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Brüder

Brother Hood (Robin Hood (BBC))
von

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Brother Hood - Brüder

Teil 01

Autor:

TwilightDeviant

Übersetzer:

Lady Gisborne

P16

Inhalt:

Guy und Robin haben den Kampf gegen den Sheriff und die Zerstörung von Nottingham Castle überlebt, aber die Wunden, die sie davongetragen haben, bleiben dennoch nicht ohne Folgen…

Warnung:

[AU] [H/C]

Disclaimer:

Bei dieser Geschichte handelt es sich um eine autorisierte Übersetzung von TwilightDeviants englischer Originalstory Brother Hood. Alle bekannten Charaktere und Orte in dieser Geschichte gehören selbstverständlich der BBC bzw. Tigeraspect und der Inhalt ist frei erfunden. Ich verdiene mit dieser Story kein Geld, sondern schreibe nur aus Spaß an der Freude. ^^

Link zur Originalstory:

(http://www.archiveofourown.org/works/1369813/chapters/2864251)

http://www.archiveofourown.org/works/1369813/chapters/2864251 (http://www.archiveofourown.org/works/1369813/chapters/2864251)

Anmerkung:

Wie einige von euch vielleicht bemerken werden, habe ich mich bei der Übersetzung dieser Story ausdruckstechnisch etwas vom Original entfernt, was in diesem Fall aber beabsichtigt war. Zwar bemühe ich mich, wenn ich Geschichten übersetze, so nah wie möglich am Original zu bleiben, aber mir ist auch und vor allem wichtig, einen flüssigen und sinnvollen deutschen Text zu schreiben und die erwähnten Abweichungen habe ich in diesem Fall vorgenommen, weil ich hoffe, dass die Geschichte für euch dann „flüssiger“ ist und ihr mehr Spaß beim Lesen habt. ^^

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Die Luft im Raum war beinah erdrückend schwül und so wenig Freude herrschte dort, dass er den Leichnam eines Verstorbenen hätte beherbergen können. Doch der Mann, der bleich und reglos auf dem Bett lag, war nicht tot – noch nicht.
 

Archer ging in dem Raum auf und ab, lief von einer Wand zur anderen und manchmal auch Kreis. Immer wieder ließ er seine Fingerspitzen über wertvolle Gegenstände gleiten und unterdrückte jedes Mal den Wunsch, sie an sich zu nehmen, auch nur den kleinsten davon in seine Tasche gleiten zu lassen, denn tief im Innersten wusste er, dass er, wenn er das tun würde, seinen Bruder, den einen oder den anderen, bestehlen würde.
 

Zu einem anderen Zeitpunkt hätte ihn dieser Gedanke nicht weiter berührt, aber nun versetzte die Vorstellung, Männer auf dem Sterbebett zu bestehlen und bereits mit einem, vielleicht sogar beiden Füßen im Grab standen, selbst seinem schelmischen Wesen einen Dämpfer.
 

Vielleicht war er schon zu oft auf und ab gelaufen, denn im Laufe des Tages, den er in diesem Raum verbracht hatte, hatte er sich bereits gemerkt, wo genau sich das lockere Dielenbrett im Boden befand und wich ihm nun ohne Probleme aus.
 

Außer dem Geräusch seiner Stiefel war nur Muchs Schnarchen zu hören, das von ruhigen, tiefen Atemzügen zu einem Krächzen wechselte, das laut genug war, um Tote zu wecken – was aber nicht ganz der Wahrheit entsprach, konnte es doch nicht einmal die Halbtoten aufwecken.
 

Much saß in einem Stuhl in der Ecke, wo er erst vor einer Stunde unfreiwillig eingeschlafen war. Er war erschöpft, was nach der Schlacht am vorherigen Tag und den Stunden, die er unablässig an der Seite seines Masters gewacht hatte, nicht weiter verwunderlich war.
 

Archer achtete diesen Mann, den er kaum kannte, für seine Treue, wenn gleich ihm dieser Begriff längst nicht so vertraut war, denn gegenseitige Treue hatte es in seinem Leben nicht gegeben. Er war niemals jemandem treu gewesen und daher war auch niemand ihm treu gewesen. Ein Messer im Rücken war ihm so vertraut wie anderen Menschen eine Umarmung.
 

Much schien jedoch so treu wie ein Hund und doppelt so freundlich zu sein – natürlich von seinem ständigen Jammern und Klagen abgesehen.
 

Mit der unguten Vorahnung, dass der Tod an diesem Ort der Krankheit kein unerwarteter Gast wäre, ging Archer zum Bett hinüber. Darin lag Robin, bis zum Kinn mit einem dünnen weißen Laken zugedeckt und zeigte keinerlei Regung, die ihn von einem Leichnam unterschieden hätte.
 

Alles andere wäre auch nur ein weiterer Grund zur Besorgnis gewesen, denn er hatte hohes Fieber und selbst die kalten Tücher, die Much ununterbrochen gewechselt hatte, halfen nur wenig, es zu senken.
 

Alles sah danach aus, als würde ihn das Gift tatsächlich das Leben kosten.
 

„Marian“, rief Archers Bruder mit einer Stimme, die so trocken und rau wie sprödes Herbstlaub klang. „Marian.“
 

Robin hob eine Hand, bis sie ungefähr einen Zoll über dem Bett in der Luft schwebte und insgeheim fragte Archer sich, ob das, was er gerade sah, ein Zeichen dafür war, dass sein Bruder wieder zu Bewusstsein kam oder nur ein Fiebertraum.
 

„Marian.“ Die Hand fiel wieder hinunter auf die Decke.
 

Nur ein Albtraum.
 

