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Drowning

LawxRuffy
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
3 Monate kam nun schon kein neues Kapitel mehr und ihr könnt euch nicht vorstellen, wie Leid mir das tut. Es ist so viel passiert und ich hatte einfach keine Zeit oder Motivation zum Schreiben. Doch ich würde diese Geschichte niemals abbrechen, da sie mir viel zu sehr am Herzen liegt. Ich hoffe also, ihr seid mir nicht zu böse und freut euch über das Update. Um mit der Geschichte voranzukommen versuche ich trotz Lernstress (den wir alle haben) zumindest jeden Monat ein Kapitel hochzuladen. Danke für alle Favos und Kommentare, die bedeuten mir wirklich sehr viel! :) Komplett anzeigen

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Gained Clarity

Ich musste ihn finden. Irgendwie, so schnell wie möglich.
 

Meine Lungen brannten und meine Füße drohten nachzugeben, doch wollte ich einfach nicht stehen bleiben.
 

Im Gegensatz zu den letzten Tagen, in denen mein Kopf voller Gedanken und Überlegungen gewesen war, herrschte nun eine plötzliche Leere.
 

All' die Angst, Aufregung, Vorfreude und Neugier, all' diese Gefühle - sie schienen wie weggeblasen und wurden von einem einzigen übermannt.
 

Der Sorge.
 

Sie lag wie ein riesiger Lastwagen auf mir, zerdrückte mich und raubte mir die Luft, die ich zum Atmen brauchte.
 

Doch auch die Schmerzen der Atemlosigkeit hinderten mich nicht daran, weiter zu laufen.
 

Weiter zu ihm.
 


 

-
 

„Oh, da seid ihr ja“, die kleine, blondhaarige Frau, welche ich erst heute Mittag zuletzt gesehen hatte, lächelte uns freundlich entgegen, nachdem sie die Tür geöffnet hatte. Aus dem Haus strömte mir sofort der Geruch von frisch zubereitetem Truthahn entgegen und wenn ich mich nicht täuschte, sollte es auch noch Kartoffeln geben. In diesem Fall täuschte mich meine Nase jedenfalls äußerst selten.

Die Frau schaffte sich damit unweigerlich Punkte bei mir, die sie auf meiner Beliebtheitsskala knapp über die Null beförderten. Immerhin. Ich wusste, dass ich nicht über sie urteilen konnte, so wenig, wie ich sie kannte, doch bei Dingen wie diesen folgte ich einfach meinem Gefühl.
 

„Wir hatten keine andere Wahl“, kam es von Law zurück. Er klang kühl und distanziert, so wie eigentlich immer, wenn er mit fremden Personen sprach und damit ignorierte, dass es eigentlich seine Mutter und keine Unbekannte war. Es war natürlich nichts Neues, ihn so zu hören, auch wenn mir dieser Ton in seiner Stimme noch immer eine leichte Gänsehaut bescherte. Ich mochte diese Kälte nicht und war froh, dass er mich – aus welchen Gründen auch immer – nicht so behandelte. Keine Ahnung wie ich damit umgehen würde, wenn es so wäre. Mögen würde ich ihn dann allerdings sicherlich nicht.
 

Das Lächeln der blonden Frau wurde ein wenig kleiner, ehe sie eine einladende Geste in ihre Richtung machte. „Kommt doch rein“, ignorierte sie Laws letzten Satz, sowie die damit verbundene Kälte und versuchte sich daran, herzlich zu klingen, was ihr irgendwie nicht so richtig gelang. Meiner Meinung nach passte es auch gar nicht richtig zu ihr.

Camilla schien, was ihren Charakter anging, Ähnlichkeiten mit Laws aufzuweisen. Schon kurz nach dem Schockmoment im Supermarkt, als sie ihrem Sohn auf so unerwartete Weise über den Weg gelaufen war, hatte sie sich wieder zusammengerissen und mit weniger Offenheit agiert. Trotzdem sagte mir mein Gefühl, dass sie keinesfalls ein schlechter Mensch war. Irgendwas ließ mich glauben, dass sie sich wirklich um Law sorgte und ihn in seiner Abwesenheit vermisst hatte.
 

