Zum Inhalt der Seite

Liebe führt, wie zu erwarten, zu Dummheiten

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Dunkle Farblosigkeit

Als Rei am nächsten morgen erwachte, hatte sich der Sturm gelegt, die Wolken sich verzogen und die Sonne schien an einem vollkommen klaren Himmel. Er streckte sich genüsslich, ehe er sich noch einmal genauer in dem Zimmer umsah.

Wie alle Räume in dieser Villa, war auch dieser Gästeraum ungewöhnlich groß, doch Kai schien sich die Mühe gemacht zu haben, ihm eines der gemütlicheren Zimmer ausgesucht zu haben. Nach der kleinen Rundführung die er am Vortag noch bekommen hatte, wusste Rei, dass das nichts Selbstverständliches war. Es gab viele Räume die karg und lieblos gestaltet waren. Kai hatte dazu gesagt, dass sowohl er als auch sein Großvater Funktionalität bevorzugten, statt einem aufwendigen Design. Nun ja, das musste er sicherlich nicht verstehen. Umso schöner war es, zu sehen, dass Kai anscheinend daran gedacht hatte, dass er selbst es eher gemütlich als rein funktional mochte.

Jetzt aber hieß es aufstehen, schließlich lag zumindest noch ein Frühstück mit Kai vor ihm. Was danach kam hatten sie noch nicht besprochen, aber da der Weihnachtsabend vorbei war, ging er selbst doch sehr davon aus, dass sein Kumpel ihn raus werfen würde.
 

Auf dem Weg zu dem Frühstücksraum kam er auch an den Büroräumen vorbei, blieb dort allerdings stehen, als er laute Stimmen aus einem der Räume vernahm. Da stritt sich jemand, aber wer? Hier war doch niemand, oder?

Und der Ausdruck 'streiten' war wohl auch nicht richtig, denn eigentlich war das nur eine Stimme die herum schrie... nun ja, schreien war auch irgendwie nicht der richtige Begriff. Wie nannte man das, wenn man die Stimme erhob, während man sich mit jemandem stritt? Es musste ja nicht gleich schreien sein, aber es war eben lautes und energisches reden. Rei kam das Wort 'gellen' in den Kopf. Vielleicht auch 'keifen'. Ja, das war das, was er wahrnahm und kurz fragte er sich, warum er überhaupt so lange darüber nachgedacht hatte.

Wie auch immer...

Vorsichtig schaute er durch eine der offenstehenden Türen, seine Neugierde innerlich verfluchend, denn eigentlich spionierte man nicht in einem fremden Haus. Die Zweifel vergingen ihm aber recht schnell, als er den Raum vollkommen sehen konnte. Nicht allzu weit von ihm entfernt stand ein älterer Mann, vielleicht Mitte 60 und der keifte in diesem Moment Kai an, der, zu seiner eigenen Verwunderung, seinen Kopf leicht gesenkt hielt und zu Boden blickte. Es war nicht wie bei einem Schulkind, das etwas verbrochen hatte, aber er sah schon... betroffen aus. Eigentlich konnte das nur eines bedeuten: Das musste Souichiro, Kais Großvater, sein.
 

Rei schluckte und wollte eigentlich schon gehen, weil ihn das definitiv nichts anging, als er sah, wie der Mann Kai grob nach hinten stieß, was dazu führte, dass der Junge hart gegen eines der Bücherregale prallte. Der Aufschlag war so hart, dass das gesamte Regal knirschte und einige Bücher hinab fielen, teilweise auch Kai trafen, der sich nicht einmal rührte. Er hatte nur kurz schmerzerfüllt das Gesicht verzogen, stand dann aber wieder aufrecht, in gleicher Position wie vorher.

Geschockt blieb Rei noch einen Moment stehen, doch als er sah, wie der Mann die Hand hob, reagierte er noch bevor er wirklich realisierte was Sache war. Er schnellte vor, überbrückte die wenigen Meter und griff die erhobene Hand am Gelenk. Allein der Überraschungseffekt reichte aus, dass der Schlag nicht mehr ausgeführt werden konnte.

"Was..."
 

Verwirrt wandte Souichiro sich um und sah ihn direkt an, die dunklen Augen verärgert verengt.

"Du wagst es?", donnerte er und wollte ihn schon von sich stoßen, doch das hatte Rei bereits erwartet und stemmte sich dagegen. Für einen alten Mann war der Kerl wirklich stark, aber er blieb ein alter Mann. Nichts, was er nicht abwehren konnte.

