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Alles rein geschäftlich!

Izayoi und der Höllenhund
von

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Schlechte Neuigkeiten

Fast zwei Wochen später lag Onigumo der Bericht der Detektei über Takemaru Setsuna vor. Er las ihn und ließ ihn wieder sinken. Das Ärgste, was man über diesen Mann aus alter Samuraifamilie sagen konnte war, dass er an seinem freien Tag mit Kollegen zum Karaoke-Singen ging. Das war sicher kein Grund für Onkel Jiro den zu entlassen. Es musste also einen anderen Weg geben, denn er hatte bei den letzten Treffen an den vergangenen Wochenenden durchaus eine gewisse Zurückhaltung bei Izayoi erkannt, die er nicht mehr ihrer Erziehung zugute halten konnte. Sicher, sie war höflich, plauderte wohlerzogen, aber sie mied jede Berührung, ja, auch nur mit ihm allein zu sein. Da sich ihr Vater jedoch dazu durchgerungen hatte mit ihm schon einmal über geplante Geschäfte seines Tourismusunternehmens zu reden, war dieser sicher nicht gegen eine Verlobung. Es konnte also nur an diesem Takemaru liegen. Er musste aus Izayois Umfeld verschwinden.

Nur, wie? Den zu einer Kündigung zu erpressen – mit was denn bei diesem geradezu blütenreinen Lebenswandel? Ihn zu überfallen und zu bedrohen? Nutzlos. Nach dem Detektivbericht war er der Fürstenfamilie Fukuwara bedingungslos ergeben. Ihn umbringen? Das sollte mit den doch deutlich höheren Hanyoukräften zwar möglich sein, aber die Idee hatte gleich mehrere Haken. Zum Einen hatte er noch nie jemanden ermordet, war sozusagen ein Anfänger – nun ja, nicht direkt –, der Fehler machen würde, und zum Anderen brachte das ihn nur selbst in Gefahr. Auf Mord an Menschen stand nach dem Youkairecht, dem er ja leider jetzt unterlag, der Tod. Und Inuyoukai besaßen eine noch bessere Nase als sonst schon Hunde. Das waren lebende Lügendetektoren. Sinnlos, da etwas zu leugnen, was man getan hatte. Nein, kein Mord....Es sei denn, es passierte dem ach so loyalen Leibwächter ein kleiner Unfall.

Das musste gut überlegt werden. Am Sonntag war er wieder zu Onkel Jiro eingeladen, diesmal zu einer Teezeremonie, und er vermutete schwer, dass es bei diesem doch recht intimen Beisammensein endlich um die Verlobung gehen würde. Bis dahin sollte sein Plan stehen diesen Samurai verschwinden zu lassen. Das Ärgste, was jetzt passieren konnte, war, dass der Onkel das Zeitliche segnete und dieser Takemaru Izayoi heiratete, ihm selbst den Titel und die Millionen vor der Nase wegschnappte. Nun, er sollte lieber gründlich nachdenken. Und am Besten noch mehrere Alternativen überlegen, für jeden nur vorstellbaren Fall.

Am Einfachsten wäre es freilich es käme endlich zu einem Eheversprechen, das möglichst auch noch öffentlich gemacht wurde, dann konnte seine Cousine nicht mehr zurück, gleich, was geschah.
 

Auch Izayoi dachte nach, als sie ihren fast täglichen Spaziergang durch den Park des Großen Tempels unternahm, wie immer in einiger Entfernung gefolgt von ihrem Leibwächter. Am Sonntag kam Onigumo wieder, diesmal zu einer Teezeremonie im kleinen Haus im Garten. Sie würde den Tee nach alter Tradition zubereiten und ihr Vater hatte ihr schon zu verstehen gegeben, dass er doch hoffe, dass ihr Cousin ihr dann die entscheidende Frage stellen würde. Er selbst wollte dann mit ihm einen Ehevertrag aufsetzen, ja, hatte seine Anwälte bereits gebeten Vorschläge dafür auszuarbeiten. Warum nur widerstrebte ihr diese Aussicht? Sie hatte doch von Anfang an, genauer, seit ihrem Einführungsball, gewusst, worauf Vater abzielte, dass Titel und Geld in der Familie bleiben sollten. Und sie war ja auch bereit dazu. Überdies konnte sie nichts gegen Onigumo vorbringen, das ihr jemand glauben würde. Er sah nicht schlecht aus, war jung, höflich zu ihr, hatte geschäftliches Geschick bewiesen... Und alles, was sie gegen ihn einwenden konnte, war das Gefühl, das sie bekommen hatte, als er ihre Wange küsste, dieser eiskalte Schauer. Ob das daran lag, dass er ein Hanyou war? Gab es dieses Gefühl wirklich oder hatte sie sich nur so erschrocken und sich allerlei eingeredet, was gar nicht den Tatsachen entsprach? Immerhin hatte er sich für die Annäherung entschuldigt und achtete seither sorgsam darauf ihr nicht zu nahe zu kommen. Was wollte sie mehr? Gut, sie mied auch jede Gelegenheit mit ihm allein zu sein, aber...Sie machte sich nur selbst irre. Sie würde ihn nach der Hochzeit besser kennenlernen, sich in ihn verlieben und dann würden solche Albernheiten sicher von allein verschwinden. Sie musste ihre Pflicht tun.