Da meine beiden Mitbewohner die Blonde nur ausdruckslos musterten und sich nach dieser Aufforderung an ihr vorbeischoben, fühlte ich mich dazu verpflichtet, ihr ein freundliches Lächeln zu schenken. Ich war mir nicht sicher, ob sie es sah, allerdings hörte ich sie aufseufzen, kurz nachdem sie die Tür hinter uns geschlossen hatte. Dann ging sie wieder nach vorne zurück, um uns in ein anderes Zimmer zu führen, wobei ihre hohen Schuhe auffällig laut klackerten.
 

Der Flur war bereits prunkvoll, wie ich fand. Mein umher schweifender Blick war voller Faszination für die hohen, weißen Wände, großen Fenster und moderne Einrichtung. Mir kam es vor, als wäre ich in einer dieser bekloppten Hollywoodfilme, in denen Villen Schlössern glichen und alles friedlich, wunderschön und problemlos ablief.

Doch dies hier war die Realität. Und in dieser gab es immer Probleme und Strapazen.

An der Decke hing ein kleiner Kronleuchter, welcher leuchtete, wie ein riesiger Weihnachtsbaum. Ein wenig kitschig, wie ich fand, doch trotzdem passte es in die Einrichtung hinein. Interessiert betrachtete ich die in Stein gemeisselten Bilder, welche dem Raum einen künstlerischen Ton verliehen und ihn unsagbar teuer scheinen ließen.
 

Camilla führte uns anschließend in einen anderen, großen Raum, dessen gegenüberliegende Wand nur aus Fenstern und einer Terassentür bestand. So konnte man die Bäume des Waldes und den Rasen im Garten sehen, sowie einen kleinen Springbrunnen, der fröhlich vor sich hin plätscherte. Die Einrichtung des Raumes bestand währenddessen nur aus einem wirklich riesigem Tisch, welcher aus weißem Holz gemacht worden war und dazugehörigen Stühlen, die neben diesem standen. Es könnten sicherlich über fünfzehn Leute daran sitzen, wenn nicht noch mehr. Außerdem war er mit mehr Essen gefüllt, als wir jemals zu uns nehmen könnten. Und wenn so jemand wie ich dies sagte, dann sollte dies schon etwas heißen.
 

Wie selbstverständlich ließ Kid sich auf einem der Stühle nieder, streckte seine Beine aus und legte sie auf die zwei nächsten Stühle neben sich. So unglaublich lang wie sie waren, könnten sie sicherlich noch einen dritten ausfüllen. Für die beiden anderen schien dies nichts Neues zu sein, da sie sein mangelndes Benehmen still zur Kenntnis nahmen und sich anschließend ebenfalls setzten. Etwas zögerlich ließ ich mich neben Law auf der gegenüberliegenden Seite nieder und blickte erwartungsvoll zu Camilla, welche leicht nervös zu sein schien. Und das, obwohl es sich um ihren Sohn handelte. Einer Person, die sie schon seit seiner Geburt kennen musste.
 

„Ich... Ich habe euer Lieblingsessen gemacht, Jungs“, versuchte sie es auf die freundliche Art und deutete auf irgendein Grünzeug, von dem ich wirklich keine Ahnung hatte, was es darstellen sollte. Ich war eher auf Fleisch spezialisiert... und auf Süßigkeiten. Von Gemüse wusste ich echt gar nichts.

Der Versuch, sie oder vor allem Law aus der Reserve zu locken und irgendwie zu einer Reaktion zu bewegen, schlug allerdings fehl. Nur Kid warf ihr einen amüsierten Blick zu, welcher ihr wohl zeigen sollte, wie armselig dies gewesen war. Und wenn ich ehrlich sein durfte, tat sie mir fast schon ein wenig Leid. Wie ein Häufchen Elend saß sie auf ihrem Stuhl und legte jedem von uns eine beachtliche Menge mit verschiedenen Gerichten auf den Teller, während Kid sie spöttisch beobachtete. Und wenn der Kerl einen auf diese Art und Weise ansah, dann verursachte das wirklich eine unglaubliche Unsicherheit. Ich wusste wovon ich sprach.
 

