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Urlaubsreif^2

auch ein Chef braucht mal Urlaub
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich entschuldige mich jetzt schon mal für Martine und hoffe, dass ihr sie trotzdem noch mögen werdet, wenn ihr das Kapitel gelesen habt. Komplett anzeigen

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Freitag 20.3. oder Der Ball Teil 2

Bereits seit einer dreiviertel Stunde hielt seit Hochgefühl an, das durch Mokubas Gesichtsausdruck hervorgerufen worden war, als er fertig in der Eingangshalle der Villa stand, obwohl sein kleiner Bruder ihn gerade zur Eile beim Umziehen in seinem Zimmer antreiben wollte. Seit einer Woche freute er sich auf diesen Abend, da würde er doch nicht zu spät kommen! Mit einem schon halbleeren Sektglas unterhielt er sich gedämpft mit Herrn Marui, einem langjährigen Geschäftspartner, und dessen Gattin angeregt über die Kirschblüte vom Vorjahr und blendete die Stimme aus, die die herbei strömende Schar neuer Gäste verkündete. Es war eine von Mokubas neuen Ideen gewesen – neben dem Ortswechsel des Balls – damit die Anwesenden halbwegs wussten, wer da war, handelte es sich doch um einen Maskenball. Seto war es ein Rätsel geblieben, wie er auf beides gekommen war, zumal er selbst davon keinen Vorteil hatte – als Gastgeber musste er leider erkennbar bleiben. Das höchste der Gefühle war gewesen seinen sonst weißen Anzug gegen einen nachtblauen zu tauschen. Gerade wollte er höflich auf eine Frage von Frau Marui antworten, als die namensverkündende Stimme doch zu ihm durchdrang und ihn dazu bewog sich zur Freitreppe, die vom Empfangsbereich im ersten Geschoss hinunter auf das Saalniveau führte, umzudrehen.

„Martine Pegasus, in Begleitung des Besten, das ihrem Bruder je hätte passieren können.“

Da war sie endlich! Nicht zu spät, um unangenehm aufzufallen, aber auch nicht so früh, dass ihr Erscheinen unbemerkt geblieben wäre. Für einen kurzen Moment stutzte er und beobachtete wie eine Waldkönigin in langem hellgrünen Kleid die Stufen hinunter schwebte. Ihre glatten Haare schienen sich auf dem langen Weg bis zu ihrer Taille nicht entscheiden zu können, ob sie nun blond oder brünett sein wollten, und selbst auf die Entfernung und trotz der Maske war ihm bewusst, dass alle anderen Frauen es an diesem Abend sehr schwer haben würden, sich mit ihrer Schönheit zu messen. Zum Glück war er gegen diese Art von Zauber immun und er würde wohl ein vernünftiges Gespräch mit ihr zu Stande bringen, ohne sie dabei anzugaffen. Er war schon im Begriff, sich wieder dem Ehepaar Marui zuzuwenden, als sein Herz einen ungewohnten Hüpfer machte. Leicht versetzt hinter Martine erblickte er ihre Begleitung, dessen Größe sie fast erreichte. Für einen kurzen Moment spürte er, wie die dunklen Augen ihn streiften, sah wie sich die verheißungsvollen Lippen teilten, um etwas zu flüstern, was sie zum Lächeln brachte. Der grüne Anzug, auf dem sich ein Teil der Stickerei ihres Kleides wiederfand, saß wie eine zweite Haut und betonte die sportliche Figur seines Trägers.

Seto fiel es unendlich schwer sich abzuwenden, statt einmal quer durch den Saal zu laufen und Joseph Pegasus in seine Arme zu ziehen. Doch zu schmerzlich war ihm bewusst, dass er sich das in einem solchen Rahmen nicht erlauben konnte. Aus dem Augenwinkel sah er noch einen Mann in weiß auf das Ende der Treppe zu laufen. Wie sollte er nur unter diesen Umständen seinen Plan verwirklichen?
 

Kaum hatte er Martine gesehen, war Mokuba an den Fuß der Treppe geeilt, um sie persönlich als Erster zu begrüßen. Er konnte es irgendwie noch immer nicht richtig fassen, dass sein Bruder sie tatsächlich eingeladen hatte – auch wenn er der Überbringer dieser recht kurzfristigen Nachricht gewesen war. Zum Schutz ihres Outfits verzichtete er auf ihre gewohnte Umarmung und ergriff stattdessen ihre Hände, die sie ihm entgegenstreckte. „Hallo Martine. Ich freue mich, dass alles so gut geklappt hat.“

„Hallo, Mokuba“, strahlte sie ihn an. „Ja, ich mich auch. Und anscheinend hast du dich wieder selbst übertroffen. Zwar hatte ich noch nie das Vergnügen, auf einem der Bälle deines Bruders zu sein, aber das hier“, sie machte eine kleine Geste in die Runde, „ist einfach nur ein Traum. Außerdem vielen Dank für den Chauffeur, obwohl der definitiv nicht notwendig gewesen wäre.“

Martine konnte ihm problemlos in die Augen sehen, was eigentlich nur heißen konnte...

„Ich weiß, aber ich wollte den Gehwegen von Domino deine Absätze ersparen“, provozierte er galant ein Kichern ihrerseits.

„Was ist bitte an den Absätzen schlimm?“ Unter dem nach oben gerafften Saum kamen zum Kleid farblich passende High Heels mit zehn Zentimeter-Absätzen zum Vorschein.

„Allein die Höhe! Wie kannst du nur in denen Laufen?“

„Reine Gewöhnungssache. Genau wie die neue Farbe an dir. Chic. Könntest du ruhig öfters tragen.“

„Besser nicht. Ich bin froh, wenn ich heute Abend überstehe, ohne dass man lauter Flecken auf dem Anzug sieht. So oft werde ich den bestimmt nicht anziehen.“

„Apropos, Unzufriedenheit der Männerwelt mit ihren wundervollen Anzügen. Darf ich dir Chef vorstellen?“, lenkte sie seine Aufmerksamkeit auf ihre Begleitung, die sich bis dahin im Hintergrund gehalten und fasziniert gelauscht hatte.

