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Konoha Gangs II: Game On

Das Spiel hat gerade erst begonnen
von

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Offene Rechnungen

21:33 Uhr, Kellergewölbe Halle 3

 

Ganz vorsichtig drehte Sakura das Buch in ihren Händen. Es sah abgegriffen aus und die Farbe des einst blauen Einbands war bereits ziemlich verbleicht und wirkte inzwischen eher grau. Langsam öffnete sie das Buch. Auf der ersten Seite stand in grossen, handgeschriebenen Lettern «Kochrezepte». Im ersten Moment fragte sie sich, ob Tomcat ihr das falsche Buch gegeben hatte, doch der sass an der gegenüberliegenden Wand und beobachtete sie in aller Ruhe dabei. Rasch blätterte sie weiter. Auf der nächsten Seite stand dann tatsächlich ein Rezept für Quiche Lorraine. Das Papier war ganz weich vom vielen Durchblättern. Das Tagebuch begann erst auf der fünften Seite, nach weiteren Rezepten. Erst dann dämmerte Sakura, dass die Kochrezepte reine Tarnung waren. Der erste Eintrag lag satte sechs Jahre zurück – anscheinend hatte Hitomi Murakami nicht sehr oft Einträge verfasst, denn laut Tomcat war dieses Buch ja auch das aktuellste.

 

«Morgen geht Yohei aufs Internat. Ich kann kaum fassen, wie schnell die Zeit vergangen ist. Meine Söhne haben sich mit dem Aufwachsen beeilt. Oder wurden dazu angehalten, sich zu beeilen. Shoto findet, dass Yohei nicht das Zeug dazu hat, in seine Fussstapfen zu treten, auch wenn er schneller lernt und bessere Leistungen erbringt als Ryuji. ‘Auf den Charakter kommt es an’, sagt Shoto immer. Ryuji war schon als Kind immer sehr sozial und darauf bedacht, Rücksicht auf andere zu nehmen. So sehr, dass er sich selber dabei schnell vergass. Inzwischen will er vor allem Shoto gefallen, nachdem die Aufmerksamkeit seines Vaters jahrelang auf Yohei gelegen hat. Es tut mir weh zu sehen, wie Ryuji immer mehr zu einem Ebenbild von Shoto wird.

Sie haben sich als Kinder so gut verstanden, meine beiden Jungs. Und jetzt streiten sie oft. Yohei wehrt sich gegen das, was ihm auferlegt wurde. Und Ryuji hat den Weg der Akzeptanz gewählt. Ich wünschte, ich hätte mehr Einfluss darauf gehabt, wie meine Kinder aufgewachsen sind. Ich bin eine schwache Mutter und konnte nicht gegen ihren Vater aufbegehren. Aus meiner eigenen, feigen Angst heraus.

Yohei hat mich heute Abend umarmt. Das kenne ich gar nicht von ihm. Er ist im Moment oft wütend auf mich. Vermutlich genau deshalb, weil ich es nicht schaffe, Shoto die Stirn zu bieten. Wenn mein lieber Yohei nur wüsste, wie oft ich das versucht habe, als sie noch klein waren. Es ist keine Entschuldigung. Aber ich habe wirklich versucht, ihnen alles zu geben, was ich konnte. Nachdem Yohei das Zimmer verlassen hat, habe ich geweint.

Manchmal denke ich daran, was diese Familie unter anderen Umständen hätte sein können. Und dann höre ich ganz rasch damit auf, weil es mir weh tut.»

 

Sakura spürte durch diese Zeilen hindurch die Schwere, die auf Hitomi Murakami gelegen hatte, als sie diesen Eintrag schrieb. Es musste schrecklich sein, seine eigenen Söhne unter der Fuchtel ihres Vaters leiden zu sehen und zu merken, wie sie sich langsam von einem wegbewegten. Der nächste Eintrag war aber noch viel trauriger.

 

«Heute hat er mich wieder geschlagen. Immer wenn er nach Hause kommt, ist er sauer. Wenn ich in der Nähe bin, wird er sauer. Wenn ich ihm aber einmal aus dem Weg gehe auch. Seit Jahren geht das schon so. Als die Kinder klein waren, war es noch nicht so schlimm.

Vielleicht ertrage ich es auch einfach nicht mehr. Yohei ist nun schon seit einer Woche weg und alles ist so leer ohne ihn. Er hat diesem viel zu grossen Haus so viel Leben eingehaucht und jetzt fehlt etwas – denn nun läuft alles genau so, wie Shoto es wollte.

Er verbietet mir, mehr als einmal pro Woche mit Yohei zu telefonieren aber ich werde es trotzdem noch mehr tun. Shoto ist ja nicht oft da.»

 

Sie blätterte mehre Seiten vor. Hier waren die Beiträge nun etwa drei Jahre alt. Sakuras Hände waren ganz zittrig. Was kam da noch auf sie zu?

 

«Warum macht er das immer? Warum sieht er nicht, dass ich mir doch alle Mühe gebe? Egal, was ich mache, er wird laut und schreit mich an. Dann holt er aus und trifft mich wieder mit der flachen Hand im Gesicht. Sagt mir, dass ich hässlich bin und dass Yohei nur meinetwegen so ein Problembalg geworden sei.

Yohei rennt andauernd aus dem Internat weg, das stimmt. Ich kann es ihm nicht verübeln. Ich war ja am Besuchstag in dieser elitären Schule und mir standen die Haare zu Berge. Welcher junge Mensch würde sich da wohlfühlen? Ihnen wird eingetrichtert, dass sie besser sind als alle anderen und deshalb das Dreifache von alldem leisten müssen, was ‘normale’ Schüler schaffen. Ein richtiger Drill. Und davon hat Yohei längst genug.

Immer, wenn Yohei Mist baut, ist Shoto wütend. Dann kommt er zu mir. Manchmal schlägt er zu. Und manchmal, da kommt er wie ein wildes Tier angelaufen und beginnt mich zu küssen. Und dann reisst er mir die Kleider vom Leib und arbeitet an meinem Körper seine Aggressionen ab.

Ich hasse dieses Leben so sehr. So oft habe ich versucht, auszubrechen. Aber es hat einfach keinen Zweck. Shoto würde niemals zulassen, dass etwas sein Image zerstört. Dass jemand es schafft, dieses perfekte Familienbild, dass er nach aussen zur Schau stellt, zerstören könnte. Nur über seine Leiche.

Ich habe ihn geheiratet, weil mein Vater es als sinnvoll erachtet hat. Ich hatte gedacht, es würde ein spannendes Abenteuer werden, ich war so naiv und blauäugig, als ich mit ihm vor den Altar getreten bin. Etwas in mir hat ihn angehimmelt. Diese kühle, besonnene Art. Ich dachte, er wäre hinter dieser harten Schale ein toller Mensch. Das habe ich mir aber nur eingeredet. Weil ich nicht wusste, was richtige Liebe war. Ich habe mich nie rauskämpfen können aus diesem Käfig aus Gold und Geld. Und es macht mich fertig, dass meinen Söhnen dasselbe Schicksal droht. Aber etwas dagegen tun? Ich kann es nicht. Ich bin wie gelähmt, wenn ich schon nur daran denke.»

 

Tomcat beobachtete Sakura aufmerksam, aber im Moment spielte es ihr keine Rolle. Sie hielt eine Tragödie in der Hand, ein Fall von brutaler häuslicher Gewalt. Auch die nächsten Einträge waren voll mit Beschreibungen von Verletzungen, die Shoto Murakami seiner Frau zugefügt hatte, äusserliche wie auch innerliche. Sie las davon, dass er sie eine Woche lang eingesperrt hatte, weil sie seiner Meinung nach bei einem Auftritt vor der Presse nicht ehrlich und offen genug gelächelt hatte. Niemand hatte in dieser Woche mit ihr sprechen dürfen, nicht einmal das Dienstpersonal, welches ihr die Mahlzeiten gebracht hatte.

Und wenn immer sich Hitomi Murakami auch nur im Ansatz gegen die Unterdrückung durch ihren Mann gewehrt hatte, drohte er ihr damit, Yohei etwas anzutun – und manchmal tat er es auch. Nie Ryuji, immer nur Yohei. Im Laufe der Einträge wurde auch deutlich, wie sehr sich Ryuji von seiner Mutter entfernte und immer mehr wie sein Vater wurde. Yohei hingegen entwickelte sich zum schwarzen Schaf der Familie, jedenfalls aus Sicht seines Bruders und seines Vaters. Von aussen betrachtet einfach nur verrückt.

Sakura wusste nicht, wie lange sie schon in dem Buch blätterte und Eintrag für Eintrag durchlas, auch wenn sie jedes Mal aufs Neue schockiert wurde. Langsam aber sicher nahm Tomcat in ihrer Vorstellung mehr Konturen an. Auf einmal kam sie sich wieder vor, als dringe sie in Sachen ein, die sie nichts angingen. Also senkte sie das Buch und suchte Tomcats Blick. In ihm lag eine Mischung aus Wut, Neugier und Traurigkeit, wobei er letzteres zu verbergen versuchte.