Schweigend begannen wir zu essen, beziehungsweise ich, während die anderen Drei still auf ihren Tellern herumstocherten. Es war leise, wie so oft in den letzten Minuten, bis Camilla irgendwann erneut das Schweigen durchbrach, mit einem erneutem Versuch, ein einigermaßen brauchbares Gespräch zu schaffen.

„Der Wagen da draußen... der gelbe Porsche... er war eigentlich ein Geschenk zu deinem Zwanzigstem“, meinte sie ein wenig unsicher klingend. Sofort erinnerte ich mich an Kids Worte, als er mir erzählt hatte, dass sie versuchte, sich Laws Zuneigung zu erkaufen. Ich warf einen wissenden Blick in Kids Richtung, welcher automatisch begann, verräterisch zu husten, sodass Camilla ihn fragend ansah.
 

Law schüttelte währenddessen nur seinen Kopf und lächelte ein wenig spöttisch, was bei ihm unglaublich gehässig wirkte. Ich würde ihm niemals so begegnen wollen. Dann legte er sein Besteck ab und wand seine Augen zum ersten Mal von der schneeweißen Tischdecke ab, um seiner Mutter in die Augen zu blicken.

„Was willst du von mir?“, fragte er ziemlich direkt, seine grauen Augen wirkten aus irgendeinem Grund ein kleines bisschen flehend, so, als ob er sich nichts weiter als eine ehrliche Antwort wünschte, mit welcher er daraufhin wieder verschwinden konnte. Wahrscheinlich stellte er sich diese schon sehr lange und vielleicht war dies eines der einzigen Dinge, die er wirklich von ihr wissen wollte.
 

„Ich will nichts Besonderes von dir“, antwortete sie darauf mit leicht zitternder Stimme. Ihre eisblauen Augen hielten seinem Blick nur wenige Sekunden stand, ehe sie diesen wieder nach unten senkte. „Das, was ich will, ist nur, dich endlich wiederzusehen“, erklärte sie und klang dabei so ehrlich, dass ich ihr sofort Glauben schenkte.
 

„Warum?“, fragte er darauf und klang unglaublich abwesend. So, als ob er mit den Gedanken ganz woanders wäre. Vielleicht in der Vergangenheit, in einer Zeit, die sich nie wiederholen würde. Vielleicht aber auch in der Zukunft, die sich stetig änderte.
 

„Ich habe dich jahrelang nicht gesehen, du hast dich kein einziges Mal gemeldet!“, entkam es ihr schnell, beinahe ein wenig hysterisch. Sie biss sich auf die Unterlippe und wirkte mit einem Mal ziemlich aufgebracht. „Ich verstehe, dass du sauer bist, doch ich bin deine Mutter, Law“, sie sah ihm abwartend in die grauen Augen, welche allerdings durch sie hindurch zu sehen schienen.
 

„Bist du nicht“, gab er nur zurück, wirkte dabei fast schon etwas trotzig. Jedoch führte diese leise, beinahe schon unscheinbare Antwort dazu, dass das Fass überlief. Die Blonde zuckte zusammen, als ob er sie mit diesem Satz geschlagen hätte, ehe ein leichtes Zittern Besitz von ihr ergriff. Ihr Blick schien wässrig, so, als ob nicht mehr viel zum Weinen fehlen würde.
 

Zugegeben, auch mich versetzten seine Worte in tiefes Nachdenken. Man konnte sie ganz verschieden deuten und jede dieser Ansichten hatte eine andere Bedeutung. Er könnte meinen, dass sie als Mutter für ihn gestorben war, weil sie, wie Kid ständig betont hatte, kein wirklich guter Mensch gewesen war. Doch vielleicht steckte auch etwas ganz anderes dahinter, vielleicht waren die beiden nicht wirklich miteinander verwandt. Anfangs hatte ich schließlich auch gedacht, dass sie nicht einmal äußerlich zusammen passten. Ihr Charakter wies zwar einige Ähnlichkeiten auf, doch vielleicht war es das auch schon.
 