„Guten Morgen, Prinzessin.“

Sie schrak zusammen, als sie feststellte, dass sie um ein Haar in jemanden gelaufen wäre, der auf einem Querweg entlangkam – nicht nur in irgendwen. Hastig verneigte sie sich höflich: „Guten Morgen, edler Fürst.“ Wie peinlich. Nicht nur ein Ratsmitglied sondern einen Youkaifürsten fast umzulaufen...Hätte er sie nicht angesprochen und wäre selbst stehengeblieben, hätte sie ihn erst beim Zusammenprall bemerkt. Sie spürte, dass sie vor Verlegenheit rot wurde. Wie ungemein taktlos einen so hochrangigen Mann zum Stehenbleiben zu zwingen, weil man den Kopf in den Wolken hatte.

„So in Gedanken?“ erkundigte er sich.

Er hatte es bemerkt, das machte es nicht besser: „Verzeihen Sie...“ Er trug schwarzen Anzug und natürlich die Fellboas, von denen sie inzwischen wusste, dass es Teile seines Körpers waren. Ja, er war kein Mensch, ein Höllenwesen. Soweit sie erkennen konnte, da sie den Kopf nicht nur aus Höflichkeit geneigt hielt, hatte er seine langen, weißen Haare wie immer zu einem Zopf zusammengebunden.

„Begleiten Sie mich ein wenig.“

Das war keine Frage, eher ein Befehl, aber Izayoi fand keine Ausrede, die einigermaßen verbindlich gewesen wäre. Und sie wollte doch diesen mächtigen Mann, dieses mächtige Wesen, nicht verärgern. „Wie Sie wünschen.“ Da er sich umwandte trat sie an seine Seite.
 

Sie spazierten eine Weile schweigend nebeneinander, im Abstand gefolgt von den drei Personenschützern, zwei Youkai und Takemaru Setsuna, die alle drei beruhigt feststellten, dass die jeweils andere Partei ebenfalls professionell handelte und nur die Schützlinge und die Umgebung im Auge behielt, nicht die jeweiligen anderen Leibwächter.

Nach einer Weile erkundigte sich der Taishou, da seine Begleiterin noch immer nach unten blickte: „Dachten Sie an Ihren Vater, Prinzessin?“

„Auch,“ gestand sie: „Sie wissen, dass er...“

Über den nahenden Tod sollte er nichts sagen, zumal er seit seinem Gespräch mit Fürst Fukuwara vermutete, dass Jiro seine Tochter da anlog: „Ich weiß, dass er sehr krank ist und sich mehr schonen sollte.“

„Ja.“ Natürlich. Er war auch im Rat und sah ihren Vater oft genug. „Darf ich...darf ich Sie etwas Persönliches fragen?“ platzte sie heraus.

Der Taishou dachte unwillkürlich an einen Tag vor langer Zeit, als ihn ein Youkai das Gleiche gefragt hatte. Er hatte mit einer Handbewegung mehrere Bäume in einiger Entfernung gefällt, ehe er geantwortet hatte: Frage nur...Bis heute wusste er nicht, wie die Frage gelautet hätte, da sich der Andere eilig zurückgezogen hatte. Aber das war etwas Anderes: „Unter einer Bedingung.“ Er blieb stehen, sie damit praktisch zwingend das ebenfalls zu tun: „Sie sehen mich bei der Frage an. In meine Augen.“ Als sie das das erste und bislang letzte Mal getan hatte, hatte sie ihn so offen angelächelt, nach ihrem Tanz...

