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REM-SLEEP Disorder

So lange bis er aufhört zu existieren
von

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Paint him black

„Ich hoffe, du weißt wie man einen Dominator benutzt.“

Eren würdigte den Blondhaarigen nur eines Seitenblickes, eh sich seine Kiefer vor Nervosität aufeinander pressten. In dem Carrier, der vor ihm stand, fehlten bereits zwei der schwarzen Schusswaffen. Der Senior Inspector und der Enforcer namens Mike waren ihnen bereits einige Minuten voraus.

„Natürlich“, antwortete Eren. Er hatte ein drei jähriges Training erhalten und das notwendige Wissen über die Benutzung eines Dominators hatte man ihm selbstverständlich auch beigebracht. Sofort, nachdem sich seine Finger um den Griff schlossen, ertönte in seinen Ohren sie sanfte, melodische Stimme des Sibyl Systems.
 

„Dominator Portable Psychologial Diagnose Surpression System has been activated.“
 

Als die weibliche, melodische Stimme im Innern seines Gehörgangs ertönte und das Interface sich vor seinen Augen aufbaute, kurz nachdem seine Finger den Griff der Waffe umschlossen, konnte er spüren, wie sich sein Magen zusammen zog – Ob vor Aufregung oder lauer Angst davor, was ihn erwarten würde, er konnte es in dieser Sekunde nicht einmal genau deuten.
 

„User authentification, Inspector Eren Jäger. Affiliation: Public Saftey Bureau, Criminal Investigation Department. Dominator usage approval confirmed. You are a valid user. Current enforcement mode is Non-Lethal Paralyzer. Aim calmly and disable the target.”
 

Eren musste sich widerwillig eingestehen, dass das Training ihn dennoch nicht auf die wahre Realität vorbereitet hatte. Als würde er das Interface zum ersten Mal erblicken, dass ihn über seine eigenen vitalen Werte, sowie den Zugangs- und Informationsdaten über seine eigene Person, und eine Liste über seine Teamkameraden informierte, zum ersten Mal in seinem Leben erblicken. Mit seiner freien Hand versuchte er nach den Hologrammen zu greifen, bis er merkte, dass sich vor ihm nichts weiter als Luft befand. Erst als die rothaarige Frau, namens Petra, ihm auf den Schulter klopfte und nah an seinem Ohr zu Lachen begann, löste sich Eren von der Faszination, die ihn ergriffen hatte.

„Keine Sorge, irgendwann gewöhnt man sich daran. Auch an die nervige Stimme im Ohr, die einem ständig mit Anweisungen nervt“, versuchte Petra ihm Mut zu machen, doch Eren spürte lediglich wie er vor Scham die Schultern nach oben zog. Entnervt schnalzte Jean mit der Zunge. Eren konnte aus dem Augenwinkel sehen, wie der Enforcer mit dem Kopf schüttelte.

„Auch noch ein blutiger Anfänger“, seufzte der Blondhaarige, was dazu führte, dass Eren sich mit einem Satz zu diesem herum drehte und harsch seine Kiefer aufeinander drückte, als er das hämische Lächeln des Enforcers erblicken konnte.

„Was hast du gesagt?“ Der Junior Inspector konnte nicht anders, als bei diesen Worten aus der Haut heraus zu fahren. Jeans Augen verengten sich. Nachdem ihm die herausfordernden Worte zu Ohren gekommen waren, drehte er Eren jedoch nur die Schulter zu.

„Ich sagte, dass du ein scheiß blutiger Anfänger bist“, wiederholte Jean dabei noch einmal seine Worte, ohne Eren dabei anzublicken. Der Jüngere wollte etwas sagen, doch Petra unterbrach seine aufwallenden Worte, indem sie einen Arm vor Eren hob und einen Schritt auf ihren Partner zu machte, der weiterhin stur geradeaus starrte.