Tuck hatte ihnen allen gesagt, dass Robins Zustand zu den schlimmsten Befürchtungen Anlass gab und Archer hatte seine Worte bereits in dem Moment akzeptiert, in dem sie den Mund des anderen Mannes verlassen hatten. Laut Tuck grenzte es an ein Wunder, dass er überhaupt so lange durchgehalten hatte und auch der Arzt hatte dem zugestimmt.
 

Wie Arzneimittel, so hatten beide erklärt, hatten Gifte auf jeden Menschen eine andere Wirkung. Robin hätte innerhalb einer Stunde oder auch eines Tages sterben können, doch er war nicht gestorben. Aber er konnte immer noch sterben, bevor diese Woche vorüber war und es war sehr wahrscheinlich, dass genau das geschehen würde, dass Archer seinen Bruder verlieren würde – und Robin war derjenige von beiden, der die besseren Überlebenschancen hatte.
 

Guy lag unten neben der Treppe auf einem schmalen Bett und nur er hätte Robin retten können, denn nur er wusste, was für ein Gift er Isabella gegeben hatte und hätte es ihnen ermöglichen können, ein primitives – und wahrscheinlich wirkungsloses – Gegengift herzustellen.  Aber er schwieg wie ein Grab – wie das Grab, in dem er bereits mit einem Fuß stand.
 

Tuck und der Arzt waren zu dem Schluss gekommen, dass es nichts mehr gab, das sie für die beiden tun konnten. Ihre Körper hatten sie einen Tag lang am Leben erhalten und würden sie, so Gott wollte, auch weiterhin durchhalten lassen.
 

Für alle Beteiligten (die übrigen Mitglieder von Robins Gang oder auch dankbare Männer und Frauen, die Essen und Gebete vorbeibrachten), bedeutete dies eine lange Zeit des Wartens und Archer hasste es ,warten zu müssen. Es weckte ein Gefühl der Nutzlosigkeit in ihm, dass er niemals zuvor gekannt hatte, ein neues und ohne jeden Zweifel unangenehmes Gefühl.
 

„Marian“, rief Robin ein weiteres Mal aus, worauf Archer den Raum verließ.
 

Obwohl  es bereits spät in der Nacht war, wartete einer der Diener am Fuß der Treppe und fragte ihn, ob er einen Wunsch hätte. Archer gefiel die Vorstellung einer Dienerschaft und hatte sich schon immer vorgestellt, wie es wäre, wenn er eines Tages reich genug wäre, um eigene Diener zu haben, doch diese Menschen betrachtete er mehr als Gefährten und fühlte sich schlecht, wenn er ihnen Befehle erteilte.
 

Wahrscheinlich lag es an der Robin-Hood-Mentalität – eine weitere Sache, die ihm missfiel.
 

Obwohl es nur einer einzigen Person zugute kam, knisterte ein Feuer im Kamin. Robins Männer hatten sich bereits zu Bett begeben und Kate hatte Locksley Manor verlassen, um nach Hause zurückzukehren.
 

Aus diesem Grund war nur Guy in der Nähe und konnte die Wärme des Feuers spüren und  da seine kalte Haut sie bitter nötig zu haben schien, warf Archer noch ein paar zusätzliche Holzscheite in die Flammen.
 

„Ist dir kalt, Bruder?“ fragte er sanft, sprach jedoch mehr mit sich selbst, um das Gefühl der Hilflosigkeit von sich abzuschütteln. „Dann komm doch näher ans Feuer.“
 

Archer packte eine Kante des Bettes, das er gleich darauf mit einem langgezogenen Knarren über den Boden zog. „Besser?“
 

Nah am Feuer setzte er sich in einen Stuhl und tat so, als würden die Flammen ihn in ihren Bann ziehen, während er in Wahrheit seinen Bruder aus dem Augenwinkel beobachtete.
 

„Du hältst dich für etwas besseres“, murmelte er nach einem Augenblick des Schweigens, verflocht seine Finger ineinander und sank tiefer in seinen Stuhl. „Ein Adliger. Ein Ritter. Warum sollte es mich kümmern, ob du lebst oder stirbst?“ Sein stechender Blick richtete sich auf Guy, als könnte er von diesem eine Antwort erwarten.
 

„Glaub nicht, ich wüsste nicht, was Leute von dir denken, Sir Guy of Gisborne. Irgendjemand hat einen Stein nach mir geworfen, nur, weil ich dich getragen habe.“
 

Gedankenverloren berührte er mit seinem Finger eine kleine Schnittwunde an seiner Stirn. „Weißt du, dass das wirklich wehgetan hat?“
 

Archer wandte sich wieder ab und war für einen Moment fast selbst davon überzeugt, dass das Feuer interessanter war als ein bewusstloser Mann, der im Sterben lag. „Was hast du eigentlich, für das es sich zu leben lohnt? Gar nichts.“
 

Sofort bereute er seine Worte jedoch wieder. Zwar trafen sie auf taube Ohren, aber er fühlte sich dennoch, als hätte er ein unberechtigtes Urteil gefällt. „Ich sollte mir weder um dich noch um Robin  Hoffnungen machen und ich habe beschlossen, das auch nicht zu tun.“
 

Einige endlos erscheinende Minuten verstrichen und die Stille wurde immer unerträglicher. Fast schien es, als wäre eine Seuche in dieses Haus eingefallen, die ihn jeden Winkel drang und das Leben in jeder Ecke erstickte.
 

