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Lost Future - Dark Paradise?

Same as it never was...
von

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Disclose a secret!

Ein paar Tage später…
 

Unter anderen Umständen hätte sich Raphael über das Wiedersehen mit seiner Familie wirklich sehr gefreut. Doch dieser Ort und diese Zeit könnten für ihn kaum unpassender sein. Warum konnten sie nicht dableiben, wo sie die ganzen Jahre über gewesen sind? Warum mussten sie unbedingt jetzt wieder nach Hause kommen? Ihre Blicke taten so weh, als sie festgestellt haben, dass ihr temperamentvoller Bruder und Sohn nun der neue Shredder ist. Klar hätte er ihnen das Ganze erklären können, aber wozu? Sie hätten es doch nicht verstanden. Wenigstens sind sie jetzt alle wieder zusammen, den Rest wird die Zeit sicher irgendwann richten… Immerhin wissen sie jetzt auch, dass Michael wirklich Mikey ist, auch wenn Donnie sich nicht erklären kann, warum sein kleiner Bruder noch immer so jung ist. Diese verfluchte Strahlenkanone! Unzählige Tests haben nichts ergeben. Ein Umstand, den alle erst einmal noch hinnehmen müssen, bis sich eine Lösung findet. Und so lange verheimlichen sie Mikey auch seine wahre Identität. Immerhin etwas, indem sich die ganze Hamato-Familie mal einig ist.
 

Nachdenklich stapft Raph in seinem Zimmer auf und ab. Es macht ihn wirklich ziemlich fertig, seiner Familie wieder gegenüber zu stehen. Ihre Blicke sind so feindselig, als wäre er allein an dem Krieg schuld, nur, weil er jetzt den Platz des Tyrannen eingenommen hat. Leo ist dabei der Schlimmste. Zwischen den beiden war die Luft ohnehin schon immer ziemlich dick, aber jetzt wirkt sie wie eine undurchdringliche Wand und das bringt Raphael schier um den Verstand. Er weiß nicht, wie er seinen ehemaligen Leader einschätzen soll. Dafür kann er sich nun lebhaft vorstellen, wie sich Shredder beim Anblick des Schwertkämpfers immer gefühlt haben muss, hat Saki Leos Kampfkunst doch innerlich stets bewundert. Nicht zum ersten Mal wünscht sich der Saikämpfer, er könnte die Uhr zurückdrehen und den Krieg ungeschehen machen. Oder wenigstens Mikey´s Auftauchen verhindern. Doch wäre das wirklich das, was er wollen würde? Er hat sich niemanden so sehr gewünscht wie seinen Babybruder und doch ist er nicht wirklich hier, selbst wenn er neben ihm steht. Alles ist so falsch. Warum musste das alles nur passieren, warum?
 

Wütend schlägt Raph mit der Faust gegen die Wand und knurrt. „Meister, ist alles in Ordnung?“, fragt plötzlich eine verhaltene Stimme hinter ihm. Überrascht dreht sich der Rothaarige um und sieht Michael in der Tür stehen. Die Gesichtszüge des Älteren entspannen sich langsam, wirken nun eher traurig. „Alles bestens. Ich komme nur einfach noch nicht damit klar, dass meine Familie wieder hier ist und dennoch einer von ihnen fehlt…“ Deprimiert setzt sich Raph auf das Fußende des Bettes und lässt den Kopf hängen. Mit ein paar schnellen Schritten steht Michael vor ihm. Mitfühlend streicht der Blonde ihm durch die wirren Haare. „Ich bin sicher, früher oder später taucht er auch noch auf.“ Ohne jede Vorwarnung zieht Raph den Jungen näher zu sich heran und schlingt die Arme um seine Hüften. Den Kopf drückt er gegen dessen flachen Bauch. „Mikey fehlt mir so sehr. Es ist nicht fair, dass die anderen hier sind und er nicht…“, seine Stimme droht zu brechen und er schluckt hart. Etwas überrumpelt lässt der Nunchakuträger die hilflose Umarmung seines Meisters geschehen und streicht ihm weiterhin beruhigend durchs Haar.
 

