Das Wochenende
„Verdammt ist das voll!“, beschwerte sich Sanji und sah sich um. Seine Kamera kam gar nicht mehr zum Stillstand, denn ständig lief ihm jemand in einem großartigen Cosplay über den Weg, auch wenn er die Hälfte der Charaktere natürlich nicht erkannte. Er interessierte sich für gewöhnlich für die unpopulären Reihen, das ewige Los des breitgefächerten Enthusiasten. „Wie gut, dass ich schon gestern meine Einkäufe erledigt habe, samstags kriegt man hier echt kein Bein an die Erde.“
Ace nickte: „Lass uns 'ne Snackpause einlegen, ja?“ Er steuerte bereits die Hallenwand an und fand dort an einer Lagertür Platz für sie. Mit einem erleichterten Seufzen ließ er seinen Rucksack zu Boden sinken und nahm sein Bento heraus.
Da setzte sich Sanji neben ihn und trank zuerst von seinem mitgebrachten grünen Tee. Einmal tief durchatmen. „So viele Leute“, murmelte er. Wie gut, dass er sich auf ein Wochenende übervoll mit Menschen eingestellt hatte, und all die Mädchen in den hübschen Kostümen trösteten auch über seine angestrengten Nerven hinweg. Immer das Positive sehen.
„Oi, schau Sanji, ein Mugen“, erklärte Ace und zeigte in die vorbeigehende Menge.
Sanji sah auf, sprang auf und eilte die drei Schritte vor. „Mugen? Darf ich ein Foto machen, bitte?“ Er war großer Samurai Champloo-Fan.
Mugen nickte: „Okay“, und löste sich aus der Menge der Besucher. Er ging zur Wand, an der Sanji gerade noch gelehnt hatte, und stellte sich dort in Pose.
Sanji schoss eine handvoll Fotos. „Danke“, lächelte er schließlich und schaltete seine Kamera wieder ab. Sie hatte jetzt erstmal Pause.
„Bist du auch im Cosplay?“, fragte Mugen und deutete mit einer Kreisbewegung auf seine Augenbraue. „Sieht irgendwie … cool aus.“
Sanji schüttelte den Kopf: „Ist normal so, halt ich.“
„Dürfen wir uns zu euch setzen?“, fragte Fuu, die nun wieder zu Mugen trat. Für das Foto war sie extra zur Seite gegangen.
Ace nickte und antwortete mit vollen Wangen: „Klar, nur zu.“
Mugen ließ sich augenblicklich auf der Stelle nieder, an der er gerade noch gestanden hatte, und öffnete seinen Rucksack für seinen eigenen Proviant. „Auch?“, bot er Sanji von den Reiskeksen in seiner Hand an. „Sind mit Kiwi.“
Sanji nickte: „Gern“, und nahm einen der Reiskekse, Ace tat es ihm gleich. „Ist schon voll hier, hm?“
„Das kannst du laut sagen“, nickte Mugen. „Erstaunlich, mit was hier einige doch reinkommen. Ich hab meine Schwerter extra zuhause gelassen.“
„Achso?“, fragte Sanji. „Aber Mugen ohne Schwerter ist schon … doof.“
Mugen nickte zustimmend: „Find ich auch, aber es muss ja auch passen, so von den Proportionen und der Länge her. Ich bin ziemlich stolz auf die Schwerter und hab echt keine Lust, die hier abgeben und heute Abend irgendwie wieder suchen zu müssen oder so ein Mist. Sind nämlich selbst gemacht.“
„So? Hm, schade. Aber klar, da lieber auf Nummer sicher gehen“, stimmte Sanji zu. Die Tücken im Leben eines Cosplayers waren für ihn unbekannte, trotzdem verstand er, dass man ein Werk, auf welches man stolz war, nicht solch einer unsicheren Situation aussetzen wollte. Würde er auch nicht wollen. Er nahm sich von einem seiner eigenen Snacks, dafür hatte er an diesem Morgen lang und breit die Küche in Beschlag genommen.
„Ich werd mir irgendwann noch die blauen Streifen an den Fußgelenken tätowieren lassen, so richtig“, erzählte Mugen mit stolzem Ton in der Stimme.
Sanji sah ihn erstaunt an: „Wirklich? Und die an den Handgelenken?“
„Die wohl nicht. Das würde bei anderen Cosplays stören. Und vielleicht auch bei der Arbeit, je nachdem halt“, überlegte er und zuckte dabei mit den Schultern.
