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Das dritte Gebot

DMxHG - Romanze, Krimi, Dystrophie, P18
von

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Mutterglück

23. Mutterglück

 

Hermione saß lange vor dem großen Spiegel im Badezimmer. Fasziniert betrachtete sie ihren schwangeren Körper, den riesigen Bauch und die angeschwollenen Brüste. Ihre Füße hatten Wassereinlagerungen bekommen und schmerzten mit jedem Schritt. So gerne Hermione auch schwanger war und all die Wehwehchen in vollen Zügen genoss, umso mehr sehnte sie sich nun nach der Geburt ihres Kindes. Sie wollte es im Arm halten, es riechen, küssen und mit Liebe überhäufen.

 

Wie viel Zeit sie wohl mit dem Baby haben würde, bis Lady Malfoy den letzten Funken von Hermione Granger vernichtet hatte?

 

Alles wird gut, Mami.

 

Hermione fing an zu grübeln und nach einer Lösung zu suchen. Ginny hatte sich mit Dracos Einverständnis den Dolch aus Malfoy Manor geholt und ihn einer ausgiebigen Analyse unterzogen. Die ausgelesene Zaubereihistorie belegte, dass der Dolch tatsächlich ein Horkrux von Lady Malfoy gewesen war. Entstanden durch den Mord an Severus Snape. Hermione war schleierhaft, wie Ginny den Zauber, der nun in ihr wütete, rückgängig machen wollte, aber da Hermione selber wenig vom Fortschritt der derzeitigen Magie wusste und kannte, nahm sie es einfach hin. Einzig der Gedanke, dass Lady Malfoy im Verborgenen wartete und sie jederzeit zu ihrer Marionette machen konnte, versetzte Hermione in permanente Achtsamkeit. Vielleicht war die einzige, gute Lösung tatsächlich der baldige Tod.

 

„Willst du nicht ins Bett kommen?“, mit nacktem Oberkörper lehnte Draco Malfoy im Türrahmen und riss Hermione aus ihrem trübsinnigen Gedankenkarussell. Sie blickte ihn über den Spiegel hinweg an und lächelte. 

 

Ich liebe ihn.

 

„Natürlich“, schwerfällig erhob sie sich von dem kleinen Hocker und schlenderte zu Draco hinüber. Er legte seinen Arm um ihre Schultern und schob Hermione neben sich her Richtung Bett.

 

„Was meinst du, wie lange wir noch warten müssen?“, behutsam strich er ihr über den gewaltigen Bauch.

 

„Ich hoffe nicht mehr allzu lange“, lächelte Hermione schwärmerisch. „Ich kann es kaum erwarten!“

 

„Und sobald es dir besser geht, fangen wir an, dieses Weibsstück aus dir raus zu holen“, meinte Draco mit ungebrochener Zuversicht. „Du wirst sehen, Ginny hatte schon immer großes Talent. Und mit meiner Formel wird sie dich befreien können.“

 

„Im Zweifel wird es Väterchen Tod schon richten“, murmelte Hermione und erntete einen vorwurfsvollen Blick.

 

„Hermione, warum so pessimistisch?“, Draco fasste sie bei den Schultern. „Willst du dich jetzt etwa doch aufgeben? Ohne es ein einziges Mal versucht zu haben?“

 

Sie hat damit gerechnet, Draco“, Tränen stiegen in Hermiones Augen. „Alles was hier passiert hat sie in ihren Plan einkalkuliert. Selbst, dass du mich rehabilitieren möchtest.“

 

„Sie ist dir wieder erschienen?“, besorgt schaute Draco durch Hermiones Tränenschleier und zog sie schließlich in seine Arme. „Dann müssen wir uns etwas einfallen lassen, mit dem sie nie und nimmer gerechnet haben könnte.“

 

„Schon vergessen?“, schniefte Hermione. „Alles was ich weiß, weiß sie automatisch auch. Und sie fängt wieder an mich zu lenken, ich habe es deutlich gespürt. Ich habe gewaltige Angst, Draco. Und das nicht mehr nur um mich, sondern um Ginny, dich und das Baby.“

 

Verwirrt ließ Draco von Hermione los und starrte an ihr vorbei. In seinem Kopf arbeitete es wieder auf Hochtouren.

