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Memories

von

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Broken Past

Das alles kam ihm so irreal vor, als würde er träumen und ohne die Situation gänzlich erfasst zu haben, wünschte sich bereits ein Teil von ihm, dass dies lediglich ein Alptraum war und neben ihm nicht wirklich der blutüberströmte Körper der Person lag, die ihm alles bedeutete.
 

„Sir?“ Wieder vernahm er die Stimme neben sich, nachdem er sich von dem Mann abgewandt hatte, um Taka fassungslos anzustarren. Sein Körper reagierte nicht auf seine verzweifelten Versuche sich zu bewegen, dem Kleineren zu helfen. Nichts reagierte. Nichts an ihm. Die Welt um ihn herum jedoch bewegte sich unaufhörlich und das obwohl sich der Blonde nichts mehr wünschte, als dass sie anhielt. Oder noch besser, dass die Zeit zurücklief. Hätte er den Wagen doch nur früher gesehen, wäre er aufmerksamer gewesen, hätte er sich nicht so auf Banalitäten konzentriert und-

Toru fuhr herum, als er eher unsanft aus dem Fahrzeug gezogen wurde, leistete jedoch keinerlei Widerstand des Schockes wegen. Noch einmal sah er zu seinem Verlobten, die Augen weit aufgerissen. Alle Emotionen und Worte, welche seine Stimme nicht aussprechen konnte, lagen in seinem Blick, doch wer war dieser Sprache schon mächtig?

Taka war es. Taka wäre es.

Das alles war zu viel für ihn, in seinem Kopf hämmerte es und erst jetzt, wo er den diesen durch die aufrechte Haltung leicht senkte, bemerkte Toru, wie ihm ein Rinnsal Blut von der Stirn tropfte. Die ersten Helfer scharten sich bereits um ihn, tupften ihm dieses von der Haut und stützten ihn, bewegten sich auf eine für ihn bereitgestellte Trage zu.
 

„Taka…“, schaffte er mit kratziger Stimme zu wispern, war im Begriff sich wieder zu dem kleinen Körper umzudrehen, doch seine Beine gehorchten ihm nicht und sie zu verfluchen wäre zu kraftaufwendig gewesen. Niemand hörte sein stimmloses Flehen. Niemand der Helfer und schon gar nicht der Mann, an den dieses gerichtet war. Es war hoffnungslos und so frustrierend.
 

„Sir, bitte legen Sie sich, wir versorgen ihre Wunden und fahren Sie anschließend ins Krankenhaus.“ Toru leistete den Anweisungen des Ersthelfers eher unbewusst Folge, wurde er doch von den anderen praktisch auf diese verfrachtet. Es sollte ihm gleichgültig sein, alles war ihm gleichgültig. Alles außer dem kleinen Lockenkopf, dessen Präsenz sich noch die ferner angefühlt hatte. Der Blonde wollte weinen, schreien, alle Götter dieser Welt anbeten, die Zeit doch bitte zurückzudrehen und ihm dieses Leid zu ersparen und sie verfluchen, falls sie dies nicht täten. Nie in seinem Leben fühlte sich Toru unfähiger, nie in seinem Leben fühlte er sich einsamer und nie in seinem Leben hasste er sich und was er getan hatte so sehr wie jetzt.
 

„Hey,“, brachte er hervor und hielt einen vorbeilaufenden Polizisten am Saum seiner Jacke fest. Wenigstens die Kraft schaffte er aufzubringen. Der Beamte drehte sich etwas perplex um. „was ist mit ihm?“ Schwach aber bestimmt neigte Toru seinen Kopf leicht in Takas Richtung und sah wie der Mann kurz seinen Blick abschweifen ließ, als wäre ihm etwas unangenehm. Etwas in Toru zog sich zusammen.
 

„Er lebt, aber zum jetzigen Zeitpunkt kann ich Ihnen Weiteres leider nicht genau sagen.“ Ein Teil in dem Blonden entspannte sich, woraufhin ein anderer begann sich anzuspannen, da ihm der Polizist keine genaue Auskunft geben konnte. Weitere Sirenen klangen in der Ferne. „Es war nicht Ihre Schuld gewesen, der Führer des anderen Wagens hat Ihnen die Vorfahrt genommen, er ist tot.“ Plötzlich erinnerte Toru sich wieder an das schwarze Auto, welches plötzlich aus dem Nichts auf Takas Seite aufgetaucht war, die ganze Szene spielte sich vor seinem inneren Auge erneut ab, wie er Gas geben wollte, vorher noch mit Taka gescherzt hatte und diesen plötzlich anschrie, als die vorher unbemerkt gebliebenen Scheinwerfer neben ihnen erschienen, noch eine Hand ausstreckte, aber es bereits zu spät war. Alles überkam ihn wieder, Adrenalin schoss durch seinen Körper und mit weit aufgerissenen Augen und voller Panik richtete sich der Blonde auf, um sich im nächsten Moment unkontrolliert auf den Asphalt neben sich zu übergeben.
 