„Wir haben alle einmal angefangen, Jean“, redete sie auf den Enforcer ein, um die Diskussion nicht weiter eskalieren zu lassen. „Oder soll ich dich daran erinnern, dass du dir bei deinem ersten Fall beinah in die Hose gemacht hast?“ Anstatt darauf zu antworten, schüttelte der Enforcer erneut mit dem Kopf und hob ergeben seine Hände an.

„Dann nimm den Kleinen eben in Schutz, Petra. Mir ist es gleich“, waren die letzten Worte des Blondhaarigen, bevor dieser sich von der Gruppe entfernte. Normalerweise war es gegen die Regeln, dass sich ein Enforcer ohne die Erlaubnis eines Inspektors fortbewegte, doch Eren war zu erstarrt von der Wut, die sich in seinem Magen zusammen geballt hatte. Das also sollten seine neuen Arbeitskollegen sein? Mit dunklem Blick schaute er Jean hinterher, der bereits hinter der Ecke des Gebäudekomplexes verschwunden war. Erst als Petra seufzte und sie ihm am Ärmel zog, wurde ihm wieder bewusst, was er hier eigentlich tat. So gut es ging versuchte Eren die Beleidigung zu vergessen, die er soeben über sich hatte ergehen lassen müssen und schlug die gleiche Richtung ein, in die der Enforcer soeben verschwunden war. Die Frau gab sich dabei alle Mühe mit seinen schnellen Schritten mitzuhalten und musste die letzten Meter sogar im Laufen überwinden.
 

„Ich muss mich für sein Verhalten entschuldigen… Er war schon immer so ein Sturkopf!“

Eren nahm mit einer simplen Handbewegung ihre Worte entgegen, bevor er diese wieder fest um den Griff seines Dominators schloss. Wenigstens die Waffe konnte ihm ein wenig die Sicherheit zurückgeben, von der er sich geraubt fühlte. Während seiner Ausbildung hatte man ihm ergiebig darüber geschult, was diese Enforcer für Menschen waren, und die Erklärung seines Vorgesetzten machten es nicht wirklich leichter, mit diesen Leuten so etwas wie Mitgefühl oder Sympathie zu empfinden. Obgleich sie nicht aussahen, als hätten sie eine größere Straftat begangen, die dazu führte, dass ihr Crime Coefficient über die Norm hinaus anstieg. Petra wirkte wie eine ganz normale Frau, während Jean den Eindruck eines fast jugendlichen Mannes erweckte… Der Einzige, der vom Äußeren her in das Schema eines Enforcers passte, war Marco Bodt selbst.

Nachdenklich zog Eren die Brauen zusammen, während er und seine Begleiterin mit schnellen Schritten den Blondhaarigen einholten, der ihnen weiterhin unbekümmert den Rücken zudrehte. Eren wusste, dass er sich von Äußerlichkeiten nicht beeinflussen lassen durfte, doch diese unendlich freundliche Art, die Petra ausstrahlte, ließ ihn an seinen eigenen Gedanken zweifeln. Mit einem seichten Kopfschütteln brachte er sich selbst dazu, von seinen Überlegungen abzulassen, die ihn ohnehin in keine Richtung führen würden. Doch auch wenn er aktiv aufhörte seine Gedanken über dieses Thema kreisen zu lassen, arbeitete es in ihm weiter und lenkte von der Angst ab, die sich in seinen Gliedmaßen zusammen zog.
 

Es dauerte eine ganze Weile bis sie den Eingang zum Inneren des Gebäudekomplexes fanden. Unzählige kleine, verwinkelte Gassen, die hell erleuchtet waren von rostigen Glühbirnen, flackernden Neonröhren oder anrüchigen, grell leuchtenden Reklametafeln, ließen die herunter gekommene Gegend, durch welche sie sich vorsichtig und lauernd bewegten, wie eine Kleinstadt für sich wirken. Eine Stadt, die auf engstem Raume zusammen gepfercht war, doch keiner der Leute, die sie hier antrafen, schien sich für ihre Anwesenheit zu interessieren, obwohl Eren als Einziger unmissverständlich zu erkennen war.