 

„Draco“, flüsterte Hermione eindringlich. „Sie wird böse Dinge durch mich erwirken, wenn ich nicht sterbe. Am besten du sperrst mich in ihr Zimmer, damit sie nicht durch mich weiteren Schaden anrichten kann, hörst du?“

 

Draco presste seine Lippen zu einem schmalen Streifen zusammen und knirschte dahinter mit den Zähnen. Ihm war sichtlich unwohl zumute.

 

„Ist es dir Recht, wenn Ginny und ich weiter an einer Lösung arbeiten?“, fragte er leise. „Und wenn es dann so weit ist, werden wir dich damit behelligen.“

 

„Ich habe nichts zu verlieren, Draco“, murmelte Hermione mit einem äußerst wütendem Bauchgefühl. „Versprich mir nur, dass du im Notfall nicht zögerst mich zu beseitigen.“

 

„Wie das klingt“, spie er verächtlich und in Hermione breitete sich nun angenehme Schadenfreude aus. Wie sehr Draco doch litt, und es geschah ihm recht!

 

„Etwas anderes scheinen wir nicht verdient zu haben“, meinte sie leichthin und Dracos Miene verfinsterte sich. Er spürte die Veränderung in Hermiones Aura und ging merklich auf Distanz. „Und bevor noch jemandem etwas passiert, der gar nichts dafür kann ...“

 

„Wenn ich dich in ihr Zimmer sperre“, zischte er, „wer sagt mir dann, dass es nicht sie war, die das alles wieder mit einkalkuliert hatte?“

 

„Oh, als Alternative ziehe ich den lieblichen Bunker in Betracht“, lächelte Hermione fremdartig und fragte sich insgeheim, wie es Lady Malfoy fertig brachte, sie so unter Kontrolle zu bekommen. „Aber nichts geht doch über unser gemeinsames Liebesnest hier!“

 

Draco rang mit seiner Beherrschung und wandte sich von Hermione ab. Er schritt unruhig vor ihr auf und ab, während sie ihn mit einem bohrenden Blick vefolgte.

 

Sperr mich ruhig in meine Zimmer“, sagte Hermione mit fremder Stimme. „Es wird euch nichts nützen.

 

Dann brach sie weinend vor Draco zusammen, während eine kräftige Wehe ihren Unterleib durchzog.

 

„Du hättest es ihm nicht unbedingt auf die Nase binden müssen“, sagte Lady Malfoy gelangweilt. 

 

Hermione lag schluchzend zu ihren Füßen und spürte, wie sich raue Seile immer enger um ihren Körper zogen. Langsam schnitten die flachsigen Fasern sich in ihr Fleisch und hinterließen einen brennenden Schmerz. 

 

„Jetzt weiß er, dass ich mehr Einfluss auf dich habe, als er dachte. Und die Idee, mich aus dir auszutreiben nachdem du den Biohazardbastard geworfen hast, nun ja, was soll ich dazu sagen? Ich gestehe, ich habe nicht damit gerechnet, dass diese Observationsschlampe hinter das Geheimnis meines Dolches kommt.“

 

„Bitte“, stöhnte Hermione hilflos. „Bitte lass sie in Frieden! Du hast mich und das Baby!“

 

„Ach, das Baby!“, höhnte Harmony Malfoy verächtlich. „Das Baby, Baby, BABY! Eine unreine Brut, die es nicht verdient hat überhaupt geboren zu werden!“

 

Verzweifelt schrie Hermione auf, als hätte man ihr bereits das Herz heraus gerissen. Lady Malfoys geisterhafte Hand schob sich durch die Seile hinein in ihren Bauch und mit mörderisch glänzenden Augen verursachte sie Hermione einen unwirklichen Schmerz.

 

„Wenn dein Körper stirbt, und ich mit ihm, Schlammblut“, wisperte Lady Malfoy an Hermiones Ohr, „dann werden sie alle büßen. Du kannst Draco ausrichten, dass sein Kind es sich noch überlegt, ob es lebendig oder tot geboren werden will!“

 

Laut schreiend schlug Hermione um sich und hielt sich immer wieder mit weit aufgerissenen Augen den Bauch. Schmerzhafte Impulse jagten ihr durch alle Glieder und brachten sie fast um den Verstand. Hinter ihren Augen flimmerte es und in ihren Ohren rauschte das tosende Blut. Hermione nahm unterschwellig wahr, wie Draco um sie herum eilte und Zauber wirkte, doch die Angst lähmte ihre Sinne, so dass sie nur agieren konnte.