«Es tut mir leid», flüsterte sie nur. Alle anderen Worte wären dem nicht gerecht geworden, was sie ausdrücken wollte.

«Ich brauche dein Mitleid nicht», meinte er harsch, fügte dann aber in etwas ruhigerem Ton an: «Dir muss nichts leidtun. Ihm aber.» Er schüttelte nur den Kopf. «Du weisst gar nicht, wie viele solche Typen in der Regierung und den Chefetagen von Banken und Firmen rumlaufen. Wenn man keinen Machthunger hat, dann tut man sich solche Jobs nicht an. Und deshalb findest du genau in diesen Bereichen solche kranken und machtgierigen Typen. Auch Frauen.»

Er wandte den Blick ab. «Die Welt ist ziemlich verrottet, Cherry Blossom. Überall geht es nur um Kohle. Ein kleiner Teil der Bevölkerung lebt in Saus und Braus, einige schwimmen im Mittelfeld, aber die allermeisten müssen untendurch. So simpel ist es. Und deshalb begrüsste ich Crows Bewegung. Alles, was gegen meinen Alten und Typen wie ihn geht, ist mir nur recht. Ich will ihn um seine Macht zittern sehen, denn das ist das einzige, was er noch hat.»

Sakura erschauerte bei diesen Worten. Tomcats Hass auf seinen Vater ging bis auf die Knochen.

«Hast du den letzten Eintrag auch gelesen?», fragte er dann. Sie schüttelte den Kopf, verstand aber die Aufforderung und blätterte vor.

Der Eintrag musste sie kurz vor ihrem Suizid geschrieben haben.

 

Alles, was mich auf der anderen Seite erwartet ist besser, als dieses Leben. Anfänglich habe ich gehofft, es gäbe noch Licht am Ende des Tunnels. Aber der Tunnel ist einfach schon zu lang. Mein Körper gibt auf, ich fühle mich schwach. Manchmal kann ich am Morgen kaum mehr aufstehen, weil meine Muskeln nicht mehr so wollen, wie ich. Alles ist so schwer. Ich sehe keinen Sinn mehr. Meine Söhne sind erwachsen und weg und nun bleibt mir in diesem Käfig nichts mehr ausser Shotos Wut und manchmal Ryujis Schweigen. Yohei lässt regelmässig von sich hören. Das sind immer die schönsten Momente für mich. Aber ich kann nicht mehr. Ich höre Yoheis Sorge jedes Mal in seiner Stimme, wenn er mich anruft. Es tut ihm weh, dass seine Mutter nur noch eine hässliche, mit Botox gefüllte Hülle in teuren Kleidern ist. Eine Mutter sollte ihren Kindern Halt geben können, aber ich kann es nicht. Konnte ich nie. Selbst als Mutter habe ich versagt. Dabei war ich so gerne Mutter.

Manchmal überlege ich mir, was aus meinem Leben geworden wäre, wenn ich damals nicht dumm und naiv geheiratet hätte, wenn ich mich gegen Vater gewehrt hätte. Vielleicht wäre mein Leben wunderbar gewesen. Oder vielleicht wäre es genauso schlimm geworden, wie dieses.

Gestern habe ich eine kleine Seitentür im Keller entdeckt, die nicht verschlossen war. Anscheinend kommen viele der Bediensteten durch diese Tür arbeiten. Von aussen benötigt man einen Chip, um reinzukommen, von innen kann man sie ohne Probleme öffnen. Morgen werde ich durch diese Tür verschwinden. Shoto wird wütend sein, aber ich werde mich freuen. Denn dann wird er mich nicht mehr kontrollieren können – zum ersten Mal in seinem Leben wird er mir nichts befehlen, nichts verbieten können. Sobald ich aus diesem Haus weg bin, wird er mich nie mehr in seine Finger bekommen. Denn ich werde zur Brücke gehen. Die Brücke lockt mich seit Tagen von meinem Schlafzimmerfester aus. Ich sehne mich andauernd nach ihr und stelle mir vor, wie es ist, dort zu stehen. Unten der rauschende Fluss, der Wind in den Haaren. Ich frage mich, wie es sich anfühlen muss, in freiem Fall zu sein. Ob es wie fliegen ist? Wie ein Vogel spürt man den Wind und hört das Rauschen des Flusses unter einem. Es muss wunderbar sein. Niemand kann mich in freiem Fall aufhalten. Und dann, wenn ich unten bin, überschreite ich eine Grenze ins Unbekannte. Wer weiss, was dort auf mich warten wird? Vielleicht nichts, vielleicht Schmerz, vielleicht Glück. Was auch immer es ist, ich wünsche mir nur eines – frei zu sein.

Und deshalb werde ich morgen meine Flügel ausbreiten und springen. Ins Ungewisse.

 

Sakura konnte die Tränen kaum zurückhalten, als sie diese Worte las. Die Worte einer Frau, die fast ihr ganzes Leben eingesperrt verbrachte. All ihre Liebe hatte sie ihren Söhnen gegeben, damit es ihnen besser ging. Um ihnen so viel heile Kindheit zu geben, wie sie konnte. Und das, bis sie ausgelaugt und leer gewesen war. Und dann hatte es nichts mehr gegeben, was sie noch hier hielt. Das Ende der Fahnenstange war erreicht. Ihre Worte waren endgültig, schwer, aber gleichzeitig voller Leichtigkeit. Es war so viel Zuversicht zu spüren – Zuversicht, dass ihr der Tod Erlösung bringen würde. In diesem Moment hat sie sich entschlossen, sich gegen ihren Ehemann aufzulehnen, in dem sie ihm jegliche Möglichkeit nahm, sie weiterhin zu bestrafen und zu misshandeln. Sie hatte ihm komplett die Kontrolle genommen.

Das konnte nicht der einzige Ausweg gewesen sein. Aber Hitomi Murakami hatte keinen anderen mehr gesehen.

«Hast du jemals versucht… nun, damit an die Öffentlichkeit zu gehen? Sie hat es ja nicht gekonnt… aber vielleicht…»

Tomcats fuhr hoch und sein Blick zerschnitt beinahe die Luft zwischen ihnen. Er war bis in die letzte Faser angespannt. «Hältst du mich für bescheuert?! Natürlich habe ich das. Aber mein Vater hat bereits seine Vorkehrungen getroffen. In dieser Stadt ist alles korrupt, Cherry Blossom. Und mein Vater kannte jedes hohe Tier. Er hat von Anfang an dafür gesorgt, dass mir niemand Glauben schenkt. Die Presse wollte nichts hören, in die meisten Gebäude wurde ich nicht einmal reingelassen. Und dann hat er mir damit gedroht, ihr noch Schlimmeres anzutun, wenn ich nicht sofort damit aufhöre, Licht in die Sache zu bringen. Und ausser meinen eigenen Aussagen hatte ich keine handfesten Beweise. Sie hat gelitten in dieser Zeit, wegen mir. Nach all dem, was sie für mich geopfert hat. Und deshalb habe ich aufgehört. Und wenn ich es nicht getan hätte, hätte er mich auch irgendwo eingesperrt.»

Die Erschütterung musste Sakura ins Gesicht geschrieben stehen. Sie spürte Tränen über ihre Wangen rinnen, doch es war ihr egal.

«Mein Alter hat mit jedem hohen Tier in dieser Stadt Beziehungen – auch dem damaligen Polizeichef. Da siehst du mal, was dir Geld und Einfluss alles bringt. Es macht dich quasi immun gegen jegliche Staatsgewalt.»

Sakura sagte nichts mehr. Wäre Kakashi Hatake früher im Amt gewesen, hätte Hitomi Murakami vielleicht noch geholfen werden können. Aber es half auch nichts, sich jetzt noch Gedanken darüber zu machen, wie es hätte sein können. Denn Yoheis Mutter war tot. Und nichts würde sie wieder zurückbringen.

«Danke, dass ich das lesen durfte», sagte Sakura leise.

«Es spielt jetzt alles eh keine Rolle mehr», meinte er abwinkend.

«Ich wünsche ihr wirklich, dass sie dort, wo sie jetzt ist, frei sein kann.»

Er erwiderte darauf nichts, aber der Schmerz stand ihm ins Gesicht geschrieben.

Sie schwiegen sich eine Weile an, jeder in seinen eigenen Gedanken versunken. Das Buch fühlte sich in Sakuras Hand schwer an.

«Hast du jemals daran gedacht, dass vielleicht wenigstens jetzt gegen deinen Vater vorgegangen werden könnte? Ich meine, der Suizid deiner Mutter wirft nun auch bei den Menschen da draussen Fragen auf, nicht nur bei den Behörden. Und ich bin überzeugt, dass Hatake sich nicht vom Geld oder dem Einfluss deines Vaters beeindrucken lassen würde. Und du hast das Tagebuch als Beweis.»

Er bedachte sie erneut mit einem eindringlichen Blick. «Den Beweis müssen sie erst einmal auf seine Echtheit überprüfen. Und ich zweifle daran, dass irgendjemand in Konoha mir noch etwas glauben würde. Und überhaupt plane ich nicht…», er brach mitten im Satz ab und senkte den Kopf. Dann setzte er wieder an. «Ich stehe auf der bösen Seite – zumindest aus Sicht der Polizei.»