Überrascht sah Mokuba erst zu ihm, dann zurück zu Martine. „Wieso hast du mir nie gesagt, dass es sich bei deinem 'Chef' um Joey handelt?“

Schlagartig entgleisten ihr – und Chef – die Gesichtszüge, was zum Glück größtenteils die Masken verbargen. Für Mokuba war ihr Anblick dennoch Gold wert.

„Wie bitte?“, fragte sie nach.

„Du hast mich schon richtig verstanden. Ich würde gerne wissen, weswegen du mir nie gesagt hast, dass sich hinter Chef Joey verbirgt. Das gilt für dich im Übrigen genauso. Wie hast du es bitteschön fertig gebracht, mir die ganze Zeit in den E-Mails nichts davon zu verraten?"

Chef fing sich zuerst wieder und versuchte es zu erklären. „Ich hatte Angst, du könntest es deinem Bruder verraten. Der hat es nämlich nicht bemerkt und es war ziemlich angenehm, sich mit ihm zu unterhalten ohne die gewohnten Spitznamen, die er früher immer für mich hatte.“

Jetzt war es an Mokuba verdutzt aus der Wäsche zu schauen. Einen weiteren Augenblick später kapierte er und prustete, bei dem Versuch nicht laut zu lachen, los. „Das ist jetzt nicht euer Ernst? Seto hat keine Ahnung, dass er zwei Wochen lang bei seinem Hündchen“, ein überaus finsterer Blick von Chef, „im Hotel verbracht hat? Aber man sieht doch sofort wer er ist! Klar, er scheint etwas gewachsen zu sein – sorry, ich kann das irgendwie nicht mehr so richtig einschätzen – aber sowohl Augen- als auch Haarfarbe sind doch gleich geblieben. Und vor allem die Stimme. Das sieht doch ein Blinder mit Krückstock!“

„Dein Bruder aber anscheinend nicht. Mokuba, was muss ich tun, dass du ihm nicht verrätst, wer ich bin?“ Chef blickte den Jüngeren flehend an.

Noch bevor dieser seine Forderungen stellen konnte, mischte sich Martine ein: „Kleiner, lass mich besser die Verhandlungen führen. Mokuba, wir versprechen dir hiermit, dass er es erfahren wird, wenn er nicht langsam mal von selbst drauf kommt. Aber wir würden das gern etwas sanfter machen. Und nicht ausgerechnet heute. Haben wir dein Wort, dass du ihm nichts verrätst?“ Sie hielt ihm die Hand hin, in die er augenblicklich einschlug.

„Habt ihr. Aber jetzt hört auf, so ernste Gesichter zu machen! Ihr seid schließlich hier, um Spaß zu haben! Nur ich muss jetzt leider weiter. Irgendwas scheint in der Küche nicht so richtig zu laufen. Bis nachher. Hoffentlich.“ Sprach's und und war schon davon gestürmt.

Sie sahen dem Schwarzhaarigen noch kurz hinter her, dann drehte sich Chef zu Martine und fragte leise: „Das hier ist Kaibas Ball?“

Sie mied seinen Blick und nickte leicht.

„Ich entscheide, wenn wir wieder zu Hause sind, ob ich dich dafür hasse oder nicht. Aber wehe du lässt mich länger als eine halbe Stunde mit ihm allein!“

„Einverstanden. Wollen wir uns unsere Plätze suchen? Anscheinend gibt es eine feste Tischordnung.“
 

Eine Viertelstunde später trat Seto auf die Bühne am Kopfende des Saals, das Richtung Park zeigte, und hielt eine kleine Ansprache. Er hatte das schon so oft gemacht, dass die Worte beinahe automatisch über seine Lippen kamen. Wie sehr er sich freue, sie alle versammelt zu sehen. Dass er hoffte, sie würden einen wunderbaren Abend verbringen. Und so weiter. Ein Haufen leerer Floskeln. Doch fiel sein Blick in der erwartungsvollen Menge auf ein Paar in Grün, dass ihn äußerst interessiert musterte – sie zumindest, er schien schräg an ihm vorbei zu sehen.

Trotz der bunten Kleidung der anderen Gäste waren sie für seine Augen wie ein Magnet. Immer wieder huschte sein Blick zu Martine und Joseph. Wenig erfreut musste er feststellen, dass die beiden selten allein waren. Irgendein männlicher Gast stand immer bei ihnen und redete auf sie ein. Selbst das Essen schienen sie nicht ungestört genießen zu können. Während Joseph entspannt blieb, schien sie immer kühler im Umgang mit den zusätzlichen Gesprächspartnern zu werden. Und doch sah er immer noch keine Möglichkeit, nah genug an sie heran zu kommen, um rein zufällig mit ihnen ein Gespräch zu beginnen.

Nach dem Menü nutzte er die Gelegenheit sich ein wenig zurückzuziehen, um sich von den Menschenmassen etwas zu erholen. Denn auch er selbst war von mehr als einem Gast das Objekt der Redebegierde. Die Balustrade auf Höhe des oberen Stockwerks führte auch nach draußen, doch durch die Glasfassade hatte man nach wie vor die Möglichkeit nach drinnen zu sehen. Aber sein Blick war in die Dunkelheit des angrenzenden Stadtparks gerichtet. Schmunzelnd dachte er an seinen Urlaub zurück. Shin und Hans hätten aus dem Ballmenü ein wahres Meisterwerk gemacht. Das Essen war nicht schlecht gewesen, doch irgendetwas hatte gefehlt und er konnte nicht genau beziffern, was es war.

Die sich öffnende Tür hörte er nicht, erst als sich eine andere Person mit einem Meter Abstand neben ihn stellte, sah er kurz auf. „Martine Pegasus, oder?“

Ihr Blick war ebenfalls in die Dunkelheit gerichtet. „Ja, auch wenn einige da drinnen wohl 'Manipulatives Miststück' bevorzugen würden. Sie können aber ruhig bei der ersten Variante bleiben.“ Sie wandte sich zu ihm um als erwarte sie eine Frage seinerseits.

Stattdessen meinte er schlicht: „Wenn meine Anwesenheit angenehmer für Sie ist als die meiner anderen Gäste, können Sie ruhig hier draußen bleiben. Sie schienen ziemlich belagert zu werden.“

„Danke“, lächelte sie. „Belagert ist vielleicht der falsche Ausdruck. Die eine Hälfte dieser überaus reizenden Herren versteht nicht, dass ich heute Abend als Privatperson hier bin, die andere kapiert es viel zu gut.“

„Sie sind vor mir in beiden Fällen sicher. Das Geschäftliche kläre ich lieber mit ihrem Bruder und privat bin ich eher an ihrer Begleitung interessiert als an Ihnen.“ Einen kurzen Moment stockte er. Wieso hatte er das Letzte gesagt?