Mit jedem Meter, den sie zurücklegten, stieg die Anspannung in ihm. Mehr und mehr verlor er das Zeitgefühl um sich herum. Eren konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, wann sie ausgemacht hatten sich zumindest räumlich ein wenig voneinander zu trennen, um das Suchfeld zu erweitern. Jean war auf der Karte, die er mittels des Wristcoms öffnen konnte, nur wenige Nebenstraßen von ihnen entfernt und hielt sich in etwa auf gleicher Höhe mit ihnen.

„Für deinen ersten Arbeitstag wirkst du aber ziemlich entspannt.“ Petra, die ihn bis zu diesem Zeitpunkt mit eher unwichtigen Fragen gelöchert hatte, grinste ihn breit an und ließ sich auch von Erens verwirrtem Blick nicht beirren.

Tatsächlich brauchte er eine Sekunde, um abzuwägen wie er auf diese Frage reagieren sollte. Es war ihm sein Glück, dass die Enforcerin nicht wissen konnte, wie panisch schnell das Herz ihm in der Brust schlug oder den feinen Schweiß gemerkte, der sich bereits auf seinen Handflächen gebildet hatte. Wenn er ehrlich war, wusste er nicht einmal genau was überhaupt zu tun war. Dem älteren Inspector hatte seine Bitte nach einem Plan oder wenigstens einem detaillierterem Briefing egal gewesen. Ohne viele Worte fallen zu lassen, waren ihm ein paar Anweisungen zugeteilt worden und kurz darauf hatte Marco sich auch mit dem hünenhaften Enforcer von der Gruppe entfernt.
 

Vor einer stählernen Schiebetür, wie sie für Lagerhäuser eingesetzt wurden, versammelten sich die Drei wieder und gingen auf Position. Bisher war ihnen nichts vor die Füße gelaufen, das einen Anschein auf kriminelle Aktivitäten geliefert hätte. Da die anderen Beiden aus ihrem Team den restlichen Teil des Komplexes untersuchten, blieb ihnen dieses Lager als letzte Möglichkeit den Täter endlich aufzuspüren. Eren konnte spüren, wie ihm mittlerweile der Schweiß selbst auf der Stirn stand. Der Gedanke, dass eine Geisel noch bei diesem Mann war, bereitete ihn am meisten Sorge. Was war, wenn sie die Frau nicht rechtzeitig retten konnten?

„Überlass die Arbeit uns. Ein Inspector ist ohnehin nur dazu da, auf unsere Vorgehensweise ein wachsames Auge zu werfen“, sagte die Rothaarige, als hatte sie die ganze Zeit seine Gedanken mitlesen können, und zwinkerte ihm dabei aufmunternd zu. Eren verwunderte es nicht, dass Jean bei dieser Aussage nur mit der Zunge schnalzte. Der Enforcer musste sich allerhand Mühe geben, um seinen Kommentar darauf laut auszusprechen. Doch jetzt eine Diskussion anzufangen, hielt Eren in diesem Augenblick für vollkommen unangebracht.

„Und, Herr Inspector? Wie möchten Sie nun vorgehen?“, murrte der Größere, dessen sarkastischer Unterton unüberhörbar war.

„Ich würde sagen, ihr Beide geht voran und ich werde euch den Rücken decken“, antwortete Eren nach einiger Überlegung und gab sich die größte Mühe so autoritär wie nur möglich dabei zu klingen. Allerdings rollte Jean lediglich mit den Augen.

„Was für eine weise Entscheidung“, seufzte der Enforcer leise und riss mit einer ausladenden Bewegung die angerostete Tür zur Seite, die mit lautem Quietschen die Stille ihrer Umgebung durchbrach. Eren fuhr bei diesem Geräusch zusammen, sammelte sich jedoch wieder, als die Beiden voran gingen.
 

Das Innere des Lagers lag in vollkommener Dunkelheit. Gezwungenermaßen mussten sie die Stabtaschenlampen einschalten, die sie für solche Fälle dabei hatten. Eren hatte seine vorher von Marco erhalten, der ihm diese mit den Worten „Die wirst du noch brauchen“ überreicht hatte – Als hätte er geahnt, dass sie auf diesen Ort stoßen würden.