«Seiten können gewechselt werden, Tomcat. Noch ist es nicht zu spät.»

Er schüttelte den Kopf und lachte leise.

«Pixie hat es auch gekonnt!», rutschte es ihr heraus. Sie wusste gar nicht, ob Tomcat das schon erfahren hatte. Ein Geheimnis war es ja nicht, denn Pixie hatte in dieser Schlacht mitgekämpft.

«Pixie? Das ist etwas anderes. Pixie ist ein guter Mensch.»

«Jeder hat irgendwo versteckt einen guten Kern.»

«Schwachsinn!», knurrte er zornig. «Glaubst du mein Alter ist tief drinnen ein guter Mensch?!»

«Niemand wird böse geboren, Yohei», sagte sie leise und bot damit einen Kontrast zu seiner erhobenen Stimme.

Er sah Sakura an, als hätte er soeben jegliche Hoffnung in ihre Zurechnungsfähigkeit verloren. «Das ist wieder so typisch. Ein unerschütterlicher Glaube an das Gute. Na dann, du wirst eines Tages schon noch auf die Welt kommen.» Die Bitterkeit in seinen Worten war nicht zu überhören.

«Auch du bist zu guten Taten fähig. Spätestens nachdem du mich hierhergebracht hast, weiss ich das.»

«Und was genau findest du daran gut, dass man dich kidnappt?» Inzwischen fragte er sich wahrscheinlich wirklich, ob sie nicht doch einen Dachschaden hatte.

«Du hast mich eigentlich schützen wollen, stimmt’s?», fragte sie direkt. In ihrem Kopf war inzwischen eins zum anderen gekommen. Als er seine Maskierung noch angehabt hatte, war sie ihm gefolgt. Nicht, weil er sie gezwungen hat. Etwas an ihm hatte ihr zu spüren gegeben, dass sie keine Angst haben musste und dass er sie vor etwas bewahren wollte.

Er erwiderte nichts daraufhin und sah sie mit schwer zu interpretierendem Blick an. Sie deutete das als ein Ja.

«Du hast es in dir. Jetzt kannst du dein Leben noch verändern. Die Schlacht ist noch nicht entschieden, Yohei.»

Er schüttelte den Kopf. «Du glaubst das nur, weil du ein hoffnungsloser Gutmensch bist, Cherry Blossom. Deine Leute würden das garantiert nicht so sehen. Und ich sehe es auch nicht so.» Er strich sich die blonden Haarsträhnen aus der Stirn. «Ich habe meinen Weg vor langer Zeit gewählt.»

Tomcat erhob sich. Erst jetzt wurde Sakura sich dem kalten Boden unter ihr wieder gewahr. Es war, als würde die Seifenblase um sie herum auf einmal zerplatzen und alles, was hier, in dieser Nacht passierte, schoss auf einmal tonnenschwer auf sie ein.

Er legte die Hand an die Türfalle. «Es war mir eine Ehre, Cherry Blossom.» Er klang ruhig und nachdenklich. Dann verliess er den Raum. Die Tür fiel hinter ihm laut ins Schloss und Sakura blieb mit einem Gefühlschaos zurück. Da waren die Gedanken an Hitomi Murakamis Tagebuch und somit an eines von so vielen zerstörten Leben in dieser Stadt. Sie hatte Tomcats Schmerz gefühlt, seine Wut, seine Trauer. Er hatte ihr einen Einblick in sein Leben und sein Herz gegeben, auch wenn das vermutlich nicht seine Intention gewesen war. Ihr Bild von ihm hatte sich verändert. Sie wünschte nur, sie könnte ihm helfen – ihm helfen, auf den richtigen Weg zurückzufinden und wieder Freude und Sinn im Leben zu finden. Sie glaubte zwar nicht daran, dass die Kuramas oder die Takas ihn aufnehmen würden, aber im Moment war es ihr egal. Sie hatte den guten Menschen gesehen, Yohei, und nicht die Rolle, welche er seit so langer Zeit spielte.

Sie hatte ganz vergessen, was ihr eigentlicher Plan gewesen war. Aber das spielte keine Rolle mehr. Denn sie wollte ihn nicht als Marionette benutzen.

Sie wollte ihn da rausholen.

 

21:35 Uhr, zwischen Halle 2 und 4

 

Viel zu lange tat sich nichts. Die gespenstische Stille hing wie eine Warnung über dem Gelände, die sie alle wider besseres Wissen ignorieren mussten. Die Scheinwerfer am Ford waren die einzige Lichtquelle auf dem Platz, da die äussere Lichtanlage nicht eingeschaltet war. Zu vermuten war, dass sie noch funktionierte, die Riots aber in der Kontrolle der nötigen Schalter waren. Und dass sie kein Interesse an einem hell erleuchteten Schlachtfeld hatten, erschien Sasuke logisch. Auf diesem Gelände waren sie im Vorteil. Und ihnen blieb nichts anderes übrig, als sich auf ihre Deckung und die Scheinwerfer zu verlassen, welche zugegebenermassen ziemlich stark waren. Aber ein Gelände von diesem Ausmass auszuleuchten? Unmöglich. Zudem warfen sie Schatten, die den Riots als willkommener Sichtschutz dienen konnten.

Vielmehr als die Frage, von wo die Riots kamen, beschäftigte ihn aber, welchen Plan sie verfolgten. Offensichtlich wollte Crow ein Battle zwischen den Gangs, ohne Fremdeinwirkung. Das vermutlich in der Hoffnung, noch möglichst viele Kuramas und Takas niederzuwalzen, bevor er sich seinem Schicksal ergab. Oder erhoffte er sich ein Entkommen? Sasuke bezweifelte es. Crow war zwar krank im Kopf, aber hatte genug Verstand und Kalkül, um Situationen realistisch einschätzen zu können, ansonsten wäre er nie so weit gekommen. Sasuke war ziemlich sicher, dass sein Plan keine Flucht beinhaltete. Crow wusste, dass die Riots hier und heute ein Ende finden würden, denn ihre Lage war aussichtslos. Selbst wenn sie die Kuramas und Takas komplett von der Landkarte fegten würden, war das Gelände von Unmengen an Polizisten umstellt.

Aber Crow ging es nicht ums Gewinnen, das war ihm längst bewusst. Crow wollte etwas anderes und es hatte mit seiner ganz eigenen Ideologie zu tun, für die er viele Anhänger gefunden hat.

Was auch immer es war, sie würden nicht um das herumkommen, was bevorstand. Und deshalb hielt er sich ruhig und gedeckt wie fast alle seine Mitstreiter in dem behelfsmässigen Fort auf, welches sie in so kurzer Zeit errichtet hatten. Es würde gut Deckung geben.

Inzwischen waren sogar Hidan und Deidara verstummt. Sie waren wie alle anderen beschäftigt damit, durch Ritzen und kleine Lücken in der Festungswand die Umgebung im Auge zu behalten.

Sasukes Ruhe war nur aufgesetzt, zum Wohle der anderen. Die Leitfiguren hatten sich so zu verhalten, wie sie es von ihren Leuten erwarteten. In seinem Innern tobte ein Sturm, eine Wut, eine Unruhe, wie er sie seit langem nicht mehr erlebt hatte. Er kam sich vor wie ein alter Mann, wenn er an die Energie und diese seltsame, adrenalingesteuerte Vorfreude dachte, die ihn vor nicht allzu langer Zeit noch vor jedem Battle durchströmt hatte. Doch jetzt war alles anders, denn er wollte nicht mehr. Er wollte Crow in den Boden stampfen, Sakura wohlbehalten in die Arme schliessen und dann verschwinden. Am liebsten gleich aus Konoha. Nach Oto. Oder sonst wohin.

Das wäre die Wunschvorstellung, doch die Realität sah anders aus. In der Realität stand alles auf dem Spiel, was er sich ganz vorsichtig zu träumen gewagt hatte.

«Boss?», flüsterte Deidara von seiner Position aus. «Sie kommen.»

Sasuke schüttelte seine Gedanken ab und richtete seinen Blick durch die Lücke zwischen zwei Mulden auf den Platz. Tatsächlich bewegte sich etwas im Schatten einer Kiste. Seine Leute waren dazu angehalten, nicht zu schiessen. Das Kommando lag bei Big Fox. Denn Crow wäre dumm, einfach jemanden seiner Leute rauszuschicken.

Stattdessen trat ein Mädchen ins Scheinwerferlicht, gefolgt von einem Typen, der sie offensichtlich festhielt. Er blieb schön gedeckt hinter ihr, viel grösser als sie war er nicht.

Hinata war geknebelt und ihre Hände hinter dem Rücken gefesselt. Er dachte, was vermutlich alle anderen hier dachten – die Geiselnummer konnte nach wie vor ein Bluff sein, auch wenn Hintata es in diesem Fall verdammt gut spielen würde. Ihr Blick war leer, man sah von Weitem ihre verquollenen roten Augen. Sie lief langsam und unsicher auf ihren Beinen, bis der Riot sie grob und in grosszügigem Abstand zu ihrem Fort zwischen den hinteren Enden von Halle 2 und 4 zum Stehen brachte.