Jetzt musste sie auch die Frage stellen, sonst wäre das unhöflich, wenn er schon so freundlich war ihr das zu erlauben. So zwang sie sich in diese eigenartigen Augen aufzublicken, die fast golden schimmerten. Aber in ihrem Hintergrund leuchtete etwas anderes, das verriet, dass es keine Menschenaugen waren, die sie musterten. Seltsamerweise spürte sie keine Angst vor ihm, nicht einmal, als ein rasch aufblitzendes Lächeln seine Fangzähne zeigte. Es erinnerte sie nur, für sie überraschend, an den weißen Hund auf dem bestickten Kimono, den er ihr geschenkt hatte: „Ich...ich habe im Internet nachgesehen, edler Fürst. Ihr Sohn heißt Sesshoumaru, auch andere Ratsmitglieder haben Namen....Aber bei Ihnen stand nie einer.“

Kurioserweise schmeichelte es ihm, dass sie anscheinend etwas über ihn herausfinden wollte. Nun, ihren Vater hatte sie sicher kaum fragen können oder wollen. Ihre schwarzen Haare fielen so lang und unglaublich dicht über ihren Rücken. Er ertappte sich bei dem Wunsch seine Hände hinein zu graben, nur um zu erfahren wie es sich anfühlte. Ihre Augen waren ebenso dunkel, zeigten gerade gewisse Nervosität, aber auch eine Wärme, die von Herzen kam, um ihren Mund lag ein gewisses, verlegenes Lächeln... Doch, es war richtig gewesen Jiro zu versprechen sie zu beschützen, wenn es notwendig wäre: „Das liegt daran, dass ich keinen besitze. - Als ich geboren wurde war es unüblich Kindern Namen zu geben. Diese erhielten erst die Erwachsenen, nach ihren Taten. Nennen wir es Kriegsnamen oder Ehrennamen. Zu dieser Zeit kämpfte ich bereits um den Titel des Taishou. Da ich gewann wurde das mein Name. Später erhielten auch Welpen, Kinder, Namen schon bei der Geburt, als Zeichen, dass der Vater sie anerkennt.“

„Danke,“ flüsterte sie mehr als sie es aussprach. Wie alt er wohl sein mochte? Aber das konnte sie jetzt unmöglich fragen, um nicht seine Geduld zu strapazieren. Er sah aus wie ein relativ junger Mann, Mitte Dreißig, aber das täuschte sicher. Sein Sohn schien ja schon so alt wie sie und das war ein menschlicher Irrtum.

„Gehen wir weiter, Prinzessin. - Wollen Sie mehr über meine Art herausfinden?“

„Ja....Ich möchte natürlich nicht meinem Vater gegenüber ungehorsam erscheinen,“ beteuerte sie eilig, froh, geradeaus gucken zu können und nicht mehr in diese rätselhaften Augen.

„Ich zweifele nicht daran, dass Sie eine überaus respektvolle Tochter sind. Bedauerlicherweise neigt Ihr verehrter Vater zu einigen Vorurteilen was meine Art betrifft. Obgleich unsere Zusammenarbeit tadellos abläuft.“ Er dachte an Jiro Fukuwaras Besuch bei ihm. Trotz aller Bedenken war dieser zu ihm gekommen – sicheres Zeichen dafür, wie ernst sein menschlicher Ratskollege die Sache genommen hatte. Es war bestimmt kein einfacher Weg für Jiro gewesen ihn um etwas zu bitten. „So finde ich es nur ..diesen Zeiten angemessen, dass Sie versuchen zu verstehen, wer mit Ihnen in einer Stadt lebt. Zumal Sie einen Hanyou als Cousin haben.“

„Onigumo, ja, woher... Oh, wie töricht von mir, Sie kennen ihn natürlich. Er war ja auch auf meinem Ball.“ Es war gut, wenn sie ein wenig von dem heiklen Thema kamen. Und dann fragte sie doch: „Gibt es viele Hanyou?“

„Nein. Ihr Vater ist nicht der Einzige mit Vorurteilen, auch viele Youkai missachten Menschen. Überdies ist es manchmal schwierig.“

Sie stellte sich eine riesige Spinne vor und schauderte: „Ich dachte, alle Youkai können Menschen ähnlich sein.“