Während er die Lichtkegel ihrer Taschenlampen umher glitten, bekamen sie einen ungefähren Eindruck über ihre Umgebung. Das Lager schien seit etlichen Jahren nicht mehr benutzt worden zu sein. Von den deckenhohen Stahlregalen waren die meisten leer oder nur mit verrotteten Kartons oder anderen, eher undefinierbaren Teilen zugestellt. Schmutz benetzte den Boden wie ein endloser Teppich, während überall Metallteile, Unrat oder Rohre durcheinander lagen. Die Stille, die sich zwischen ihnen ausbreite, wurde mit jeder Minute angespannter. Es klang nicht danach, als würde sich hier jemand verstecken. Auch das Interface seines Dominators zeigte ihm keine Veränderung des Stresslevels in ihrer Nähe. Trotzdem hatte Eren das ungute Gefühl, dass sich hier etwas verbarg. Doch wo?
 

„Hier Shepherd One, wir haben den Bastard gefunden und ausgeschaltet.“

Es war Marcos Stimme, die über den Funk direkt in sein Ohr schallte und dennoch kein Gehör fand. Vollkommen erstarrt, war es für Eren eine Unmöglichkeit die Augen von der Wand abwenden, obwohl die Übelkeit bereits seine Speiseröhre empor kletterte. Der Schein seiner Taschenlampe zuckte mit dem Zittern seiner Hand hin und her, tauchte die Szenerie vor seinen Augen in die Kakofonie des Horrors. Mit den fünf Litern Blut, die ein menschlicher Körper besitzen konnte, war auf dem schwarzen Stahl der vier Meter hohen Wand eine Frage geschrieben, die ihm mit einem eiskalten Schauer das nackte Grauen über die Schulter laufen ließ: Warum verdunkelt er sich nicht?
 

Nur langsam hob Eren seine Hand zum Ohr und betätigte die Sprachaktivierung seines Headsets: „Wir haben die Überreste der Geisel scheinbar gefunden und-“

Grob wurde seine Hand von seinem Kopf weggerissen, was dazu führte, dass Eren sich endlich aus seiner Starre lösen konnte. Hastig versuchte er sich aus Jeans Griff zu befreien, doch der Enforcer hielt ihn eisern fest.

„Marco darf unter keinen Umständen hier hinkommen!“, grollte der Blondhaarige. Erst als Eren keinen Widerstand mehr zeigte, wurde er losgelassen.

„Und warum nicht?“, fragte er lauthals, entfernte sich dabei ein paar Schritte rückwärts, um nicht zu seinem Untergeordneten hinauf schauen zu müssen.

„Und was?“, ertönte wieder die Stimme in seinem Ohr, welche auch die anderen gehört haben mussten, denn Jean wirkte mit einmal wesentlich nervöser.

„Du beorderst jetzt die Untersuchungsdrohnen und sagst dem Senior Inspector, er solle beim Transporter auf uns warten, während wir uns um die lästige Spurensicherung kümmern! Hast du verstanden?“ Jean betonte fast jedes einzelne Wort, um endlich bei Eren auf Anklang zu treffen, doch dieser schüttelte bloß völlig verstört mit dem Kopf.

„Seit wann nimmt ein Inspector Befehle von einem niederen Jagdhund, wie dir, entgegen?“

„Das reicht, Jungs!“, rief Petra dazwischen und versuchte die Beiden auseinander zu bringen. Jean kam ihr allerdings zuvor und packte den Kleineren mit voller Wucht am Kragen, sodass man das Knacken der Nähte nicht überhören konnte. Mit dem Versuch sich zu befreien, stieß Eren einen erschrockenen Laut aus, und verlor beinah den Boden unter seinen Füßen, als der Enforcer ihn zu sich zog.