Unbemerkt von den beiden, hat Leonardo Raph´s Worte mit angehört. Eigentlich wollte er ein ernstes Gespräch mit dem Rothaarigen führen, wie er sich das hier in Zukunft so alles vorstellt und dergleichen. Doch als er am Zimmer seines ewigen Rivalen angekommen war, stand die Tür einen Spalt offen und er kann nun beobachten, wie Raph und Michael reden. Kurz kommt Leo der Gedanke, einfach reinzugehen und zu tun, was er eigentlich vorhatte. Aber irgendetwas hindert ihn daran, etwas, das ihm zu sagen versucht, dass es wichtiger wäre, die beiden zu beobachten und erst dann eine Entscheidung zu fällen, auch wenn es ihn ganz krank macht zu sehen, wie Mikey mit Raphael so unterwürfig spricht. „Das kann ich gut verstehen, Meister. Doch Sie sollten sich an dem erfreuen, was Sie schon haben, dann ist es viel leichter zu akzeptieren.“ Der Junge schenkt ihm ein sanftes Lächeln. Ihre Blicke treffen sich, doch Raph unterbricht die Umarmung nicht. „Vielleicht hast du Recht, denn immerhin hab ich ja noch dich.“, halbwegs bringt der Einäugige ein Lächeln zu Stande. „Das ist die richtige Einstellung und so werden Sie es auch schaffen!“
 

Sie grinsen einander frech an. „Schluss jetzt mit all den Höflichkeiten, Junge. Das deprimiert einen ja noch mehr.“ „Ok, aber vielleicht hilft ja eine kleine Aufmunterung…“, entgegnet der Blonde und verführt Raphael zu einem innigen Kuss, auf den dieser auch sogleich hungrig eingeht. Leo traut seinen Augen kaum. ‚Das kann doch nicht wahr sein…‘, geht es ihm durch den Kopf. Die Erinnerung an längst vergangene Tage kommt wieder in ihm hoch. Damals, bevor der Krieg begonnen hat und sie noch ein halbwegs friedliches Leben geführt haben, hatte Raph eine nahezu ungesunde Fixierung auf seinen kleinen Bruder Mikey. Des Nachts schlich er sich gern in das Zimmer des schlafenden Jungen und versuchte ihm dort auf eine Weise nahe zu kommen, die für Brüder eigentlich tabu ist. Das Schlimmste daran war aber, dass Mikey dabei stets geschlafen und nichts mitbekommen hat. Raph versuchte seine widerlichen Fantasien und Gelüste an ihm auszulassen und hielt das Ganze wahrscheinlich auch noch für so etwas wie Liebe. Mehr als einmal hat Leo ihn dabei erwischt und versucht es zu verhindern.
 

Doch nun, da Mikey sein Gedächtnis verloren hat, fehlt dem Blonden der Bezug zu dem Mann, den er wie selbstverständlich küsst. Leonardo hat zwar schon immer geahnt, dass sich Raph seine Vereitelungen nicht ewig gefallen lässt, doch das er mal so weit gehen würde, hätte er nie gedacht. Er nutzt die Notlage des Nunchakuträgers schamlos aus. Wer weiß, was er dem armen Jungen so alles erzählt hat und was er schon alles mit ihm angestellt hat? Dem Leader wird bei diesem Gedanken ganz flau im Magen. Alte Selbstzweifel überkommen ihn wie ein bitterkalter Schneesturm. Hätte er so etwas verhindern können, wenn er schon damals alles Splinter erzählt hätte, anstatt sich von Raphael drohen und einschüchtern zu lassen? Wäre es so weit gekommen, wenn sie den Kampf gegen Shredder gewonnen und wieder ein normales Leben hätten führen können? Was wäre, wenn sie früher hier aufgetaucht wären, hätte dies etwas geändert? Immerhin ist Mikey erst seit gut eineinhalb Jahren hier. Wären sie vor ihm hier angekommen, hätten sie das alles verhindern können und Mikey hätte vielleicht sogar schon längst sein Gedächtnis wiedererlangt.
 

Seine Gedanken überschlagen sich. Was soll er nur tun? So nahe wie sich die beiden schon sind, wäre es vollkommen sinnlos, das Ganze zu unterbinden. Doch was ist, wenn Mikey irgendwann doch seine Erinnerung wiederfindet? Donnie ist der festen Ansicht, dass dies früher oder später der Fall sein wird. Erst recht jetzt, wo er mit seiner Familie vereint ist, wird sich irgendwann etwas in seinem Hirn regen und alles zurückbringen. Doch das, was er hier inzwischen erlebt hat, wird auch noch da sein. Also wird Mikey wissen, was er und Raph alles getan haben und das ist absolut nicht gut. So oder so wird es ein unbegreiflicher Schock für Mikey sein, wenn dieser Tag kommt. Dennoch kann Leo das Ganze nicht so stehen lassen. Er muss wenigstens Donnie und Splinter reinen Wein einschenken und erst recht mit Raphael reden, um Mikey irgendwie zu schützen, sofern dies noch möglich ist. Ein Stechen zieht durch sein künstliches Herz und erinnert ihn schmerzlich daran, Ruhe zu bewahren. Doch wie soll er das machen? Immerhin stehen die Unschuld und das Seelenheil seines kleinen Bruders auf dem Spiel!
 