Sie schien es jedoch nicht als Kränkung aufzufassen, sondern antwortete: „Ich würde sagen, dass das auf Gegenseitigkeit beruht.“

„Können Sie ihn eigentlich so lange allein lassen? Ich denke nicht, dass Ihr Bruder es gerne sehen würde, wenn Sie seinen Gelie...“

„Mein Neffe ist alt genug, um auf sich selbst aufzupassen. Und ich glaube er ist ganz froh, wenn er heute Abend etwas Ruhe vor mir hat.“

„Ihr...Ihr Neffe?“ Seto versuchte erst gar nicht seine Überraschung zu verbergen. Was sollte das heißen? Er war weder mit Maximillion noch mit Martine Pegasus in einer Beziehung, sondern...

„Ja, mein Neffe. Maximillion hat Chef adoptiert. Was dachten Sie denn?“

Seto war in diesem Moment äußerst froh, dass ihr Bruder nur noch ein Auge besaß. Denn nun sah sie ihn aus ihren zwei eigenen bernsteinfarbenen Augen, die als Einziges auf ihre Verwandtschaft hindeuteten, so durchdringend an, dass ihm heiß und kalt wurde. Wenn sie ihn nur lange genug so ansähe, würde er ihr wahrscheinlich alles erzählen und verraten, was sie je über ihn hätte wissen wollen. Er musste es irgendwie schaffen sich aus der Affäre zu ziehen und gleichzeitig noch ein wenig mehr zu erfahren, wenn sich ihm schon einmal die Gelegenheit bot sich alleine mit ihr zu unterhalten.

„Ich habe mich nur gerade gefragt, wie er tatsächlich heißt. Chef wird doch wohl kaum sein richtiger Name sein, oder?“

Zu seiner großen Erleichterung fixierten ihre Augen nun die dunkelrote Flüssigkeit in dem Glas, das sie sich mit nach draußen genommen hatte und die Arme auf der Brüstung abgestützt es leicht hin und her schwingen ließ.

„Was seinen alten Nachnamen angeht, so sollten Sie ihn besser selbst danach fragen – aber bitte nicht heute. Er reagiert darauf noch empfindlicher als auf den neuen. Chef wiederum ist die Kurzform für Joseph.“

Er verbarg seine Enttäuschung über ihre geringe Auskunftbereitschaft hinter seiner nächsten Frage: „Wie kommt man denn auf so eine Kurzform? Jo oder meinetwegen Joey wäre doch viel naheliegender.“ Um sie besser im Blick zu haben drehte er sich so, dass er an der Brüstung mit dem Rücken lehnte und nur noch leicht den Kopf zu ihr drehen musste.

„Naheliegender vielleicht. Aber sagen Sie das mal einem Zweijährigen. Der Name stammt von meinem Sohn und er hatte damals wirklich Probleme mit der Aussprache. Bis sich das gelegt hatte, hatte sich sein Rufname schon geändert.“

„Sie haben Kinder?!“ Zwar hatte er es gewusst, doch nun, da er sie vor sich sah, fiel es ihm schwer dies zu glauben. Sie wirkte noch so jung.

„Natürlich. Zwillinge. Ein Junge und ein Mädchen. Sie lieben Chef abgöttisch!“ Plötzlich setzten sich die Teile für Seto zusammen. Die Tante, über die der Hotelmanager die ganze Zeit gesprochen hatte, und Martine waren ein und die selbe Person!

„Kann es sein, dass Sie …?“ Doch er brachte es nicht über sich, das wirklich zu fragen. Also setzte er nach: „dass Sie nie an offiziellen DuellMonsters-Turnieren teilgenommen haben?“

„Stimmt.“

„Wieso? Mögen Sie das Spiel nicht, oder weswegen hatte ich nie das Vergnügen Sie auf einem meiner Turniere begrüßen zu dürfen?“

„Ich dachte wir wollten das Geschäftliche weglassen? Aber diese eine Frage, kann ich Ihnen ja beantworten. Ich bin nicht zu den Turnieren gegangen, weil sie mir zu langweilig waren. Außerdem hatte ich zu den Terminen immer sehr viel zu tun. Zwillinge groß ziehen und zwei Jobs machen sich leider nicht von alleine. Aber ganz ehrlich, wenn ich mich duellieren will, suche ich mir meinen Gegner direkt aus. Falls Sie über das Thema weiter diskutieren möchten, … Ich würde mich freuen Sie morgen Abend zum Essen begrüßen zu können.“ Sie drehte sich zu ihm, drückte ihm ihr Glas in die Hand und angelte dann aus ihrer kleinen Handtasche ein Kärtchen. „Danke fürs Halten“, nahm sie ihr Getränk wieder entgegen und reichte ihm dafür das Stück Karton. „Das hier ist meine Karte mit der Adresse in Domino. Unter der Telefonnummer bin ich jedoch immer erreichbar. Es wäre schön, wenn Sie um 18 Uhr da sein könnten.“

Etwas überrumpelt nickte Seto nur und ließ die Adresse in der Tasche seines Jacketts verschwinden.

„Duel Monsters verbinden Sie anscheinend wirklich nur mit Arbeit“, stellte er trocken fest.

„Nicht nur. Aber es würde Ihnen und mir den Abend ruinieren, wenn ich Ihnen jetzt beichten würde, dass ich Sie am liebsten umgebracht hätte, als ich erfuhr, dass Sie tatsächlich eine Karte des weißen Drachen mit eiskaltem Blick zerrissen haben“, erwiderte sie in einem ebenso trockenen Tonfall. Entsetzt sah er sie an. Martine jedoch war in das Treiben im Saal vertieft, wo die ersten Mutigen sich auf die nach dem Essen freigeräumte Tanzfläche trauten.