„Nicht alle. Aber das meinte ich nicht. Ich, zum Beispiel, könnte nie ein Hanyoukind bekommen. Mein Youki ist zu stark.“

Sie nickte: „Ich habe gelesen, dass Youkai ihre Energie von den Eltern erben. Und eine menschliche Mutter...“

„Das Kind, genauer, dessen Youki, würde sie umbringen ehe es geboren werden könnte. Darum hat die Natur es auch nicht vorgesehen,“ milderte er ab, um sie nicht zu erschrecken, da sie bereits zusammenzuckte. Menschen waren einfacher zu verängstigen als Youkai, die mit Leben und Tod als unabänderlichen Tatsachen nüchtern umgingen. Er selbst hatte noch nie in einem Kampf den sachlichen Überblick verloren, nicht einmal zu Zeiten in denen es noch um sein eigenes Leben gegangen war. „Bei schwächeren Youkai ist es durchaus möglich, dass ein Mi...ein Hanyou entsteht. - Übrigens: auch Hanyou unterstehen Youkairecht.“ Er sah, dass sie damit nichts anfangen konnte, wollte ihr aber andeuten an wen sie sich wenden könnte, falls es nötig wäre: „Das heißt, ich bin der alleinige Richter.“

Izayoi nickte, unwillkürlich ein wenig beeindruckt. Dann war er wirklich der Herr aller Youkai. Wie unbedeutend sie ihm da vorkommen musste und doch plauderte er mit ihr – sicher, um ihren Vater zu ehren, der zumindest im Rat und mit dem Fürstentitel ihm gleichrangig war. „Sie sind ein sehr mächtiger Mann, edler Fürst. Ich danke Ihnen vielmals für die Aufmerksamkeit, die Sie meiner bescheidenen Person schenken.“

Wirklich sehr altmodisch erzogen. Wie amüsant einen Menschen bei Verhaltensweisen zu sehen, die so gar nicht zu den Wolkenkratzern im Hintergrund passten. Das war eher youkaimäßig. Wobei Izayoi trotz ihrer anerzogenen Vorurteile offenbar neugierig auf die ihr bislang vorenthaltene Welt schien. Das würde ihr helfen sich zurecht zu finden, denn auch ihr potentieller Ehemann hatte sicher einige Eigenheiten, die er seiner Spinnenmutter verdankte. Fragte sich nur, welche. Denn das war bei jedem Hanyou durchaus anders, soweit man das beurteilen konnte. Er hatte, Onigumo eingerechnet, in seinem langen Leben erst fünf oder sechs getroffen, von einigen mehr auch gehört, aber da waren diese bereits tot. Früher waren Youkai nicht zimperlich mit den Mischlingen umgegangen, nun, auch die Menschen nicht. Seit den Verträgen genossen sie jedoch den Schutz des Gesetzes und führten wohl ein einfacheres Leben, jedenfalls ein unauffälliges, wenn er erst nach zweihundert Jahren bemerkt hatte, dass es kein Gesetz gab vor welchem Gericht welcher Art sie sich zu verantworten hätten. Er hörte einen leisen Fluch hinter sich und blieb stehen, drehte sich um.

Izayoi folgte dem Beispiel etwas verwundert, da sie nichts vernommen hatte. Jetzt sah sie, dass Takemaru auf sein Handy starrte, sich sichtlich zusammennahm und auf sie zukam, sich tief vor dem Fürsten und ihr verneigte. Er ziemte sich nicht solch ein Gespräch zu unterbrechen, das wusste sie, außer die Nachricht war mehr als dringend: „Vater?“ fragte sie gepresst.

„Ja, Izayoi-sama.“ Der Samurai richtete sich etwas auf und warf einen raschen Seitenblick auf den ihm doch fremdartig scheinenden Inuyoukai, ehe er sachlich sagte: „Fürst Fukuwara erlitt einen Zusammenbruch und wird soeben in die Klinik gebracht. Sie werden gebeten ebenfalls dorthin zu kommen.“

„Ja, natürlich. Gehen wir...“ Sie war derart geschockt, obwohl sie die Nachricht erwartet hatte, dass sie fast die Höflichkeit vergaß: „Oh, edler Fürst...“ Sie konnte doch nicht ohne Entlassung gehen.