Krampfhaft versucht er sich zusammenzureißen und seinen Kopf von all diesem Unheil zu lüften. Ein paar Momente später lässt das Stechen nach und er riskiert einen weiteren Blick in das Zimmer. Was er dort sieht, jagt eine noch viel heftigere Schmerzwelle durch seine Brust. Michael und Raph sind längst über das Küssen hinaus. Sie liegen gemeinsam auf dem Bett, mit kaum mehr bekleidet, als mit ihrer Unterwäsche und auch die ist gerade in Begriff zu verschwinden. Die Erregung steht ihnen förmlich ins Gesicht geschrieben. Alles wirkt so vertraut zwischen ihnen. Keine Frage, ob dies ihr erstes Mal miteinander ist. Nein, das kann sich Leonardo nun wirklich nicht länger mit ansehen. Er hat schon weit mehr gesehen, als er jemals wollte. Angewidert schließt er vorsichtig die Tür, ein sinnliches Stöhnen dringt dabei an sein Ohr, dann wendet er sich rasch ab. Der Weg zurück in das Zimmer, das er sich mit Donnie und Splinter teilt, kommt ihm unendlich lang vor. Sein ganzer Kopf ist ausgefüllt mit dem, was er gerade gesehen hat und dem, was er sich vorstellen kann. Zum ersten Mal, seit sein Herz damals den Geist aufgegeben hat, wünscht er sich, einfach einzuschlafen und nie wieder aufzuwachen, damit er nicht miterleben muss, was als nächstes passiert…
 

Als er an seinem Zimmer ankommt, hält Leo noch einmal inne. Seine Hand verweilt verkrampft auf der Klinke. Seine Gedanken überschlagen sich ein weiteres Mal. Wie soll er das nur Donnie und Splinter beibringen? Da, wieder ein Stechen in seiner Brust. Diesmal so heftig, dass er sich die Hand auf das Glas presst, das sein neues Herz umgibt. Krampfhaft versucht er einzuatmen, doch so recht will es ihm nicht gelingen. Vor seinen Augen tanzen bunte Punkte und er kann schon die schemenhaften Hände einer nahenden Ohnmacht spüren, als sich auf einmal die Klinke unter seiner Hand bewegt. Kurz darauf geht die Tür auf und Donatello stößt fast mit ihm zusammen. „Gott, Leo! Alles in Ordnung?“ Erschrocken legt er einen Arm um den Älteren und führt ihn in das Zimmer hinein. Vorsichtig hilft er ihm, sich aufs Bett zu setzen. „Ja, es geht schon wieder…“, presst der Leader etwas atemlos hervor. „Vermutlich haben sich wieder ein paar Kabel verheddert. Was hast du denn gemacht? Ich dachte, du wolltest mit Raph reden…“ Routinemäßig will sich der Stabträger den möglichen Schaden ansehen, doch Leo winkt ab.
 

„Ist schon gut, Donnie. Diesmal ist es etwas Anderes.“ Skeptisch hebt der Brünette eine Augenbraue. „Was ist los, Leo?“ Der einst stolze Anführer der Turtles blickt seinen Bruder und seinen Meister eine ganze Weile lang an. Stumm ringt er nach den richtigen Worten. Schließlich bricht er sein Schweigen und erzählt den beiden, was er gerade beobachtet hat. Unglauben schlägt sich in den Gesichtern der Männer nieder. „Äh, Leo, bist du sicher, dass es das war, was du gesehen hast? Ich meine, das klingt schon ziemlich schräg…“, erwidert der Tüftler schließlich. Ruppig springt der Schwertkämpfer vom Bett auf. „Denkt ihr etwa, ich würde mir so etwas auch noch ausdenken? Es war schon schlimm genug, es mit ansehen zu müssen. Herr Gott nochmal, die beiden treiben es da unten wie die Karnickel! Und ihr denkt, ich wäre nicht mehr ganz richtig im Kopf, oder was?“ Beruhigend legt Splinter seinem Schüler eine Hand auf die Schulter, spürt dort das aufgebrachte Zittern. „Ganz ruhig, Leonardo. Niemand denkt, dass du verrückt bist. Es klingt nur merkwürdig. Immerhin weiß Raphael doch von Anfang an, wer dort vor ihm steht, warum sollte er so etwas Unverantwortliches dann tun?“
 