 

„HERMIONE, VERDAMMT!“, brüllte Draco und versuchte sie an sich zu ziehen, doch Hermione wehrte sich weiterhin.

 

„Nein, nein, NEIN!“, schrie sie. „Fass mich nicht an!“

 

Keuchend und schwer atmend krabbelte sie auf allen Vieren von Draco weg. 

 

„Fass mich nicht an, wenn dir das Leben unseres Kindes lieb ist, hörst du?“, schluchzte Hermione verzweifelt und hielt sich zitternd an der Bettkante fest. „Lass ihr meinen Körper, sonst nimmt sie dir alles, Draco.“

 

Hektisch atmete Draco ein und aus, während seine Hauptschlagader vor Aufregung kräftig pulsierte. Sein blasses Gesicht war gerötet und jeder Muskel in ihm schien angespannt zu sein. Seine Nasenflügel bebten und seine Lippen zitterten als er kraftlos neben Hermione zu Boden sackte.

 

„Es ist aussichtslos, oder?“

 

Ich zerstöre Dich, dein Innerstes, dein Alles! Das was du mir genommen hast, werde auch ich dir nehmen!

 

„Ich habe doppelt verloren.“

 

Hermione blickte ihn schweigend durch ihre verquollenen Augen an. Sie musste nichts sagen, denn es war bereits alles gesagt worden. Ihr Herz, ihre Liebe und ihre Seele lagen in Trümmern und rissen die von Draco mit sich in die Tiefe.

 

Gib die Hoffnung nicht auf, Mami.

 

Als Ginny am nächsten Tag zu ihnen kam, durchzog es Hermione vor lauter Hass und Wut. 

 

„Ich sagte, wir unternehmen nichts mehr, zum Wohle des Kindes“, schimpfte Hermione und lief nervös durch den Salon. Sie konnte kaum aufhören zu zittern vor lauter Angst. Lady Malfoy war präsenter denn je, das sagten ihr die Emotionen, die Ginny in ihr hervor rief.

 

„Hermione, hast du schon einmal daran gedacht, sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen?“, Ginny spielte gedankenverloren mit dem Dolch umher. Draco lachte gekünstelt auf, denn auch er war unsicher und auf das Wohl des Kindes bedacht.

 

„Sie hat uns alle in der Hand, Ginny“, fluchte Draco. „Das ist Erpressung, denn wir wissen nicht, was in ihrem kranken Hirn alles vorgeht!“

 

„Soll sie doch Hermiones Biohazardkörper behalten“, Ginny zuckte mit den Schultern und stierte Hermione provokant in die Augen, so als ob sie Lady Malfoy höchstpersönlich vor sich hatte. „Hermione wird nämlich ihren eigenen Horkrux erschaffen und dann einen wunderschönen neuen Reinblutkörper erhalten, der ihrem eigenen bis auf die letzte Zelle gleicht.“

 

„WAS?“, Hermione zuckte erschrocken zusammen und schüttelte vehement den Kopf. „Das werde ich sicher nicht tun!“

 

„Wir werden alles haben, was wir dazu benötigen“, sagte Ginny mit fester Stimme und begann aufzuzählen: „Hermiones Rumpfseele im Horkrux, die Gebeine ihres Vaters unwissend entnommen, das Fleisch eines Dieners freiwillig gegeben und das Blut der Feindin mit Gewalt genommen.“

 

Die Stille im Salon war schneidend und Hermione spürte unbändigen Groll in sich. 

 

„Ein netter Plan, Mrs Nott“, nickte Hermione anerkennend. „Doch eines haben Sie mal wieder nicht bedacht, meine Teure. Man kann einen Horkrux nur mit einer Seele erschaffen, die nicht bereits als Wirtseele dieser Prozedur erlegen ist. Und wo es keine Rumpfseele mehr gibt, da kann es auch keinen Horkrux geben.“

 

Ginny schoss das Blut in die Wangen und sie umklammerte fest ihren Zauberstab. Draco hielt sich krampfhaft an seiner Sessellehne fest und versuchte, nicht die Beherrschung zu verlieren.

 

„Oh, jetzt hab ich was gesagt“, lächelte Hermione diabolisch. „Wie konnte ich nur?“

 

„Was soll das heißen, es gibt keine Rumpfseele mehr?“, Draco wagte kaum zu atmen und Hermione bedachte ihn mit einem abschätzendem Blick.