„Ein Handtuch!“, rief einer der rot gekleideten Männer und bekam schon wenige Sekunden später das angeforderte Objekt, tupfte Toru damit den Mund ab und drückte ihn sachte zurück auf die Trage, die sich nun in Bewegung setzte. Der Blonde wollte so sehr weinen, aber er konnte nicht. Sein Körper fühle sich so kalt und leblos an, als wäre es nicht sein eigener.
 

„Taka…“, murmelte er ein weiteres Mal, diesmal jedoch laut genug, dass zumindest der Ersthelfer, der ihm zuvor das Handtuch gegeben hatte, sich zu ihm drehte. Seine Haare waren lockig und schwarz. Ähnlich wie die von Taka. Wieder fühlte Toru sich nach Übergeben, versuchte aber dieses Gefühl zu unterdrücken, würde sich aber auch nicht wundern, wenn sich sein Körper abermals gegen seinen Willen richtete. Was machte es schon?
 

„Ich weiß leider nicht genau, was mit Ihrem Freund passiert ist, aber ich versichere Ihnen, dass er sich in den besten Händen befindet. Sie werden zum jetzigen Stand der Dinge in dasselbe Krankenhaus gebracht, jedoch werden Sie glücklicherweise nicht auf die Intensivstation müssen.“ Es gab vieles an diesen Sätzen, was der Blonde gerne verbessert hätte. Dass Taka nicht sein Freund, sondern sein Verlobter war, dass egal in welchen Händen sich der Kleine befindet, Toru das keineswegs beruhigte und auch, dass man wohl kaum von Glück reden konnte, wenn die Person, die einem Alles bedeutete, der eigenen Schuld wegen so schwer verletzt wurde, dass Sie auf die Intensivstation muss. Es gab so vieles, was Toru an diesen Sätzen hätte verbessern wollen, doch es fehlte ihm einfach die Kraft. Mittlerweile befanden sie sich im Krankenwagen und der Blonde spürte, wie die ersten Nadeln ihren weg in seine Haut fanden, die ersten Verbände angelegt wurden und die Sirenen allmählich leiser wurden, da sich das fahrende Fahrzeug von der Unfallstelle entfernte. Und von Taka.

„Sie hatten unglaubliches Glück, nur mit ein paar Prellungen und Verstauchungen diesem Crash entkommen zu sein. Ihr Schutzengel muss wirklich gut auf sie aufgepasst haben.“ Wieder diese falsche Verwundung des Wortes „Glück“. Was war an all diesen Gegebenheiten Glück? Wieso hatte es ihn nicht getroffen, sondern den kleinen Schwarzhaarigen, der doch mit der gesamten Situation während des Unfalls so gar nichts zu tun hatte, nur neben Toru saß, ihn sogar Minuten vorher daran erinnerte, seine Aufmerksamkeit dem Straßenverkehr zu widmen. Wieso traf es Taka?
 

„Das hat er.“, antwortete er monoton und starrte nur an die weiße Decke des Krankenwagens, dessen Martinshorn ihm so fern vorkam, wie durch deine Glaswand. Die Augen des Blonden begannen zu brennen und beinahe rechnete er damit, endlich fähig zu sein, Tränen zu vergießen, doch es blieb nur bei dem Kribbeln in seinen Lidern, ehe er diese langsam schloss, als die Wirkung der Medizin einsetzte. Womit hatte sein Schutzengel das verdient?
 

- - -
 

„Ich kann das Geräusch nicht mehr hören.“, murmelte Toru auf das Martinshorn bezogen, und sah in die Richtung, in die der Krankenwagen verschwunden war, fragte sich innerlich, welcher Person wohl diesmal etwas genommen wurde, was sie liebte. Augenblicklich krampfte sich seine Brust zusammen und er seufzte.
 