Nur um die Stille zu durchbrechen, fing Archer erneut zu sprechen an und nahm den Faden dort wieder auf, wo er ihn zuvor fallen gelassen hatte. „Aber wenn du…“ Mit einem Mal kam er sich so lächerlich vor, dass er innehielt. „Nun, wenn ihr beide am Leben bleiben könntet, wäre ich euch nicht böse.“
 

Tatsächlich schien dieser winzige Funken Hoffnung seine Nerven auf wundersame Weise zu beruhigen und ein winziger, unbedeutender Teil seiner Last fiel von ihm ab. Es war nicht viel, aber wenigstens etwas.
 

Eine weitere halbe Stunde blickte er in die Flammen, bis er merkte, dass es bereits kurz vor Sonnenaufgang war. Um wenigstens etwas Schlaf zu bekommen, stand er auf, doch bevor er ging, legte er Guy prüfend eine Hand auf die Stirn und als er spürte, wie kalt sie noch immer war, holte er eine weitere Decke aus einer der Truhen und breitete sie über den daliegenden Mann.
 

Er war die Treppe schon zur Hälfte hinaufgestiegen, als ein leise gehauchtes Wort an sein Ohr drang: „Marian.“
 

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„Wer ist Marian?“
 

Am liebsten hatte Archer laut aufgelacht, als auf seine Frage hin erst ein, dann ein weiteres Besteckstück überrascht fallen gelassen wurde, erschien ihm das doch als eine recht heftige Reaktion von den Männern, mit denen er gerade gemeinsam am Tisch saß.
 

„Woher weißt du…?“ begann Little John, um sofort von Much unterbrochen zu werden, der seine Wache an Robins Bett für kurze Zeit unterbrochen hatte, um ein paar Bissen zu essen.
 

„Die Frau deines Bruders“, sagte er und schlug die Augen nieder.
 

„Welches Bruders?“ schnaubte Archer, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen. „Beide rufen immer wieder ihren Namen.“
 

Abwartend schaute er die beiden an, doch weder John noch Much schienen gewillt, auch nur seinen Blick zu erwidern. Daraufhin wandte Archer sich Tuck zu, aber der Mönch schüttelte nur den Kopf und gab so zu erkennen, dass er die Wahrheit entweder nicht sagen wollte oder sie überhaupt nicht kannte. Vielleicht wusste er auch etwas, aber längst nicht genug, um Archer aufzuklären.
 

„Was ist geschehen?“ wollte dieser grimmig wissen.
 

„Sie war Robins Frau“, erklärte John schließlich mit einem tiefen Knurren, in dem mehr als nur ein wenig unterschwellige Aggression mitschwang. „Gisborne hat sie umgebracht.“
 

Daraufhin sagte niemand mehr ein Wort und Archer stellte keine weiteren Fragen, denn glücklicherweise fiel es ihm nicht schwer, sich in Geduld zu üben und er war sich sicher, dass er mit der Zeit die ganze Wahrheit erfahren würde. Nicht nur das, er würde sicher auch vieles über seine beiden Brüder erfahren, sei es von den Männern, mit denen er nun am Tisch saß und aß oder von den beiden selbst, die noch immer um ihr Leben kämpften.
 

Im Stillen verfluchte er sich jedoch selbst dafür, dass er sich Hoffnung auf ihr Überleben machte.
 

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An diesem Abend kam Guy für einen kurzen Augenblick zu sich. Als ihm ein gequältes Stöhnen entfuhr, sprang Archer aus seinem Stuhl auf, wobei er sowohl sein Schwert als auch den Wetzstein, mit dem er es geschärft hatte, fallen ließ. Sofort lief er, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf, um Tuck zu holen, der gerade an Robins Bett saß.
 

Als die beiden wieder nach unten kamen, wand sich Guy schmerzgepeinigt auf seinem Bett und krallte beide Hände in seine Wunde, als wäre er ein kleines Kind, das glaubte, eine Wunde einfach von seinem Leib ziehen, wie fortwerfen und so den Schmerz, den sie verursachte, beenden zu können.
 

Als Archer seine Hände festhielt, schrie Guy erneut gequält und zugleich kummervoll auf. „Tuck!“ schrie Archer den Mann neben sich daraufhin an, der seiner Meinung nach viel zu gemächlich gerade eine kleine Flasche entkorkte.
 

„Moment, bitte“, entgegnete dieser mit überraschend ruhiger Stimme und klarem Kopf, bevor er sich zu dem Verletzten hinunterbeugte. „Trinkt das, Gisborne. Trinkt.“
 

Er hielt ihm die Flasche an den Mund, doch Guy schüttelte nur den Kopf, während ein ungewolltes, gebrochenes Schluchzen seinen spröden Lippen entkam.
 

„Guy, trinkt das. Es hilft gegen die Schmerzen, mein Sohn.“
 

Eine von Archers Händen löste ihren Griff um die Hände seines Bruders und bemühte sich stattdessen, Guy Mund zu öffnen. Gemeinsam zwangen Tuck und er ihren unwilligen Patienten, den Trank, der sich in der Flasche befand, zu schlucken.
 

Danach blieb Guy nur noch für einige kurze Augenblicke wach, bevor er unter unverständlichem Murmeln, das aus Worten hätte bestehen können, sich aber mehr nach bedeutungslosem Wimmern anhörte, in die Bewusstlosigkeit flüchtete.
 

Erschöpft trotz der geringen Kraft, die er hatte aufbringen müssen, ließ sich Archer zurück in seinen Stuhl sinken. Krankenpfleger zu spielen fand er mehr als anstrengend, weshalb er diese Aufgabe auch nur ungern übernahm.
 

„Bekommst du viele schwierige Fälle wie ihn?“ fragte er teilnahmslos und nur, um irgendetwas zu sagen.
 