 

„Das soll heißen, dass deine kleine Schlammbluthure keine magisch gefestigte Rumpfseele hat“, erklärte Hermione und zog belehrend die Augenbrauen in die Höhe. „Durch das Magieverbot hat sie eine Menge Kraft eingebüßt, was es mir natürlich umso leichter machte, die Wirtseele zu vereinnahmen.“

 

Lächelnd zuckte Hermione mit den Schultern: „Magie ist Macht, so einfach ist das!“

 

„Hermione existiert nicht mehr?“, Dracos Gesicht wurde immer blasser.

 

„Doch, doch, mach dir nicht ins Hemd“, winkte Hermione zwinkernd ab. „Noch ist sie da. Aber ich bestimme, wann dieses Miststück heraus kommen darf. Ungehorsame Biohazardseelen brauchen nämlich eine geregelte Führung.“

 

„Lass Hermione in Ruhe, du verdammte Dämonin!“, fauchte Ginny aufgebracht und hielt Dolch und Zauberstab in den zitternden Händen.

 

„Na, na!“, tadelte Hermione mit erhabenem Kopfschütteln. „Mich gleich als Dämonin zu bezeichnen, nur weil ich mehr Ahnung von Horkruxen habe als sonst wer, empfinde ich schon als sehr anmaßend!“

 

„Was soll das heißen?“, schnarrte Draco und funkelte Hermione böse an. „Mehr Ahnung von Horkruxen?“

 

„Mein Vorfahre Koschei hatte seinerzeit den Zauber der Unsterblichkeit begründet“, Hermione blickte in verständnislose Mienen. „Die Bezeichnung des Horkrux hatte sich irgendwann ergeben.“

 

„Dein Vorfahre hat dieses Prinzip der Seelenspalterei erfunden?“

 

Ginny und Draco tauschten fassungslose Blicke untereinander aus.

 

„Oh ja, er war ein Meister seines Werkes und jeder in unserer Familie besitzt eine unsterbliche Seele“, Hermione lächelte freundlich und faltete andächtig ihre Hände. „Anders als es unser Dunkler Lord getan hatte. Er war übermütig mit seinen Horkruxen und am Ende so schwach, dass es ihn fast den Kopf gekostet hätte.“

 

„Willst du damit sagen, dass du bereits mehrere Horkruxe erschaffen hast?“, Ginny konnte es anscheinend nicht glauben. „Und was hatte dein Urahn Koschei so Besonderes damals gemacht?“

 

„Er hat seine gesamte Seele außerhalb seines Körpers aufbewahrt und tut es immer noch“, erzählte Hermione in ruhigem Plauderton. „Sie steckt in einer Nadel, welche sich in einem Ei befindet, welches in einer Ente ist, die wiederum in einem Hasen steckt, der in einer gläsernen Flasche sitzt, die unter einer Eiche vergraben liegt, die auf einer Insel weit draußen im Meer wächst.“

 

„Jetzt wissen wir zumindest, woher dieser Riesenbatzen an Verrücktheit bei dir herkommt“, ätzte Ginny und Hermiones Gesicht verfinsterte sich.

 

„Mein Urahn ist ein Genie!“, erboste sich Hermione und Ginny lachte laut auf.

 

„Ja, ein Genie in a bottle!“, stichelte Ginny und Hermione spürte erneut die Wogen des Hasses über sich zusammenschlagen. 

 

Warum musste ihre Seele nur so magisch verkümmert sein? Sie hätte alles daran gesetzt, sich gegen Lady Malfoy zur Wehr zu setzen um ihre Freundin, ihren Geliebten und ihr Kind zu beschützen. Doch sie konnte nichts weiter tun, als mitanzusehen, wie diese fremde Seele in ihr Dinge tat, die ihr Herz zum Bersten brachten. 

