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Urlaubsreif^2

auch ein Chef braucht mal Urlaub
von

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Silvester

Er lief den langen Flur entlang, der das Wohnzimmer mit dem Rest der Villa verband. So wirklich würde er sich wohl nie daran gewöhnen, dass sie sein Elternhaus war. Schließlich war er hier nicht aufgewachsen und die Familie verbrachte den Großteil des Jahres in Japan. Aber sein Vater hatte darauf bestanden, Weihnachten und den Jahreswechsel in den USA zu verbringen, weil er mit der japanischen Version von Weihnachten nichts anfangen konnte – so als Witwer. Also hatte er sich gefügt, seinem Team frei gegeben, das Hotel dicht gemacht und war mit dem Rest der Familie über den Pazifik geflogen.

Besagter Rest saß jetzt im Wohnzimmer und war zu seinem Glück noch immer mit den Geschenken beschäftigt, die es eine Woche zuvor gegeben hatte. Doch die eigentliche Hauptperson des Abends hatte sich zurückgezogen. Und so hatte er nach einer halben Stunde seine Cousine und seinen Cousin allein gelassen, um nach ihrer Mutter zu suchen, die sich vor dem Anschneiden des Kuchens aus dem Staub gemacht hatte. Eine Frechheit wie er fand. Er hatte immer noch Hunger und hätte sich sehr über ein großes Stück Torte gefreut.

Auf der Höhe der siebten Tür, an der er vorbei lief, hörte er endlich etwas, das ihn optimistisch stimmte. Er hätte auch gleich wissen können, dass sie sich dort aufhielt. Sachte öffnete er die Tür zum Musikzimmer. Er liebte dieses Zimmer, das halb schon eine Bibliothek war. Eine Wand war vollkommen beherrscht von einem Regal vollgestopft mit Musiknoten für Klavier und Geige. Doch auch wenn es genug Möglichkeiten gab sich hinzusetzen, beherrschte doch ein großer Flügel den Raum und machte jedem Besucher sofort klar, welches Instrument eindeutig bevorzugt wurde. Auf dem Hocker davor fand er nun auch seine Tante, die verträumt vor sich hin klimperte. Noch hatte sie ihn nicht bemerkt und er konnte ihr einfach in Ruhe zuhören, während er in der Tür stehen blieb. Viel zu selten hörte er sie spielen.

Mittlerweile hatte sie zu einem richtigen Lied gewechselt.

Als sie geendet hatte, blickte sie zu ihm. „Erwischt“, lächelte sie ihn an.

„Ja. Erwischt“, erwiderte er. „Wie kommst du nur darauf, dich an deinem 30. Geburtstag aus dem Staub zu machen?“ Er nahm sich einen weiteren Hocker und stellte ihn neben ihren, sodass er sich mit ihr angenehmer unterhalten konnte.

„Nennen wir es Melancholie. Ich wollte einfach nur ein bisschen darüber nachdenken, wie sich mein Leben in den vergangenen zehn Jahren verändert hat. Und da kam einiges zusammen. Mein Leben im goldenen Käfig. Yugis Sieg im Königreich der Duellanten. Der Aufbau meiner Karriere. Meine Schwangerschaft. Du. Ethan und Clara. Die beiden werden so schnell groß. Und ich hab Angst etwas bei ihrer Erziehung falsch zu machen. Was wenn ich sie aus Versehen total verziehe, wenn sie später nicht selbstständig sind, wenn sie zu sehr nach ihrem Vater kommen, wenn ...“

„Du machst dir wirklich zu viel Sorgen. Die beiden sind wunderbar und sie haben eine ebenso wunderbare, wenn auch manchmal etwas sonderbare Mutter. Ich würde mir, ehrlich gesagt, eher wegen des Onkels Gedanken machen.“ Aufmunternd lächelte er sie an und wechselte dann das Thema. „Was war das eigentlich für ein Lied gerade eben?“

„Ach das. Nur eine kleine Phantasie, um den Kopf frei zu bekommen. Ich kann aber auch was Richtiges spielen, wenn du möchtest.“

„Gerne.“

„Wünsche?“

„Nein. Spiel einfach das, worauf du gerade Lust hast.“

Bereits nach dem ersten Takt erkannte er „Angels“ und summte leise an den Stellen mit, die mit Text versehen waren. Nach dem ersten Refrain sang er leise mit, während er sich von der Musik tragen ließ. Es war wirklich schade, dass sie nur im Privaten spielte.

„Wusstest du, dass das eines von Ryans absoluten Lieblingsliedern ist?“, schlüpfte es ihm über die Lippen, nachdem sie geendet hatte.