„Wir treffen uns bei Tomoya, wir dachten das sei besser, als wenn wir dich jetzt in die Öffentlichkeit setzen, weil…naja, weil du wahrscheinlich deine Ruhe willst und die auch dringendst brauchst.“ Wären die Umstände andere gewesen, so hätte Toru vermutlich über die Fürsorglichkeit seines besten Freundes geschmunzelt, so aber nickte er nur zustimmend uns sah anschließend wieder aus dem Fenster. Er verspürte nicht den Drang zu reden, was sollte er ohnehin schon groß sagen? Abgesehen von Schwestern, Ärzten und Polizisten hatte er in der vergangenen Woche nicht viele Menschen zu Gesicht bekommen und das war ihm auch Recht so. Auch wenn es seine Bandkollegen nur gut meinten, wäre es nach ihm gegangen, so würde er Tag und Nacht am Bett seines Verlobten wachen, was jedoch aufgrund seiner bereits vollzogenen Entlassung nicht mehr möglich war. Wenigstens einen scheiß Arm hätte er sich doch brechen können, dann hätte er jetzt noch länger im Krankenhaus bleiben müssen und müsste die Zeit mit Taka jetzt nicht auf die blöden Besucherzeiten reduzieren.
 

„...en?“ Aus den Gedanken gerissen wandte Toru seinen Blick von dem mit Regentropfen besprenkelten Fenster ab, durch das er ohnehin nichts wirklich fokussiert hatte und sah Ryota, der an einer Kreuzung zum Halten gekommen war, entschuldigend an.
 

„Sorry, ich war mit meinen Gedanken woanders, was sagtest du?“ Der Brünette formte nur ein verständnisvolles Lächeln, als sein Freund ihn so verloren ansah. Die sonst schon ohnehin präsenten Augenringe des Blonden waren noch viel dunkler und auch sein helles Haar hing ihm achtlos in die Stirn. Viel Schlaf schien der Ältere in den vergangenen Tagen nicht gehabt zu haben, was Ryota zwar gewissermaßen widerstrebte, aber in Anbetracht der Situation verständlich war, daher wagte er es nicht, Toru darauf anzusprechen, zumindest nicht direkt.
 

„Schon okay, ich fragte nur, ob du heute schon was gegessen hast, ansonsten würden wir bei Tomoya was bestellen, wenn du bock hast. Selber kochen wäre bei uns dreien dann doch eine mittelschwere Katastrophe.“, meinte Ryota und fuhr an, da die Ampel grün anzeigte. Toru zwang sich zu einem Lächeln auf die gut gemeinten Worte des Jüngeren hin, obwohl seine Augen abermals anfingen zu brennen. Wenn sie sich zu viert trafen, war es immer Taka der kochte und ihnen zumeist Anweisungen gab in der Hoffnung, dass die drei Instrumentalisten es doch eines Tages auch hinbekämen, sich selbst ohne seine Hilfe zu versorgen. Doch jetzt ohne Taka würde niemand in der Küche stehen und sie schief von der Seite angucken, wenn sie das Gemüse umständlich schnitten, oder nicht wussten, wie manch Küchengerät benutzt wurde. Es würde niemand da sein, der Tomoya frei aus einer Laune heraus den Kochlöffel auf den Hintern haute. Es würde niemand vorm Herd stehen und Toru in Abwesenheit der anderen zärtliche Küsse auf die Wange drücken und anschließend so tun, als wäre nichts gewesen. Es würde niemand da sein der-

„Also?“
 

„Nein. Nein, ich hab noch nichts gegessen. Aber ich weiß auch nicht, ob ich was runterbekomme, ehrlich gesagt.“, gestand Toru. Dass er sich seit Tagen lediglich von Wasser und einem Schokorigel täglich, den er morgens routinemäßig am Krankenhaus Kiosk kaufte ernährte, verschwieg er Ryota. Er wollte dem Bassisten nicht mehr Sorgen bereiten, als er bereits hatte, immerhin litten er und Tomoya ebenfalls unter der Situation. Taka war ihr engster Freund.
 

„Ich verlange ja auch nicht von dir, dass du eine ganze Pizza verdrückst, ich will einfach nur sehen, dass du deinem Körper zumindest ein paar Proteine zuführst, denn die hast du deinem Aussehen nach ehrlich gesagt bitter nötig, du Zombie.“ Ryota versuchte locker zu klingen, wollte seinen Freund etwas ablenken. Aus dem Augenwinkel sah er, dass sich die Mundwinkel des Blonden zumindest ein wenig hoben und gab sich mit dieser Reaktion zufrieden.

