Zum Inhalt der Seite

Deep down the rabbit hole...

...noch tiefer kannst du nicht fallen
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 1

10:00. In einer dreiviertel Stunde musste ich im Heart-Hospital sein, wegen der Nachuntersuchung. Dr. Kuleha, eine nette Frau, die man bloß nicht auf ihr Alter ansprechen sollte, hatte mir mehrmals eingeschärft, pünktlich zu erscheinen. Da ich gesehen hatte, wie man endete, wenn man es sich mit dieser Frau verscherzte, hörte ich lieber auf sie. Zumal es keinen Unterschied machte, ob ich nun Zuhause auf eine graue Wand starrte oder im Krankenhaus. Ich erhob mich schwerfällig von meiner Couch, welche in den letzten Wochen mein meist benutztes Möbelstück geworden war und schlürfte in den Flur. Dort zog ich mir meine schwarzen, kniehohen Stiefel über die dunkle Jeanshose, zog mir den den langen, schwarzen Mantel, einen schwarzen Schal und eine ebenso schwarze Mütze auf. Schwarz. Ich besaß eigentlich kaum schwarze Sachen, früher konnte ich diese Farbe nicht leiden. Heute kam sie mir gar nicht so schlecht vor. Schwarz, die Farbe der Trauer und der Schuld. Zumindest empfand ich sie so. Ich griff mir noch schnell meinen Wohnungsschlüssel und mein Handy, verstaute beides in meiner Jackentasche und verließ meine Wohnung. Ich ging langsamen Schrittes das Treppenhaus hinunter und ließ schließlich auch die Haustür hinter mir. Vor der Tür lag eine zentimeterdicke Schneeschicht, der Himmel war grau und wolkenverhangen. Es rieselte immer noch ein wenig Schnee herunter. Die Flocken schienen in der Winterbrise nahezu zu tanzen. Das war es wieder, eines jener Dinge, an denen ich mich früher erfreut hätte. Heute lebte ich jedoch einfach daran vorbei, ignorierte es, war viel zu sehr mit mir selbst und meinen Gedanken beschäftigt. Ich drehte mich, nachdem ich die Haustür verlassen hatte, nach links um, um zu meiner U-Bahn-Station zu gelangen. Der Weg ins Krankenhaus wäre zu weit, um ihn zu laufen.
 

Aus der U-Bahn-Station kommend atmete ich erst einmal mehrmals tief durch, um meine Lungen wieder mit frischem Sauerstoff zu füllen. Ich hatte ganz vergessen, wie stickig die Luft in einer U-Bahn war. Der weiße Dunst, den ich ausatmete, verflüchtigte sich und wurde schnell mit der Luft eins. Er verschwand, war flüchtig, wie alles andere in meinem Leben. Die Menschenmenge hinter mir drängte mich weiter nach vorne und ich beschloss meinen Weg wieder aufzunehmen. Das Krankenhaus. Ich verband mit diesem Ort so viele schlechte Erinnerungen. Hier wurde mir damals als Kind gesagt, dass meine Mutter tot ist. Und hier wurde mir mitgeteilt, dass Nojiko unseren Autounfall nicht überlebt hatte. Ich hatte diesen Ort wirklich hassen gelernt. Alles in mir widerstrebte sich, dieses schreckliche Gebäude ein weiteres Mal zu betreten, ein weiteres Mal zu sehen, in welchen Mauern und Fluren meine Mutter und Schwester verstorben sind. Meine einzige, geliebte Familie. Ich war jetzt ganz allein. Allein auf dieser einsamen Welt, mit meinem einsamen Leben ohne einen einzigen Lichtblick.
 