„Ich bekomme so gut wie gar keine Krankenfälle“, gab Tuck zurück. „Schließlich bin ich kein Arzt.“ Er suchte sich einen anderen Stuhl, und setzte sich zwischen die beiden Brüder, wobei er Guy die ganze Zeit wachsam im Auge behielt.
 

„Nein, du bist einfach nur ein Tausendsassa, nicht wahr?“
 

„Ich versuche das zu sein, was immer die Situation erfordert“, antwortete Tuck, während er die kleine Flasche wieder verschloss, die er vor kurzem benutzt hatte und sich bereithielt, seinem Patienten auch die andere Hälfte des Trankes zu verabreichen, wenn die Zeit dafür gekommen war.
 

„Aber Gisborne vertraut niemandem leichtfertig und bevor das alles hier vorbei ist, werde ich ihn wahrscheinlich zu meinen…größeren Herausforderungen zählen.“
 

Archer nickte, während er gleichzeitig leise vor sich hin summte.
 

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Am nächsten Tag verließ Archer Locksley Manor, aber nicht für immer, noch nicht einmal für einen ganzen Tag. Doch das Herrenhaus erschien ihm so drückend wie eine Hinrichtung und so beengend, wie die dazugehörige Schlinge um seinen Hals.
 

Deshalb meldete er sich freiwillig, die Vorräte und Habseligkeiten zu holen, die in Robins Camp zurückgeblieben waren und während keiner der anderen diese Aufgabe übernehmen wollte, konnte Archer an nichts anderes denken.
 

Der Tag neigte sich bereits dem Ende zu, als er das Camp endlich fand und seinen Füßen gestattete, ihn zurück in Richtung des Herrenhauses zu tragen, doch selbst jetzt verschwendete er absichtlich Zeit, indem er sich mit einigen der Dorfbewohner unterhielt und sogar mit ein paar von ihnen wettete, dass er ein ebenso guter Bogenschütze war, wie Robin Hood.
 

Er fühlte sich jedoch fast ein wenig schlecht dabei, ihr Geld, das er gewonnen hatte, zu nehmen.
 

Als er sich endlich zwang, nach Locksley Manor zurückzukehren, kam ihm Much mit schnellen Schritten entgegengelaufen. Im ersten Moment machte sich Archer auf die schlimmstmöglichen Neuigkeiten gefasst, bis er auf dem Gesicht des herankommenden Mannes keine Trauer, sondern ein Lächeln sah.
 

„Das Fieber“, keuchte Much, während er, auf seine Knie gestützt, versuchte, wieder zu Atem zu kommen, „das Fieber ist gebrochen.“ Erschöpft ließ er den Kopf sinken und atmete tief durch.
 

„Gut“, war das einzige, das Archer daraufhin einfiel. Was hätte er auch sonst sagen sollen?
 

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Am darauffolgenden Tag öffnete Robin endlich seine Augen, schaute sich um und nahm den Anblick von Archer, Much und John in sich auf. Verwirrt schaute er sie an, doch als er den Mund öffnete, um ihnen eine Frage zu stellen, brachte er nur ein heiseres Krächzen heraus, worauf ihm Much sofort ein Glas Wasser brachte.
 

Voller Anspannung warteten alle darauf, dass Robin etwas sagte, doch er schloss nur die Augen und schlief sofort wieder ein.
 

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Auch Guy zeigte erste Anzeichen, dass er bald aufwachen würde, aber da Archer fort gewesen war, hatte er die meisten verpasst. Als er zurückkam, saß Tuck dicht bei seinem Bruder und beobachtete ihn aufmerksam.
 

Mit Ausnahme von Archer selbst sowie einiger Diener war Tuck der Einzige, der sich um Guy kümmerte, denn wenn die anderen ihm auch nicht zwangsläufig Schlechtes wünschten, so war ihnen Robin dennoch unverkennbar wichtiger.
 

Archer ließ sich neben dem Mönch in einen Stuhl fallen und betrachtete nachdenklich Guys daliegende Gestalt, während diesem gelegentlich ein gequältes Stöhnen entkam, das sich manchmal sogar zu heiseren Schreien steigerte. Seine Hände zuckten und seine Augen wurden beinah widerwillig zusammengekniffen und im nächsten Moment wieder entspannt, doch ob er sie öffnen wollte oder darum kämpfte, sie geschlossen zu halten, ließ sich nicht einmal erahnen.
 

Eine weitere Minute verstrich quälend langsam, bevor sich Guys Augen ruckartig öffneten, was den Anschein erweckte, dass er den Kampf, den er bis vor kurzem ausgefochten hatte, endlich gewonnen - oder verloren – hatte und nun entschlossen war, der Wahrheit ins Auge zu sehen.
 

Im dem dunklen Raum wurde das Blau seiner Iris nur von der Schwärze seiner vergrößerten Pupillen übertroffen, die träge umher schweiften, während er soviel von seiner Umgebung aufnahm, wie er nur konnte.
 

Er blinzelte, als er Tuck sah, doch als sein Blick auf Archer fiel, lächelte er.
 

„Bruder“, hauchte Guy und versuchte, seinen Kopf zu heben, doch der scharfe Schmerz, der ihn selbst bei dieser geringen Anstrengung durchfuhr, ließ ihn aufkeuchen.
 

„Shh, Sir Guy“, murmelte Tuck mit gedämpfter Stimme, während er versuchte, ihn zurück auf das Kissen zu drücken. „Versucht noch nicht, aufzustehen.“
 

„Aufstehen?“ Krächzend kam das Wort aus seinem wunden Hals. „Dafür bin ich viel zu müde. Ich kann ja noch nicht einmal meine Beine bewegen.“ Mit zu Schlitzen verengten Augen musterte er den Mönch. „Was hast du mir gegeben?“ fragte er misstrauisch.
 