„Du scheinst es wohl nicht begriffen zu haben. Wenn Marco das hier“, dabei zeigte die Hand seines freien Armes mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die Wand, dessen plakativer Ausruf mit einer grausigen Fratze beinah höhnisch auf sie hinab zu grinsen schien, „zu Gesicht bekommt, würden die Ausmaße dessen weitaus deine eigenen Vorstellungen übersteigen, Kleiner!“

Eren konnte nur mit Mühe den Kloß hinunter schlucken, der sich bei Jeans todernstem Tonfall in seiner Kehle gebildet hatte. So langsam begann er zu verstehen, dass hierbei nicht mit seiner Autorität gespielt wurde.

„Shepherd Two? Gibt es Probleme?“

„Glaubst du, er kämpft immer noch damit, Jean?“, fragte Petra besorgt, als der Enforcer sich wieder langsam von seinem Vorgesetzen löste und diesen mit einem Stoß unsanft von sich wegschubste.

„Natürlich tut er das“, erfolgte wie aus der Pistole geschossen die Antwort des Angesprochenen, der sich entnervt mit beiden Händen durch die kurzen Haare fuhr.

„Und womit?“, schaltete sich der Braunhaarige wieder mit ein, der verwirrt den Augenkontakt zu seinen Teampartnern suchte. Er hasste das Gefühl, wenn die Leute um ihn herum mehr wussten, als er selbst.

„Hound One?“
 

Mit einer regelrecht blitzschnellen Bewegung langte Jean nach seinem Headset: „Hier Hound One, wir hatten Schwierigkeiten die Untersuchungsdrohnen hierhin zu bestellen. Anscheinend stören die Stahlwände unser Signal.“

Eren konnte nicht sagen, ob er angewidert oder fasziniert von dieser unverschämten Eleganz war, mit welcher Jean seinen Vorgesetzten anlog, ohne dabei auch nur den Hauch eines Schuldgefühls auszustrahlen. Natürlich, wie sollte er auch das Bewusstsein für jegliche Formen der Justiz besitzen. So fühlte es sich also an, wenn man mit Kriminellen arbeitete. Unweigerlich musste er sich daran erinnern, was der Senior Inspector vor weniger als zwei Stunden ihm über diese Leute erzählt hatte: Er durfte ihnen nicht trauen. Doch der Blondhaarige strahlte etwas aus, das ihn spüren ließ, sich in diese Sache lieber nicht mit einzumischen oder es gar zu hinterfragen. Ohne es zu wollen, festigte sich sein Griff um den Dominator ein wenig – Als könnte dieser ihm ein klein wenig Sicherheit schenken. Eigentlich war es seine Aufgabe seinen nächst höher gestellten über das Verhalten der Enforcer zu informieren oder selbst direkt einzuschreiten, wenn es keine andere Lösung gab; so hatte er es zumindest während seiner Ausbildung gelernt, doch Eren spürte, dass er in diesem Augenblick keine Macht ausüben konnte. Völlig ergeben, wandte er sich selbst an sein Headset.

„Hier Shepherd Two, wir haben die Situation unter Kontrolle. Wir werden noch die nötigen Informationen vom Tatort sammeln. In der Zeit könnt ihr beim Transporter warten. Wir werden nachkommen, sobald wir hier fertig sind“, meldete sich Eren und hoffte die Ungeduld stillen zu können, die sie zuvor in Marcos Stimme hören konnten.

„Gut, aber beeilt euch. Shepherd One out.“

Die beiden Enforcer gaben gleichzeitig eine Geste der Erleichterung von sich, während Eren nicht glauben konnte, in was für eine Intrige er sich an seinem ersten Arbeitstag hatte hineinziehen lassen. Innerlich hoffte er darauf, so souverän wie möglich zwischen all dem Gestotter geklungen zu haben. Vielleicht tat sein Vorgesetzter sein Verhalten als simple Nervosität ab, die man an seinem ersten Arbeitstag hatte.

„Warum mache ich das eigentlich?“, murmelte Eren leise zu sich selbst, während er die monströse Szenerie betrachtete. Die aufgeschnittene, wie ein Tier auf einer Schlachtbank ausgeblutete Leiche befand sich nur wenige Meter von ihren Füßen entfernt. Der Braunhaarige versuchte seinen Atem zu beruhigen und sich nicht von der Übelkeit einnehmen zu lassen, die sich bei dem Anblick in seinem gesamten Körper ausbreitete.
 