„Nein. Das hattest du aber auch nie erwähnt. Allgemein hast du vor allem in letzter Zeit wenig von ihm gesprochen.“

Er zuckte mit den Schultern. „Gab ja auch nicht so viel zu erzählen. Wir sind nicht mehr zusammen. Was sollte ich da noch groß über ihn sprechen?“

„Du könntest mir erklären, weswegen. Den einen Tag schreibst du mir „Er hat ja gesagt“, den nächsten kommt ein „es ist aus“. Du hast es nie weiter kommentiert, sondern einfach weiter gemacht als wär nichts gewesen.“

„Wieso fängst du jetzt damit an? Das ist schon fast ein Jahr her!“

„Keine zehn Monate. Vor einem Jahr saßen wir in Japan und du wolltest von mir wissen, wie du möglichst unauffällig seine Ringgröße rausbekommen kannst. Nicht, dass ich wirklich Erfahrung damit gehabt hätte, aber du hast es trotzdem irgendwie geschafft – das hast du mir selbst im Februar gesagt. Also...“

Er verdrehte die Augen. Manchmal konnte sie wirklich direkt sein. Wer hatte nur behauptet sie wäre die Diplomatische in der Familie? Selbst ihr Bruder besaß mehr Fingerspitzengefühl in solchen Angelegenheiten. Trotzdem konnte er ihrem erwartungsvollen Blick nicht widerstehen.

„Ich hab mit ihm diesen Ausflug gemacht. Den in die Berge. Bin mit ihm am späten Nachmittag zu dem Aussichtspunkt gewandert, von dem man das ganze Tal einsehen kann, und während er noch von der Aussicht gefesselt war, hab ich den Ring herausgeholt und hab mich hingekniet. Als er sich dann umdrehte, um nach mir zu sehen, habe ich ihn gefragt. Du hättest sein Gesicht sehen sollen! Selbst bei unserem ersten Kuss hat er nicht so überrascht geschaut, obwohl ich ihn da wohl ziemlich überrumpelt habe. Zu meinem großen Glück hat er aber die Sprache recht schnell wiedergefunden und meinen Antrag angenommen. Kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so glücklich gewesen war. Der restliche Tag war wunderschön und die Nacht...“ Plötzlich fiel ihm wieder ein, mit wem er eigentlich gerade sprach. Er räusperte sich kurz, doch der verträumte Ausdruck auf seinem Gesicht, den die Erinnerung zurückgebracht hatte, blieb. „Jedenfalls... Ich dachte, alles wäre perfekt. War es ja auch. Noch während er langsam in meinen Armen einschlief, flüsterten wir uns gegenseitig unsere Pläne zu und malten uns aus, wie ihr wohl darauf reagieren würdet... Ich hätte nicht gedacht, dass das alles so zerbrechlich war. Ich ...“, er schluckte schwer, „ich hatte in der Nacht einen Traum. Einen ziemlich lebhaften – allerdings nicht von Ryan.“

Zweifelnd blickte er zu seiner Tante auf. In den letzten Minuten hatte er ihren Blick gemieden aus Angst nicht den Mut aufbringen zu können, weiterzureden. Doch ihre Miene verriet keinerlei Gefühlsregung, die ihm weiterhalf. Noch schien sie über das Gesagte nachzudenken.

„Das ist aber noch kein Grund gleich die Beziehung zu beenden. Es passiert eben mal, dass man von jemand anderem träumt. Natürlich war es bestimmt nicht der günstigste Zeitpunkt dafür, aber immer noch kein Weltuntergang und...“