Ich schlürfte durch die große, sich automatisch öffnende Tür, welche sich mit einem leisem Quietschen hinter mir schloss. Nun stand in der mit Neonlicht beleuchteten Eingangshalle des Krankenhauses und wäre am liebsten schon wieder heraus gerannt. Das tat ich aber nicht. Stattdessen schlürfte ich weiter zum Empfang um mich anzumelden. Und hätte im nächsten Moment am liebsten laut aufgestöhnt. Hinter dem Tresen saß Valentine. Diese Frau, mit ihren kurzen, blonden Haaren, war schlichtweg der Horror. Sie trug immer noch diese viel zu großen Zitronenohrringe und den dazu passenden Hut, in einem ätzendem Gelb. Ihre Stimme quietschte als wollte sie damit Glasscheiben zum zerbersten bringen. Das schrecklichste war jedoch dieses breite Dauergrinsen, mit dem sie, wann immer ich sie sah, durch die Gegend hüpfte. Das und ihre dazu gehörige gute Laune. Sie merkte noch nicht einmal, wie sehr sie mir mit diesem Dauerhoch der Emotionen auf die Nerven ging. Ich konnte es momentan einfach nicht ertragen glückliche Menschen um mich herum zu haben. Valentine sollte aber heute glücklicherweise nicht allzu viel mit mir reden, da in dem Moment, in dem sie den Mund öffnete und zum Sprechen ansetzte, Kuleha aus einem Behandlungszimmer hervortrat. Sie packte mich am Arm und zog mich in ihr Behandlungszimmer , wo sie allerdings noch ein wenig wartete. Ich war nur froh, dass sie keiner dieser pseudonetten Menschen war, die einen bei jeder Gelegenheit fragten, wie es einem ging. Ich hatte mich in letzter Zeit darauf festgelegt, mir ein Lächeln abzuringen und zu behaupten, dass es mir gut ginge. Menschen, die mich noch nicht so lange kannten, glaubten mir dieses Schmierentheater, lediglich meine Freunde durchschauten mich jedes Mal aufs Neue. Meine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als es an der Tür klopfte. Kuleha bat schon beinahe beiläufig herein, während sie ihren Schreibtisch umrundete und augenscheinlich nach meiner Akte suchte. Die Tür öffnete sich und herein trat einer junger Mann, ich schätzte ihn um den Anfang bis Mitte 20. Er hatte rabenschwarzes Haar, welches ähnlich wie Luffy's wirr in allen Richtungen von seinem Kopf ab stand, schwarze Koteletten und ein kleines, schwarzes Kinnbärtchen. Seine Ohren wurden von jeweils zwei kleinen, goldenen Ohrringen geschmückt. Am meisten faszinierten mich jedoch seine Augen. Sie waren grau. So grau, wie der wolkenverhangene Winterhimmel, wie ein Sturm, wenn man mitten hinein blickte. Kuleha stellte mir den Neuankömmling als Trafalgar Law vor. Ein junger Arzt, frisch von der Uni, der momentan seine Assistenzzeit in diesem Krankenhaus abarbeitete. Law nickte mir zur Begrüßung einmal höflich zu, ich hob nur kurz meine Hand zum Gruß. Kuleha drückte ihm schnell meine Akte in die Hand und ließ uns zwei dann alleine, mit dem Verweis, sie wäre bei der Visite im Stockwerk über uns zu finden. Law öffnete den Hefter und studierte meine Akte, während ich mich leicht an die Wand anlehnte und meine Augen schloss. Vor meinem inneren Auge blitzte das Bild meiner älteren Schwester auf. Ich sah in ihre großen Augen, die die pure Freundlichkeit ausstrahlten, sah ihr herzensgutes Lächeln. Ihre Haare, die sie seit geraumer Zeit wachsen ließ und die ihr schon über die Schulter fielen. Ich atmete einmal tief ein und aus, um mich zu beruhigen. Es fehlte mir noch, dass ich in aller Öffentlichkeit anfing zu weinen Das konnte ich auch getrost Zuhause tun. Dort konnte ich mich in ein weiches Federbett wickeln, mich von dieser wohligen Wärme umhüllen und meinen Tränen freien Lauf lassen. Ich könnte die ganze Nacht durch heulen, niemand würde es hören, niemand würde etwas dagegen unternehmen, niemanden würde es interessieren. Ich wäre allein. Allein mit meiner Trauer. Allein mit meinen Tränen. Allein mit dem Schmerz meines Verlustes. Erst Law's Räuspern holte mich wieder zurück in die Realität, zurück in das verhasste Krankenzimmer. Der junge Arzt legte gerade meine Akte beiseite, auf das Medikamentenschränkchen und trat auf mich zu, mir dabei erklärend, dass dies eine simple Routineuntersuchung wird. Es war mir eigentlich egal, sollte er ruhig machen. Ich könnte jetzt natürlich behaupten, dass ich ihm vertrauen würde, aber das wäre eine Lüge und eine ziemlich schlechte noch dazu. Tatsache war nun einmal, dass mein Vertrauen in Ärzte, Chirurgen, allgemein in alles, was einen weißen Kittel trug, erschöpft war. Ich konnte und wollte diesen Menschen einfach nicht mehr vertrauen. Gleichzeitig war es mir aber auch egal, was diese Ärzte jetzt mit mir anstellten.
 