„Wie gut, dass Sie diesen Abend nicht ruinieren wollen.“

„Finde ich auch. Zumindest nicht auf diese Art und Weise.“ Wieder sah sie ihn an. „Ist es eigentlich normal, dass so wenig auf Ihren Bällen getanzt wird?“

Verwirrt musterte er sie, um einen Hinweis zu erhalten, worauf sie hinaus wollte, fand aber nichts Hilfreiches. „Was meinen Sie mit 'wenig'? Die Menge an Tanzpaaren ist doch üblich.“ Mit einem kurzen Blick in den Saal versicherte er sich, dass sich tatsächlich nichts zu den Vorjahren geändert hatte.

„Die Tanzfläche ist nicht mal zu einem Drittel voll. Bei diesem Füllgrad hätten sie zum Bankett laden können und keinem wäre der Unterschied aufgefallen. Vor allem hätten dann die Tische nicht weichen müssen.“ Ihr Ton war nicht spöttisch. Vielmehr schien sie etwas zu überlegen. Dennoch saß die Kritik für etwas, das ihm selbst schon hätte auffallen können.

„Ich hätte einen Vorschlag zu machen“, fuhr sie plötzlich fort. „Sie geben mir freie Hand, wenn ich dafür Ihre Tanzfläche voll bekomme. Zur Not können Sie sich später damit herausreden, dass Sie von alledem nichts wussten.“

Kurz überdachte er ihren Vorschlag. Ihm war zwar schleierhaft, wie sie dieses Kunststück bewerkstelligen wollte, doch sollte sie irgendetwas seltsames machen, bot ihm das immer noch die Gelegenheit das Ansehen des Namens Pegasus mit ihrer persönlichen Erlaubnis etwas zu schmälern. Er gewann, egal wie die Sache ausging. „Meinetwegen.“

„Danke.“ Sie war bereits an der Tür angelangt, als sie sich noch einmal umdrehte. „Es bleibt bei morgen, 18 Uhr, bei mir?“

Bestätigend nickte er. „Morgen, 18 Uhr.“

Dann war sie auch schon nach drinnen verschwunden und er blieb allein zurück. Plötzlich spürte er wie kalt doch noch immer die Nächte wurden. Seltsam, dass es ihr in ihrem ärmellosen Kleid nichts ausgemacht zu haben schien.

Bevor er noch anfing für sich untypisch mit den Zähnen zu klappern, beschloss Seto Martines Beispiel zu folgen und ebenfalls wieder hinein zu gehen. Außerdem war sie aus seinem Blickfeld verschwunden und das beunruhigte ihn doch ein bisschen. Denn ihm fiel auf, dass nämlich vorerst sein Ruf geschädigt sein würde, sollte sie etwas Schräges abziehen.

Betont langsam schritt er die Balustrade entlang und ließ seinen Blick über die Menge schweifen. Ungefähr nach einem Drittel der Saallänge erblickte er sie ganz hinten beim Mischpult des Djs stehend und mit diesem und Mokuba etwas beredend. Dann drückte ihr Mokuba etwas in die Hand und sie setzte sich in die andere Richtung wieder in Bewegung, während er selbst neugierig stehen blieb. Noch war ihr Treiben von den Gästen unbemerkt, doch kurz vor der Bühne stellte sich ein Mann Anfang dreißig ihr in den Weg und sprach schnell und bestimmend auf sie ein. Währenddessen weiteten sich die Augen der hübschen Blondine neben ihm. Obwohl Seto auf Grund der Musik und dem unendlichen Gemurmel der Gäste nichts verstehen konnte, schien es ihm so als sei Martine von diesem Störenfried reichlich genervt – zumindest deutete die Haltung ihres Rückens darauf hin.

„Ja, komm. Spiel dich auf als hättest du ihr noch irgendetwas zu sagen“, flüsterte jemand in Setos unmittelbarer Umgebung. Ihn verstand er wenigstens und er schien das Geschehen zu kommentieren. Also hakte er nach: „Entschuldigung. Sie verstehen was da unten vor sich geht?“

„Natürlich. Für nicht Eingeweihte mag das da unten alles ziemlich seltsam aussehen, aber es handelt sich bei dem Kerl um den Vater ihrer Kinder. Hat mit ihr nach vier Monaten Schluss gemacht, noch bevor sie gemerkt hat, dass sie schwanger war. Hat sich einen Dreck für sie oder die Kinder interessiert. Doch immer bei solchen Gelegenheiten meint er sich groß aufspielen zu müssen. Oh, die scheint neu zu sein.“

Unter ihnen reichte gerade Martine der blonden Begleiterin des „Kerls“ eine Visitenkarte. Ihre Haltung stank bis zu ihnen hoch nach zuckersüßer Boshaftigkeit, aber auch ein wenig Mitgefühl.

„Er serviert seine Freundinnen allem Anschein nach immer noch alle vier Monate ab.“

Dann wechselte das Lied und Martine ließ das Paar einfach stehen. Auch Seto war die Veränderung aufgefallen, denn statt der sonst vorherrschenden getragenen Melodie, drang etwas Fetziges aus den Lautsprechern, was die ersten freudig-überraschten Rufe bei den jüngeren Ballgästen hervorrief, die nun auf die Tanzfläche und hin zur Bühne, auf der Martine gerade Stellung bezog, strömten. Irgendwo hatte er das Lied schon einmal gehört, doch es fiel ihm erst wieder ein, als Martine die ersten Worte sang: „I suppose I should tell you what this bitch is thinking.“

Die ersten johlten begeistert. Zumindest den Start hatte sie souverän gemeistert. „You'll find me in the studio and not in the kitchen.“

Langsam dämmerte es Seto, was für ein Lied sie da gerade sang. Unter normalen Umständen hätte er sie an dieser Stelle versucht auszubremsen, sie von der Bühne entfernen lassen und sie dann im stillen Kämmerchen – immerhin war ihr Bruder ein wichtiger Geschäftspartner – zur Schnecke gemacht. Doch in Anbetracht der neu gewonnenen Informationen und der Tatsache, dass sie tatsächlich singen konnte, lauschte er einfach nur gespannt, den Erklärer von vorhin vergessend.

„Don't need to shake my ass for you 'cause I've got a brain.“

Während sie sang, schauspielerte sie ein wenig, um den Inhalt des Liedes zu unterstreichen, was die Menge nur noch mehr zum Toben brachte. Mit dem Einsetzten des Refrains kamen Setos Zweifel zurück. Eine erwachsene Frau sollte nie so oft das Wort „Bitch“ sagen – vor allem nicht in diesem Rahmen. Doch seine Gäste schien es weniger zu stören. Tatsächlich begannen die ersten zu tanzen. Nicht das was man in Discotheken sah, sondern ganz anständig DiscoFox. Geschockt sah er, dass sich unter die Tanzpaare auch ein paar der älteren Gäste mischten.