Langsam setzt sich Leo wieder hin. „Na – na, weil er es früher schon versucht hat…“ Splinter und Donnie wechseln einen verwirrten Blick. „Wie meinst du das?“ Ja, nun ist es an der Zeit, all das zu erzählen, was Leo die ganzen Jahre für sich behalten hat. Wohlüberlegt wählt er seine Worte aus und versucht sich an jedes noch so unwichtige Detail von damals zu erinnern. Es stürzt auf ihn nieder wie eine Welle aus Wasser und er fühlt sich darin so hilflos, als würde er jeden Moment ertrinken. Doch er kämpft sich weiter vor, berichtet von all jenen unschönen Dingen, die er gesehen und versucht hat zu verhindern. Berichtet von seinen Ängsten, Zweifeln und Sorgen. Als er schließlich fertig ist, herrscht eine ganze Weile Stille. Donnie und Splinter wechseln stumm einen Blick nach dem anderen. Leo weiß nicht, wie er sie deuten soll, also lässt er den beiden Zeit und hängt seinen eigenen Gedanken nach. Dann erhebt Splinter die Stimme. „Wir zweifeln nicht an deinen Worten, mein Sohn. – Und wenn ich ehrlich sein soll, hab ich mir damals dahingehend auch schon so meine Gedanken gemacht. Manches an Raphaels Verhalten Michelangelo gegenüber kam mir schon seltsam vor und auch die weit ausgeprägtere Feindseligkeit, die ihr beiden so manchen Morgen an den Tag gelegt habt, hat mich nachdenklich gemacht. Und nun weiß ich auch, warum…“
 

„Man, das Raph so weit gehen würde, nur um sein Ziel zu erreichen, ist schon heftig. Nach all den vielen Jahren hätte man doch meinen können, dass dieser Drang in ihm verschwunden sein müsste. Immerhin gibt es hier genug andere Menschen, mit denen er sich vergnügen könnte, wenn es ihm nur darum geht. – Doch für mich klingt das eher so, als wären da zumindest jetzt tiefere Gefühle am Werk. Vielleicht nur auf Mikey´s Seite, da er ja nicht weiß, dass Raph sein Bruder ist, aber immerhin. Und Raph nutzt diese Tatsache einfach aus. Kein Wunder also, dass Mikey noch immer keine Erinnerung hat, denn sonst hätte Raph dieses Spielchen ja nicht mehr machen können…“ Donnies Worte hängen wie ein Schlag in der Luft. „Wir müssen das Ganze dringend beenden! Wenn Mikey sich wieder an alles erinnert, bricht seine Welt völlig zusammen und dann verlieren wir ihn vielleicht.“, entgegnet Leo schließlich. „Du hast Recht, mein Sohn. Wir sollten morgen dringend mit Raphael reden. Doch das Ganze muss erst mal unter uns bleiben. Wenn Michelangelo es mitbekommt, wird es tragisch enden…“ „Das sehe ich auch so. Wenn Mikey mitbekommt, wer er wirklich ist und dass alles so plötzlich auf ihn einschlägt, könnte das schwerwiegende Folgen für seinen Geisteszustand mit sich führen…“
 

Am nächsten Tag…
 

Der Tag beginnt ruhig und Raph hofft eigentlich, dass das so bleibt. Michael ist mit den Foot vor ein paar Stunden zu einer Mission aufgebrochen und wird so schnell auch nicht wieder da sein. Die Flüchtlinge gehen friedlich ihrer Arbeit nach und alles scheint in Ordnung. Seinen Ärger über die Ankunft seiner totgeglaubten Familie hat Raphael so gut es geht abgelegt. Immerhin kann er sich ja nicht bis in alle Ewigkeit darüber aufregen, schließlich hat er hier viel zu tun. So sitzt er gedankenverloren im Thronsaal und geht Chens Berichte der letzten Tage durch. Leider werden auch sie vom Auftauchen seiner Familie dominiert. Allerdings behandelt der Japaner das Thema weit professioneller. Er hat inzwischen zwar mitbekommen, dass es sich bei den drei Männern um den verschollenen Hamato-Clan handelt, dennoch beinhalten seine Berichte nur die Informationen, der er auch sonst zu jedem anderen abgeben würde, der hier ankommt. Der Rest ist vielleicht zwischen den Zeilen versteckt. Schließlich hat Raph lange Zeit versucht mit diesem Verlust klarzukommen und Chen war ihm dabei stets eine Stütze.
 