"Hat Ihnen Ihre Mutter nicht beigebracht, dass man seinen Enkelkindern nicht weh tut?", grollte Rei nur zur Antwort.

"Rei!", zischte Kai plötzlich, nicht minder wütend als Souichiro. "Halt dich da raus, das geht dich nichts an!"

"Was? Und zusehen, wie er dich schlägt? Für wen hältst du mich?"

Die kurze Ablenkung nutzte Souichiro um sich loszureißen und Rei auf Abstand zu schieben. Kais Augen ruhten noch immer auf ihm, dunkel und wütend.

"Was macht dieser Abschaum überhaupt in meinem Haus? Kai? Ich kann mich nicht daran erinnern, dir erlaubt zu haben, solches Gesindel hier herein zu lassen!"

Das war ja wohl die Höhe! Er war also das Gesindel, während in diesem Haushalt Kinder geschlagen wurden?

Doch statt dass Kai sich endlich wehrte, senkte der nur wieder leicht den Blick und nickte ergeben. Ein eiskalter Schauer durchfuhr Rei bei diesem Anblick. Das war doch nicht Kai der da vor ihm stand!

"Natürlich, Großvater. Er wird das Anwesen sofort verlassen. Entschuldige."

Nein, nein das war definitiv nicht der Kai den er kannte. Das hier war kein rebellischer Teenager, der sich mit allem und jedem anlegte. Das hier war ein gebrochener Junge... war das hier der 'Straßenköter'? Rei schluckte. Er hätte nie gedacht, dass sein Großvater die Schuld daran trug, dass Kai von sich selbst nichts hielt.

Dieses ganze Bild war einfach nur falsch und absurd und es tat ihm unglaublich weh seinen Freund so zu sehen. Er wollte sich vor ihn stellen, ihm sagen er solle die Klappe halten und wollte ihn beschützen und ihm sagen, dass er ruhig so sein durfte wie er war. Dass es in Ordnung war... egal was sein Großvater sagte.

Das hier hätte er wirklich niemals erwartet, schließlich war Souichiro die einzige Person von der Kai mit Respekt redete.

...

Aber vermutlich war genau das das Problem. Souichiro war der einzige Mensch, auf dessen Meinung Kai Wert legte und gerade dieser Mensch behandelte ihn so schlecht. Das war wirklich traurig.

Er hatte allerdings nicht wirklich Zeit sich noch weiter damit zu beschäftigen, denn Kai kam auf ihn zu, packte ihn am Handgelenk und zog ihn einfach aus dem Raum. Reis Augen weiteten sich in Erstaunen und Schock. Würde Kai ihn jetzt wirklich hinaus werfen?

Was hatte er denn erwartet? Dass er gegen seinen Großvater rebellierte? Nein. Nein, das war definitiv zu viel verlangt, auch wenn er es sich irgendwie wünschte. Da waren sie wieder diese verdammten Gefühle die er nicht hegen sollte. Da war dieses Bedürfnis, dass Kai ihm zeigte, dass er jetzt seine Familie war und er niemand anderen brauchte. Wie unsinnig und kindisch und übertrieben. Er sollte nicht so fühlen, aber aus irgendeinem absurden Grund tat er es.

Langsam musste er sich wohl eingestehen, dass er sich in den kaltherzigen Jungen verliebt hatte, auch wenn ihm das nicht gefiel. So ein Mist...
 

In dem Gästezimmer angekommen, in dem Rei geschlafen hatte, schmiss Kai die Tür lautstark in die Angeln. Kurz darauf keuchte er erschrocken auf, denn sein Gastgeber presste ihn gegen das massive Holz, hielt seine Handgelenke fest neben seinen Körper gepresst und hinderte ihn mit dem eigenen Körper daran, sich wehren oder bewegen zu können. Dunkle Flammen tanzten voller Wut, in den tiefen Augen Kais. Doch es war nicht nur Wut. Ein anderes Gefühl schwang noch darin mit, wurde von den Flammen aber fast erstickt. Er konnte es nicht benennen, aber es ließ ihn warm erschauern.

"Mach das. nie. wieder!", presste Kai unter zusammengebissenen Zähnen hervor.

"Wag' es nie wieder, dich einzumischen!"

Schwang da Sorge in der Stimme mit? War das, das Gefühl, was die Flammen zu verbrennen versuchten? Hatte Kai angst um ihn? Warum? Dachte er wirklich, dieser Mann könne ihm etwas? Das war doch Unsinn! Er war so viel stärker als der! Für was hielt ihn Kai denn? Ein schwaches, kleines Mädchen?

"Kai-"

"Versprich es mir!"