Aus dem Augenwinkel beobachtete er Big Fox, dessen Körper sich bei diesem Anblick sichtlich anspannte. Aber der Kurama-Leader behielt sein Blick auf der Sache. Sasuke war sich ziemlich sicher, dass Crow Sakura nicht nach draussen bringen lassen würde, denn der Riot-Leader wusste, dass sie nicht auf Hinata schiessen würden. Es wäre dumm von ihm, beide seiner Trümpfe auf dem Präsentierteller nach draussen ins Scheinwerferlicht zu bringen.

«Hallihallo!», rief der vermummte Riot und klang dabei zu Sasukes grosser Verärgerung absolut tiefenentspannt. «Wie ihr seht, habe ich hier etwas, was einmal euch gehört ja. Nun ja, zumindest den Kuramas. Hinata ist uns beigetreten und hat, naiv wie sie ist, geglaubt, wir würden ihre Kurama-Vergangenheit nicht zu unserem Vorteil nutzen. Wird auch nur ein Schuss von eurer Seite her abgefeuert, dann werde ich ihr einen sauberen Schnitt durch die Kehle verpassen. Wäre ‘ne ziemliche Sauerei, deshalb lasst es besser.»

Sasuke versuchte, die Stimme einem ihm bekannten Riot zuzuordnen. Aber da er kaum Riots je reden gehört hatte, erwies sich das als schwierig. Es war jedenfalls weder Crow noch Tomcat – diese Stimmen würde er unter Hunderten wiedererkennen.

«Kommen wir zur Sache: Big Fox und Demon, in dreissig Sekunden steht ihr unbewaffnet vor eurer kleinen Festung. Ansonsten wird Hinata hier gleich nur noch gurgelnd nach Luft röcheln.»

Sasuke und Naruto überlegten nicht lange, denn darauf waren sie vorbereitet gewesen. Sie waren sich sicher, dass man sie nicht hier und jetzt erschiessen würde. Crow schien noch nicht fertig mit ihnen zu sein. Und sie hatten ihren eigenen Plan.

Sasuke legte sein Gewehr nieder und zog seine zwei Messer vom Gürtel. Auch wenn er wusste, in welche Gefahr sie sich begaben, er wollte es nicht anders. Sie mussten Sakura und Hintata heil da rausholen. Und dazu mussten sie sich die Mitte der Riots begeben.

Er trat hinter der grossen Mulde, die die Basis des Forts bildete, hinaus ins Licht. Naruto folgte ihm. Ihnen war bewusst, dass viele ihrer Leute an dieser Aktion zweifelten. Sie glaubten nicht an Hinatas echte Geiselnahme. Und da Sakura hier nirgends war, wurden sie zusätzlich misstrauisch. Sakura war bis jetzt nur eine vermutete Geisel, niemand hatte etwas von ihr gesehen oder gehört und die Riots hatten auch nichts verlauten lassen. Aber für Sasuke gab es nur diese Möglichkeit, denn jeder Gedanke an die andere mögliche Wahrheit würde ihn wahnsinnig machen. Er würde sich nicht mehr im Griff haben können und mehr denn je brauchte er hier und jetzt die Kontrolle über sich selber.

«So ist’s brav», sagte der Riot. «Dann kommt doch mal schön her.»

Sie taten wie geheissen, auch wenn es Sasuke alle Überwindung kostete, dem Typ nicht gleich an die Gurgel zu springen. Als sie Hinata und dem Riot näherkamen, bemerkte er die feindlichen Pistolen- und Gewehrläufe, die aus den Schatten heraus auf sie gerichtet waren. «Halt», sagte der Riot, als sie nur noch etwa fünf Meter von ihnen entfernt waren. «Das reicht. Ihr dürft nun in angenehmem Abstand an uns vorbeigehen – der Boss erwartet euch in Nummer 4.»

Jeder Aussenstehende hätte sie wohl für verrückt gehalten, als sie ganz einfach seinem Wort folgten und in Richtung Halle 4 gingen, natürlich ohne ihn und Hintata aus den Augen zu lassen. Technisch gesehen könnte man sie hier und jetzt töten, ohne Probleme. Noch war das nichts Crows Intention.

«Wenn hier draussen auch nur ein Schuss von eurer Seite abgefeuert wird oder ihr sogar auf die Idee kommt, eure Barrikaden zu verlassen, dann sterben dort drin eure Leute. Zuerst Hinata. Dann Big Fox. Demon wollen wir uns aufsparen, aber wenn sein muss töten wir ihn auch!», rief er in Richtung der Kuramas und Takas. Es kam keine Antwort, doch die Nachricht war angekommen.

Naruto und Hinata sahen sich nicht an und so wie Sasuke es beurteilen konnte, war das eine bewusste Entscheidung beider. Er wusste ja nicht, was einmal zwischen den beiden gewesen oder eben nicht gewesen war, aber es herrschte eine emotionsgeladene Spannung zwischen ihnen.

Die Flügel des Hallentors standen offen und in dem Moment sprangen die schon fast antiken Deckenlampen an. Das Licht war schummrig, aber immerhin konnte er so sehen, wo seine Gegner waren. In der Halle hatte sich eine ganze Gruppe Riots versammelt, die sich nun teilte, damit sie vorbeigehen konnten. Nicht aus Respekt, versteht sich, jeder und jede Einzelne hatte nur ein schadenfreudiges Grinsen oder böse Blicke für sie übrig. Ihm war es egal. Er wollte jetzt Crow sehen und zwar sofort.

Möglichst unmerklich versuchte er, sich den Aufbau des Raumes zu verinnerlichen. Die Halle war alt und die Decke wurde durch mehrere dicke Holzbalken gestützt. Solche Balken gab es auch ausserhalb, wie sie festgesellt hatten, zur Stütze der überlappenden Dachschrägen. Es stand allerlei Gerümpel herum, vor allem aber viele Kisten und Container, viele davon noch in rostigen Metallregalen untergebracht, die aneinandergereiht zwei relativ breite Gassen bildeten. Sie liefen zwischen den Regalen hindurch und die Enge liess Sasukes mühsam unterdrückter Fluchtinstinkt wiedererwachen. Er und Big Fox befanden sich nicht nur moralisch, sondern auch strategisch in einer suboptimalen Lage.

Am Ende des Regalkorridors war er, Ayato Kirishima. Er sass ganz entspannt auf pyramidenförmig angeordneten Kisten und blickte erwartungsvoll auf sie herab. Sein dunkelbraunes Haar hing ihm wild in die Stirn. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, ansonsten sah er wachsam wie eh und je aus. Sasuke hätte am liebsten nach dem nächstbesten Müll gegriffen und ihn dem Riot-Leader an die geistesgestörte Birne geworfen. Aber er wollte nicht frühzeitig von einem Kugelregen durchbohrt werden. Denn es waren nach wie vor Waffenläufe auf sie gerichtet, auch wenn sich die Schützen gut gedeckt hielten.

«Guten Abend allerseits», begrüsste er sie in ruhigem Ton. Er winkte jemandem hinter ihnen zu und gleich darauf schob sich der Riot mit Hintata in sicherem Abstand an ihnen vorbei.

Sasuke und Naruto schwiegen. Sie hatten sich im Voraus Gedanken darüber gemacht, wie sie sich vor Crow geben wollten und waren zum Schluss gekommen, dass jegliche gezeigte Emotion Crow nur noch weiter anspornen würde. Also versuchten sie, möglichst gleichgültige und vor allem unbeeindruckte Mienen aufzusetzen, auch wenn das alles andere als einfach war, selbst für Sasuke.

«Ich fand es ja schon immer wahnsinnig interessant, wie verletzlich ihr in den vergangenen Jahren geworden seid. Vor eurer Zeit, da nahmen die Kuramas und Takas noch mehr in Kauf, um zu gewinnen.»

«Zu deren Zeit hatten sie auch Gegner, die sich aus Stärke noch etwas machten. Gegner die im Kampf auch etwas draufhatten. Denn sobald man euch eure explosiven Spielzeuge wegnimmt, reduziert sich eure Kampfkraft um die Hälfte. Lässt man dann noch das Geiselnehmen und die Druckmittel weg, kann man euch vergessen. Und auf die Kraft der Massen könnt ihr langsam auch nicht mehr setzen», meinte Sasuke sachlich.

«Demon Eye, ich würde ja gerne abstreiten, was du jetzt gerade gesagt hast, aber ich werde keine Tatsachen verleugnen. Auch wenn ich es etwas anders als du ausgedrückt hätte. Was ihr in der ganzen Angelegenheit immer noch nicht versteht ist, dass wir uns auch nur ein Stück weit als Gang definieren. Wir sind mehr so etwas wie ein Widerstand, Aufwiegler, wenn man es negativ ausdrücken will, Revolutionäre wenn man uns auf die Schulter klopfen möchte. Wir wollen nicht wie ihr über Jahrzehnte um die Herrschaft der Strassen kämpfen, nur um zu überleben. Wir wollen das gesamte System auf den Kopf stellen – was uns übrigens bisher gar nicht mal so schlecht gelungen ist. Wie auch immer. Wir haben ein Ziel und welche Mittel wir zu seiner Erreichung benötigen spielt für uns keine grosse Rolle.»