 

„Wie du meinst, Verräterin“, lächelte Hermione überlegen. „An meine unsterbliche Seele gelangt ihr jedenfalls nicht. Aber glaub ja nicht, dass du ungeschoren davon kommst.“

 

„Oh, jetzt hab ich aber Angst!“, höhnte Ginny und betrachtete gespielt schockiert ihren Zauberstab. „Ist das mein Zauberstab, ja? Verdammt, was mache ich damit bloß?“

 

„Ginny, lass dich nicht von ihr provozieren!“, mahnte Draco und zog die rothaarige Ermittlerin beiseite. „Darauf legt sie es doch nur an, merkst du das nicht?“

 

„Ich hol dich aus Hermione raus, du Miststück“, spie Ginny wütend und entriss sich Dracos Griff. „Koste es, was es wolle!“

 

„Mit solchen Formulierungen wäre ich an deiner Stelle vorsichtig“, meinte Hermione warnend. „Denk an Theodore ... und an deine Kinder ...“

 

„AAARGH!“, mit einem markerschütterndem Schrei stürzte sich Ginny auf Hermione und rammte ihr den Dolch in die Schulter. „Recedere mala anima! Habilitabis insonti femina et infans!

 

Hermione schnappte erschrocken nach Luft, krümmte sich vor Schmerz und versuchte sich den Dolch aus der Schulter zu ziehen. Er steckte an genau derselben Stelle fest, wie damals auf Malfoy Manor, doch er ließ sich nicht entfernen. Sie zog wie eine Wahnsinnige an dem Dolch, doch er bewegte sich keinen Milimeter.

 

„Happy Halloween, du Schlampe!“

 

„GINNY!“, brüllte Draco und zog sie hinter sich her. „Was ist mit dem Baby?“

 

„Es wird alles gut“, versicherte sie ihm, doch ihrem Blick nach zu urteilen wusste Ginny selber nicht, ob sie Recht behalten sollte.

 

„Was zur Hölle hast du getan?“, kreischte Hermione und wand sich vor lauter Seelenschmerz unter der Spitze ihres Damoklesdolches. Es war ihr, als würde ihr die allerletzte Reserve an Lebenskraft ausgesaugt. Fast schlimmer als Aug in Aug mit einem Dementor zu stehen und den alles besiegelnden Kuss zu erwarten. Denn nun wusste sie nicht, was sie erwarten sollte.

 

Harmony. Hermione. Harmony. Hermione.

 

Würgend brach sie im Salon zusammen und ließ die Finsternis tief in ihren Verstand sickern. Hermiones Sinne schalteten ab und es blieb ein schwindelndes Nichts, in dem sie vor sich hin trieb. Schwerelos hing sie zwischen Zeit und Raum in der Unendlichkeit ihres Seins und konnte nicht sagen, ob die rettende Erlösung sie bereits ereilt hatte.

 

„Hat sie nicht“, meinte Lady Malfoy und beugte sich über Hermiones Gesicht. Sie lag auf einer großen Liege und jede Faser ihres Körpers schmerzte. Falls man bei einer Seele überhaupt von Körper sprechen konnte. „Sie glauben lediglich, dass ihr lächerlicher Zauber ganz ohne Blutopfer gewirkt hat.“

 

„Hat er nicht?“, fragte Hermione kraftlos und starrte in die endlose Weite über ihr. Irgendwo dort musste sich ihr Verstand befinden. Ihr Individualismus und ihr Sein. Welches sie vor Kurzem noch glaubte selbst zu besitzen. Stumme Tränen rannen aus ihren Augenwinkeln.

 

„Hat er nicht“, flüsterte Lady Malfoy ungewohnt zärtlich und strich Hermione über den Kopf. „Aber wir werden sie es eine Weile glauben lassen.“

 

Als Hermione die Augen aufschlug und in Ginnys von Selbstzweifeln zerfressenes Gesicht blickte, wollte sie am liebsten weinen. Draco half ihr in die Kissen, so dass Hermione aufrecht sitzen konnte. Ihre Schulter schmerzte noch von dem Dolchstoß, doch sie nahm das Stechen kaum wahr. Prüfend legte sie ihre Hände auf den runden Bauch, in dem das Ungeborene immer weniger Platz bekam.

 

„Ich kann nicht mehr“, stöhnte Hermione, beugte sich zur Seite und erbrach sich auf den Teppich. Mehrmals würgte sie ihren Kummer heraus und spie den Frust über die ausweglose Situation hinterher. Sie musste zusehen, dass sie ihr Andenken vollendete, bevor es keine Chance mehr dazu gab.

 

Gib die Hoffnung nicht auf, Mami.

 

„Ichkannnichtmehr“, wiederholte sie mit schwerer Zunge und versank in einen erschöpfungsähnlichen Schlaf.