„Nur etwas gegen Eure Schmerzen, nichts weiter“, erwiderte Tuck, bevor er seine Aufmerksamkeit von dem Verletzten abwandte und sich in seinen eigenen Gedanken verlor. Er klopfte Guy auf die Schulter und erhob sich von seinem Stuhl, als wollte er den Anschein erwecken, dass er sich ausgiebig mit den Dingen beschäftige, die auf einem nahen Tisch standen.
 

Archer stand ebenfalls auf, doch tat er dies nur, um Tucks Platz am Kopfende von Guys Bett einzunehmen. „Also hast du endlich beschlossen, aufzuwachen?“
 

„Wie lange war ich bewusstlos?“ fragte Guy drängend, nachdem ein Blick aus dem Fenster ihm verraten hatte, dass es spät am Nachmittag war.
 

„Vier…Tage, glaube ich“, antwortete Archer und seine Stimme klang nachdenklich, als er sich jeden zurückliegenden, eintönigen Tag in Erinnerung rief.
 

Irgendetwas schien Guy Sorgen zu bereiten, doch es war offensichtlich, dass er nicht die Absicht hatte,  seinem Bruder den Grund seiner Besorgnis anzuvertrauen und da er nicht sprechen wollte, blieb er einfach nur reglos auf seinem Bett liegen, sein Augenmerk unbeirrbar auf die hölzernen Balken an der Decke gerichtet und das einzige Geräusch, das er von sich gab, waren seine keuchenden Atemzüge, von denen jeder einzelne so scherzerfüllt klang, wie der vorherige.
 

Vorsichtig streckte Archer eine Hand nach seinem Bruder aus, um sie jedoch schon im nächsten Moment wieder zurückzuziehen und mit ihr durch sein verfilztes Haar zu streichen.
 

„Ruh dich aus“, ordnete er an, „dann geht es dir bald besser.“
 

Als er Anstalten machte, aufzustehen, griff Guy nach seinem Handgelenk und hielt es mit einem schwachen Griff umklammert, der das Geringste von der Kraft erahnen ließ, die dieser Mann noch vor wenigen Tagen besessen hatte.
 

„Robin“, flüsterte er kaum hörbar und sagte mit diesem einen Wort ebenso viel wie mit jeder frage, die er hätte stellen können.
 

„Er ist oben“, antwortete Archer und deutete mit einem Finger auf das über ihnen liegende Stockwerk. „Es geht ihm nicht sonderlich gut, aber auch nicht allzu schlecht.“
 

Mit dieser Antwort zufrieden nickte Guy leicht und blinzelte kaum merklich. Nach seinem eigenen Zustand fragte er jedoch nicht, denn für den Augenblick genügte es ihm, wach und am Leben zu sein.
 

Wenig später ging Archer zu Tuck hinüber und nickte, sobald er neben ihm stand, mit einem Grinsen in Guys Richtung. „Er ist rege und munter. Das ist doch ein gutes Zeichen, nicht wahr?“
 

Doch Tuck sah bei weitem nicht so zufrieden aus wie der junge Mann. Ernst schüttelte er den Kopf, bevor er Archer ein Stück weiter von Guys Krankenlager fortzog. „Du musst ihn irgendwie ablenken“, verlangte er.
 

„Warum?“ Verwundert warf dieser einen Blick zum anderen Ende des Raumes hinüber, wo Guy gerade erfolgreich darum kämpfte, seine Augen offenzuhalten.
 

Aber Tuck schüttelte als Erwiderung nur den Kopf. „Nein, ich möchte mir lieber selbst erst sicher sein, als einen bloßen Verdacht auszusprechen. Sorg du nur dafür, dass er dich die ganze Zeit anschaut und sein Blick nicht auf mich fällt. Ich gebe dir mein Wort, dass ich ihm nichts Böses antun werde.“
 

„Also gut“, willigte Archer daraufhin mit einem halbherzigen Nicken ein, „dann werde ich es tun.“
 

Normalerweise fühlte er sich wie ein Fisch im Wasser, wenn er seine Mitmenschen beschwindelte, aber bei dem Ablenkungsmanöver, das ihm nun bevorstand, fühlte er sich mehr als unbehaglich. Mit einem unguten Gefühl schlendert zu Guy zurück, setzte sich wieder an sein Bett und begann, mit seinen Fingern unbehaglich auf dem hölzernen Bettgestell herumzutrommeln, woraufhin Guy leicht verärgert eine Augenbraue hob, aber weiterhin schwieg.
 

Aus dem Augenwinkel sah Archer, wie nun auch Tuck dem Bett näherte und wusste, dass es höchste Zeit war, seinen Bruder mit einem Gespräch abzulenken. „Ich war draußen im Dorf“, begann er deshalb zu erzählen, wobei redlich bemühte seine Worte so unbedeutend und so wenig besorgniserregend klingen zu lassen, wie er nur konnte. „Die Leute hier sind nett, wenn auch nicht allzu gut wenn es darum geht, eine Wette zu gewinnen.“ Gedankenverloren tätschelte er bei diesem Worten den mit Münzen gefüllten Beutel, den er an seinem Gürtel trug.
 

Guy schnaubte nur spöttisch, wobei jedoch gleichzeitig ein leichtes Lächeln seine Mundwinkel umspielte, das seine Belustigung verriet.
 