„Ich hab im Schlaf geredet. Das hat Ryan aufgeweckt und er hat dann jedes einzelne Wort mitangehört! Ich selbst wusste am Morgen nicht mehr so viel davon, auch wenn es wohl ziemlich heiß hergegangen sein musste... Aber er wusste noch alles, besonders noch, dass ich an der Stelle „Ich freue mich so sehr, dass du endlich mit mir verlobt bist“ nicht seinen Namen gesagt habe, sondern...einen anderen. Genauer gesagt den letzten, den er in diesem Moment hören wollte. Verdammt!“ Er stütze die Ellenbogen auf die Oberschenkel und verbarg kurz das Gesicht in den Händen. „Wie oft hatte ich ihm beteuert, dass er für mich kein Ersatz für Seto war, und dann hab ich einen scheiß feuchten Traum von ihm in der Nacht nach unserer Verlobung! Und dann ausgerechnet davon, wie ich mich mit ihm verlobe, statt mit meinem über alles geliebten Freund.“ Unmerklich begann seine Stimme zu zittern. „Wir haben dann den Vormittag damit verbracht möglichst sachlich das Thema zu besprechen. Ich weiß gar nicht wie oft ich betont habe, dass ich ihn liebe und zwar nur ihn. Er sah so traurig aus. Das hat mich mehr verletzt, als der Moment, in dem er tatsächlich mit gepackten Sachen aus der Tür ist. Hat mir zum Abschied noch gesagt, dass er mich wohl noch eine ganze Weile lieben würde, aber er wünsche mir viel Glück dabei, endlich meine Dämonen loszuwerden und dabei stünde er nur im Weg. Meine Dämonen... ich hab mich seit Jahren nicht in ihre Nähe getraut – in seine Nähe. Wollte es nicht. War für einen Sinn hätte es gehabt? Unsere letzte Begegnung hatte mir mehr als deutlich gemacht, dass es für uns keine Zukunft gab. Und doch hat er es bis jetzt immer wieder geschafft, mir jede Beziehung zu zerstören, die mir halbwegs etwas bedeutet hat. Ich könnte Kaiba dafür den Hals umdrehen. Ich...“

„Kaiba? Seto Kaiba?“ Ihr Blick war Gold wert und still fragte er sich, ob es ihr wirklich nie in den Sinn gekommen war. Er schwieg eine Weile, während er versuchte ihrem prüfenden Blick stand zu halten.

„Du könntest ihm nicht den Hals umdrehen. Denk mal genau drüber nach. Du würdest nicht denjenigen töten, den du all die Jahre über immer geliebt hast – wenn auch zwischendrin sehr unterbewusst.“

Stumm nickte er. Leugnen hatte an dieser Stelle keinen Zweck mehr.

„Was würdest du tun, wenn du die Gelegenheit hättest ihn wieder zu sehen?“

„Wie? Ihn wiedersehen?“

„Naja, wenn du ihm zufällig begegnen würdest. Wie würdest du dich dann verhalten?“

Er überlegte kurz. Eigentlich hatte er schon Lust ihm den Hals umzudrehen. Aber ihre Argumentation war richtig. Er würde es nie fertig bringen ihn körperlich zu verletzen. Doch sich ihm so einfach in die Arme werfen würde er auch nicht, dafür hatte er ihm zu viel Schmerz zu verdanken. Schmerz. Auch wenn er ihn liebte – irgendwo in den Tiefen seines Herzens, die nichts mehr zu melden hatten – wollte er doch, dass er wusste, wie es war unter seinen Gefühlen zu leiden.

„Ich würde versuchen herauszufinden, was er für mich empfindet. Vielleicht vorher ein bisschen mit ihm spielen, aber nur so weit, dass er mit der Sprache rausrückt. Ich will Erklärungen und brauche endlich ein paar Antworten.“

„Dir ist schon bewusst, dass diese Art von Spiel Nebenwirkungen haben kann?“, fragte sie ernst nach.

Ihm gefiel nicht wie die Stimmung zwischen ihnen kippte und so versuchte er sie mit seiner Antwort wieder aufzulockern: „Ich kann wohl kaum schwanger werden.“

Ihre Reaktion bestand aus einer herausgestreckten Zunge. „Das war damals kein Spiel. Von meiner Seite aus war es echt. Würdest du wirklich mit allen Konsequenzen klar kommen?“

Es gab nur eine Antwort für ihn darauf.

„Ja.“

„Dann können wir ja jetzt zu den anderen zurück und endlich den Kuchen anschneiden.“ Sie stand auf und reichte ihm die Hand, um ihm ebenfalls auf die Füße zu helfen.

„So einfach?“ Er traute dem Braten nicht so ganz.

„So einfach. Ich hab Lust auf meinen Geburtstagskuchen und ein Sehnsucht nach dem Rest der Familie. Kommst du also?“

Erst auf dem Flur gelang es ihm, sie wieder einzuholen.

„Trotzdem. So einfach? Keine weiteren Fragen? Keine Moralpredigt? Kein...“

Sie hielt an und drehte sich zu ihm um. „Joseph Pegasus. Du bist ein erwachsener Mensch, der in der Lage ist seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Und ich bin nicht mal annähernd etwas, was man erziehungsberechtigt nennt. Also wieso sollte ich mich dir aufdrängen und einen auf Anstandswauwau machen? Es ist dein Leben. Was du machst ist deine Sache. Das Einzige, was ich mir wünsche, ist, dass du glücklich bist und mich ein wenig an ihm teilhaben lässt. Haben wir uns verstanden?“ Mit einem Mal hellten sich ihre Gesichtszüge auf. „Aber einen Tipp hätte ich für dich. Lang nicht zu sehr beim Kuchen zu – ich will morgen deine Maße nochmal nehmen.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und rannte die letzten Meter ins Wohnzimmer, bevor er etwas erwidern konnte.
 