Die Riots um ihn herum hingen förmlich an seinen Lippen, wenn er sprach. In ihren Augen stand eine Entschlossenheit, ihren Leader um jeden Preis zu schützen. Sasuke verstand war nicht was es war, aber Crow hatte etwas ganz Besonderes. Er gab all diesen jungen Leuten Hoffnung und die Möglichkeit etwas gegen ihre Situation zu unternehmen, auch wenn es keine guten Taten waren, zu denen er sie ermutigte. Aber sie sahen in ihm einen Hoffnungsträger, der mit ihnen den Weg in eine bessere Zukunft bestritt. Wenn er an seine Zeit auf der Strasse zurückdachte, dann konnte er sehr gut nachfühlen, warum sie ihn bewunderten. Denn er legte in dieser ganzen Sache ein kaum nachvollziehbares Selbstvertrauen an den Tag. Und die Riots glaubten fest daran, dass seine Versprechungen wahr werden würden. Auch wenn er es ungerne zugab, aber Crow hatte etwas bewegt. Und Sasuke glaubte nicht, dass er seinen Leuten etwas vorgaukelte. Alles was er tat, tat er mit einer spürbaren Ehrlichkeit. Gut, er war auf jeden Fall vorsichtig, wem er welche Infos innerhalb seiner Gang gab, doch das war auch nur eine Strategie auf dem Weg ans Ziel. Um das nicht falsch zu verstehen – Sasuke bewunderte ihn nicht. Seine Mittel waren falsch und seine Mission ausweglos. Er riss all die Riots mit in sein Verderben.

«Wir werden euch jetzt fesseln», sagte er. «Reine Vorsichtsmassnahme. Wehrt euch nicht, sonst wird meine kleine Foxy hier bluten. Und das möchte ich doch gerne vermeiden.»

Sasuke und Naruto wurden von je einem Riot die Hände hinter dem Rücken mit einem dicken Seil zusammengebunden. Danach wurden sie gefilzt, um auch jeglichen Waffenbesitz auszuschliessen. Als die Riots fertig waren, wurden sie langsam in die Knie gedrückt und beschlossen, zu folgen. Doch sie behielten ihre Köpfe aufrecht, er sollte ja nicht meinen, er hätte sie bereits besiegt.

«Unglaublich. Also wenn ich Foxy hier bei mir habe und das Messer so nahe an ihrer Kehle ist, seid ihr ja wie Marionetten.»

Hinatas Augen waren von ihren Haaren verdeckt, doch sie schaute zu Boden. Hier in der Halle konnte er an ihrem Körper aber keine Verletzungen ausmachen. Wenigsten hatten sie sie in Ruhe gelassen – oder es war ein Anzeichen dafür, dass doch alles nur ein Bluff war.

«Hina», sagte Naruto auf einmal, der wohl Ähnliches beobachtet hatte. Seine Stimme war todernst. «Wenn das hier ein Bluff ist und du hier freiwillig mitspielst… dann ist es vorbei. Wir wollten dich zurückholen. Aber wenn das hier pure Absicht ist, werden wir dir das nicht verzeihen. Der Schaden, den du anrichtest, ist zu gross.» Es lag etwas Bedrohliches in seiner Stimme. Sasuke hatte gar nicht gewusst, dass Naruto so mit Menschen sprechen konnte, die er eigentlich mochte.

Hinata tat nichts dergleichen und schwieg. Gut, sie war ja auch geknebelt, aber sie zeigte jedenfalls keine sichtbare Reaktion.

Crow grinste nur amüsiert. Ihm gefiel es, dass sein Spiel seine Gegner in einen solchen Zwiespalt brachte. «Foxy hat gute Dienste getan. In vielerlei Hinsicht», sagte er. «Doch ist es ein Bluff oder ist es keiner? Wer weiss?»

«Was willst du Crow? Zieh die Sache hier nicht unnötig in die Länge», brummte Sasuke und versuchte, seine aufkommende Aggression zu unterdrücken.

«Gut, dass du uns wieder auf den Punkt bringst, Demon. Ich habe mich ja schon lange darauf gefreut, mich einmal in Ruhe mit euch zu unterhalten.»

In Ruhe war gut.

«Ich fange einmal mit dem ganz persönlichen an. Demon Eye, eine Frage an dich: Was weisst du über mich?»

«Einiges, aber nichts davon ist besonders schmeichelhaft.»

«Lass mich das in deinen Worten ausdrücken: Du weisst, dass ich ein Gang-Leader bin, ein bisschen krank in Kopf, grössenwahnsinnig, hinterlistig und alles in allem dir dein Leben schwer mache.» Er musterte ihn erwartungsvoll.

«Hätte es besser nicht ausdrücken können», antwortete Sasuke knapp.

«Ein guter Anfang. Aber mehr weisst du nicht?»

«Woher auch? Ist ja nicht so, als hättest du vor Kurzem deine Autobiografie veröffentlicht, oder?»

Crow lachte ein wenig, wurde dann aber wieder ruhig. «Was mich daran verärgert ist, dass du keinen blassen Schimmer zu haben scheinst.»

Sasuke war zugegebenermassen verwirrt. Er hatte tatsächlich keine Ahnung, worauf Crow hinauswollte. «Warum, sollte ich dich von sonst woher kennen oder was?»

Er legte den Kopf schief und fixierte ihn mit einem kühlen Blick. «Bingo.»

Jetzt war es auf einmal ganz still im Raum und das leise Gemurmel im Hintergrund verstummte von einem Moment auf den anderen.

«Tue ich aber nicht.»

«Oh doch, das tust du. Aber lass mich den Anfang machen.» Er holte hörbar Luft. «Sasuke Uchiha. Geboren und bis zum achten Lebensjahr aufgewachsen in Otogakure. Eltern ermordet, Platzierung mit seinem Bruder in einem Heim in Iwagakure.» Sein Blick wandere zurück zu ihm.

«Nichts, was man nicht über gut informierte Leute erfahren könnte», brummte Sasuke. «Was treibst du hier für Psychospiele?»

«Ich bin noch nicht fertig», sagte Crow mit ungewohnt wenig Spott in der Stimme. «Die Heimleiterin hiess Setsuko Igarashi, von den Kindern im Verstecken nur ‘Godzilla’ genannt. Sie liebte es, kleine Kinder tagelang in fensterlose Räume zu sperren, um ihnen ‘eine Lektion fürs Leben’ zu erteilen. Sie hat immer nach penetrantem Lavendelparfüm gerochen, der Gestank war allgegenwärtig und verursachte bei uns Übelkeit. Im Sommer mussten wir ihre Lavendelsträucher draussen im Garten giessen.»

Sasukes Körper war vollkommen erstarrt, den Crow erzählte eine ihm bestens bekannte Geschichte, die er aber ganz tief ins einem Innersten vergraben hatte.

«Die Betreuerinnen und Betreuer haben gerne zugeschlagen, aber das war noch das geringste Übel. An der Mauer hinter einem Busch haben wir mit Steinen eine Rangliste der schlimmsten Betreuer erstellt und uns überlegt, wie es wäre, sie einzusperren und zu schlagen. So wie sie es mit uns taten.»

Sein Blick war beinahe etwas abwesend. «Wir waren im selben Zehnerschlafsaal. Zusammen mit Ruki, Makoto, Takashi, Yusei…»

«Es reicht», sagte Sasuke ruhig. Jeder einzelne Name wecke in ihm unerwartete Erinnerungen.

«Nein», erwiderte Crow. «Noch nicht. Denn die schlimmste Zeit in diesem Heim hast du nicht mehr erlebt. Nachdem ihr zu sechst eine Flucht geplant habt, die euch geglückt ist. Ihr habt einen Weg entdeckt. Eine Stelle in der Mauer, in der die Backsteine lose waren. Uns habt ihr davon nichts erzählt, weil ihr Angst hattet, der Plan würde scheitern, wenn es zu viele wüssten. Und dann seid ihr getürmt, doch zurückgeschaut habt ihr nie. Ihr habt uns in dieser Hölle zurückgelassen und die ganze Wut von Godzilla hat sich über uns entladen. Wegen euch. Am nächsten Morgen hat uns die alte Igarashi im Speisesaal zusammengerufen und uns von eurer Flucht erzählt. Sie hat gelächelt als sie meinte, dass wir nun für eure Fehler geradestehen müssen. Einen Monat lang durften wir nicht raus in den Hof. Im Unterricht haben sie uns gedrillt wie in der Armee.» Er war aufgebracht, auch wenn man es ihm kaum ansehen konnte.

Sasuke musste mit aller Kraft ein Zittern unterdrücken. Ayato. Es hatte einen Jungen namens Ayato gegeben im Iwagakure-Waisenhaus – so hiess es damals noch.

«Und damit noch nicht genug. Die alte Schrulle hat mehrere ihrer Betreuer gefeuert, da sie ‘unzuverlässig’ waren. Zurückgeblieben sind nur die allerschlimmsten fünf. Sie haben uns misshandelt, schlimmer als zuvor.»