„Natürlich, Prinzessin,“ erwiderte der Taishou, von dem Schmerz in ihrer Stimme eigenartig berührt: „Gehen Sie und grüßen Sie Ihren werten Vater von mir.“ Er wartete bis die beiden Menschen weit genug entfernt waren um nicht seinen nächsten Satz hören zu können: „Myouga, hinterher. Und telefoniere deinen Bericht an Sesshoumaru durch. Er weiß dann, was er zu tun hat.“

Der Flohgeist unterdrückte seinen Seufzer, als er aus dem Fell auf der Schulter des Youkaifürsten kroch. Er hasste Krankenhäuser mit ihren sich selbstständig öffnenden und schließenden Türen, die eindeutig nicht für Wesen seiner Art gedacht waren. Immerhin konnte er dann von außerhalb telefonieren, besaß er doch ein auf seine Maße verkleinertes Handy. Und, wenn er sich beeilte, konnte er noch mit der Prinzessin Fukuwara mitfahren. Ihr Kimono bot genug Deckung für ihn, selbst, wenn dieser Chauffeur aufmerksam war. „Kein Bericht an Sie, oyakata-sama?“ fragte er nur noch.

„Sesshoumaru.“ Sein Sohn war alt genug das mit dem Aktienkauf selbst regeln zu können – und zu müssen. Kindern lernten nichts, wenn man sie zu sehr kontrollierte, sei es auch um sie zu schützen. Wenn Jiro starb würde seine Aktien fallen – und Sesshoumaru würde sie kaufen lassen. Überlebte Jiro passierte eben gar nichts.

Er wartete nicht ab, ob sein winziger Mitarbeiter Izayoi einholte, ehe er sich umwandte und seinen Weg wieder aufnahm. Nicht ohne Grund war er so oft es ging in diesem Park. Die Gerüche und Laute der Stadt waren hier gedämpfter und er konnte seine Sinne regenerieren, den Kopf wieder frei bekommen. An so manchem Wochenende allerdings, selten genug, fuhr er weg, in die Einöden der Berge, um sich in seine wahre Form zu verwandeln und als großer, weißer Hund zu laufen, zu rennen, bis sein Körper müde wurde, und sein Geist frei. Auch die gelegentlichen Kämpfe gegen Sesshoumaru waren diesbezüglich sinnvoll – zumal der Welpe erstaunliche Fähigkeiten zeigte. Eines Tages, wenn der noch viel dazugelernt hatte würde er wohl in der Lage sein, ihn, seinen eigenen Vater, zu übertreffen. Nun ja, auch seine Mutter stammte aus einer sehr mächtigen Familie – und wie erhofft, hatte sich die Macht beider Elternteile in seinem Youki vereint, wenn auch nicht verdoppelt, wie es seine Gemahlin einst erwartete. Wobei sie selbst zugegeben hatte, dass es eine törichte Hoffnung war. Nichts im Leben wurde jemandem geschenkt und auch er hatte sich seine Macht hart erarbeiten müssen.
 

Izayoi war nie zuvor in einem Krankenhaus gewesen, da es ihr Vater ihr bei seinen Infarkten und auch bei ihrer Mutter verboten hatte, und schreckte vor den Gerüchen, den nüchternen Gängen, dem Boden und den Patienten zurück. Beruhigt spürte sie, dass Takemaru nur einen Schritt hinter ihr war, sich neben sie stellte, wenn sie nach dem Weg fragten. Bald fanden sie eine Nische mit Matten und Sitzkissen – ein Warteraum. „Nehmen Sie Platz, Izayoi-sama,“ sagte er. „Ich werde dort vorn am Stationszimmer eine Schwester fragen...“ Denn er hatte trotz allem keine Kollegen gesehen, die sicher den Fürsten herbegleitet hatten und vor seinem Zimmer wachen würden. Aber das hier war eindeutig die Internistische Abteilung, wo doch ein Herzpatient zu erwarten wäre. Es sei denn, dem Herrn ging es derart schlecht, dass er auf der Intensivstation lag oder gar operiert werden musste.
 

Nur kurz darauf kehrte der Samurai mit einer Schwester zurück: „Izayoi-sama, das ist Schwester Aki. Sie wird uns in die Intensivstation begleiten.“

„Danke. - Das ist schlecht, nicht wahr?“ erkundigte sich die Prinzessin halb bei Takemaru halb bei der Schwester.