Dennoch ist dem Schwarzhaarigen nicht entgangen, dass sein Meister nun nicht wirklich Freude an diesem Wiedersehen hat. Er weiß zwar nicht, woran das liegt, will aber auch nicht nachfragen. Ihm ist aber auch nicht entgangen, dass die Hamatos scheinbar selbst nicht so begeistert sind, Raph wiederzusehen. Anfangs dachte Chen noch, dass diese Abneigung darauf beruht, dass Raphael nun den Platz ihres schlimmsten Feindes eingenommen hat, doch das ist mittlerweile abgeflaut. Dennoch ist dort etwas, dass alle vier zu beschäftigen scheint und es hat eindeutig nicht mit ihrer langen Trennung zu tun. Aber vielleicht damit, dass einer von ihnen immer noch fehlt? Von den Gedanken und Sorgen seines Untergebenen bekommt Raph zum Glück nicht allzu viel mit. Genervt reibt sich der Rothaarige das Auge und wirft die Berichte auf das kleine Tischchen neben sich. Seufzend zündet er sich eine Zigarette an, legt den Kopf in den Nacken und starrt mit leerem Blick an die Decke. Langsam klären sich seine Gedanken im bitteren Dunst des brennenden Tabaks. Raph wird sich noch eine Weile diesem Gefühl hingeben und sich dann weiter durch die Berichte quälen.
 

So ist zumindest sein Plan, doch der hat schon in diesem Moment ein Ende, als es nachdrücklich an der großen Tür zu klopfen beginnt. Genervt reibt sich Raph die Stirn. Eigentlich will er ja seine Ruhe haben, doch das Klopfen klingt nicht so, als würde sich derjenige so leicht abwimmeln lassen. „Ja!“, gibt der Saikämpfer verstimmt von sich. Kaum hat er das Wort ausgesprochen, springt auch schon die Tür auf und der unsägliche Rest seiner Familie betritt den Saal. Augenblicklich breitet sich in Raphaels Kopf eine Art Migräne aus und er würde sie alle am liebsten wieder wegschicken. Doch auf ihren Gesichtern liegt ein derart entschlossener Ausdruck, der dem sonst so toughen Saikämpfer deutlich zeigt, dass ihm das nicht gelingen wird. Verärgert drückt er seine Zigarette aus. „Was ist? Ich hab zu tun.“ Dies scheint die drei aber überhaupt nicht zu kümmern. Stattdessen postieren sie sich vor seinem Thron und mustern ihn mit ihren finsteren Blicken. Dabei überkommt Raphael das ungute Gefühl, dass er etwas angestellt hat, fast so wie damals zu ihrer Kinderzeit. Doch was könnten sie ihm schon vorwerfen? Immerhin ist er jetzt erwachsen und braucht sich von keinem von ihnen mehr etwas sagen lassen. Oh, wie sehr er sich da doch irrt.
 

„Ich hab dich und Michael gestern Abend beobachtet und was ich da gesehen hab, war mehr als falsch!“, beginnt Leo das Ganze. „Ach ja? Was soll ich dazu schon sagen? Außer vielleicht, dass es dich überhaupt nichts angeht, was ich mache und was nicht! Was fällt dir eigentlich ein, mir hinterher zu schnüffeln?“, aufgebracht erhebt sich der Rothaarige. Er kann sich nur zu gut vorstellen, worauf sie hinauswollen und das passt ihm gar nicht. „Erstens hab ich dir nicht hinterher geschnüffelt. Die Tür stand offen, von daher hätte die ganze Welt sehen können, was ihr dort treibt. Und zweitens, ist dir überhaupt schon mal in den Sinn gekommen, was du Mikey damit antust?“ Der Schwertkämpfer erntet nur ein abwertendes Schnauben von seinem Gegenüber. „Erstens Herr Super-schlauer-Anführer, heißt es noch lange nicht, dass du deine Nase in meine Angelegenheiten reinstecken darfst, selbst wenn ich sonst was direkt davor tuen würde. Und zweitens, ist es immer noch Michael, mit dem ich irgendwas mache, das ist ein großer Unterschied!“ Wütend funkeln sich die beiden Brüder an. Dabei stehen sie sich so dicht gegenüber, dass sich ihre Nasenspitzen schon fast berühren.
 