„Für diese Jahreszeit war das Wetter während der letzten Tage ungewöhnlich schön. Natürlich hat es etwas geregnet, aber ich glaube, du hast die letzten warmen Tage vor dem Einbruch des Winters verpasst.“
 

Bei diesen Worten wandte Guy gemächlich – oder vielleicht auch so schnell, wie er konnte – seinen Kopf zur Seite, um Archer ansehen zu können. „Willst du…?“ Fast sofort wurde er von einem Hustenanfall unterbrochen. „Willst du allen Ernstes hier sitzen und mit mir über das Wetter reden?“ fragte er ungläubig.
 

Archer spürte deutlich, dass seinem Bruder die Banalität dieses Gesprächs nicht entgangen war und hob deshalb mit einem leisen Auflachen seine Hand, um ihm zu zeigen, dass er aufgab. „Worüber willst du dann reden?“
 

„Jedenfalls nicht über das Wetter“, gab Guy zurück, bevor er für einen kurzen Moment seine Augen schloss.
 

Während er versuchte, seinen Bruder abzulenken, behielt Archer Tuck verstohlen im Auge und auch wenn er nicht annähernd genug erkennen konnte, um auch nur zu erahnen, was der Mönch gerade tat, wagte er es dennoch nicht, diesem noch mehr seiner Aufmerksamkeit zu widmen, da er nicht das Risiko eingehen wollte, von Guy dabei ertappt zu werden.
 

„Robin geht es scheinbar besser, als wir zunächst erwartet hatten.“
 

Archer vermutete zu Recht, dass sich Guy weitaus mehr Sorgen um seinen ehemaligen Feind machte, als er zugegeben wollte und ein Nicken von ihm war genug, um den jüngeren Mann zu ermutigen, weiterzusprechen. „Es stand nicht gut um ihn, vor allem, da du als einziger wusstest, um welches Gift es sich handelte, aber er hat sich auch ohne das richtige Gegengift tapfer geschlagen. Gestern ist sein Fieber endlich gebrochen und der Arzt meint, dass er wohl durchkommen wird.“
 

„Zum Sterben ist er zu stur“, murmelte Guy mit einem Hauch von Freude in der Stimme.
 

„Das sagt der Richtige“, hielt Archer dagegen, was ihm ein aufrichtiges Lächeln von Guy einbrachte.
 

Als er im nächsten Moment bemerkte , dass Tuck den Raum verlassen hatte, verspürte er sofort den Drang, ihm zu folgen, um endlich Antworten auf die Fragen zu erhalten, die ihn quälten.
 

„Ich werde dich jetzt in Ruhe lassen“, sagte er deshalb, bevor er Guy auf die Schulter klopfte und sich erhob. „Wenn du irgendetwas brauchst, ruf einfach, klopf an die Wand oder etwas in der Richtung und auch, wenn ich nicht komme, wird sich jemand anders um dich kümmern, da bin ich mir fast sicher.“
 

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An der Vordertür des Herrenhauses holte er Tuck ein, doch der Mönch schien seine Fragen nicht einmal anhören zu wollen.
 

„Nicht hier“, flüsterte er knapp. „Draußen.“
 

Die beiden Männer gingen hinaus in den Bereich, der schmeichelhaft als Hof hätte bezeichnet werden können. Dort lehnte sich Archer an eine Leiter und sah sein Gegenüber mit verschränkten Armen an. „Nun?“ fragte er drängend.
 

Als Antwort holte Tuck eine holte, stumpfe Nadel aus seinem Ärmel hervor. „Damit“, erklärte er, habe ich in beide seiner Füße gestochen.“
 

Ein solches Vorgehen kam Archer zwar seltsam vor, doch er versuchte, dieses Gefühl zu verdrängen. „Und?“
 

„Er hat nichts gespürt“, gab der Mönch ernst zurück.
 

„Was willst du damit sagen?“ fragte Archer und stieß sich von der Leiter ab, um wieder gerade zu stehen, denn ihm war deutlich bewusst, wie ernst die Angelegenheit war, die sie hier besprachen. „Wie ist das möglich?“
 

„Es handelt sich zweifellos nicht um Lepra oder eine andere Krankheit. Ich befürchte, das Schwert, das ihn verletzt hat, ist dafür verantwortlich“, erklärte Tuck und ihm war deutlich anzumerken, wie ungern er diese Wahrheit eingestand. Müde fuhr er sich mit einer Hand über das Gesicht. „Es ist möglich, dass er seine Beine nicht mehr bewegen kann.“
 

Angesichts dieser Eröffnung seufzte Archer schwer. „Du meinst, es ist möglich, dass er ein Krüppel ist.“
 

„Ja.“ Tucks Stiefel wirbelten den Schmutz auf und eine dünne Staubwolke folgte seinen Schritten, während er auf und ab ging und dabei laut nachdachte. „Es könnte bereits passiert sein, als der Schwerthieb ihn traf oder auch dadurch, dass er mit diese Verletzung so oft bewegt wurde. So oder so…“
 

Er unterbrach sich und verfiel in ein tiefes Schweigen. Die Ursache war nicht wichtig, denn selbst, wenn er den ganzen Tag über mögliche Gründe sprach, würde das nichts an der Tatsache ändern.
 

„Was sollen wir ihm sagen?“ fragte Archer unsicher. Mitgefühl war noch nie seine Stärke gewesen und selbst dieser Moment war keine Ausnahme. Der bloße Gedanke, an Guys Stelle zu sein und solch eine schreckliche Nachricht zu erhalten, ließ Übelkeit in ihm aufsteigen und er versuchte, diesen Gedanken mit aller Macht zu verdrängen.
 