„If you're not a size six

And you're not good looking

Well, you better be rich

Or be real good at cooking

You should probably lose some weight

'Cause we can't see your bones

You should probably fix your face

Or you'll end up on your own“
 

Mit dem letzten „Hard out Here“ war die Tanzfläche gut gefüllt und jubelte ihr zu, als Martine das Wort ergriff: „Guten Abend. Ich hoffe Sie verzeihen mir meine harschen Worte von eben. Ab jetzt wird es etwas gesitteter – versprochen. Ich habe für die nächsten eineinhalb Stunden das Vergnügen für Sie singen zu dürfen und Sie so zum Tanzen aufzufordern – auch wenn ich selbst hier oben auf der Bühne bleiben werde. Es sollte sich für jeden ein Tanzpartner finden lassen. Die nächste Nummer ist ein Walzer.“

Wie konnte man so vor Charme sprühen? Seto war es ein Rätsel. Doch er konnte nicht lange darüber nachdenken, denn der Erklärer lachte leise neben ihm über einen Witz, den nur er zu kennen schien. Seto fragte vorsichtig nach und bekam ein Paar am Rande der Tanzfläche gezeigt. Sie zog mit bittendem Gesicht an seinem Arm, um ihn dazu zubewegen mit ihr zu tanzen, während er sich augenscheinlich mit allem was er hatte, dagegen sträubte. Es war der Mann, der zuvor die Szene mit Martine provoziert hatte. Unerwartet gestand sich Seto ebenfalls ein Schmunzeln zu.

„Gibt es noch etwas, was ich über Martine wissen sollte?“, fragte er den Mann in Grün neben sich interessiert.

„Sie wissen bereits, dass sie Mutter von Zwillingen ist?“

Er nickte und sah den sich drehenden Tanzpaaren unter ihnen zu und lauschte ein wenig der schönen Gesangsstimme.

„Sie ist nach der Geburt der Zwillinge extra nach Japan gezogen, dass auch der Vater der Kinder die Möglichkeit hat, sie häufiger zu sehen. Mit dem Auto bräuchte er keine halbe Stunde zu ihnen. Aber er zieht es vor, sie nicht zu sehen. Bei ihren Geburtstagen war er bis jetzt nur ein einziges Mal, Weihnachten hat mit ihm noch nie stattgefunden. Doch sie erträgt das alles stoisch und versucht zu verhindern, dass die beiden ihren Vater hassen. Es wäre ja nicht so, dass seine Familie gegen sie etwas hätte. Seine Eltern lieben sie. Zwar haben sie sie erst kennen gelernt, nachdem sie nicht mehr mit ihrem Sohn zusammen war, aber sie ist ohne Zweifel ihre Wunsch-Schwiegertochter. Sie besuchen die Zwillinge auch regelmäßig, auch wenn ich erstaunt bin sie heute Abend nicht hier zu sehen. Er ist ein wichtiger Zulieferer Ihrer Spielekonsolenreihe.“

Seto sah ihn verwundert an. „Woher wissen Sie das?“

„Kann ein Hotelmanager sich nicht für Wirtschaft interessieren? Ich hoffe nur, dass sie noch ein paar fröhlichere Themen in den Liedern anstimmt.“ Er deutete mit dem Kopf in Richtung Martine, die bereits mit dem dritten Lied begonnen hatte und schon wieder machte der Text klar, was sie von ihrem Exfreund hielt. Der wogenden Masse schien es wenig auszumachen und sie bewegte sich mehr oder minder geübt in einem Cha-Cha-Cha über den Boden, während er und Seto eine Weile schwiegen. Dann begannen sie sich leise über Nebensächlichkeiten zu unterhalten. Das Wetter, das Essen, dabei immer wieder die tanzenden Menschen unter ihnen beobachtend. Sie sahen sich kein einziges Mal direkt an und tanzten beide dabei geschickt um die Themen herum, die ihnen eigentlich auf der Seele brannten, als wäre ihnen beiden klar, dass hier nicht der richtige Ort dafür war, sie zu diskutieren. Ob er bei dem Essen am nächsten Tag auch anwesend sein würde?

„Ja, ich kann tanzen. Tanze sogar sehr gerne. Nur meistens fehlt mir der passende Partner“, antwortete Chef gerade auf Setos Frage, als sie beide sahen wie Martine zu ihnen hoch sah und ein kleines Zeichen gab.

„Sie entschuldigen mich? Es war nett mit ihnen Konversation zu betreiben, aber anscheinend werde ich unten gebraucht“, verabschiedete sich der Blonde schnell und ließ Seto überraschend allein.

Er sah noch, wie er auf Mokuba zu steuerte, wurde dann aber durch Martines Stimme abgelenkt, die geendet hatte und sie wieder an ihr Publikum richtete: „Nachdem Sie nun alle warm getanzt sind, würde ich Ihnen nun einen etwas fortgeschritteneren Tango vorschlagen.“

Sie bedeutete dem DJ, die Musik zu starten, und schloss ihre Augen. Bei den ersten Tönen ging ein Raunen durch die Reihen, die sich rasch lichteten, um denen frei zu machen, die sich dieses Stück wirklich zutrauten. Aber für Seto waren zwei Dinge viel interessanter. Erstens war das Stück deutlich anspruchsvoller als die zuvor und zweitens war es ein Duett.

„In sleep he sang to me, in dreams he came.“

Auf Setos Armen bildete sich eine Gänsehaut, die der Klang der E-Gitarren noch verstärkte. Dennoch genoss er das Gefühl und ließ sich von der Musik tragen. An der Stelle, an der die zweite Stimme einsteigen musste, ließ er den Blick durch den Saal schweifen. Und tatsächlich bahnte sich jemand durch die Menge seinen Weg zu ihr und sang: „Sing once again with me our strange duet.“

Chef betrat die Bühne und schenkte ihr all seine Aufmerksamkeit, während es Seto heiß und kalt wurde. Was würde er dafür geben, wenn diese lüstern düstere Stimme nur für ihn singen würde! Wie versteinert sah er ihnen weiterhin zu und konnte seinen Blick vor allem dann nicht abwenden, als sie im Instrumentalteil anfingen miteinander zu tanzen. Ohne Frage, dies war ein Tango, doch auf einem Niveau, das er bis dahin selten gesehen hatte. Die Anziehung der beiden war zum Greifen und trieb ihm fast die Schamesröte ins Gesicht. Wie sehr er sich wünschte, statt Martine nun in Chefs Armen zu liegen und von ihm so über die Bühne geführt zu werden!