Den Rest der Fahrt verbrachten sie schweigend, was Toru wohl gerade am besten tat, ehe sie auf den Parkplatz, der zum Wohnkomplex gehörte, in dem Tomoya wohnte, fuhren und den Wagen dort abstellten.

Es war bereits einige Zeit vergangen, seit Toru das letzte Mal bei ihrem Drummer gewesen war. Die meiste Zeit trafen sie sich bei ihm oder Taka, ganz einfach aufgrund von mehr Platz und der Lage ihrer Wohnungen, die im Vergleich zu Tomoyas und Ryotas doch deutlich weiter im Zentrum der Stadt lagen. Es kam dem Blonden nicht so vor, als habe sich seit seinem letzten Besuch etwas verändert, als er dem Brünetten in das Gebäude folgte, nachdem dieser angeklingelt hatte, aber eigentlich hatte er ohnehin nie groß auf die Umgebung geachtet, war er doch stets in hitzige Gespräche mit seinen Bandkollegen verwickelt gewesen.

Auf dem Weg durchs Treppenhaus griff der Blonde nach dem Eisengeländer, um sich etwas festzuhalten, da seine Beine vom langen Liegen und den ganzen Medikamenten doch noch etwas schwach waren und fuhr zusammen, sowie ein lautes Klirren seine Ohren erreichte. Wie wachgerüttelt bleib Toru stehen und musterte seine linke Hand, nachdem er diese wieder vom Geländer genommen hatte.
 

„Der Ring…“, murmelte er eher zu sich selbst, da er noch gar nicht realisiert hatte, dass sein bester Freund ebenfalls stehen geblieben war und ihn nun mit einem besorgten Blick musterte.

Das metallische Geräusch wurde verursacht von seinem silbernen Verlobungsring, der in Torus Bewegungsablauf an das matte Treppengeländer gekommen war. Das Schmuckstück war ein wenig verrutscht, sodass „Ta“ von Torus kleinem Finger verdeckt wurde, was der Blonde jedoch sofort korrigierte und anschließend sachte mit dem Finger über die verschnörkelte Gravur strich. Für gewöhnlich erinnerte ihn der Anblick des silbernen Objektes daran, dass es Taka und ihn für immer miteinander verband, da der Lockenkopf das Gegenstück trug, doch jetzt gerade löste er genau das Gegenteil in Toru aus.

Sein Lockenkopf trug den Ring nicht und Toru war sich auch nicht sicher, ob er es je wieder könnte, das Schmuckstück lag in ein kleines Säckchen gepackt bei sich zuhause sicher in einer Schublade, wo er seinen früher oder später wohl auch hintuen würde. Er hatte Taka mit Abnahme dieses Ringes seiner Vergangenheit beraubt und das einzig und allein aus Egoismus, aus Angst davor, einer Zukunft zu begegnen, in der sich Taka nicht mehr in ihn erinnern würde. In der Taka ihn nicht mehr lieben würde. Toru würde den Ring früher oder später ohnehin zurückbekommen, also was machte es schon für einen Unterschied? Wieso sollte sich Taka ein zweites Mal in ihn verlieben, wieso sollte dem Blonden ein solches Glück ein zweites Mal wiederfahren, wo er doch so jämmerlich versagt hatte, seinen Liebsten zu beschützen? Welches Recht hatte er, derartige Entscheidungen zu treffen, zu entscheiden, dass Taka noch einmal ganz von vorne, ohne ihn als Verlobten beginnen sollte? Es war jämmerlich, es war feige. Doch wie konnte er es ertragen zu sehen, wie der Lockenkopf keinen blassen Schimmer hatte, wer er war? Wie sollte er bloß dazu in der Lage sein, Taka nach all dem wieder als einen gewöhnlichen Freund anzusehen – wohlmöglich für immer? Und wie zum Teufel sollte er dazu fähig sein, die Präsenz einer Person zu ertragen, die noch immer dieselbe war, jedoch nicht mehr wusste, wer man war, obwohl man noch Wochen zuvor das Wichtigste im Leben dieser Person war?
 

Ohne, dass Toru es wirklich bemerkte, sank er zu Boden, den Ring fest umklammert und brach in Tränen der Verzweiflung aus.



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