„Wieso machst du es mir so schwer, Law?“, kam schließlich die Frage von ihr, voller Schmerz und wenn ich mich nicht irrte, auch ein wenig Reue. Es klang eher so, als ob sie schon wüsste, was Laws eigentliches Problem war und sie dieses trotzdem noch einmal aus seinem Mund hören wollte, um sich ganz sicher sein zu können.
 

Camilla erhielt jedoch keine Antwort, lediglich ein leichtes Kopfschütteln, welches jegliche Möglichkeiten seiner Wortvariation offen ließ. Stattdessen wand er sich wieder dem Essen zu, was uns alle zu dem Entschluss führte, diese sinnlose Fragerei erst einmal außen vor zu lassen. Zumindest glaubte ich, dass die Blonde lieber später noch einmal darauf eingehen wollte, denn sonst würde der Abend bereits in wenigen Minuten zu ende sein.

Und genau das war das Gegenteil von dem, was sie sich erhofft hatte, wenn ich richtig lag.
 

So begann auch ich wieder etwas von diesem – zugegeben - extrem leckerem Hühnchen, welches es bei uns nur zu Thanksgiving gab, zu essen und wartete gespannt auf die nächste Wendung des Themas. Ich wusste nicht, was ich mir von diesem Abend erhofft hatte, doch ganz gleich was es war, es würde sicherlich nicht meinen Vorstellungen entsprechen. Immerhin hätte ich niemals erwartet, irgendwann in dem Haus von Laws Mutter zu sitzen und angespannten Gesprächen lauschen zu können. Meine Anwesenheit stellte sicher ein Problem dar, doch das war mir egal, solange ich nicht rausgeworfen wurde.
 

„Und wie... wie geht es Bonney?“, versuchte Camilla wieder ein Gespräch zu beginnen. Beinahe hätte ich bei der Erwähnung dieses Namens meine Augen verdreht. Mann, wie ich dieses Mädchen hasste. Ich wusste immer noch nicht wirklich was der Grund dafür war, es war einfach so.
 

Falls ihre vorherige Haltung jedoch nicht angespannt gewesen war, änderte sich dies sofort. Während Law nur einen kurzen, kühlen Blick in ihre Richtung warf, schien nun Kid leicht zusammenzuzucken. Oh Gott, die Frau wusste wirklich nicht, wie man guten Smalltalk führte. Und ich dachte schon, dass ich ungeschickt wäre.
 

„Gut“, kam es schließlich gefährlich ruhig von meinem schwarzhaarigem Mitbewohner zurück, was mir fast schon Angst machte. Doch damit war der nächste Versuch gescheitert und ich fragte mich automatisch wie viele noch folgen würden, bis Camilla einsah, dass es nichts brachte, mit Law zu reden. Obwohl ich nicht wusste worum es ging, hatte ich dies bereits verstanden. Was nicht hieß, dass ich es akzeptierte.
 

Gleichzeitig fragte ich mich, warum sie ausgerechnet nach Bonney fragen musste. Klar, sie war Laws Freundin, doch irgendwie passte es mir nicht, jetzt an sie erinnert zu werden. Wir mochten uns überhaupt nicht und dies würde vermutlich auch immer so bleiben. Doch wie sie zu Laws Mutter stand, war mir nicht bewusst. Vielleicht so wie Kid, vielleicht hatte sie auch einen ganz anderen Standpunkt. Warum hatten sie mich und nicht sie mitgenommen, wenn es hier doch nur so von Geheimnissen wimmelte, die ich nicht erfahren sollte und trotzdem mitbekam? Ich schüttelte leicht den Kopf, um auf andere Gedanken zu kommen. Diese ganzen Warum-Fragen gingen mir gehörig gegen den Strich.
 