 

Hermione streckte ihre Glieder in alle Himmelsrichtungen aus und atmete kristallklare Luft in ihre Lungen. Über ihr funkelten Millionen Sterne an einem tiefschwarzen Firmament. Ein warmer Wind trug angenehme Düfte in ihre Nase und ließ das Gras um sie herum rascheln. Es tat gut, sich so zu entspannen und gehen zu lassen. Den Kopf frei zu haben und an nichts zu denken.

 

„Du gibst die Hoffnung auf“, sagte das engelsgleiche Wesen, welches sich Hermione vor Jahren als ihre Tochter vorgestellt hatte. „Du gibst wirklich auf.“

 

„Ich gebe auf“, seufzte Hermione und genoss das unbeschwerte Dasein in dieser surrealen Traumwelt. „Ich habe nichts, was ich dieser Seelenfresserin noch entgegen setzen könnte.“

 

„Doch das hast du, Mami“, das kleine Mädchen beugte sich über Hermione und küsste sie auf die Stirn. „Du hast mich.“

 

Hermione fuhr erschrocken mit der Hand über die Stelle, an der der Kuss immer noch kribbelte. Sie lag in Dracos Bett und durch die Vorhänge sickerte hier und da ein schwacher, heller Lichtstreifen. 

 

Was war das nur für ein seltsamer Traum gewesen? Warum erinnerte sie sich ausgerechnet jetzt wieder an dieses seltsame Mädchen? Und was genau meinte sie mit ihren geheimnisvollen Worten?

 

Mehrere Minuten sammelte Hermione ihre Kräfte, bevor sie langsam aus dem Bett kletterte und zum Fenster ging. Die Welt war eingetaucht in jungfräuliches Weiß. Viel zu früh in diesem Jahr schneite es dicke Flocken vom grauen Oktoberhimmel und kein Geräusch drang an Hermiones Ohren. Leise verließ sie das Schlafzimmer und betrat die obere Galerie des Stadthauses. 

 

„Draco?“

 

Hermione lauschte angestrengt, doch nichts und niemand rührte sich. Offensichtlich war sie alleine zu Hause und Draco und Ginny waren zu den offiziellen Halloween-Feierlichkeiten aufgebrochen, die mit großem Trara die Festtage zum Sieg des Dunklen Lords am neunten November einläuteten.

 

„DRACO?“, rief sie nun für ihre Verhältnisse ungewöhnlich laut, doch auch jetzt regte sich nichts. Sie waren fort.

 

Hermione ging zielstrebig in die Gemächer von Lady Malfoy, wo ihre Truhe, verborgen unter einem geschickten Verschleierungszauber, auf dem Kaminsims stand. Mit schwerem Herzen betrachtete Hermione ihre alten Fotos in dem Ledereinband und schmökerte in Hogwarts, a History ihre Lieblingspassagen durch. Sie langte nach dem Perlenhandtäschchen und fischte ihren Zauberstab heraus, der ihr zur Begrüßung einen Funkenregen schenkte.

 

„Wir dürfen nichts unvorbereitet lassen“, murmelte Hermione und ignorierte den langen ziehenden Schmerz in den Oberschenkeln. Langsam humpelte sie zu Lady Malfoys verlassenen Schreibtisch herüber und setzte sich vor ein leeres Blatt Pergament. 

 

Hermione war sich sicher, dass sie ihr Kind niemals wirklich kennenlernen würde. Ihre Seele hing an einem seidenen Faden und dieser konnte jederzeit von Lady Malfoy durchtrennt werden. Sie musste, nein, sie wollte ihrem Kind ein paar persönliche Worte zu all den Hinterlassenschaften schreiben. Mehrmals trieb sie die Feder über das Pergament zu sinnlosen Phrasen und Metaphern, knüllte ein Papier nach dem nächsten zusammen und fing bei Null wieder an.

 

Immer wieder kam dieses Ziehen in Rücken und Beine und Hermione fragte sich, ob sie vom langen Sitzen einen Blutstau in der Hohlraumvene bekommen hatte. Viel zu spät wurde sich Hermione bewusst, dass es sich vielleicht um Wehen handeln könnte. Der Schmerz steigerte sich und raubte ihr den Atem, während sich ihr Bauch in regelmäßigen Abständen verhärtete und Hermione hinab auf alle Viere zwang. 