„Die Wahrheit“, erwiderte Tuck schlicht und nickte entschlossen, um seine eigene Unsicherheit zu überspielen. „Es wird ihm nicht helfen, wenn wir sie ihm verheimlichen.“
 

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Archer kam sich wie ein Feigling vor, als er dem Mönch zurück in das Innere des Herrenhauses folgte, während die hinter ihnen stehende Sonne ihre Schatten auf den Boden und an die Wand warf. Doch obwohl sein eigener, großer Schatten auf Tuck fiel, fühlte sich Archer klein und ängstlich und fragte sich im Stillen, ob es wirklich nötig war, Guy die niederschmetternde Nachricht sofort zu überbringen.
 

Zwar wusste er nur zu gut, dass es notwendig war und dass niemandem damit geholfen wäre, es aufzuschieben, aber trotzdem würde Archer sich dann vielleicht besser fühlen. Nur zu gern wollte er fliehen, den bevorstehenden Unannehmlichkeiten aus dem Weg gehen, aber er war sich sicher, dass Guy ihn dabeihaben wollte.
 

Wollte er das wirklich?
 

Archer kannte diesen Mann so gut wie überhaupt nicht und das wenige, das er über ihn wusste, ließ ihn vermuten, dass er keinerlei Zuschauer dabeihaben wollte, die sein Unglück hautnah miterlebten.
 

Mit diesem Gedanken im Hinterkopf trat Archer unbewusst einen Schritt zurück, doch dadurch zog er letztendlich erst Guys Aufmerksamkeit auf sich. Ein bittersüßes Lächeln lag auf seinen Lippen, als er sich fast den Hals verrenkte, um seinen Bruder hinter Tucks hochgewachsener Gestalt erkennen zu können.
 

Hätte Archer nicht gewusst, dass es vollkommen unmöglich war, wäre er überzeugt gewesen, dass sein Bruder die Wahrheit bereits kannte. Vielleicht war es auch ein versuch von Guy, ihn zu beruhigen, weil ihm sein Unbehagen deutlicher anzusehen war, als er zunächst gedacht hatte.
 

Nein, auf keinen Fall würde er seinen Bruder im Stich lassen.

Mit diesem Gedanken stellte er sich erneut an das Kopfende des Bettes, wobei er sich an das Treppengeländer lehnte und seine Hand auf eine der Stufen legte. Zwar konnte Guy ihn dort nicht sehen, ohne sich den Hals zu verrenken, aber er wusste trotzdem, dass sein Brüder in der Nähe war und Archer würde ihm zur Seite stehen, sobald Guy ihn brauchte, ganz gleich, ob dieser Fall eintrat oder nicht.
 

„Sir Guy“, begann Tuck schließlich, nachdem er sich in einen Stuhl neben dem Bett gesetzt hatte.
 

Guy schaute den Mönch mit trübem Blick und schweren Lidern an, denn die kurze Zeit, die er nun wieder bei Bewusstsein war, schien bereits ihren Tribut zu fordern.
 

„Was gibt es?“ fragte er mit kurzangebunden, wobei er die Müdigkeit in seiner Stimme nicht verbergen konnte.
 

„Ich fürchte, es betrifft Eure Verletzung.“
 

Bei diesen Worten weiteten sich Guys Augen nahezu unmerklich. „Ich werde sterben“, riet er, wobei die Worte jedoch mehr wie eine Feststellung und nicht wie eine Frage klangen. Ganz der Mann, der dem Tod schon so oft ins Auge gesehen und bereit gewesen war, sich ihm zu ergeben, schien ihm sein Schicksal auch jetzt vollkommen gleichgültig zu sein.
 

„Nein, mein Sohn“, entgegnete Tuck und wollte in einer beruhigenden Geste nach Guys Hand greifen, überlegte es sich im nächsten Moment anders und drückte seine Handfläche stattdessen nur gegen den Stoff, der sein eigenes Knie bedeckte. „Ich bin zuversichtlich, dass Ihr überleben werdet, aber dennoch könnte es Euch sehr schwerfallen, das zu akzeptieren, was die beiden Klingen angerichtet oder vielmehr zerstört haben.“
 

„Nun spuckt es schon aus!“ verlangte Guy mit merklich schwindender Geduld.
 

„Guy, Ihr habt eine schwere innere Verletzung erlitten und ich glaube…“ Für einen Moment verfiel er in Schweigen und musste tief durchatmen, bevor er mit knappen, klaren Worten fortfuhr. „Ihr könnt Eure Beine nicht mehr bewegen.“
 

Obwohl er zu erwarten gewesen und auch kaum zu bemerken war, war der fassungslose Ausdruck, der nach diesen Worten den Weg in Guys sonst so stoisches Gesicht fand, einzigartig. Seine Augenbrauen zuckten und hatten Ähnlichkeit mit Wellen am Strand, als sie sich zuerst in konzentriertem Nachdenken senken, um gleich darauf in Erkenntnis wieder gehoben zu werden.
 

Zwar hörte er die Worte, die der Mönch ihm sagte und dachte über sie nach, drehte jede einzelne Silbe in Gedanken so lange hin und her, bis von ihnen nur noch leeren, brüchige Hüllen geblieben waren, doch er akzeptierte sie nicht.
 

Gleich darauf verzerrte sich Guys Gesicht beinah mitleiderregend, als er vergeblich versuchte, sich darauf zu konzentrieren, eben jene Gliedmaßen zu bewegen, die ihn verraten hatten.
 