Erleichtert atmete er auf, als das Stück zu Ende war und Martine nach reichlich Applaus eine ruhigere Ballade anstimmte. Allerdings entging ihm nicht, dass während des Intros ein kleiner schwarzer Gegenstand den Besitzer wechselte. Interessant. Doch weiter interessierte es ihn erstmal nicht, was Chef damit tun würde. Genauer gesagt, musste er dringend in eine andere Richtung schauen, bevor seine Fantasie nun endgültig mit ihm durch ging. Am Rande der Tanzfläche entdeckte er Mokuba, der eine junge Frau aus einer ganzen Gruppe hübscher junger Damen gerade zum Tanzen aufforderte. Die Auserwählte strahlte über beide Ohren und folgte ihm brav zwischen die anderen Tanzpaare. Seto konnte nur hoffen, dass Mokuba sie aus reiner Höflichkeit aufgefordert hatte, denn sie wirkte eindeutig zu naiv, um eines Tages den Namen Kaiba fortzuführen. Vielleicht war das auch ein wenig zu weit gedacht, doch umso entsetzter stellte er fest, dass er nicht den blassesten Schimmer hatte, auf welchen Typ Frau Mokuba stand. Sie hatten sich nie darüber unterhalten.

Vom Tablett eines vorbeigehenden Kellners, der sich vermutlich nur seinetwegen hier oben herumtrieb, fischte sich Seto ein Glas Weißwein und drehte sich gerade rechtzeitig wieder zur Bühne, um zu sehen wie der Tausch rückgängig gemacht wurde. Nun sang Chef wieder und er verlor sich in seiner Stimme, achtete nicht mehr auf die Musik oder das, was er sang, sondern nur noch darauf, wie ihm bei jeder gesungenen Note ein wohliger Schauer über den Rücken lief. Wieso war er am Valentinstag so verklemmt gewesen und hatte es nicht mehr genossen?

Er hatte bereits jegliches Zeitgefühl verloren, als ihn jemand vorsichtig stupste. Widerwillig wandte er seinen Blick von der Bühne ab, auf der gerade Martine verkündete, die nächste Nummer sei für all diejenigen, die die Eine bereits gefunden hätten. Doch freute er sich seinen Bruder zu sehen, der vom Tanzen noch leicht erhitzt war. Seine Wangen waren leicht gerötet und seine Augen glänzten begeistert.

„Was gibt es“, wollte Seto prompt von ihm wissen. Sicherlich hatte er bessere Dinge zu tun als hier bei ihm oben herumzustehen. Mokuba lächelte schelmisch und fragte seinerseits: „Darf ich nicht einfach mal so nach meinem Bruder schauen? Wieso tanzt du nicht? Es sind genug Leute da, die ohne Tanzpartner auskommen müssen und sich bestimmt über einen Tanz freuen würden. Und ich kann mich leider nicht zweiteilen.“

„Ich genieß einfach nur ein wenig die Musik. Mir ist nicht so nach tanzen.“

Mokuba zog eine Augenbraue hoch als habe er die Lüge seines großen Bruders durchschaut, schwieg jedoch dazu.

„Sie sind gut, oder?“, meinte er stattdessen und ruckte mit dem Kopf kurz Richtung Bühne, um zu verdeutlichen, wer gemeint war. „Aber du kannst froh sein, dass hier kein Flügel oder Klavier steht. Sonst würde Martine die Begleitung selbst spielen. So, und du kommst jetzt mit mir runter. Musst ja nicht tanzen, wenn du nicht willst, doch da sind noch eine Menge Leute, die mit dir reden wollen und ich sehe es nicht ein auf deinem Ball auch noch das zu übernehmen.“

Entschlossen wurde Seto zur Treppe und nach unten gezogen und erst wieder losgelassen, als er in unmittelbarer Nähe eines nicht tanzenden Gastes war, der ganz erpicht auf ein Gespräch mit ihm schien. So viel zum Thema „Genießen“.

Während er sich irgendwelche auswendig gelernten Statistiken über die Zielgruppe 50+ anhören durfte, wurde weiter vorne verkündet, dass nun das letzte Lied folgen würde. Er hätte sich wahrscheinlich sogar als Biest verkleidet, wenn er nur diesen einen Tanz zu „Beauty & the Beast“ mit Chef hätte tanzen können. Aber nein, er stand hier unter den Herrschaften, die sich vehement weigerten das Tanzbein zu schwingen und konnte nur zu sehen, wie sich die beiden unverhofften Sänger ein letztes Mal bedankten und sich dann unter die anderen Tanzpaare mischten. Der DJ übernahm wieder und hatte anscheinend die Zeit genutzt, um seine Auswahl an Liedern auf Vordermann zu bringen, denn die Tanzfläche blieb weiterhin gut gefüllt.

Also beschloss Seto, dass langweilige Gespräche die beste Ablenkung waren. Dennoch konnte er von seinem Standpunkt aus immer die Tanzfläche einsehen und verlor auch die Familie Pegasus selten aus den Augen, die sich bewegte als hätten sie nie etwas anderes getan. So konnte er auch beobachten, wie gelegentlich Herren versuchten Chef abzuklatschen und zu übernehmen. Dieser dachte aber nicht daran und war mit Martine augenblicklich mehrere Meter weiter. Erst Mokuba, der höflich in der Pause zwischen zwei Liedern um Erlaubnis bat, hatte Erfolg und legte ihr vorsichtig die Hand auf die Taille, während sich Chef an den Rand begab.

