Territorium eingedrungen waren. An Deidara hatte er sich bereits gerächt, indem er ihm die Nase gebrochen hatte, doch Hidan hatte Sakura als Schutzschild benutzt und konnte dadurch unbehelligt wieder gehen. Wenn er seinem eigenen Ruf nicht schaden wollte, durfte er so etwas nicht zulassen.
Shikamaru stellte die Ellenbogen auf den Tisch und legte seine Fingerkuppen aneinander. Dann runzelte er nachdenklich die Stirn. Diesen Ausdruck hatte Sakura schon einige Male bei ihm gesehen und man sollte ihn in einem solchen Moment besser nicht stören.
„Ich denke, ich habe schon eine Idee“, sagte er nach einer Weile. „Überlass das mir.“
Sasuke nickte zufrieden. Offenbar wusste er, dass er sich auf seinen Techniker verlassen konnte.
„Und wir brauchen einen neuen Entwurf“, wandte er sich schließlich an Sakura. „Uns läuft die Zeit davon, deswegen erwarte ich, dass du morgen um drei hier bist.“
Sie sah ihn hoffnungsvoll an.
„Heißt das, ich darf jetzt gehen?“
Auf der einen Seite wollte sie nicht alleine sein, auf der anderen Seite würden sie all diese Gespräche über den Wettbewerb, über Hidan und Deidara und insgesamt über Akatsuki noch wahnsinnig machen. Sie wollte sich damit nicht mehr befassen und brauchte endlich ein wenig Ruhe, um den heutigen Tag abzuschließen. Mit ihrer lädierten Nase und den Schnitten am Hals konnte sie aber schlecht mitten in der Nacht bei Ino auftauchen und erwarten, dass die keine Fragen stellen würde.
„Wenn Jugo fertig ist, wird er dich zu Naruto fahren“, verkündete Sasuke.
Irritiert zog Sakura die Augenbrauen zusammen.
„Zu Naruto?“
Damit hatte sie jetzt wohl als letztes gerechnet. Bei all dem Chaos und dem Durcheinander hatte sie Naruto vollkommen vergessen und genau genommen keinen einzigen Gedanken an ihn verschwendet.
„Du solltest in nächster Zeit vielleicht nicht allein bleiben“, warf Shikamaru ein, der die Idee ebenfalls zu befürworten schien. „Akatsuki sind sich offenbar für nichts zu schade und bei Naruto bist du in Sicherheit.“
Erst wollte sie protestieren, doch dann beschloss sie, dass es sowieso keinen Sinn hatte. Für eine Diskussion fühlte sie sich gerade zu ausgelaugt. Insbesondere für eine Diskussion mit Sasuke.
„Okay“, murmelte sie stattdessen nur.
Glücklicherweise dauerte es nicht mehr lange bis Jugo seinen Rundgang durch das Haus beendet hatte. Sakura schnappte sich ihre Jacke und den Wollschal, den sie sich sogleich um den Hals wickelte. Es war zwar mitten in der Nacht und dementsprechend war auf den Straßen kaum jemand unterwegs, doch man konnte nie wissen und sie wollte unter allen Umständen unangenehme Fragen vermeiden. Schweigend folgte sie Jugo zu seinem Auto und stieg dann an der Beifahrerseite ein.
Ihr ganzer Körper fühlte sich angespannt. Die Schmerzen in ihrem Kopf nahmen während der Fahrt wieder ein klein wenig zu und zogen sich bis hinter in ihren Nacken. Sie zitterte ein wenig. Im Auto war es so unglaublich kalt, obwohl Jugo bereits die Heizung angeschaltet hatte und sie war sich nicht sicher, ob die Kälte vielleicht von innen kam. Die ganze Zeit über sprachen sie kein Wort und Sakura starrte aus dem Fenster und auf die vorbeirauschenden Lichter, die irgendwie eine beruhigende Wirkung auf sie hatten. Irgendwann fiel ihr auf, dass sie wohl ihren Skizzenblock im Haus vergessen hatte. Normalerweise trug sie ihn immer bei sich, doch gerade war es ihr einfach nur herzlich egal. Sie würde ihn morgen abholen.
Als sie schließlich ankamen, stieg Jugo mit ihr aus und begleitete sie bis zur Haustür. Naruto wohnte in einem ziemlich großen Mehrparteienhaus, das von außen einen relativ heruntergekommenen Eindruck machte. Bisher war sie erst einmal bei ihm gewesen, als er sie nach dem Sprayen mit zu sich nach Hause genommen und für sie Ramen gekocht hatte. Zuvor hatte er Stunden damit verbracht, sie zu überreden, seine Ramen wenigstens einmal zu probieren, denn angeblich waren es die besten in ganz Konoha.
Sakura mochte Ramen nicht besonders, aber ihm zuliebe war sie mitgekommen und zu ihrer Überraschung war es ein ganz lustiger Abend geworden. Jetzt wo sie wieder vor seiner Tür stand, hatte es einen ganz anderen Grund und sie wünschte sich für einen Moment, dass sie einfach wieder gemeinsam Ramen essen könnten. Mit leicht zitternden Fingern betätigte sie die Klingel und musste nicht lange warten bis er die Tür aufriss.
Offenbar hatte Sasuke ihn bereits informiert, denn er wirkte nicht besonders überrascht. Naruto war so anders als Sasuke, er gab sich keinerlei Mühe seine Gefühle zu verbergen und ihm konnte man immer sofort alles vom Gesicht ablesen. Er überhäufte einen praktisch damit. In seinen Augen stand die pure Sorge und als er Sakura schließlich fest in seine Arme schloss, wurde sie wieder einmal von seinen Emotionen mitgerissen. Sie schluchzte auf und spürte augenblicklich, wie sich all die Anspannung in ihrem Körper löste und sie gegen ihn sank.
Es war einfach zu viel. Es war einfach viel zu viel. Die ganze Zeit über hatte sie sich zusammengerissen und versucht irgendwie mit der Situation klarzukommen, umgeben von Menschen, die das alles scheinbar wie nichts wegsteckten und vollkommen rational an die Dinge heran gingen. Aber in dem Moment wo sie all diese Emotionen in Narutos Augen gesehen hatte, konnte sie sich einfach nicht mehr zusammenreißen. Und sie war froh, dass er einfach da war und sie festhielt.