„Ich habe einen Sinnestest an Euren Beinen durchgeführt. Ihr könnt sie weder spüren noch bewegen, Sir Guy“, wiederholte Tuck, während er seine Hände über Guy hielt, um ihn zu beruhigen und festzuhalten, falls er außer Kontrolle geraten sollte. „Es besteht…“
 

„Sei still!“ knurrte Guy gereizt, während er seine Finger in die Decke grub und sie schließlich fortwarf, wobei er seine mit einem Verband umwickelte Brust und Taille enthüllte. Mit einem gequälten Ächzen hob er den Kopf und schaute verzweifelt auf seine Beine hinunter als könnte er dadurch, dass er sie sah, auch die Kontrolle über sie zurückgewinnen, als würde das die verräterischen Gliedmaßen wieder seiner Kontrolle unterwerfen.
 

Aber das war leider nicht der Fall.
 

Schwer ließ Guy seinen Kopf wieder zurück auf das Kissen sinken und blieb einfach nur reglos und tief durchatmend liegen. Entweder war er selbst von dieser kleinen Anstrengung erschöpft oder er plante gerade sein weiteres Vorgehen.
 

Ein weiteres Mal versuchte Tuck, das Wort zu ergreifen, doch Guy wollte nicht hören, was er zu sagen hatte und gebot ihm deshalb Schweigen, bevor er sich erneut nach vorne lehnte, doch sein Körper war gerade so weit zu bewegen, dass er das Kinn gegen seine Brust drücken konnte.
 

Um dem trotzigen Misstrauen seines Bruders ein Ende zu bereiten, beugte sich Archer zu ihm hinunter, um ihm zu helfen. Indem er eine Hand auf Guys Arm und die andere auf seine Schulter legte, half er ihm in dem wohl qualvollsten Akt des Aufsetzens, den er jemals hatte miterleben müssen, in eine sitzende Position. Wäre Guy ein schwächerer Mann, hätte er geweint, davon war Archer überzeugt.
 

Sich so weit vorlehnend, wie es seine Wunde zuließ, betrachtete Guy seine Beine nun genauer, wollte sie mit aller Macht dazu zwingen, sich zu bewegen und bettelte geradezu darum, dass sie wenigstens zuckten, doch nichts dergleichen geschah.
 

Grob stieß er daraufhin eines seiner Beine mit dem Zeigefinger an, aber das verzweifelte Aufschluchzen, das ihm gleich darauf ungewollt entkam, sagte den beiden Männern nur zu deutlich, dass er die Berührung nicht gespürt hatte.
 

„Leg mich wieder hin.“ Guys Stimme klang bei diesen Worten so hart und glatt wie ein geschliffener Stein.
 

„Leg mich wieder hin!“ schrie er im nächsten Moment, als Archer ihn nicht schnell genug fallen ließ.
 

Gleich darauf lag er wieder reglos auf seinem Bett und starrte an die Decke, doch obwohl sich der Rest seines Körpers nicht bewegte, huschten seine Augen so schnell hin und her, wie zweifellos auch die Gedanken in seinem Kopf durcheinanderwirbelten.
 

„Wir wissen nicht, wie schlimm der Schaden wirklich ist“, stellte Tuck ruhig fest, als er endlich die Gelegenheit bekam, zu sprechen, ohne von Guy unterbrochen zu werden. „Solche Verletzungen habe ich schon vorher gesehen und ihre Folgen dauern nicht zwangsläufig ein Leben lang an. Es ist durchaus möglich, dass Ihr eines Tages aufwacht und Euch wieder vollkommen normal fühlt.“
 

Für einen kurzen Augenblick unterbrach er sich und als er weitersprach, klang seine Stimme nicht nur tiefer, sondern auch sehr viel ernster. „Aber trotzdem muss ich Euch ausdrücklich davor warnen, dass Ihr Euch zu große Hoffnungen macht und Euch raten, Euer Schicksal so zu akzeptieren, wie es jetzt ist.“
 

Nach der Eröffnung des Mönches schwieg Guy lange, so lange, dass ein außenstehender Beobachter hätte meinen können, er wäre mit offenen Augen eingeschlafen. „Lasst mich allein“, verlangte er schließlich.
 

Tuck war Archer einen flehenden Blick zu, doch dieser zuckte nur mit den Schultern. Der Mönch ahnte jedoch, dass Guy wahrscheinlich für eine Weile alleine sein und in Ruhe nachdenken musste. Deshalb ging er auf seine Forderung ein und verließ den Raum, um zu sehen, ob er sich im Herrenhaus irgendwo anders nützlich machen konnte.
 

Auch Archer erhob sich zögernd, doch er wusste nicht mit Bestimmtheit, ob der Befehl seines Bruders, ihn alleine zu lassen, auch ihn miteinschloss. Nur zu gerne wollte er diesen Raum, dieses Haus und vielleicht sogar dieses Dorf verlassen, denn diese Umgebung erdrückte ihn regelrecht, als wäre er ein zuvor freier Vogel, der plötzlich unter Wasser gedrückt wurde.
 

Trotzdem kniet sich Archer gegen seinen Willen und wider besseres Wissen neben das Bett, doch Guy weigerte sich, ihn auch nur anzusehen und als er eine beruhigende Hand ausstreckte, der zweifellos gleich darauf impulsive Worte des Trostes gefolgt wären, schlug Guy sie mit unerwarteter Kraft beiseite.
 

„Ich habe gesagt, du sollst mich alleine lassen!“ schnauzte er seinen Bruder mit vor Zorn verzerrtem Gesicht an, während er weiterhin zur Decke hinaufblickte. Zwar mochte in den Zügen des Verletzten auch ein klein wenig Angst und Sorge zu erkennen sein, aber das hätte Archer nicht mit Sicherheit sagen können, doch es war unnötig, ihn ein drittes Mal zum Gehen aufzufordern, daher machte er auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum.
 

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