„Du kannst dich wieder anziehen“, wies Law mich an, während er irgendetwas in meiner Akte notierte. Ich zog mir den Pullover wieder über den Kopf und zog den Reißverschluss am Halsteil wieder zu. Law enttäuschte es sichtlich, dass ich nicht auf seinen Kommentar reagiert hatte. Kein Wunder, mit dem Aussehen brauchte er wahrscheinlich nur einmal schnipsen und schon hingen ihm drei Frauen am Hals. Wenn nicht noch mehr. Unter normalen Umständen wäre ich auch darauf angesprungen, dann hätte ich etwas freches, leicht zweideutiges erwidert. Momentan befriedigte es mich jedoch auch, ihn von meiner Position aus vernichtend anzusehen und ihm still irgendeine Krankheit an den Hals zu wünschen. Ich mochte ihn genauso wenig wie Valentine. Er war nämlich der gleiche Typ wie sie. Nur das sein breites Lächeln eher einem überheblichem Grinsen glich und seine Stimme nicht annähernd hoch genug war um Gläser zu zerbrechen. Aber diese dauerhafte gute Laune, die sie allen immer vorlebte, die besaß er auch und er machte leider auch kein Geheimnis daraus. Noch einmal studierte er intensiv meine Akte, es war beinahe lächerlich wie lange er auf dieses Stück Papier schaute, dann wandte er sich wieder mir zu: „Soweit siehst du gesund aus. Ich verschreibe dir nur etwas mehr Lebensfreude“ Beinahe hätte ich laut aufgelacht. Er verschrieb mir Lebensfreude? Seit wann bekam man diese denn in der Apotheke? Lebensfreude ... . So etwas besaß ich nicht mehr, die hatte mich schon lange verlassen. Ich hatte sie bisher auch nicht vermisst, meine Trauer nahm nun meinen Tag ein und sie war ein Begleiter an den ich mich mit der Zeit gewöhnt hatte. Ich war es gewohnt, dass jedes Lied aus dem Radio mich an meine Schwester erinnerte, dass jeder Film, den ich zusammen mit ihr gesehen hatte, auf einmal todtraurig wurde, selbst die lustigsten Komödien. Und er wollte mir jetzt Lebensfreude verschreiben? Den Rezeptschein hätte ich gerne mal gesehen. Statt laut aufzulachen, entschied ich mich für ein kleines Seufzen. Und statt etwas provokantes zu erwidern, murmelte ich lustlos: „Probier's ruhig“ Ich hatte ja nicht ahnen können, dass er das als eine Herausforderung ansah. Tatsächlich nahm er seinen Rezeptblock und einen Stift, schreib kurz etwas darauf und drückte mir den Zettel in die Hand. Dann begleitete er mich noch bis zur großen Tür des Krankenhauses, verabschiedete sich an dieser von mir. „Bis bald“ Konnte ihm mal bitte jemand dieses Grinsen aus dem Gesicht wischen? Innerlich rief ich mich zur Ruhe, ich würde diesen Mann sowieso nie wieder sehen. Zumindest nicht so schnell, wie es sein 'Bis bald' vermuten ließ. Ich hatte nicht vor dieses Krankenhaus auch nur noch ein einziges Mal in meinem Leben zu betreten.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  sama-chan
2018-12-17T20:47:41+00:00 17.12.2018 21:47
Ok. Law ist mir in deiner Geschichte schon mal auf Anhieb sympathisch! Ich will wissen, was er auf das Rezept geschrieben hat! Vielleicht seine Handynummer? Dr. Kuleha weiß doch bestimmt, wie man junge depressive Frauen zum Lächeln bringt - mit jungen lebensfrohen Männern. 😁👍
Von:  Namisa
2015-03-21T06:17:28+00:00 21.03.2015 07:17
Kann mir schon vorstellen was auf den Zettel drauf stand ;)
Super Kapi^^
Antwort von:  FairyPirate
21.03.2015 17:25
Mal schauen,ob du Recht hast :)
Von:  theimmortals
2015-03-20T19:23:15+00:00 20.03.2015 20:23
schönes Kapi


Zurück