Und das kam mit so viel Nachdruck und so viel Intensität, dass er nicht anders konnte als zu nicken.

Im nächsten Moment pressten sich Lippen verzweifelt und verlangend auf die seinen und nach einem kurzen Moment des Schocks und des Unglaubens, gab er sich dem unbändigen Kribbeln hin, das seinen gesamten Körper erfasste. Ausnahmsweise wollte er einmal nicht darüber nachdenken, woher das jetzt kam. Das konnte er auch später noch machen.

Er genoss das Gefühl einige, lange Momente lang, ehe er spürte, wie sich der andere von ihm löste. Langsam und nahezu erschöpft ließ Kai seinen Kopf neben seinen eigenen sinken, die Stirn wahrscheinlich gegen das Holz der Tür gelegt.

"Danke.", hauchte Kai leise, kaum hörbar, was Rei erschrocken die Augen aufreißen ließ. Er wusste nicht, ob er sich über diesen Dank freuen, oder Angst davor haben sollte, denn dieses Wort war so schwach und so untypisch für den starken Russen ausgesprochen worden.

"Kai?", fragte Rei deshalb besorgt und konnte diese Situation nicht einmal einschätzen. Wofür hatte er ihm gedankt? Für den Kuss? Für das Versprechen? Er verstand es nicht.

Doch er würde es auch niemals erfahren, denn als Kai sich endlich von ihm löste, war sein Blick wieder so verschlossen wie immer und seine Mimik typisch versteinert. Enttäuscht legte Rei seine Stirn in Falten. Eigentlich hätte er gerne über das gerade Geschehene geredet, aber das war wohl momentan nicht möglich. Vielleicht ja am Samstag...

"Du musst jetzt gehen.", war das letzte was er an diesem Tag von seinem Freund hörte.
 

Rei hatte am nächsten Tag eine SMS von Kai bekommen, in der er geschrieben hatte, dass sie sich am nächsten Samstag in der Wohnung des Chinesen treffen würden. Das beruhigte Rei sehr, zeigte es doch, dass, egal was passiert war, Kai die Freundschaft nicht aufgab... oder? Das war nicht einfach nur ein Treffen um ihm zu sagen, dass sie sich nicht wiedersehen würden, weil sein Großvater ihm den Umgang mit ihm verboten hatte, nicht?

Rei schnürte es schier die Brust zu, als er daran dachte. Hoffentlich kam es nicht so. Hoffentlich war Kai stark genug, um sich wenigstens dagegen zur Wehr zu setzen. Hoffentlich... aber Rei wusste, dass es nicht so war. Kai würde sich niemals gegen sein letztes, noch lebendes Familienmitglied stellen.
 

An diesem Abend, dem zweiten Weihnachtsfeiertag, weinte sich Rei in den Schlaf. Es war nichts, was er oft tat. Eigentlich war er eine sehr starke Person oder eher abgehärtet von all den Abschieden, die er bereits hinter sich hatte. Doch er hatte sich verliebt und das war etwas, was er nicht gewohnt war. Er war es nicht gewohnt, von dem Menschen, den er liebte, abgestoßen zu werden, verlassen zu werden. Er war es allgemein nicht gewohnt verlassen zu werden, denn sonst war immer er es, der weg ging. Diese Art des Schmerzes war ihm noch fremd und er konnte nicht damit umgehen.

Er wollte nicht von Kai zurückgewiesen werden. Nicht nach all der Mühe die sie beide sich gegeben hatten um eine Beziehung zueinander aufzubauen. Er wollte nicht die restlichen Monate allein verbringen, ihn immer sehen müssen und doch nicht zu ihm können. Er wollte das nicht doch er konnte auch nichts dagegen tun. Wer war er, dass er die Beziehung zwischen Großvater und Enkel gefährdete?

So furchtbar er diese Beziehung auch fand, Kai brauchte sie, sie war ihm wichtig und er würde einen Teufel tun und seinem Freund derart weh tun. Wenn Kai sich also wirklich dazu entschied ihm aus dem Weg zu gehen, dann konnte er nichts tun als es zu akzeptieren, so weh es auch tun würde.
 

Diese Gewissheit linderte seine Verzweiflung allerdings kein bisschen. So hatte er sich Weihnachten nicht vorgestellt.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So richtig zufrieden bin ich mit dem Kapitel nicht, aber ich bin froh darüber es überhaupt fertiggestellt zu haben^^ Ich hoffe ihr fandet es besser als ich.
Und ja, ich bin wieder da^^ Meine Hand ist wieder in Ordnung und ich bin Feuer und Flamme diese Story hier bis Ende des Jahres fertig zu stellen!
Ich denke das sollte machbar sein, ansosnten werde ich nämlich auch ungeduldig, ich brenne nämlich darauf den zweiten Teil endlich anzufangen.