Maximillion sah auf, als seine Schwester viel zu schnell durch den Durchgang zum Flur kam ein breites Grinsen auf dem Gesicht. In solchen Momenten sah sie für ihn nicht einmal halb so alt aus wie sie tatsächlich war. Sie machte es sich auf dem Teppich neben ihren Kindern bequem, wo sie den Korb mit ihren Stricksachen abgestellt hatte. Das seltsame Gebilde sollte mal ein Pullover für ihn werden, auch wenn er nicht den blassesten Schimmer hatte, wie das je funktionieren sollte. Das Erscheinen seines Sohnes hätte er durch seine Betrachtung fast verpasst. Nach all den Jahren hatte er sich immer noch nicht daran gewöhnt, auf dem linken Augen nichts mehr zu sehen. Sei's drum. Das war der Preis, den er hatte zahlen müssen, und immerhin hatte er nun wieder so etwas wie eine Familie – wenn auch anders als sich das die meisten in seiner Branche vorstellten. Sein Sohn war gerade mal acht Jahre jünger als er, Mrs Pegasus war nicht seine Frau, sondern seine Schwester und für seine Nichte und seinen Neffen, die ihn brav Onkel nannten, war er mehr ein Vater als der Nichtsnutz, der ihre schwangere Mutter hatte sitzen lassen.

„Maximillion?“ Joseph stand vor ihm und wirkte als würde ihn etwas beschäftigen.

„Ja?“

„Wo hast du die Torte versteckt? Martine hatte mir versprochen, dass sie sie demnächst anschneiden würde. Da sie aber schon wieder strickt, wäre es sinnvoll, sie sanft daran zu erinnern.“

„Die Köchin hat sie ganz unten im hinteren Kühlschrank verwahrt, bevor sie gestern gegangen ist.“

Selbstverständlich hatte sein Personal an den Feiertagen frei und glücklicherweise konnten sowohl Martine als auch Joseph genug kochen, dass es gar nicht so sehr auffiel.

„Damit sie vor gewissen Naschkatzen in Sicherheit ist“, fügte er hinzu.

Sein Sohn hatte wirklich etwas von einem Kind, wenn er beleidigt das Gesicht verzog. Durfte man einen Fünfundzwanzigjährigen niedlich nennen?

„Aber du kannst sie ja trotzdem holen. Schließlich müssen wir testen, ob die Torte genauso gut ist, wie Hans' Meisterwerk letztes Jahr.“

Freudestrahlend verließ er das Wohnzimmer wieder. Einmal mehr ertappte sich Maximillion bei der Frage, wie er wohl als Kind gewesen war. Genauso unbeschwert? Nein, unbeschwert war er nicht, er hatte einfach nur gelernt, seinen Fokus wegzulenken von Dingen, die ihn zu sehr beschäftigten und belasteten. Ihm war nicht entgangen, dass er zu lange gebraucht hatte, um kurz nach Martine zu sehen. Joseph konnte er schwer lesen, aber seine kleine Schwester war wie ein offenes Buch für ihn. Jedes Detail ihrer Körpersprache, jede Nuance ihrer Stimme wusste er zu deuten. Aber er würde nicht fragen. Mit der Zeit hatte er gelernt, dass er bereits froh sein konnte, dass er wenigstens mit ihr über das sprach, was ihn beschäftigte – selbst wenn das hieß, dass es Geheimnisse gab, die er nicht kannte.

Neben der Torte brachte Joseph auch noch Kuchenteller und Gabeln herein. Abschließend zückte er das große Kuchenmesser und rief zu Martine hinüber: „Wenn du nicht bald da bist, schneide ich die Torte auf. Und dann geht das größte Stück an mich!“

Martines Erwiderung ging in den Protestrufen von Clara und Ethan unter, die bis dahin in ihre neuen Spielsachen vertieft waren. Geistesgegenwärtig legte er schnell das Messer aus der Hand auf den Tisch, als sie zu ihm liefen und sich vor ihm aufbauten – so gut es mit ihren sechs Jahren eben ging. Lachend ließ er sich auf die Knie sinken und umarmte beide, wobei er ihnen schwor, dass er das nur gesagt hatte, um ihre Mutter endlich dazu zu bringen ihre Pflicht zu erfüllen.