Während sie darauf warteten, dass die Untersuchungsdrohnen mit mechanischer Präzision ihre Arbeit erledigten und die nötigen Spuren sammelten, herrschte zwischen den Anwesenden eiserne Stille.

„Glaubst du, er hat es geschluckt, Jean?“, fragte Petra aus dem Nichts heraus, unbekümmert dessen, dass sie umgeben waren von dem Gestank nach Verwesung und Blut.

„Wir können nur darauf hoffen.“

Schweigsam lauschte Eren, der im respektablen Abstand an einer Wand sich hingesetzt hatte, um seinen zittrigen Beinen ein wenig Ruhe zu gönnen, dem Gespräch der beiden Enforcer. Sie wirkten fast wie zwei Störche die im seichten Wasser nach Nahrung forschten, während sie zwischen den Drohnen auf und ab gingen und scheinbar deren Arbeitsvorgänge kontrollierten.

„Es ist unglaublich, dass er uns nach wie vor so vertraut… In letzter Zeit wurde sein Kontrollzwang schon ein wenig penetrant“, ließ die Enforcerin beiläufig fallen, hockte sich dabei neben den toten Körper der verstümmelten Frau und begutachtete diese mit regelrecht kindlicher Neugierde.

„Marco vertraut niemandem. Er geht nur seiner Arbeit nach“, korrigierte Jean sie tadelnd und blies den blauen Dunst seiner Zigarette, der im Halbdunkeln der Industriehalle kaum zu erkennen war, in die Luft. Die Frau seufzte schwer, stützte ihr Kinn dabei in die Hände. Eren versuchte sich noch immer ein Bild davon zu machen, wer der Senior Inspector überhaupt war. Wenn er niemandem vertraut, so wie die Beiden es eben sagten, warum war er dann hier nicht aufgetaucht? Das ergab alles keinen Sinn…

„Warum… Ist er dann nicht hier?“, sprach Eren laut seine Gedanken aus, „Hat dieser… Fund… irgendetwas mit Marco zu tun?“

„Es gibt Dinge, die fragt man nicht!“, schrie die Frau ihn an und sprang dabei auf. Einen solchen Gefühlsausbruch hatte er am ehesten von Jean erwartet, der jedoch lediglich mit einer beschwichtigenden Geste versuchte die Enforcerin zu beruhigen, welche mit geballten Händen und zitterndem Körper da stand. Ohne den Blick von ihr zu nehmen, rappelte sich Eren wieder auf und richtete fahrig die leicht verrutschte Krawatte. Er wollte etwas sagen, doch der Blondhaarige ließ ihn nicht einmal zu Wort kommen.

„Sie hat Recht, Eren – Das hier ist kein Ort für Diskussionen… Außerdem solltest du vorsichtiger mit deiner Neugierde sein.“

Mit langsamen Schritten näherte er sich wieder den Beiden. Nachdem er die Leiche aus einiger Entfernung die ganze Zeit über beobachtet hatte, glaubte er nun, den Anblick auch aus der Nähe besser ertragen zu können.

„Deshalb hasse ich Inspektoren…!“, zischte die Rothaarige zwischen ihren zusammen gepressten Zähnen hervor. Eren blieb wie angewurzelt stehen, als der Enforcer an ihrer Seite mit flacher Hand über ihre Wange schlug. Der Schlag hallte noch danach von den Wänden wieder.

„Pass gefälligst auf was du sagst, Petra!“, herrschte Jean sie mit geballter Stimme an. Der Ausdruck der schieren Wut auf seinem Gesicht, wollte so gar nicht zu dem Status passen, den er in dieser Gruppe hatte. Schniefend rieb Petra sich die brennende Haut, wandte sich dabei von dem Größeren ab, der noch immer mit erhobener Hand dastand – Dazu bereit, zu einem zweiten Schlag ausholen zu können, wenn dieser von Nöten sein würde. Für einen Augenblick fragte sich Eren, wer von ihnen beiden hier der anwesende Inspector war…

„Nur weil du selbst einer gewesen bist, denkst du, du kannst machen was du willst“, sagte die Enforcerin so leise, sodass Eren nur die Hälfte verstehen konnte.