 

„DRACO!“, brüllte Hermione mit hochrotem Kopf und krallte sich in einem Sessel fest. „ARCHIMEDES!“

 

Ächzend krümmte sich Hermione und versuchte langsam zu atmen. Es gelang ihr nicht ansatzweise Ruhe zu bewahren, doch als der große Uhu durch den Kaminschacht ins Zimmer polterte, seufzte sie erleichtert auf. „Hol Draco und Ginny, Archimedes! Ich glaub, das Baby kommt.“

 

Schmerzhafte dreißig Minuten später stürmten Ginny und Draco in Lady Malfoys Schlafgemach und schälten Hermione aus den unbequemen Roben. Draco half ihr auf das Bett und reichte der keuchenden Hermione ein Glas Wasser.

 

„Seit wann kommen die Wehen regelmäßig?“, Ginny fühlte Hermiones Puls und zählte die Zeitabstände zwischen den einzelnen Schmerzwellen.

 

„Weiß ich nicht, sie waren auf einmal da!“

 

„Gut, dann hoffen wir mal, dass sich da unten bald was tut“, murmelte Ginny und legte entspannt die Füße hoch. Draco schaute sie ungläubig an doch besann sich sogleich, denn schließlich war Ginny Mutter von vier Kindern und wusste, was sie tat.

 

„Muss ich nicht pressen?“, fragte Hermione schwer atmend und erntete ein leises Kichern.

 

„Nein, jetzt noch nicht“, beruhigte sie Ginny. „Diese Wehen sind nur dazu da, den Muttermund zu öffnen. Die Presswehen kommen, wenn es soweit ist und glaube mir, du wirst merken wenn die Presswehen kommen.“

 

Ginny sollte Recht behalten. Hermione wehte gute drei Stunden vor sich hin, als ein gewaltiger Druck nach unten sie dazu veranlasste in die Hocke zu gehen und mit aller Kraft zu pressen.

 

„Oh. Mein. Gott!“, kreischte Hermione perplex. „Das wird nicht funktionieren!“

 

„Doch, das wird es“, versicherte ihr Ginny und sie wies Draco dazu an, ein frisches Handtuch zu holen. „Wie soll euer Kind denn sonst zur Welt kommen, hm?“

 

„Aber es passt anscheinend gar nicht hindurch!“, Hermione blickte Ginny panisch an, als die nächste Presswehe sie übermannte und Hermione dazu zwang, alle Muskeln anzuspannen um das Kind auszutreiben.

 

„Wenn die nächste Wehe kommt“, erklärte Ginny, „will ich, dass du so kräftig presst, wie es nur geht! Mit diesem läppischen Rumgedrücke wird das nämlich nichts!“

 

„Ich kann das nicht!“, japste Hermione und klammerte sich hilflos an den Bettpfosten fest. „Es tut so weh!“

 

„Und ob du kannst!“, Ginny schaute sie böse an. „Du hast Foltereien, Flüche und Qualen erlitten und willst mir nun erzählen, dass du diesen Schmerz, der dir das schönste Geschenk der Welt bringen wird, nicht ertragen kannst? Bist du so sehr Lady Malfoy, ja? “

 

Angespornt von Ginnys provokanten Worten schaffte es Hermione unter den lautesten und grellsten Schreien, den Kopf des Babys aus sich heraus zu pressen. Die Fruchtblase platzte und ein großer Schwall ergoss sich über das Bett.

 

„Weiter, weiter, weiter, weiter!“, feuerte Ginny sie an und hielt die Hände auf, um das bereits schreiende Neugeborene unter Hermione aufzufangen. Die nächste Wehe rollte an und Hermione konnte nun mit einer gewissen Leichtigkeit den Körper des Kindes aus sich heraus schieben.

 

„Da ist sie ja!“, jauchzte Ginny und legte der erschöpften, zusammengekauerten Hermione das schrumpelige, lila Menschenbündel auf die Brust. Sie deckte beide mit mehreren dünnen Decke zu und widmete sich Hermiones unterer Region. „Herzlichen Glückwunsch, Draco. Du hast eine wundervolle Tochter! Sieh sie dir an, während ich hier etwas aufräume.“

 

Hermione spürte kaum etwas von dem, was Ginny zwischen ihren Beinen tat. Sie merkte, dass sie gewaschen wurde und ihr ganzer Intimbereich dabei  brannte, wie der Vorhof zur Hölle. Sie spürte auch, wie nach einer unangenehmen Nachwehe die Plazenta aus ihr heraus flutschte und eine Menge Blut sich unter ihr ergoss. Es war alles nebensächlich geworden, denn das Kind, ihre Tochter, lag hier auf ihrer Brust. Atmend, schlafend und offensichtlich kerngesund.