«Wir haben euch einen Brief dagelassen», fiel es Sasuke ein. «Wir haben euch erklärt, wie unser Fluchtweg aussah. Hat Igarashi das Loch gefunden?»

Ayato schüttele den Kopf. «Nein. Ein Hosenscheisser hat den Brief der Igarashi gegeben und sich dadurch eine Spezialposition ergattert, die ihm manch einen Vorteil gegenüber den anderen eingebracht hatte. Das Loch wurde zugemacht und dann lebten wir knapp ein halbes Jahr lang in der Hölle, bis die Polizei der Sache auf die Spur kam. Das einzige Positive, was eure Flucht bewirkt hat. Doch für viele war das zu spät.»

Sasuke schwieg nur. Was er da hörte, erschütterte ihn zutiefst. Nachdem er und Itachi auf der Strasse beinahe umgekommen wären, hatte er nie wieder an Iwagakure zurückgedacht.

«Erinnerst du dich an Suguha?», fragte Ayato nach einer längeren Pause. Seine Stimme war ganz weich geworden. «Ein Mädchen etwa im selben Alter wir, dunkles Haar?»

Sasuke nickte. Natürlich. Vor seinem inneren Auge tauchte das Bild eines warmherzigen und starken jungen Mädchens auf. Sie war ein wenig die Ersatzmutter der Kinder im Iwa-Waisenhaus gewesen und hatte sich immer um alle gesorgt. Ohne Suguha wäre es noch viel schlimmer gewesen.

«An Sugu und an einigen anderen Mädchen hat sich einer der Betreuer vergriffen. Sie hat später mit etwa vierzehn Jahren Selbstmord begangen.»

In seinem Kopf öffneten sich die Schleusen. Er erinnerte sich auf einmal wieder an Gesichter, an Stimmen und Erlebnisse. Nicht nur an die schlechten Dinge, sondern auch an die guten. Viele der Jungen im Heim hatten für Suguha geschwärmt. Und obwohl es lange her war, tat es ihm weh, von ihrem Tod zu hören. Der Schaden, der Iwa bei ihr angerichtet hatte, musste um vieles grösser gewesen sein als seiner.

Er erkannte für eine Millisekunde einen tiefen Schmerz in Ayatos Augen, der aber sogleich wieder seiner kühlen, aber anklagenden Miene wich. «Das ist deine Schuld. Deine und die von allen anderen, die geflüchtet sind. Deinen Bruder durch die Hand eines Riot tot zu wissen, war übrigens eine Genugtuung.»

Durch Sasukes Körper ging ein Ruck, doch durch einen scharfen Seitenblick von Naruto vermochte er es, sein Temperament im Zaum zu halten. So sehr ihn diese Geschichte auch erschütterte, sosehr auch Schuldgefühle in ihm aufkamen, er musste sie unterdrücken.

«Es tut mir leid, dass das passiert ist. Wir wollten euch nicht im Stich lassen, weshalb wir euch den Brief geschrieben und so versteckt haben, dass nur ihr in finden konntet. Wir wollten, dass ihr alle entkommt.»

«Dieser Plan hat nicht funktioniert», sagte Ayato. «Ganz im Gegensatz zu eurer egoistischen Flucht.»

«Glaubst du etwa, wir hätten mit 30 Kindern auf einmal unbemerkt fliehen können? In unseren Augen war es sicherer, das gestaffelt zu machen.»

«Und ihr habt nicht daran gedacht, dass sie aufpassen würden wie Schiesshunde, nachdem eure Flucht geklappt hat? Dass sie uns strafen würden, dass sie uns drohen würden?»

«Nein», sagte Sasuke. «Soweit haben wir nicht gedacht. Wir waren Kinder, genau wie ihr.»

«Nein, ihr wart egoistisch und habt euch aus der Affäre gezogen.»

Sasuke schwieg. Das alles war so lange her. Und doch kam es ihm auf einmal vor, als wäre es gestern gewesen.

«Wir haben der Polizei etwa einen Monat später einen Brief geschickt», sagte Sasuke. «Wir haben ihnen gesagt, was in Iwa abgeht. Halt in unserer kindlichen Sprache. Denn ich glaube nicht, dass Igarashi den Verlust von uns sechs Kindern gemeldet hat – die wollte keine Bullen im Haus. Es scheint aber anhand deiner Schilderung gedauert zu haben, bis sie aktiv wurden.»

Ayato stutze einen kurzen Moment, doch seine Miene blieb unverändert.

«Wir sechs haben euch nicht geschlagen oder eingesperrt. Wir haben uns an niemandem vergriffen. Wir haben Sugu nicht in den Selbstmord getrieben. Ich kann deinen Groll auf uns verstehen, aber wir sind nicht an dem schuld, was dir und den anderen widerfahren ist, nachdem wir weg waren.»

«Das sehen wir anders», sagte eine Stimme in der Menge. Sasuke erschauerte leicht, als er einige Gesichter sah, die ihn nur noch entfernt an die Iwa-Kinder erinnerten, doch er wandte seinen Blick direkt wieder an Crow. Er durfte sich nicht aus dem Konzept bringen lassen.

«Wie viele aus Iwa hast du bei dir eingeschleust?»

Crow lächelte. «Fünfzehn. Abzüglich Suguha. Wir wurden alle in ein Waisenhaus in Konoha verfrachtet.»

«Okay», erwiderte Sasuke. «Es tut mir leid, dass wir euch zurückgelassen haben. In diesem Moment hielten wir es für das Beste, wenn jemand rauskam und die Polizei verständigte. Ihr seht das anders. Kann ich verstehen.» Und das meinte er so. Doch all diese Dinge durften ihn jetzt nicht durcheinanderbringen. Er wandte sein Wort wieder an Crow. «Aber sag mir jetzt nicht, dass dieser ganze Krieg hier euer persönlicher Rachefeldzug gegen mich ist.»

Crow zuckte mit den Schultern. «Nein, soviel Aufwand bist du uns nicht wert. Aber wie sagt man so schön? Wir können hier zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Einerseits kann ich mich um euch kümmern und andererseits... nun habe ich noch etwas anderes vor.» Er wandte sich an Naruto. «So. Das ist meine offene Rechnung mit Demon. Jetzt zu dir, Big Fox.»

«Hast du für mich auch so bescheuerte Anschuldigungen?», fragte Naruto direkt zurück.

«Nein. Eine ganz einfache Rechnung. Ich konnte dich nie leiden. Weisst du, auch wir sind uns schon begegnet, auch wenn du damals noch auf deinem hohen Ross gesessen und das gemeine Fussvolk nicht beachtet hast. Lass dir das von jemandem sagen, der in den Underdog-Gangs unterwegs war und nicht den Luxus genoss, jemandem von euch anzugehören. Denn auch wenn du immer einen auf Retter der Armen und Wehrlosen gemacht hast, so warst du ein verdammter Rosinenpicker. Weisst du, wie du auf uns gewirkt hast? Arrogant und rechthaberisch. Du hast vorgegeben, ein Gutmensch zu sein, aber eigentlich haben du und deine Gang die Nase immer viel zu weit oben gehabt. Nur weil ihr zu den Grossen gehört habt, was nicht einmal euer Verdienst war. Du hast den Gang-Wohlstand quasi geerbt und ihn als deinen verkauft.»

«Nur weil du das so siehst, heisst es nicht, dass es wahr ist», sagte Naruto bestimmt. «Es gibt Gründe, warum manche Gangs stärker und manche schwächer sind. Und das hängt von den Intentionen, Motivationen und Einstellungen der Leute ab, die die Gang ausmachen. Deshalb ja, ich habe niemanden mit Intentionen aufgenommen, die mir widerstrebten.» Er stutzte. «Warum? Wolltest du früher einmal den Kuramas beitreten?»

«Nicht nur ich. Wir als Gemeinschaft, damit wir gegen die Takas und vor allem Demon kämpfen konnten. Wir hätten dir auf jeden Fall einen Vorteil im Kampf gegen die Takas verschafft.» Er verwies mit «wir» vermutlich auf die anderen Iwa-Kinder.

«Du sagtest, dass wir kein Kurama-Material sind. Und dann hast du uns zurück auf die Strasse geschickt.»

Naruto erinnerte sich an viele Leute, die den Kuramas hatten beitreten wollen und die Mehrheit davon war in den Outer Circle aufgenommen worden. Aber es gab immer wieder auch Leute, denen er den Zugang verwehrt hatte. Und an eine grosse Gruppe erinnerte er sich auch. Das war ganz am Anfang seiner Leader-Zeit gewesen.

«Dann seid ihr es damals auch nicht gewesen. Und wenn ich euch heute sehe, bereue ich meine Entscheidung nicht im Mindesten.»

Ein wütendes Schnauben ging durch die Reihen der Iwa-Kinder.