Das war seine Chance! Im Moment hatte er keinen Gesprächspartner und so weit weg stand er andere gar nicht. Schnellen und sicheren Schrittes begab er sich auf den Weg zu ihm, um dann keine zwei Meter von ihm entfernt abrupt stehen zu bleiben. Was dachte er sich eigentlich? Er wollte ihn doch nicht ernsthaft vor all diesen Leuten zum Tanzen auffordern. Wohl bemerkt vor all diesen Leuten, bei denen es essentiell war, dass sie vor ihm den höchsten Respekt, wenn nicht gar Angst, hatten. Vor sich selbst resignierend wandte er sich ab. Nur noch aus dem Augenwinkel sah er, wie ein Blick aus dunklen Augen auf ihm zu Ruhen schien. Doch als er sich zu wieder zu ihm drehte, sah er wieder Mokuba und Martine zu, die beim Tanzen fröhlich lachten. Er nahm sich von nächsten Tablett ein weiteres Glas Wein und mischte sich wieder unter die Tanzmuffel. Hauptsache es hatte ihn niemand gerade eben gesehen.
 

„Ist alles okay, bei deinem Bruder?“, fragte Martine, die sehr wohl Setos Annäherungsversuch mitbekommen hatte.

„Ich glaube schon. Auch wenn das gerade eben wirklich seltsam war. Mach dir keine Sorgen. Ich frag ihn morgen einfach mal danach.“
 

Es war bereits nach Mitternacht, bis man merkte wie sich die Reihen lichteten. Viele der Gäste blieben jedoch länger und so war es bereits vier Uhr in der Früh, als auch Martine und Chef in einen der bereitgestellten Wagen stiegen. Martine hätte es nie zugegeben, doch war sie froh, das kurze Stück zur Wohnung nicht mehr laufen zu müssen. Sie hatte mit Mokuba noch zwei weitere Lieder getanzt, bevor ihr Neffe wieder übernommen hatte. Später hatten sich die beiden dann abgewechselt, während sie selbst kaum eine Pause bekam. So langsam war sie sich vorgekommen wie in dem Märchen von den zertanzten Schuhen.

Chef neben ihr nannte dem Chauffeur die Adresse und versank dann genau wie sie in Schweigen. Die Fahrt war kurz und als er ihr die Tür aufhielt, drückte Martine ihm noch etwas Trinkgeld in die Hand. Kaum standen sie im Aufzug nach oben, erkundigte sie sich vorsichtig: „Und, wie lautet dein Fazit?“

„Welches Fazit?“

„Das für den Abend. Hasst du mich dafür, dass ich dich mitgeschleift habe, oder nicht?“

Sie stiegen aus und er schloss auf, ließ sie jedoch zuerst eintreten. Ein Ton der Erleichterung kam von ihr, als sie endlich ihre High Heels ausziehen konnte. Aber auch er war froh, seine Schuhe los zu werden und nutzte die kleine Unterbrechung zum Nachdenken.

„Ich war schon auf schlimmeren Bällen“, murmelte er, während er sein Jackett aufhing und die Manschettenknöpfe öffnete. „Also nein, ich hasse dich nicht dafür. Eine Vorwarnung wäre zwar ganz nett gewesen, aber dann hättest du mich wahrscheinlich gar nicht erst dazu kriegen können, mitzugehen.“

Ihr Gesicht sprach Bände. Sie schien erleichtert, doch fühlte sie sich noch nicht wirklich wohl in ihrer Haut.

„Du brauchst wirklich keine Angst haben. Das Tanzen hat Spaß gemacht und auch wenn die Gesangseinlage recht spontan war, war es genial vor so einem Publikum zu singen! Aber eins musst du mir noch verraten.“ Aus Gewohnheit half er ihr mit dem Reißverschluss ihres Kleides.

„Was denn?“

„Wie hast du es geschafft, die Zeit, die ich mit ihm alleine war genau auf eine halbe Stunde zu begrenzen?“

„Nennen wir es Bauchgefühl. Wobei ich nicht gedacht hätte, dass ihr es schafft so lange harmonisch nebeneinander zu stehen.“ Sie ließ das Kleid zu Boden rutschen, legte es dann über einen der Stühle im Essbereich und setzte sich nur noch im Unterkleid auf einen anderen, um sich ausgiebig die Ballen zu massieren.

„Ich auch nicht. Danke.“ Er hauchte ihr einen Gute-Nacht-Kuss auf die Wange. „Ich dusch noch kurz und leg mich dann hin. Heute ist Ausschlafen angesagt, oder?“

„Ja, ist es. Gute Nacht.“

„Guten Morgen.“

Er freute sich schon auf sein warmes weiches Bett. Erst als er sich die Haare kurz trocken rubbelte, fiel ihm auf, dass er gar nicht mit dem Prinz getanzt hatte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Kurz noch zu den gesungenen Liedern:
- Lilly Allen - "Hard out Here"
- Nightwisch - "Phantom of the Opera" (es gibt natürlich auch noch andere gute Versionen)
- Robbie Williams - "She's the one" (als Mokuba Seto wieder nach unten mitnimmt) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Alistor
2020-09-04T16:26:09+00:00 04.09.2020 18:26
Der Hammer
Super beschrieben und das Martine ihn derart provoziert... macht sie für mich nur noch mehr sympathisch. Seto braucht jemanden, der ihm in den Hintern tritt.

Schade, dass Joey nicht mit ihm getanzt hatte, war aber klar. Seto ist zu schüchtern und Joey zu stur

Bin gespannt wie es weiter geht
Antwort von:  flower_in_sunlight
04.09.2020 21:58
Vielen Dank und willkommen im Martine-Fanclub ^^
Von:  Kemet
2015-10-22T02:00:19+00:00 22.10.2015 04:00
Hallole,
also erstmal.. Ich freue mich über das Chapter. Schön geschrieben und passend. Nun aber zu den ABERS: (Was' Satz...)

Zu allererst Seto selbst. Dass er noch immer nicht rausgefunden hat, mit wen er es zu tun hat, wundert mich doch sehr. Im Geschäftsleben bist Du auf Äusserlichkeiten (leider) angewiesen, weswegen ich nicht ganz verstehe, warum er ihn nicht erkennt, obwohl er nur Eins und Eins zusammenzählen müsste... Ich meine... Er hat es ja auch geschafft die Abkürzung richtig zu betiteln, wenngleich Martine abweichend geantwortet hat.