„Und.. was ist eigentlich mit der Uni? Läuft alles gut? Kommst du klar?“, fragte sie als nächstes, was mich innerlich eindeutig frustriert aufseufzen ließ. Wann würde sie endlich bemerken, was wir alle schon zu Beginn geschnallt hatten? Würde es ihr überhaupt bewusst werden? Oder noch wichtiger: Wusste sie nicht schon, dass Gespräche mit Law meist im Schweigen endeten, wenn er nicht daran interessiert war, diese aufrecht zu erhalten?
 

Wenn sie sich dessen bewusst war und es trotzdem versuchte, dann musste er ihr wirklich etwas bedeuten. Sehr viel sogar. Doch der Schwarzhaarige nahm dies bestimmt nicht wahr. Er war anders als alle Menschen, denen ich jemals begegnet war und vermutlich auch anders als alle, denen ich jemals begegnen würde. Genau diese Tatsache machte ihn besonders und vor allem unvergesslich.
 

„Alles super“, antwortete er kurz, doch er schien noch nicht fertig zu sein. „Ich fange bald mein Praktikum im Hospital an“, fügte er noch hinzu, was die Blonde ungemein glücklich machte. Ihr Gesichtsausdruck wirkte sogleich viel erleichterter, viel erfreuter und dass nur, weil ihr vermeintlicher Sohn einen Satz mehr als üblich ausgesprochen hatte. Man könnte sagen, dass sie mir wirklich Leid tat, allerdings wollte ich nicht wirklich über diese Situation urteilen, weshalb ich es für das Beste hielt, einfach meine Klappe zu halten und zu beobachten. Auch wenn ich eigentlich nicht diese Art von Mensch war, die einfach still und brav das Geschehen betrachtete. Kid sicherlich auch nicht. Doch trotzdem taten wir in diesem Moment so, als wären wir anders, wenn auch nur für wenige Minuten.
 

Manchmal musste man eben vorgeben, jemand zu sein, der man nicht war. Man musste dies tun, um sich anpassen zu können, um sich in Situationen so zu verhalten, wie es am meisten passte und die besten Folgen mit sich brachte.
 

„Oh, das freut mich“, lächelte sie und ich glaubte, dass einen Moment lang Stolz in ihren Augen aufblitzte, der auch wirklich ihrem Sohn galt. Immerhin war ein Medizinstudium sehr anspruchsvoll und die Tatsache, dass Law es so weit schaffte, schien sie glücklich zu machen. Meinen Großvater würde es sicherlich auch freuen, wenn ich so etwas schaffen würde. Leider wussten wir beide, dass ich dazu niemals in der Lage sein würde.
 

„Ich“, wollte sie fortfahren und die etwas lockerere Atmosphäre ausnutzen, doch genau in diesem Moment war das Geräusch eines Schlüssels zu hören und die Haustür wurde unmittelbar danach geöffnet. Sie fuhr alarmierend zusammen und drehte sich mit einer ungeheuren Schnelligkeit um. Wie auf Kommando starrten wir alle gebannt auf den Eingang, um zu sehen, wer derjenige war, der soeben eintrat.
 

Ein großer, schwarzhaariger Mann mit Bart, dessen Augen von einer Sonnenbrille verschleiert waren, betrat den Flur und strich sich die schneeweiße Jacke von den Schultern. Ich hörte sofort, wie Kid ganz leise die Luft einsog, so, als ob er bereits das Schlimmste erwartete. Doch nicht nur er schien erschrocken von dieser Erscheinung. Mit einem Blick zu Law stellte ich nur zu deutlich fest, dass er sich augenblicklich verkrampft hatte. Seine Augen wirkten mit einem Mal etwas glasig und seine Atmung schien sich eindeutig beschleunigt zu haben. Die Atmosphäre, welche vorher schon ziemlich angespannt gewirkt hatte, war nun zu einem riesigen Eisblock gefroren. Niemand von uns traute sich diesen aufzutauen, geschweige denn, ihn überhaupt zu berühren.
 