«Braucht gar nicht wütend zu werden. Die Kuramas wollen ein Commitment zu Gang und keine rachedurstigen Einzelkämpfer, die ihre Ziele vor das Wohl der Gang stellen. Ob jemand von den Kuramas aufgenommen wird, liegt ganz alleine in seiner Macht. Ich sage jedem einzelnen Anwärter, was ich von einem Kurama erwarte und höre mir ihre Motivation an. Eure waren in diesem Fall nicht geeignet. Ihr habt offensichtlich viel Scheisse durchmachen müssen, aber das haben andere auch. Es gibt euch kein Recht, jede eurer Macken darauf zurückzuführen und dumme Sündenböcke zu suchen. Demon hat keine Schuld an dem, was euch in Iwagakure widerfahren ist und ich habe keine Schuld an dem, was auch immer euch in Konoha passiert ist. Also werdet erwachsen und hört auf, von einem sinnlosen Rachedurst zu leben.»

Sasuke war beinahe beeindruckt. Naruto liess sich nicht aus der Ruhe bringen, denn offensichtlich war er diesbezüglich mit sich im Reinen.

«Interessantes Plädoyer», meinte Crow gelassen. Er hielt die ganze Zeit über diese unbeeindruckte Fassade aufrecht. «Auch wenn sich hier nur wieder zeigt, wie überzeugt du von dir selber bist.»

Naruto lächelte. «Du bist nicht unbedingt jemand, der das anderen vorwerfen sollte. Mal in den Spiegel schauen hilft vielleicht. Es wäre übrigens auch nicht gut, wenn ein Gang-Leader nicht von sich überzeugt wäre.»

Ayato lehnte sich zurück. «Es ändert nichts daran, wie die kleinen Gangs zur dir und deiner selbst erwählten Elite-Gang stehen. In meinen Reihen waren und sind viele von ihnen.» Er machte eine kurze Pause. «Nun, da wir jetzt wissen, wo wir stehen, können wir uns auch dem widmen, was heute eigentlich passieren soll.»

Auch wenn es Sauske nicht zugab, Crow war in seinen Augen nach diesem Austausch sehr viel menschlicher geworden. Sasuke war so voller Adrenalin, dass die Erkenntnis nur langsam zu ihm durchdrang. Crow war einer seiner Leidensgefährten aus Iwa gewesen und er konnte seine Wut und seinen Schmerz nachfühlen. Warum hatte er ihn nur nicht erkannt? Jetzt, da er es wusste, erschien es ihm verdammt offensichtlich.

«Ich weiss, dass die Situation der Riots nicht gut aussieht. Das wissen alle hier. Hättet ihr nicht die Arroganz gehabt, euch mit der Polizei zusammenzuschliessen und so zu tun, als wärt ihr die heiligen Gangs Konohas, wären wir sehr viel weitergekommen. Nichtsdestotrotz nehmen wir die Situation wie sie ist und machen das Beste draus.»

Cracker trat aus den Reihen hervor. Er hatte ein Smartphone gezückt.

«Wir sorgen jetzt noch einmal für ein wenig Unruhe», kommentierte Crow.

«Crow, was zur Hölle hast du vor?», knurrte Naruto. «Eure Situation ist ohnehin ausweglos. Ihr kommt hier nicht mehr raus, auch wenn ihr uns alle kaltmacht.»

«Um etwas zu verändern, muss man Chaos anrichten. Kontrovers sein. In Konoha kannst du nicht einfach Dinge erbitten, denn das hört niemand, will niemand hören. Es wird nur gehört, wenn sich die Einflussreichen plötzlich in Gefahr wähnen.»

«Jetzt kannst du den Schaden noch begrenzen, Ayato. Du wanderst so oder so in den Knast, aber deine Leute kannst du noch schützen.» Sasuke war nicht gut in solchen Gesprächen, Sakura könnte das viel besser. Obwohl bei Crow wohl längst alles verloren war. Er würde keinen Rückzieher mehr machen, denn in seinen Augen konnte er nur noch gewinnen.

«Ich bin nicht hierhergekommen, um im letzten Moment alles abzubrechen, Demon. Ganz im Gegenteil.»

Er erhob sich. «Ich werde nun gleich eine kleine Ansprache halten, in der ihr euren ganz eigenen Platz habt. Ist das nicht toll?»

Sasuke schwante Übles.

«Dieses Smartphone», er wies auf Cracker, «wird in einigen Minuten einen Livestream starten. Ich halte ja nicht viel von Social Media, aber heute kommen sie uns zu Gute. Die ganz Stadt und noch viel mehr Leute sollen sehen, was sich hier, heute Nacht abspielt. Sie sollen ein wenig das Fürchten lernen. Der Link wurde soeben an die lokalen News-Channel gesendet, die sowieso gebannt auf Neuigkeiten warten. Wir werden den Stream verbreiten, damit so viele Leute wie möglich in seinen Genuss kommen oder sich im Nachhinein das Video anschauen können.»

«Du hast echt nicht mehr alle Tassen im Schrank», sagte Naruto ungläubig.

Crow zuckte nur mit den Schultern. «Whatever you say.»

Er sprang von seiner Kiste runter und machte einen Schritt auf Sasuke zu. «Für dich habe ich aber auch noch etwas Schönes.» Er zog etwas aus seiner Hosentasche und warf es vor Sasuke auf den Boden. Sasuke brauchte nicht zweimal hinzusehen, um zu erkennen, was es war, denn der silberne Kurama-Fuchs an der feinen Kette war unverkennbar.

In ihm stieg unbändige Wut auf und jetzt konnte er sich nicht mehr zurückhalten. «Wo ist sie?», knurrte er.

«Bei Tomcat», antwortete Crow in vollem Wissen, dass dies Sasukes Zorn nur noch steigerte. «Die Kleine wurde von ihren Leuten getrennt. Und Tomcat ist in dieser Hinsicht besser als jeder Jagdhund.»

Sasuke drückte seine Handgelenke gegen seine Fessel, doch es half nichts. Wenn er hier einen Aufstand machte, dann brachte er Hinata in Gefahr. Naruto neben ihm reagierte ähnlich wütend, doch er behielt die Kontrolle besser als Sasuke.

«Keine Sorge, sie lebt und du wirst bald Gelegenheit haben, sie zu sehen», winkte er ab. «Ich bin noch nicht fertig mit euch.»

Und wir nicht mit dir, dachte Sasuke. Doch der Gedanke, dass Sakura in diesem Moment in Tomcats Gewalt war, machte ihn beinahe wahnsinnig. Dieser Typ war unberechenbar. Wenn er ihr auch nur ein Haar krümmte, dann konnte er etwas erleben.

Cracker gab Crow ein Zeichen und er positionierte sich wieder auf seinen Kisten.

«Guten Abend Konoha!», rief er in die Kamera und lächelte zufrieden. «Mein Name ist Crow und ich bin der Anführer der Jaguar Riots. Und viel mehr noch der Anführer dieser Revolution.» Er wies auf Naruto und Sasuke, Cracker folgte mit der Kamera. «Wie Sie sehen bin ich in bester Gesellschaft. Bei mir sind die gefürchteten Gangleader Big Fox von den Kurama Foxes und Demon Eye von den Taka Snakes!» Den letzten Satz triefte vor Spott. Sasuke und Naruto vermieden es, direkt in die Kamera zu sehen.

«Wie Sie sehen, sitzen die Riots wieder einmal am längeren Hebel. Und Sie fragen sich bestimmt: Warum? Warum machen die das? Warum stellen sie unser Leben auf den Kopf und machen alles so schwer? Dafür gibt es Antworten. Aber noch viel mehr als Antworten gibt es Wahrheiten, die Sie interessieren werden.»

Crow lächelte in die Kamera und sah dabei aus wie ein netter Nachbarssohn, der seinen Ball über den Zaun gekickt hatte und ihn nun gerne zurückhaben wollte.

«Na dann, hören Sie mir gut zu.»

 

Sie versteckte ihr Gesicht hinter ihren Haaren, konnte und wollte nichts mehr sehen. Es war die Angst zu verlieren, die sie lähmte. Denn egal, was sie tun oder nicht tun würde, heute würde sie etwas verlieren. Dabei war das alles nur passiert, weil sie etwas hatte schützen wollen. Und dafür hatte sie in Kauf genommen, dass ihre Freunde sich alle von ihr abwandten, dass sie sich ein Bild von ihr machten, für das sie eigentlich nicht stehen wollte. Sie war an der falschen Zeit am Falschen Ort gewesen und das alles hatte sie hierhergeführt.

Und jetzt? Jetzt blieb ihr nichts anderes übrig, als weiterhin diese miserable, verachtenswerte Rolle zu spielen, die sie in diesem Spiel übernommen hatte. Sie schloss die Augen und hoffte zum hundertsten Mal in der vergangenen Zeit, dass das hier alles nur ein Traum war. Ein böser Traum.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben!