Diese zuckte die Schultern. Aber sie meinte nur: „Dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Es kann auch zur Vorsorge sein. Aber ich denke auf der Intensivstation können Sie mehr erfahren. Bitte, folgen Sie mir.“ In dieser technischen Umgebung wirkte die junge Frau in den schweren Kimono ein wenig fehl am Platze.

Im Kellergeschoss sah Izayoi zwei Wachen, die sie erkannte, vor einer Tür,. Die Schwester verschwand kurz dahinter, während Takemaru zu seinen Kollegen trat: „Die Prinzessin ist sehr besorgt...“

Die angedeutete Frage wurde mit einem Nicken beantwortet: „Wir dürfen nicht mit hinein, also, wenn dann nur Izayoi-sama.“

Schwester Aki kehrte mit einem Mann zurück, unverkennbar ein Arzt: „Dr. Kasai, das ist Prinzessin Izayoi Fukuwara.“

„Gut, folgen Sie mir, Prinzessin. - Ihre...hm...Angestellten müssen hier bleiben.“

„Ja,“ murmelte sie, um höflich zu ergänzen: „Danke, Schwester.“ Eigene Befindlichkeiten waren kein Grund die Freundlichkeit außer Acht zu lassen, so war sie erzogen worden. Dann folgte sie den Arzt hinter die ominöse Tür. Zu ihrer Verwunderung lag hier ein Vorraum, offenbar ein kleines Büro und eine kleinere Tür, während eine weitere große den restlichen Bereich abtrennte: „Dr. Kasai...mein Vater...?“

„Sie dürfen im Moment nicht zu ihm, Prinzessin. Bitte, nehmen Sie Platz....“ Er deutete auf einen Stuhl. „Ich erkläre es Ihnen. Sie wissen, dass Fürst Fukuwara herzkrank ist?“

„Ja.“ Sie brachte es kaum heraus: „Hatte er wieder einen Herzinfarkt?“

„Nein. Eine Entzündung des Herzmuskels. Das muss sich seit Wochen gezeigt haben. Er wurde wohl immer schwächer?“

„Ja.“

„Wir haben ihn isoliert und halten ihn unter Beobachtung. Aber es ist im Moment besser, wenn er auf Quarantäne bleibt. Bereits ein Schnupfen wäre fatal für ihn. Darum dürfen Sie zur Zeit auch nicht zu ihm. Niemand, außer dem medizinischen Personal und das in Schutzanzügen.“

Izayoi legte die Hände aneinander und starrte auf ihren Schoß: „Sie sind der Arzt. Gibt es keine Möglichkeit ihn zu sehen? Nur, zu sehen?“

„Ein wenig Geduld. Wenn sich sein Zustand stabilisiert werden wir ihn in ein Einzelzimmer verlegen, dann können Sie ihn – und er Sie - sehen, wenn auch durch eine Scheibe getrennt. Aber wie erwähnt, er ist sehr schwach. Er hat nach Ihnen gefragt.“

„Können Sie ihm sagen, er solle sich keine Sorgen um mich machen und schnell wieder gesund werden?“

„Ich werde es ihm ausrichten. Geben Sie mir doch Ihre Handynummer, dann kann ich Sie jederzeit erreichen, wenn sich etwas am Zustand des Fürsten ändert. - Noch etwas, die Leibwächter...?“

„Er ist Ratsmitglied,“ erklärte sie: „Soweit ich informiert bin gehört das dazu.“ Selbst der Youkaifürst hatte Personenschützer dabei, das war wohl eher dem Status als einer wirklichen Bedrohung für ihn geschuldet. Sie nahm den Zettel, den der Arzt ihr reichte: „Ich selbst besitze kein Handy. Aber in der Regel bin ich in unserem Haus zu erreichen, das wäre hier die Nummer. Falls ich nicht anwesend bin, wird Ihr Anruf auf das Handy meines Leibwächters umgeleitet.“

„Danke, Prinzessin.“ Ach ja, Fürst, reich und Ratsmitglied, da waren er und seine Familie wohl an die Gegenwart von Wachhunden gewohnt. Dr. Kasai zögerte kurz, aber dann sprach er es lieber nicht aus, sondern meinte nur: „Dann gehen Sie nach Hause. Sobald wir Näheres wissen oder sich der Zustand des Fürsten verändert, geben wir Ihnen Bescheid.“

Izayoi erhob sich. Was blieb ihr schon anderes übrig.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel ist Fürst Jiro gewidmet und seinen Fehlern – und Onigumo entdeckt einen kleinen Fehler in seinem eigenen Plan.