„Ich bin Zuhause“, ertönte die tiefe Stimme des Mannes, während er seine Jacke an die weiße Garderobe hing. Sie war nicht herzlich oder freundlich, sonder einfach nur monoton und eintönig. Noch immer war es still im Esszimmer. So still, dass man das Rascheln seiner Jacke auch aus dieser Entfernung ganz deutlich vernehmen konnte.
 

„Du hast doch gesagt, dass du erst morgen zurückkommst..?“, fragend und mit einem leicht zitterndem Unterton richtete Camilla sich auf und schob den Stuhl an den Tisch zurück.
 

„Es ging doch schneller als gedacht“, er schien leicht zu schmunzeln, ehe er sich umdrehte und sein durch die Brille versteckter Blick direkt in das Esszimmer traf. „Du hast Besuch?“, fragte er und musterte mich einige Sekunden lang, ehe sein Blick zu meinem Mitbewohner hinüberglitt.
 

Als ob er ihn für eine Halluzination hielt, öffnete er leicht den Mund und nahm sich die Sonnenbrille von der Nase. Es war, als würde alles in Zeitlupe ablaufen.
 

Der Schwarzhaarige beobachtete Law ganz genau. Seine stechenden, dunkelbraunen Augen drohten dabei herauszufallen, wäre nicht Camilla, welche zu ihm geschritten war und zögerlich seinen Arm packte.
 

„Du solltest gehen“, flüsterte sie, doch trotzdem hörten wir alle ihre Worte, als hätte sie diese durch ein Mikrofon gesprochen. Der Typ reagierte allerdings nicht, sondern starrte Law mit einer Mischung aus Verwunderung und Misstrauen wortwörtlich in Grund und Boden.
 

Ich warf ihm einen vorsichtigen Seitenblick zu und konnte erkennen, dass er den Blick erwiderte. Jedoch funkelten seine Augen voller Hass, den ich nicht deuten konnte.
 

Voller Abneigung diesem Mann gegenüber.
 

Bruchstücke des Gespräches von heute Mittag schlichen sich erneut in mein Gedächtnis.
 

„Ich will dich nur wiedersehen, egal wie“, erklärte Camilla ein wenig bedrückt.
 

„Ach und Vergo möchte dies bestimmt auch“, gab Law von sich, seine Stimme bebte kaum merklich.
 

„Er ist nicht Zuhause“, war ihre nüchterne Antwort.
 

„Ist er doch“, flüsterte ich kaum hörbar, als mir diese Erinnerung wieder in den Sinn kam. Ich wusste nicht, was nun passieren würde, konnte mir nichts unter den Gegebenheiten vorstellen.
 

„Habt ihr etwa... ihn getroffen?“, fragte Kid. Seine Stimme klang unglaublich verbittert, so als ob er es nicht über sich bringen konnte, über diese Person zu sprechen.
 

Ein anderes, bis jetzt nicht zuzuordnendes Puzzleteil tauchte in meinem Gedächtnis auf und damit folgte eine Erkenntnis der anderen. Sie beide hassten ihn. Ich wusste jedoch nicht warum oder wieso und war immer noch ahnungslos.
 

Allerdings konnte ich nun wenige Teile zusammenlegen und damit für mehr Klarheit schaffen. Ich war noch weit vom vollständigem Bild entfernt, doch war auch dieser kleine Schritt für das Ende von vollkommener Wichtigkeit.
 

„Du kleines...“, Kid richtete sich urplötzlich auf und stemmte seine Hände auf den Tisch, sodass dieser gefährlich zu beben begann. Gläser drohten umzukippen und die Teller klirrten leise.
 

Seine leicht zusammengekniffenen Augen wirkten bedrohlich, beinahe schon aggressiv. Sofort blickten sich die Augen des vermeintlichen Vergos auf ihn und er schien fast schon ein wenig erheitert zu sein.
 