Bis zum nächsten Kapitel! Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Kirri
2015-11-04T21:32:43+00:00 04.11.2015 22:32
Ich habe eben deine ff gelesen und war überrascht. Etwas so durchdachtes habe ich selten gelesen, auch wenn mich eine Kleinigkeit wahnsinnig macht: Plusquamperfekt an jeder Ecke. Ansonsten freue ich mich schon am jeden neuen Teil ;) Weiter so!
Antwort von:  Lyndis
04.11.2015 22:38
Benutz ich die Zeitform echt so häufig? Das ist mir noch gar nicht aufgefallen. Aber wenn ich sie nutze, dann eigentlich aus gutem Grund. Ich versuche aber mal drauf zu achten^^ Danke für den Hinweis.

Und danke für den wundervollen Kommi!
Ich habe nicht wirklich das Gefühl dass es durchdacht ist XD 90% Der Story sind spontan entstanden... die restlichen 10% beinhaltete unteranderem die Szene mit Kai unter der Dusche und... eh... sonst iegentlich nicht viel XD Darauf hab ich hin gearbeitet, danach war die Story die ich erzählen wollte eigentlich zuende. Es wundert mich, dass doch noch so viele Kapitel danach kamen *hust*

Vielen lieben Dank für den Kommi!
Ich hoffe du bleibst mir als Leser und Kommischreiber treu :)
Nächstes Kapitel kommt eventuell am Wochenende.
Antwort von:  Kirri
05.11.2015 08:02
Mit durchdacht meinte ich auch etwas anders als die Storyline, wobei es natürlich schön ist wenn sie zu deiner Überraschung sich doch von allein gut zusammenfügt. Ich meinte viel mehr die durchdachten Charaktere die in ihren Handlungsmustern agieren und nicht wie vielfach bei anderen gerade so gebeugt und umgeschrieben werden, wie sie vermeintlich gerade in die Story passen ;) Ich freue mich auf den nächsten teil und werde dann auch wieder fleißig Kommentieren. Ps. Es freut mich, dass du mir meinen Kommentar zum "war gewesen" nicht übel nimmst. Lieben Gruß
Antwort von:  Lyndis
05.11.2015 09:19
Ah, das meintest du mit durchdacht. Ja, ich versuche mein Bestes um IC zu bleiben. Schön, wenn ich das so gut hinbekomme.
Und natürlich nehme ich dir den kleinen Kritkpunkt nicht übel^^
Ich hab mich gestern nochmal ein wenig damit befasst. Das Problem ist, dass meine Charaktere sehr viel nachdenken und eben weil ich vieles so spontan mache, muss ich ganz oft noch dinge nach erzählen, damit die Szenen Sinn ergeben. Was uns dann natürlich zum Plusquamperfekt führt, denn das ist die Zeitform die ich dann brauche. Ich schätze ich kann aktiv nichts dagegen tun, das ist einfach mein Schreibstil^^" Was mir aber aufgefallen ist und was mich unglaublich stört, sind die Wortwiederholungen die dabei entstehen. Ich hab gestern in einem kleinen absatz ich glaube 4 mal das wort 'war' gefunden *grusel*
Ich weiß noch nicht wirklich was ich tun werde und ob ich was dagegen tun kann... aber ich verspreche dir ich mache mir Gedanken darum und selbst wenn ich sage 'das bleibt jetzt so' war das auf keinen Fall eine Entscheidung die ich einfach so getroffen habe.
Generell Produziere ich lieber Content für meine Leser, statt an jedem Satz einzeln zu feilen. Ich hab nur eine Story wo ich das mache und da brauche ich pro Kapitel ungefähr ein halbes Jahr stetige Arbeitszeit, weil ich zu perfektionistisch bin.
Deshalb nicht böse sein, sollte sich daran nichts ändern :)
Ich werde auf jedenfall nochmal genauer darüber nachdenken!
Von:  Akikou_Tsukishima
2015-10-31T13:43:37+00:00 31.10.2015 14:43
Yeah endlich

Freut mich dass es deiner Hand besser geht
Antwort von:  Lyndis
01.11.2015 15:48
ja endlcih! Ich freue mich auch tieirisch :D

Danke für den Kommi!
Antwort von:  Akikou_Tsukishima
02.11.2015 00:37
Bitte kein Ding

Ich hasse Kais Opa


Zurück