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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Kerstin-san
2020-03-15T19:38:34+00:00 15.03.2020 20:38
Hallo,
 
gut geplant ist halb gewonnen, was? Der Hanyou macht keine halben Sachen, sondern hat gefühlt immer ein halbes Dutzend Pläne parat, die er nach Belieben aus seiner Ärmeln schüttelt. Irgendwie sehe ich für Takemaru schwarz. So ein Unfalltod liese sich bestimmt fingieren - so ein unauffälliger Autounfall zum Beispiel.
 
Diese zufälligen Begegnungen im Park (sind sie denn wirklich zufällig oder fädelt der Taishou das immer geschickt ein?) gefallen mir echt gut, weil es eine Möglichkeit für Izayoi ist ihre Neugierde zu stillen und ein bisschen mehr in die Youkaiwelt einzutauchen und gleichzeitig ist es so ein öffentlicher Ort, dass ihr niemand etwas unschickliches vorwerfen könnte.
 
Huuu, kein Hanyoukind für den Taishou? Na der wird sich noch umgucken. xD
 
Diese Mischung des Taishous zwischen Neugierde und einer gewissen Faszination für Izayoi, sein Mitgefühl ihr gegenüber wegen ihrem kranken Vater und diesem niemals schlafenden Geschäftssinn, weil er sofort Myouga hinterherschickt und den Aktienmarkt im Hinterkopf hat, ist echt faszinierend, weil er das alles mühelos unter einen Hut bringt, aber dabei nicht kühl kalkulierend oder unsensibel wirkt.
Btw, dieses Wunderwerk der Handytechnik, das auf Myougas Größe abgestimmt ist, will ich sehen. Welcher filigrane Meister hat das denn hersgestellt?
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von: abgemeldet
2015-12-14T14:16:43+00:00 14.12.2015 15:16
Ich weiß gar nicht was ich sagen soll, außer, dass mir deine GEschichte mit jedem KApitel besser gefällt =D DIe Art und Weise wie die einzelnen Charakter mit einander interagieren wirkt unheimlich natürlich und sehr gut durchdacht. Auch, dass Izayoi sich GEdanken darüber macht, warum sie nicht mit ihrem Cousin verheiratet werde will, ist schön dargestellt und Takemarus "größte Sünden" find ich unheimlich toll xD Passt zu einem korrekten Leibwächter, der er ist.
Ich hoffe allerdings, dass sich Jiro wieder erholen wird >.< Auch wenn er keine Ausgeburt an Sympathie ist, hab ich ihn in den letzen Kapiteln ins Herz geschlossen und ich will gar nicht wissen, wie sehr Izayoi unter seinem Tod leiden würde. Nicht, dass sie sich dann doch noch in die Arme ihres Cousins wirft ...
Antwort von:  Hotepneith
14.12.2015 15:45
Dannke, freut mich. Eine Geschichte soll m.E. so wirken, dass jemand, der sie liest, denkt daneben zu stehen - und dennoch nei eingreifen kann. Klappt nciht immer, deswegen umso schöner, wenn.
Jiro ja....seufz.


bye
hotep
Von:  SUCy
2015-08-20T20:31:37+00:00 20.08.2015 22:31
Puhhh ......
Izayoi ist echt niedlich, ich war bei lesen selebr ganz aufgeregt, als sie mit Taishou gesprochen hat :D
Konnte mir auch gut das Bild vorstellen, was Taishou meinte, mit den Hochhäusern und ihrem Altmodischen Auftreten und Aussehen.
Da ist Jiro ja im rechten Moment zusammen gebrochen, da darf keine Verlobung mit Onigumo zustande kommen <.<
Bin auf das nächste Kapitel gespannt! Ach wenn doch nur schon nächster Donnerstag wär :D

Antwort von:  Hotepneith
21.08.2015 08:26
Danke für das review - aber glaubst du, dass Onigumo so einfach aufgibt?

bye

hotep
Antwort von:  SUCy
21.08.2015 17:46
nein ..... >< Aber dafür haben wir doch unsern Hundehelden :D

Ach was ich noch toll war, das mit dem Namen. Das Taishou keinen richtigen hat, weil es damals anders zu ging.
Von: abgemeldet
2015-08-20T19:05:29+00:00 20.08.2015 21:05
Hallo!