„Kid, wie schön dich zu sehen“, bittere Ironie schwang in seiner Stimme mit und veranlasste den Rothaarigen dazu, seine Fäuste zu ballen. Ich sah, wie er vor Wut zitterte, sich nur schwer zusammenreißen konnte.
 

„Hast du deine Sozialstunden schon hinter dir?“, fragte er leicht zynisch. Es war ganz klar abzusehen, dass er ihn herausfordern wollte, obwohl ihm bewusst war, wie schnell man den Rothaarigen aggressiv machen konnte. Mein Gefühl sagte mir, dass diese Sache hier nicht gut ausgehen würde. Schon an der Wutader, die sich auf Kids Stirn bildete, konnte ich dies mit einer Richtigkeit von 99,9 Prozent vorhersagen.
 

Doch, dass dieser hatte Sozialstunden leisten müssen, ließ mich leicht schlucken.
 

Die Tatsache, dass dieser Vergo etwas damit zu tun haben musste, war allerdings noch weitaus verwirrender. Ihre Vergangenheit war so undurchschaubar wie nichts Anderes.
 

„Halt den Mund“, mischte sich nun Law zynisch klingend ein und betrachtete Vergo mit einem Blick, der mehr aussagte, als alle Worte der Welt es jemals könnten.
 

Die Temperatur im Raum sank weiterhin stetig, zumindest kam es mir so vor. Es war, als könnte ich den Herzschlag aller Personen, die momentan hier waren, deutlich vernehmen und dies war fast schon angsterregend.
 

„Woher haben wir denn den plötzlichen Mut?“, fragte Vergo und schmunzelte leicht darüber, dass selbst Law sich schwer damit tat, in ruhiger Verfassung zu bleiben. Nach außen hin, schien Vergo die ganze Situation mehr als amüsant zu finden. Wie er in Wirklichkeit darüber dachte, konnte ich nicht einmal im Geringsten einschätzen.
 

Bevor Law etwas entgegnen konnte, fokussierten die dunkelbraunen Augen mich und betrachteten mich eingehend. Ich fuhr fast ein wenig erschrocken zusammen und versuchte gerade zu stehen. Mein Atem ging sofort schneller, auch wenn ich mich darum bemühte, es mir nicht ansehen zu lassen. Von dem Typ ging eindeutig eine bedrohliche Aura aus. Das wusste ich auch, ohne ihn zu kennen.
 

„Wer ist das?“, seine schneidende, tiefe Stimme ließ mich fast erschaudern. „Habt ihr den aufgegabelt, als ihr von hier abgehauen seid?“, fragte er weiter und blickte erneut zu meinen Mitbewohnern, welche sich noch immer nicht von der Stelle gerührt hatten. Während Kid zu einer bissigen Antwort ansetzen wollte, unterbrach Law dies, bevor es geschehen konnte.
 

„Wir sind damals nicht abgehauen“, erklärte er, ohne die Frage zu beachten, kurz und überaus kühl. Ich konnte nicht wirklich entscheiden, wer von den beiden emotionsloser klang.
 

Es war erst ein Grinsen, welches sich auf Vergos Gesicht abbildete, ehe er begann zu lachen. Laut und voll, als hätte Law den besten Witz erzählt, welchen er seit Jahren gehört hatte. Ich betrachtete ihn geschockt und wechselte einen zufälligen Blick mit Camilla, welche so aussah, als ob sie das Schlimmste erwartete. Ihre Augen waren leicht aufgerissen und ihre Haltung etwas gebeugt, als würde sie sich fürchten.
 

„Du bist ein Feigling, Law, nichts Anderes. Du hast dich deinen Problemen noch nie gestellt, sondern bist immer vor ihnen weggelaufen, wie ein kleiner Junge. Es ist nie anders gewesen und so wird es auch nie sein, sieh' es ein“, grollte er, seine Stimme klang dunkel und erfüllte das gesamte Haus. Ich wisch erschrocken zurück und beobachtete die Reaktion meines schwarzhaarigen Mitbewohners nur wenige Sekunden danach.
 