Leo setzt zu einer Antwort an, wobei Raph schon drohend die Fäuste ballt. Grob werden die beiden von Donnie auf Abstand gebracht. „Herr Gott nochmal, hört auf mit diesem Vorschulbenehmen! Es geht hier um Mikey und nicht um eure ewige Fehde!“ Die zwei Männer mustern den Tüftler einen Moment. Der eine stocksauer, der andere schuldbewusst. Schließlich tritt Leonardo ein paar Schritte zurück und übergibt Donnie das Wort. „Raph, ist dir eigentlich klar, was du Mikey damit antust? Hast du schon mal darüber nachgedacht, was passiert, wenn er sein Gedächtnis wiederfindet? Denkst du wirklich, er findet es schön, wenn ihm klar wird, was ihr zwei miteinander gemacht habt? Immerhin ist er…“ Grob schubst Raph seinen Bruder von sich weg. „ES IST MIR SCHEIßEGAL, OB ER MEIN BRUDER IST UND ES IST MIR AUCH EGAL, OB ER MIKEY ODER MICHAEL ODER SONST WER IST! ER GEHÖRT MIR, MIR GANZ ALLEIN UND IHR HABT NICHT DAS RECHT, MIR DAS WEGZUNEHMEN!“, brüllt er den Hamatos entgegen. Die ganze Situation droht zu eskalieren. All die Gefühle, die in den Beteiligten aufsteigen, haben längst jedes Maximum überschritten.
 

Alles, was Raphael noch sehen kann, ist rot. Er wusste von Anfang an, dass es ein Fehler war, sie hierzubehalten. Er wusste, dass dieses Thema sicher irgendwann zur Sprache kommen würde, doch er hätte nicht gedacht, dass dies so schnell der Fall sein würde. Nun schlägt alles auf ihn ein und er will nur noch, dass es aufhört und sie verschwinden und dazu ist ihm jedes Mittel recht. All die aufgestaute Wut, der Hass und das Entsetzen, das zwischen ihnen im Raum hängt, lässt die vier völlig den Blick auf ihre Umgebung verlieren. Keinem von ihnen ist bewusst, dass die Tür des Thronsaals sperrangelweit offensteht und jeder, der vorbeigeht sie hören könnte. Das Ganze wäre unter anderen Umständen wohl vollkommen irrelevant, da die Mission der Foot noch längst nicht beendet wäre. Man kann es vielleicht Zufall nennen oder Schicksal oder vielleicht so etwas wie Eingebung, doch ausgerechnet heute fällt die Mission überraschend kurz aus. Die Foot haben sich bereits im Trainingsraum eingefunden und werden gleich noch ein paar Übungen mit Chen durchgehen. Michael hat sich aber von seinen Leuten getrennt, um Raph mitzuteilen, dass sie wieder da sind.
 

Allerdings verfliegt seine gute Laune schlagartig, als er den Lärm auf dem Flur bemerkt. Mit offenem Mund steht er in der Tür zum Thronsaal und traut seinen Ohren kaum. Er hat zwar nicht alles von Anfang an gehört, doch bei weitem genug, um sich einen Reim darauf zu machen und zu verstehen, was hier die ganze Zeit falsch läuft. Als die vier nun kurz davor stehen sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen, hält der Junge es nicht mehr aus. „Du hast mich belogen…?“, kommt es von ihm. Kaum mehr als ein trauriges Wimmern. Dennoch schrecken die vier Männer augenblicklich zusammen und wenden sich ihm zu. Nun breitet sich auch auf ihren Gesichtern Entsetzen aus. Tränen rinnen dem blonden Jungen über die geröteten Wangen. „DU HAST MICH DIE GANZE ZEIT BELOGEN!“, schreit er es nun heraus. In dem großen Saal schallen seine Worte wie ein Vorschlaghammer auf einem Stahlklotz. Ehe einer von ihnen sich auch nur rühren kann, wendet sich Mikey um und rennt in das Halbdunkel des Flurs hinein. Weg von dem Mann, dem er die ganze Zeit vertraut hat, den er sogar geliebt hat. Weg von seiner Zukunft und seiner Vergangenheit, die dort im Raum zurückbleiben, beraubt von jeglichen Worten, die zwischen ihnen liegen…



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Leucan
2016-11-04T10:12:12+00:00 04.11.2016 11:12
Oh no...das ist garnicht gut. Ganz und garnicht. Armer Mikey. Ich hoffe das renkt sich wieder ein. 😱 Oh nein nein nein.

LG KC


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