 

Gib die Hoffnung nicht auf, Mami. Ich bin jetzt bei dir.

 

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo liebe Leser,
mal ein wenig Blabla am Schluss.

DIe letzten Wochen waren echt anstrengend und ich bezweifele, dass es weniger wird (immerhin nur noch vier Monaten bis Weihnachten naaaaaaargh!!)

Diese Geschichte nähert sich immer weiter dem Ende und ich bin schon etwas wehmütig...
Das nächste Kapitel heißt „Hoffnung“ … was mich noch interessieren würde... wer erwartet ein Happy End und wer nicht?

Für mein nächstes Schreibprojekt würde ich euch gerne bitten (zumindest die, die es gerne lesen möchten) mir eure Lieblings Film und Serienzitate zu schicken. Keiner muss, aber wer Lust hat darf gerne mitmachen. Das nächste Projekt geht mehr in die Richtung Humor, nachdem ich hier ja schon ne ganze Menge Drama und Horror verbraten habe…

LG
Mel

PS: DANKE AN EURE TOLLEN KOMMENTARE *__* ICH LIEBE EUCH Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Mei2001
2015-08-29T12:39:41+00:00 29.08.2015 14:39
Super Kapi!!
Antwort von: abgemeldet
31.08.2015 23:08
DANKE =)
Von:  Sanguisdeci
2015-08-26T20:31:04+00:00 26.08.2015 22:31
Ein wundervolles Kapitel. Ein Happy End nach viel Tragik und Zittern und Bangen wäre ein Traum <3
Antwort von: abgemeldet
27.08.2015 14:52
Hach, danke fürs Lob ^^
Ui ui ui…du weißt ja manche Träume zerplatzen schnell wie Seifenblasen ;-)
Von:  ikari
2015-08-26T18:57:17+00:00 26.08.2015 20:57
Schließe mich EL-CK an, super geschrieben!
Ein Happy-End fände ich schön :))), lese genug tragisches..
Antwort von: abgemeldet
27.08.2015 14:51
Huhu!! Danke für dein Lob, ich freue mich sehr =)
Das Ende wird bestimmt für jeden entweder happy oder sad… reine Interpretationssache… und naja.. ein bisschen kennt man ja die Zukunft aus dem Prolog, oder? =)
Antwort von:  ikari
27.08.2015 15:24
Bedingt durch den Prolog ist bekannt das Draco u. Hermine zusammen sind, aber was in Hermine vor sich geht, wenn all das vergessene wieder hoch kommt? Bin gespannt was mit dem Baby passiert. Wird das Baby ein Gefäß?
Antwort von: abgemeldet
27.08.2015 21:47
Hmmm, das kann ich dir jetzt nicht sagen. Aber du wirst noch eine Antwort bekommen. ;-)
Von:  EL-CK
2015-08-26T14:08:39+00:00 26.08.2015 16:08
Ein tolles Ende für dieses Kapitel...
Ich kann gar nicht sage ob ich eine Happy End erwarte oder nicht (aber ich hoffe es ;) )


Antwort von: abgemeldet
27.08.2015 14:50
Huhu! Danke fürs Lob ^^
Naja bis zum Ende ist es ja noch etwas hin… und ich denke dann ist eh jedermanns Interpretationssache… hehe
Antwort von:  EL-CK
27.08.2015 20:20
"jedermanns Interpretationssache"
Antwort von:  EL-CK
27.08.2015 20:21
verdammt ich wollte doch noch was dazu schreiben XD manchmal könnte ich meinen Laptop an die Wand schmeißen XD

NA gut dann ein neuer Versuch:

>>"jedermanns Interpretationssache" also?!?!? Na dann kann ich ja noch immer hoffen XD<<
Antwort von: abgemeldet
27.08.2015 21:46
Ja… ich denke mal dass die einen das Ende gut finden und die anderen kacke… XD und ob es dann happy oder unhappy ist… ach ja… Interpretationssache haha


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