Nach der krümellosen Vernichtung der ersten Tortenhälfte war das aber sowieso schon wieder vergessen und man erwartete gespannt den Beginn des neuen Jahres.

„Auf ein erfolgreiches Neues Jahr“, stieß er endlich mit seiner Schwester an. „Irgendwie werden wir unsere Kinder schon groß bekommen.“

„Auf ein erfolgreiches Neues Jahr. Findest du nicht, dass Joseph schon lang genug ist?“ Ihr Blick wanderte hinüber zu Besagtem, der gerade das Sektglas vor den Schneebällen seiner Cousine und seines Cousins rettete.

Er lachte. „Du weißt ganz genau, wie ich das gemeint habe, Schwesterherz.“
 

Als er den LKW des Paketdienstes am Tor saß, öffnete er dieses nervös und lief hinaus. Wieso musste das immer so kalt sein im Januar? Vielleicht sollte er sich nächstes Jahr wirklich über seinen Geburtstag frei nehmen und in wärmere Gefilde flüchten. Sein Atem kondensierte sogar, als er nun zum asphaltierten Teil des Weges vorlief.

Neugierig hüpfte er von einem Bein zum anderen, bis der Motor endlich abgestellt war und der Fahrer ausstieg.

„Chef?“, fragte er etwas verwundert.

„Ja, der bin ich. Ist das für mich?“, deutete er auf den großen Karton, den der Mann nun aus dem Laderaum hervorzauberte. „Brauchen Sie ein offizielles Dokument von mir?“ Er war schon dabei seinen Ausweis zu zücken.

„Nein, nein. Das geht schon in Ordnung. Mein bester Freund hat mir mal von Ihnen erzählt. Aber das ist nicht ihr wirklicher Name, oder?“

Vehement schüttelte er den Kopf. „Nein. Mein kleiner Cousin hat vor Jahren angefangen mich so zu nennen und der Name blieb hängen. Ich glaube der einzige der mich mit meinem richtigen Vornamen anspricht ist mein Vater. Danke.“ Kurz unterschrieb er auf dem Gerät, das ihm entgegengehalten wurde, und nahm das Paket entgegen. Eilig verabschiedete er sich, bevor er zurück zum Hauptgebäude lief.

Hibbelig flitzte er hinauf in sein Zimmer und schnappte sich die Schere von seinem kleinen Schreibtisch. Für die Größe, war das Paket einfach zu leicht gewesen, und das konnte nur eines bedeuten. Er klappte die Laschen zur Seite und entfernte die oberste Schicht Verpackungsmaterial, unter der das Familienfoto von letztem Weihnachten hervor kam. Es war bereits gerahmt und zeigte sie alle, wie sie fröhlich in die Kamera lachten. Doch damit war das Paket noch lange nicht leer. Er legte das Bild zur Seite und arbeitete sich zu seinem eigentlichen Geschenk vor. Für einen Moment wollte sein Herz stehen bleiben. Diesen Rotton kannte er nur zu gut. Vorsichtig nahm er alles aus dem Karton und breitete es auf einem Bett aus. Tatsache! Sein erster eigener Anzug in dem pegasustypischen Rot, vielleicht ein paar Nuancen dunkler, aber dennoch unverkennbar. Strahlend zog er sich seine Hose aus und schlüpfte in die neuen Sachen.

Kritisch musterte er sich im Spiegel und versuchte sich von allen Seiten zu betrachten. Gewohnheitsmäßig steckte er die Hand in die Hosentasche und spürte Papier. Überrascht zog er den Zettel heraus und entfaltete ihn.

Alles Gute zum Geburtstag.

Dad und Martine

Er lächelte. Die beiden würden Augen machen, wenn sie ihn so sahen! Leider konnte er im Alltag nicht so herum laufen. Hoffentlich ergab sich bald die Gelegenheit für ihn, den Anzug zu tragen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Nächstes Kapitel könnte ne Weile dauern... Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Alistor
2020-08-26T11:54:52+00:00 26.08.2020 13:54
Eine Reise in die Vergangenheit
Sehr schön
Und da haben wir den Grund für die Trennung von Ryan

Bin gespannt wie es weiter geht
Von:  Onlyknow3
2015-09-21T19:31:29+00:00 21.09.2015 21:31
Das ist ja mal etwas Hintergrund Info wie es zu Urlaubsreif 1 gekommen ist, so lese ich das Kapitel zwischen den Zeilen.
Das gefällt mir mach weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  flower_in_sunlight
22.09.2015 07:52
^^
Es wird noch ein bisschen mehr Hintergrundinfo kommen - ist so leichter als in Flashbacks.


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