Er schien mit sich selbst zu hadern, wie ich an seinem sich öffnendem und letztendlich wieder schließendem Mund feststellen konnte. Seine Augen waren vor Schreck etwas geweitet und er zitterte unheimlich stark. Diese Worte schienen etwas Unglaubliches in ihm hervorzurufen, etwas, das ich nicht beschreiben konnte.
 

„Ich habe es dir immer gesagt. Du wirst es nie schaffen, etwas aus dir zu machen, Law. Du warst schon immer nutzlos“, als diese Worte voller Abscheu erklangen, war der Gefrierpunkt der Temperatur im Raum erreicht. Die Zeit schien für einen Moment, den Bruchteil einer winzigen Sekunde, stehen geblieben zu sein, sodass ich meinen Atem anhielt. Als ob ich mich nicht mehr trauen würde, diese eiskalte Luft einzuatmen.
 

Das, was danach geschah, passierte viel zu schnell. Ich konnte kaum dem Geschehen mit eigenen Augen folgen, so schnell verschwand Law durch die Terassentür und ließ uns mit dem knallenden Geräusch zurück, welches er beim Zuschlagen verursachte.
 

Ich sah ihm grübelnd und gleichzeitig aufgeschreckt nach.
 

Ab diesem Moment wusste ich, dass ich nicht mehr der teilnahmslose Zeuge sein durfte, der alles beobachtete, ohne auch nur eine Frage zu stellen.

Ich wusste, dass nun die Zeit gekommen war, in der er meine Hilfe brauchte, in der ich nützlich sein würde.

Ich wusste das alles nach nur einer winzigen Sekunde.
 

Kid warf mir einen Blick zu, der von Schock vermischt mit leichter Eindringlichkeit zeugte. Ich war mir nicht sicher, ob er das Gleiche dachte wie ich, doch das war mir zu diesem Zeitpunkt egal. Ich nickte ihm einfach zu, ehe ich mich aufrichtete und auf die Terassentür nur wenige Schritte hinter mir zusteuerte.
 

Ich glaubte noch die Worte: „Er ist es nicht wert, Junge“ zu hören, doch in diesem Moment gab es nur einen einzigen Gedanken, den ich wirklich wahrnahm.
 

Ich musste Law finden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Bloodstained_Phoenix
2016-03-22T17:37:31+00:00 22.03.2016 18:37
Wow.
Einfach nur wow.
Du hast die Stimmung super gut getroffen. Es kommt einen so vor, als würde man selbst dabei stehen... echt klasse.
Diese ganzen Emotionen die auf einen niederprasseln und all die Gedanken, die man hat, liegen echt unglaublich schwer auf.
Muss nächstes Kapitel lesen.
Von:  Kyuubi19
2016-01-31T19:52:16+00:00 31.01.2016 20:52
Hey,
mal wieder ein echt gutes Kapitel ^^
Hoffe das nächste kommt bald :-)
LG Kyuubi19
Antwort von:  attackonpsycho
13.02.2016 13:30
dankeschön,ich hoffe dir gefällt das Nächste auch!
Von:  lala1314
2016-01-25T12:23:01+00:00 25.01.2016 13:23
Huhu, Und willkommen zurück. Und wieder einmal hast du es geschafft das man unbedingt noch viel viel mehr über kid und vorallem law seiner Vergangenheit wissen will. Bis bald lala

Antwort von:  attackonpsycho
13.02.2016 13:30
Hey:) Im nächsten Kapitel kommt einiges raus. LG
Von:  FannyNeko
2016-01-23T21:27:39+00:00 23.01.2016 22:27
oh gott musste das sein du kannst uns doch nicht an so einer stelle sitzen lassen. ich hoffe ruffy holt law schnell ein und dem Vergo kannst du dem eine von mir rein hauen den hab ich schon immer gehasst.
Antwort von:  attackonpsycho
13.02.2016 13:30
keine sorge, es geht schon weiter ;)


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