Rein handlungstechnisch ist in diesem Kapitel nicht so viel passiert, dafür umso mehr auf Charakterebene ^^ Ich hoffe, es hat euch gefallen/ zugesagt. Ich kann euch gleich sagen, dass es bis zum nächsten Kapitel wieder etwas dauern wird, aber dafür wird es hoffentlich ein gutes. Die Handlung ist komplex und meine Zeitressourcen sind etwas begrenzt, deshalb muss ich schauen, wie ich es einrichten kann.
Da beim letzten Kapitel viel die Sorge geäussert wurde, dass die FF abgebrochen wird, möchte ich noch Folgendes anfügen: Die FF wird auf jeden Fall beendet, ich brauche einfach meine Zeit dafür. Ich wiederhole: Ich werde Konoha Gangs nicht abbrechen, sondern zu Ende führen, sofern ich gesund und munter bleibe natürlich ;D Aber lange geht es jetzt nicht mehr, bis wir am Ende angekommen sind. Ich freue mich darauf und gleichzeitig werde ich diese FF sehr vermissen. Ich habe in all den Schreibjahren viel gelernt =)

Deshalb danke an alle, die die FF auch so hartnäckig verfolgen- Ein besonderer Dank gilt natürlich an all jenen, die immer mal einen Kommentar dalassen, denn ihr gebt mir immer wieder aufs Neue Energie.

So, genug geredet. Ich gebe mir Mühe, so rasch wie möglich weiterzuschreiben ;D

Bis bald

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Kommentare zu diesem Kapitel (9)

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Von:  Cosplay-Girl91
2019-07-20T22:38:01+00:00 21.07.2019 00:38
Tolles Kapitel :)
Bin schon sehr gespannt wie es weitergeht.
Mach weiter so.
Lg
Antwort von:  ximi
25.08.2019 21:49
Heii, dankeschön! Es freut mich, dass es dir gefallen hat! =D

glg ximi
Von:  SaSuSaKuSaRa
2019-07-18T08:53:01+00:00 18.07.2019 10:53
Yuhu es geht weiter...
Also dank dir habe ich jetzt wirklich Mitleid mit Tomcat. Ich glaube auch das Sakura in auf den rechten Weg bringt und Tomcat sie entkommen lässt oder er hilft ihr irgendwie. Trotzdem verzeiht das nicht seine Taten. Crow hab ich gefressen. Schon alleine die Art wie er über Itachi spricht. Er mag zwar eine scheis Zeit im Heim gehabt haben aber das hatten alle anderen auch. Und Sasuke an den Kopf zu werfen das wäre seine Schuld ist totaler Quatsch. Sie waren alle noch Kinder und keiner wusste das ein Kind der Betreuerin alles verpetzt. Und es tut mir auch um das Mädchen leid. Aber wäre das nicht Anstoß für Crow gewesen alles besser zu machen? Ohne jegliche Art von Gewalt weiter leben zu wollen?
Ich finde Narutos Erklärung klasse warum er sie damals nicht aufgenommen hat. Und das er so hinter seinen Prinzipien steht.
Thema Hinata... Ich glaube immer noch das sie nicht ganz freiwillig bei den Riots ist. Habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben das sie bald wieder bei den Kuramas ist. :)

Und nun zu dir.. :)
Ich freue mich jedes mal wie ein kleines Kind wenn du ein neues Kapitel hochgeladen hast. Deine Story ist so fesselnd und flüssig geschrieben. Jedes Wort ergibt Sinn und man merkt das du viel Herz reinsteckt. Natürlich ist die lange Wartezeit auf ein neues Kapitel jedesmal eine qual, aber bis jetzt wurde ich nie enttäuscht. Das Warten lohnt sich. Mach bitte weiter so.

:)
Antwort von:  ximi
25.08.2019 22:05
Heii
Dankeschön für deinen lieben Kommentar!

Zuerst zu deinen Aussagen zur Story: Es ist für mich wahnsinnig interessant, zu lesen, was du über die Figuren denkst. Das gibt mir ein gutes Feedback, ob die Charaktere von den Lesern so eingeschätzt werden, wie ich es mir vorstelle. Ich denke, dass in der ganzen Geschichte auch viele Moralfragen aufkommen - Themen wie Rache, Hass, aber vielleicht auch Vergebung. Gerade deine Gedanken zu Crows Motiven - wäre siene schlimme Vergangenheit nicht ein Anstoss gewesen, alles besser zu machen, als zum König des Chaos zu werden? Oder waren es vielleicht genau diese aufgestauten Aggressionen, die er nun auf die Menschen von Konoha entlädt?
Ich freue mich auf jeden Fall, das weiterzuentwickeln.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch noch ganz herzlich für deine lieben Worte zum Schluss bedanken. Es ist für mich ein riesiges Kompliment, zu hören, dass die Story dich fesselt und man merkt, dass Herzblut drin steckt. Manchmal braucht es wirklich sehr viel Energie, diese Geschichte voranzubringen (z. B das nächste Kapitel war eine absolute Zangengeburt ;D. Umso mehr hoffe ich, dass dir auch die nächsten Kapitel zusagen. Danke auch für deine Geduld - für mich ist es wichtig, dass ich hinter den Kapiteln stehen kann.

Ihc wünsche dir eine gute Zeit und würde mich natürlich freuen, wieder von dir zu hören! =D

glg ximi
Von:  franny
2019-07-17T17:34:26+00:00 17.07.2019 19:34
Super Kapitel!!!!
Mach weiter so=)
LG fanny
Antwort von:  ximi
25.08.2019 21:49
Heii, vielen Dank für deinen Kommentar! =D
Von:  Scorbion1984
2019-07-17T10:12:42+00:00 17.07.2019 12:12
Konnte leider nicht eher kommentieren ,mein Internet spinnt seit Tagen rum !
Also tun die Riots das alles nur Hass und Rache auf die anderen beiden Gangs !
Ich denke Tomcat ist nicht so ,er hast nur die Elite ,die so schmutzig ist !
Denke er wird im Notfall Sakura beschützen ,weil sie irgendwie zu ihm durch kommt !
Was ist mit Hinata ,ist sie wirklich in Lebensgefahr ? Was hat der Boss der Riots mit Sasuke und Naruto vor ?
Antwort von:  ximi
25.08.2019 21:48
Heii, ist doch kein Problem, du warst also trotzdem total schnell! =D
Ich freue mich, dass du dir immer die Zeit nimmst, mir einen Kommentar dazulassen!
Wie es mit Tomcat, Sakura und den anderen weitegeht, erfährst du im nächsten Kapitel! =D

glg ximi
Von:  DarkBloodyKiss
2019-07-16T22:11:17+00:00 17.07.2019 00:11
Hi Nabend :)
Super mega tolles Kapitel
Super schön geschrieben
Wünsche dir einen super schönen Abend DarkBloodyKiss :)
Antwort von:  ximi
25.08.2019 21:47
Heii, dankeschön! Es freut mich, dass dir das Kapitel gefallen hat! =D

glg ximi
Von:  Ginny1986
2019-07-16T21:53:50+00:00 16.07.2019 23:53
Erst mal eine großes Sorry, dass ich im letzten Kap keinen Kommentar geschrieben habe. Krankheitsbedingt ging es bei mir in der letzten Zeit nicht so gut.. aber ich lese immer noch gespannt bin und freue mich über jedes neue Kap. So wie über dieses. Und ich bin auch sehr froh, dass du diese super tolle fanfic nicht abbrichst. Sie ist do toll, dass wäre echt mega schade drum. Nim5fir die Zeit. Ich bleibe aufjedenfall bis zum Schluss. Es ist doch gerade so spannend. So langsam klären sich die offenen Fragen wieso soweit Groll Crow gegen Sasuke und Naruto hat. Oh man und wie geht es mit Sakura weiter...und was für eine Rolle nimmt Hinata ein.

Ich bin gespannt wie es weiter geht. LG
Antwort von:  ximi
25.08.2019 21:47
Heii, danke für deinen Kommentar!
Du brauchst dich bestimmt nicht zu entschuldigen. Ich freue mich über jeden Kommentar und bin niemandem böse, der nicht jedes Kapitel kommentiert. Und besonders wenn man krank ist, hat man andere Prioriäten ;D
Es freut mich natürlich sehr, dass du die FF immer noch weiterverfolgst, auch wenn es halt nur unregelmässige Uploads gibt. Das schätze ich wirklich sehr! Danke also auch für deine lieben Worte =D
Wie es nun weitergeht, erfährst du im nächsten Kapitel! ;D

glg ximi
Von:  MissBlackBloodSakura
2019-07-16T13:34:33+00:00 16.07.2019 15:34
Juhuuuu😊😊
Es geht weiter🍬🍬🍬😊😊
Antwort von:  ximi
25.08.2019 21:24
Heii, danke für deinen Kommentar! =D
Von:  Cherrydestruction
2019-07-16T10:47:25+00:00 16.07.2019 12:47
Ich hoffe, Sasuke findet Sakura und es gibt ein Happy End ❤️ 🙏🏻
Antwort von:  ximi
25.08.2019 21:24
Heii, danke für deinen Kommentar! =D
Wie es weitergeht, erfährst du im nächsten Kapitel ;D

glg ximi
Von:  SarahMaus09
2019-07-16T10:32:17+00:00 16.07.2019 12:32
Ich finde das Kapitel echt super ist, freu mich schon total wie es weiter geht und was noch so spannendes passiert.
Ich liebe deine Geschichten wirklich und sie sind so toll geschrieben.
Antwort von:  ximi
25.08.2019 21:17
Heii

Dankeschön! Es freut mich, dass es dir gefallen hat und ich hoffe, dass dir auch die nächsten Kapitel zusagen! ;D

glg ximi


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