„Wenigstens habe ich keine Menschen mutwillig umgebracht…“, konterte Jean und ließ seine Hand wieder sinken, bevor sein Blick zu Eren glitt, der versuchte die Situation zu verstehen. Hatte er das richtig gehört? Jean war ein Inspector gewesen? „Ich denke, wir sind hier fertig“, fügte dieser noch bemerkend hinzu und deutete auf die Drohnen, die stillstehend auf den nächsten Befehl warteten. Nickend gab Eren zu verstehen, dass es Zeit war zu den anderen zurückzukehren.
 

Als sie den Gebäudekomplex verließen und hinaus in die Dämmerung, die endlich angebrochen war, preschte der Regen nach wie vor unermüdlich vom Himmel auf sie herab, doch Eren sah keinen Sinn jetzt noch die Kapuze über seine ohnehin nassen Haare zu ziehen. Auf der einen oder anderen Weise fühlten sich die kühlen Tropfen, die auf seine Kopfhaut trommelten, brachten eine gewisse Wohltat in seinen Körper, der sich geschwunden und ausgelaugt anfühlte. Noch immer wurde er in Gedanken von diesem Anblick verfolgt, der ihn wohl auch in den nächsten Tagen nicht loslassen würde. Im Halbdunkeln zuckten noch immer die Lichter der Sicherheitsdrohnen umher, die versuchten die Menschenmasse zurück zu drängen. Eren konnte mittlerweile nicht mehr sagen, ob diese, seit sie losgegangen waren, größer oder kleiner geworden war – Aber wenn er ehrlich war, interessierte er sich nicht mehr dafür. In seinem Kopf drehten sich die Fragen, die ihm keiner beantworten konnte oder vielmehr, die ihm keiner beantworten wollte.

Schon von weitem wurde ihre Ankunft von dem strengen Blick des Senior Inspectors begleitet, der eine Hand tief in seiner Manteltasche vergraben hielt.

„Was macht er da?“, flüsterte Eren zu sich selbst und musste schlucken, als das Bild klarer wurde, je näher sie dem Zelt kamen. Neben Marco hockte der große Mann, der mit ihm gegangen war, und schien es sichtlich zu genießen wie sein Haar von dem Inspector gekrault wurde.

Jagdhunde… Das war das Erste, was dem Braunhaarigen dazu in den Sinn kam… Sein größter Wunsch war dieser Beruf gewesen, doch mittlerweile fragte er sich ernsthaft, in was er überhaupt hinein geraten war.

„Hat er sich während der Jagd gut benommen?“, fragte Jean, der seinen zynischen Unterton nicht einmal versuchte zu verbergen. Marcos Augen verengten sich und wollten so gar nicht zu seinem Lächeln passen, das seine Zähne entblößte. Demonstrativ strich er durch die Haare des Enforcers, von welchem er kurz darauf abließ und die drei Ankömmlinge zum Carrier begleitete. Während Jean und Petra ihre Dominators zurück in die Halterung legten und aus dem System ausgeloggt wurden, tauschten sie einander einen unauffälligen Blick aus, der vor Eren jedoch nicht verborgen blieb.

„Ich erwarte in deinem Bericht eine ausführliche Erklärung über dein Verhalten, Eren.“

Dadurch, dass der Senior Inspector ihn so unerwartet von der Seite ansprach, ließ Eren vor Schreck beinah seine Waffe fallen. Allerdings fasste er sich wieder schnell und verstaute auch seinen Dominator in dem Carrier, der daraufhin mit einem mechanischen Zischen sich wieder schloss.

Jean warf ihm dabei einen Blick zu, dessen Warnung unmissverständlich war: Er sollte bloß nichts darüber verraten, was sie entdeckt hatten.



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