Martine... Sie ist das zweite Thema. Ihre Art ist in Ordnung, aber mehr auch nicht. Sie kann zu Vieles zu gut, was sie in meinen Augen unsympathisch macht. Ich mag Menschen mit Eigenarten und ihren typischen Fehlerchen. Das macht sie erst liebenswert. Eben Kaiba mit seinen: Ich habe von GEschäften Ahnung, aber weder von Menschen und der Selbstversorgung. Dazu scheint sich meine Beobachtungsgabe mit dem Urlaub verabschiedet zu haben.
Oder eben Joey, der zwar Chef ist, aber gleichermaßen auch ein sehr emotionaler Mensch. Auch das ist eine Eigenheit und macht ihn liebenswert.

Nun gut, es ist nur meine Meinung.

>> Zitat: Erst als er sich die Haare kurz trocken rubbelte, fiel ihm auf, dass er gar nicht mit dem Prinz getanzt hatte. <<

Warum wohl nicht. Es ist wieder ein typisches Kaibaproblem, dass dieser seinen Ruf wahren muss. Diesesmal hatte er die Chance und ergriff sie nicht. Aber auch Joey machte keine Anstalten...
Und warum bin ich mir sicher, dass dieser auch nichts vom Abendessen mit dem Herrn Kaiba weiß? :)
Antwort von:  flower_in_sunlight
22.10.2015 14:59
Dann auch erstmal vielen Dank. Jetzt zum eingemachten:

Seto: kannst du bitte noch 1-2 Kapitel warten?

Martine: Ich habe mich anfangs (bis zu diesem Kapitel) sehr stark gezögelt, um sie erst jetzt zu beschreiben. Alles, was in diesem Kapitel über sie steht, ist Setos subjektive Wahrnehmung und ihm gegenüber wird sie sich bestimmt keine Schwächen anmerken lassen. Natürlich kann sie einiges gut bis sehr gut, doch hat sie einen ziemlich hohen Preis dafür bezahlt. Allerdings würde es den Rahmen sprengen es ihm Detail zu erklären - ab und zu habe ich Hinweise versteckt.
Aber keine Angst, es gibt genug andere Gründe, sie nicht zu mögen, u.a. weil sie meine Provokation gegenüber Seto ist.

Tanz mit dem Prinzen/Abendessen: ersteres war nur eine kleine Referenz zum letzten Kapitel und zerstört das "Aschenputtel"-Motiv. Zum zweiten: Wo bliebe denn da der Spaß, wenn er schon alles wüsste? ;-)

Ich hoffe, meine Antworten helfen dir ein wenig weiter. Und nochmal vielen Dank, dass du dich so mit der Geschichte auseinandersetzt.
Von:  Onlyknow3
2015-10-20T18:38:49+00:00 20.10.2015 20:38
Super Kapitel, sehr gut geschrieben und Beschriebene Situation des Balls.
Aber das Seto es immer noch nicht geblickt hat, wer hinter Chef steckt?
Seto muss wirklich mit Blindheit geschlagen sein, wenn selbst Mokuba es gleich bemerkt hat.
Sorry aber da hat er es nicht verdient das Joey sich zu erkennen gibt. Was Martine allerdings mit der Einladung bezweckt ist mir ein Rätsel, will sie Seto mit der Nase drauf stoßen wer Chef ist oder was soll das werden. Mach weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  flower_in_sunlight
22.10.2015 15:03
Kannst du dich noch bis zum übernächsten Kapitel gedulden? *lieb guck*
Von:  Seelendieb
2015-10-20T12:03:56+00:00 20.10.2015 14:03
Hoi ho Liebes,

eins vorne weg: schönes Kapi :D

Alsooooooooooooo *lufthol* Das Kapitel war für sich sehr schön und hat mir toll gefallen. Und prompt fühl ich mich von deinem Erzählstil wieder in dem ersten Teil. Hast dein Form also endgültig wieder erreicht! *congrats*

Ich war so gespannt, auf die Begegnung Mokuba-JOey, dass ich dann doch tatsächlich lachend auf dem Boden lag, dass der Kleine den BLonden sofort erkannt hat. Toll!
Allerdings hat das einen bitteren Beigeschmack... Seto verzerrt sich nach dem Blonden, erkennt ihn aber nicht. Da stellt sich mir die Frage: Wie hat er damals den Blonden gesehen? Hat ihn überhaupt mal angesehen?
Allerdings kenne ich das wiederum aus eigener Erfahrung, dass ich Menschen nach einer Zeit an Jahren nicht mehr wieder erkenne, und ich hab ein verdammt gutes MEnschengedächtnis. Ich vergesse in der REgel nie ein Gesicht. DIe haben sich Inder Ausstrahlung und ihrem Wesen so stark verändert, dass ich sie nicht wieder erkannt hatte, obwohl ein andere die PErson sofort erkannte - Sie hätte sich optisch nicht verändert.
Könnte also hier sein, dass Seto auch immer nur auf das Innere einer PErson schaut und auf die Ausstrahlung und das Wesen. Und scheint ja Joey sich enorm verändert zu haben - was zur Folge hat, dass er JOey nicht erkennt, OBWOHL er immer diesen leisen VErdacht hat.

ODER: Seto ist so verbohrt und auf JOey fixiert, dass er einfach den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. XD

Wie dem auch sei... Tolles Kapi und ich liebe Martine :D Die ist so toll

Antwort von:  flower_in_sunlight
22.10.2015 15:08
*Luftsprung mach wegen Lob" (Wieso ist immer die Decke so niedrig? - Aua!!!)

Deine ODER-Theorie ist sehr nah dran an der Wahrheit. Kleiner Tipp: Ich habe noch nicht geschrieben, wann die beiden jeweils ihre Gefühle entdeckt haben. Aber aufgrund dessen hat Seto ein "idealisiertes" Bild von Joey, während Mokuba ihn ziemlich gut kennen gelernt hat. (Außerdem musste das mit dem sofortigen Erkennen einfach sein)

Und ja, Martine ist toll ^^ - auch wenn sie definitiv kein Engel ist.
Von:  Niua-chan
2015-10-20T09:40:49+00:00 20.10.2015 11:40
Na das lief doch netter als erwarte, die Singeinlage war bestimmt der Kracher^^
Antwort von:  flower_in_sunlight
22.10.2015 15:04
Naja, wir sprechen hier ja schließlich von zwei Erwachsenen. - die "Nettigkeiten" kommen noch ^^


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