„Trotzdem, coole Idee. Sind die Ohrringe auch selbstgemacht?“, fragte Sanji und beugte sich ein wenig vor, um besagtes besser zu betrachten. Er konnte neben dem Ohrring zwei unbenutzte Löcher erkennen.
Mugen nickte und drehte den Kopf leicht, um Sanji die Ansicht zu erleichtern: „Jap. Hatte mal das perfekte Paar in 'nem Laden gekauft. Aber irgendwie sind die irgendwann … futsch gewesen. Aber so geht’s auch.“
„Auf jeden Fall.“
„Oi, Sanji, noch ein Mugen“, warf Ace ein.
Sanji sah auf und wiegte den Kopf: „Jaah … Nee, nicht wirklich.“ Er fotografierte nicht jeden, nur weil er im Mugen-Cosplay daherlief.
Mugen grinste verschmitzt: „Da fühl ich mich jetzt aber geehrt.“
„Muss halt auch gut sein“, zuckte Sanji mit den Schultern.
Aus der Masse der ständig vorbeiströmenden Menschen schälte sich ein großgewachsener Mann, der gezielt auf sie zu ging, einen Schlüssel in der Hand. Er wollte eindeutig an die Tür. Sanji sah sich kurz um, erkannte wo er saß und rutschte aus dem Weg – wer wollte schon den reibungslosen Ablauf der Messe stören? Das hieß aber auch, dass er näher an Mugen heran rutschte. Sanji fühlte eine unbequeme Hitze auf seinen Wangen.
„Geht schon, geht schon“, winkte er Mitarbeiter ab und kurz darauf verschwand er wieder, einen Karton im Arm.
„Saaanjiii?“, fragte Ace und zog den Namen besonders lang, „Hast du noch was zu essen für mich?“
Sanji verdrehte die Augen: „Fresssack.“ Zum Glück hatte er an diese garantierte Eventualität gedacht, die Ace' bodenloser Magen darstellte. Er nahm seinen Rucksack zur Hand und suchte nach dem Proviant für Ace. Dabei merkte er nicht, wie Mugen seine Kamera nahm und sie neugierig untersuchte. „Hier, aber das war's dann für jetzt. Wir haben noch einen langen Tag vor uns“, erklärte er Ace, während er ihm das stärkende Fingerfood reichte.
„Danke“, lächelte Ace erleichtert.
Sanji hob eine Augenbraue, als er seine Kamera in den fremden Händen sah. „Hm?“
Mugen schmunzelte, beugte sich näher zu Sanji und fotografierte sie beide zusammen. Als er sich im Display der Kamera das Bild ansah, grinste er breit: „Ha, ich bin so der Selfie-King.“
„Ey, der bin ich“, warf Ace ein und winkte mit seinem Smartphone.
„Nee, sorry, da muss ich ihm zustimmen“, schmunzelte Sanji und deutete auf Mugen. Er nahm seine Kamera wieder an sich und bedachte das Selfie von ihnen beiden kurz mit einem Lächeln.
„Hier, will einer 'n Bonbon?“, fragte jemand im Grimmjow-Cosplay und stand plötzlich vor ihnen. Er streckte ihnen die Hand mit Bonbons hin.
„Öhm, okay?“ Sie alle nahmen sich jeder eines und Grimmjow zog wieder weiter, brachte auch anderen Besuchern die Freude von Bonbons näher. Auf so einer Messe liefen seltsame Menschen herum …
Auf seinem Bonbon lutschend musterte Sanji Mugens Profil. Das spitzbübische Grinsen stand gut und sicher auf den schmalen Lippen und die grünen Augen funkelten intensiv. Er konnte die Ausgelassenheit, die Mugen verströmte, praktisch spüren.
„Ah, jetzt geht’s mir besser“, unterbrach Ace Sanjis Gedanken. „Von mir aus können wir weiter.“ Er war bereits aufgestanden und hatte seinen Rucksack geschultert.
„Hm, schon? Ja, klar“, nickte Sanji fahrig und räumte die Flasche Tee in seine eigene Tasche zurück. Als er aufstand, stand auch Mugen auf. „Noch eine schöne Con“, nickte er ihm zu und begab sich zwei Schritte auf Ace zu.
„Euch auch“, erwiderte Mugen winkend und zusammen mit Fuu ging er in die andere Richtung.