Ach, auch wenn es makaber ist, aber die Eltern schreiten immer ein, bei heiklen Gesprächen der Kinder - sogar, wenn es ihnen so schlecht geht wie Jiro. Die Information, dass sie nie zu ihm durfte, und auch ihre Mutter nicht im Krankenhajs sah, hatte einen herben Beigeschmack. Nun, er mag sie wohl nicht ängstigen und es fiel ihm gewiss nicht leicht, doch am Ende wird ihr das ebenfalls auf die Füße fallen. Erst die Sorge, dann alles neu und unbekannt. Wer weiß, ob das Personal das nicht ausnutzt, weil es gekauft ist.
Und Myouga mittendrin? Das wird ein lustiger Bericht, ich hoffe, den gibt es ausführlich - und dass Sesshoumaru dem werten Onigumo ein wenig in die Parade fährt. Der Sohn war in den letzten Kapiteln ein guter Stratege und es würde den Hanyou ärgern, sollte ausgerechnet der Erbe des Richters eine Unstimmigkeit entdecken ...

Was mir sehr gefiel: Der Spaziergang. Die drei Leibwächter brachten mich zum Kichern, weil ich die Herren mit peinlich berührten Blicken assoziieren wollte (ja, ich weiß, das stand nicht da!) und dann daran dachte, dass sich Takemaru nach dem Karaoke-Vergehen endlich mal etwas Handfestes 'leistet'. :D
Aber im Ernst? Karaoke ist sein schwarzer Peter? ... das ist schon fast niedlich. Ein toller Einfall, passt zu seinem Image.
Überhaupt, die Art wie der Inu no Taishou und Izayoi miteinander plauderten, war ruhig und erwachsen, trotzdem etwas für's Leserherz. Ich meine, allein die Anspielung auf das Haar, hach. Sehr dezent eingewoben!
Die Rückblende mit den gefallenen Bäumen war ebenfalls schön! (Die persönliche Frage hätte ich trotzdem gern gekannt, hmpf. Was musste der Youkai so feige sein.) Nun, immerhin hat Izayoi durch ihre nicht den Park gerodet. Und als sie fiel, war ich gespannt wie ein Flitzebogen, nur um mit einer so hundsgemeinen Erklärung abgespeist zu werden. Aaah! Ehrlich, wäre es nicht so authentisch bzw vorstellbar, hätte ich geschmollt.
Verrätst du, wie du darauf kamst? ;-)
Das mit dem Youki vs Hanyou vs menschlichte Mutter wird bestimmt nich ein Highlight. Es nicht 'können' und es nicht 'wollen, weil es tötet' sind ja doch zwei verschiedene Paar Schuhe. Nett, dass er so tut, als ob er sich disqualifiziert. Kompliziert, dass sie ihn als eigentlich gefährlicheren Mann beruhigender einschätzt als den Cousin.

Oh: Als Izayoi den Fürst stehen lässt, fehlt ein Satzzeichen in der wörtlichen Rede.

Nur höchst widerwillig eine Woche wartend, Morgi
KomMission-Unterstützerin, für mehr Feedback auf Animexx :-)
Antwort von:  Hotepneith
20.08.2015 21:17
Danke für das lange review.

Der verlorene Punkt ist wieder zuhause... Danke.

Sesshoumaru hat schon noch einiges zu tun in der Zukunft, keine Sorge, immerhin ist er Papas rechte Hand, nicht nur der Erbe. Und Onigumos Pläne halten ihn ganz gut auf Trab in den nächsten zwanzig Kapiteln.. Aber manches muss eben doch der Fürst übernehmen. Jiro wollte seine Tochter vor allem schützen - und scheitert im Endeffekt ziemlich. Immerhin hat er einen netten "Vaterersatz" für sie besorgt, nicht war? Zu der Namensfrage: ich wollte ihm einfach keinen Vornamen geben, weil es ja immer nur Gerüchte gibt und niemand im Manga und nciht einmal im dritten Film ihn ausspricht, aber ich suchte eine denkbare Erklärung.
Das mit Youkai-Hanyou-menschlicher mutter wird in der Tat nochmal vorkommen, wie und was verrate ich freilich nicht.

bye
hotep


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