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Die Fürstenbraut des Westens

Hochzeitsreise mit Schwierigkeiten
von

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Eine gemeinsame Nacht

Die Paradiesvögel erkannten relativ schnell, dass sie sich an sehr wehrhafte Beute gemacht hatten und flatterten in den verhangenen Morgenhimmel. Fressen war eine Sache – das Leben vieler Schwarmmitglieder zu riskieren eine andere.

Der Taishou sah sich kurz um, ehe ihm ein Knurren aus der Kehle drang, das seine Krieger dazu bewog einige Schritte rückwärts zu gehen, zumal, als seine Augen, wenngleich kurz, rot aufleuchteten.

Sie war weg.

Seine Schutzbefohlene hatte es gewagt das Kampfgetümmel auszunutzen und war weg. Er nahm nicht für eine Sekunde an, dass sie in Panik geflohen war. Er hatte noch gesehen, dass sie einen Paradiesvogel aus der Luft geholt hatte. Nein, keine Panik. Das war eine mehr oder weniger geplante Flucht gewesen. Wie konnte sie es wagen vor ihm davonlaufen zu wollen - oder wie naiv war sie, wenn sie annahm ihm entkommen zu können? Wusste sie nicht, mit wem sie es hier zu tun hatte? Na schön, das hatte er verschwiegen. Immerhin musste sie doch so klug sein zu wissen, dass man den Titel eines Heerführers der Hunde nicht geschenkt bekam.

Aber er wandte den Kopf. Zuerst waren seine Krieger an der Reihe: „Verluste?“

Ein weißhaariger Offizier eilte heran: „Verletzte, Herr, aber nur vier oder fünf schwerer.“

„Richtet die Tiere her. Ihr geht weiter Richtung Westen durch das Gebirge. Abends lagert wie bislang, mit Posten im Kreis.“

„Und...äh...die Prinzessin? - Vergebt meiner törichten Wenigkeit. Eine vollkommen überflüssige Frage,“ beteuerte der Hundedämon hastig. Oh je, da war jemand aufgebracht.

Postwendend kam auch die bereits befürchtete Antwort: „Ren, du bist mir dafür verantwortlich, dass bis zu meiner Rückkehr auch nicht ein Stück Seide oder ein Juwel der Mitgift fehlt. Von Kriegern will ich nicht reden.“

„Ja, Herr.“ Und das bedeutete, er haftete mit seinem Leben. Der Inu no Taishou mochte um seine Männer besorgt sein, was diese auch hoch schätzten, aber er würde niemals sein Gesicht verlieren wollen. Ren wich eilig zurück als aus der nur scheinbar menschlichen Gestalt vor ihm ein riesiger weißer Hund entstand, der kurz den Kopf senkte, ehe er eilig der Fährte nach Westen folgte. Nun, Prinzessin Koromi sollte eine sehr gute Erklärung haben – oder eine noch bessere Entschuldigung. So zornig war der Herr schon lange nicht mehr gewesen.
 

Der Inu no Taishou folgte der Witterung mehrere Stunden. Koromi hatte keine Pause gemacht, war gelaufen als ob es um ihr Leben ginge. Sah sie das etwa so? Närrin. Auf jeden Fall zeigte das nur zu deutlich ihre Stärke an. Aber sie würde ihm nicht entkommen. Er war der Heerführer aller Hunde, hatte das oft genug in Kämpfen unter Beweis gestellt. War ihr das nicht klar, selbst, wenn sie nur diese Hälfte seines Ranges genannt bekommen hatte? Und: wusste sie überhaupt etwas von den Gefahren, die hier in der Wildnis des Niemandslandes auf sie warteten? Schön, Paradiesvögel hatte sie gekannt, aber andere....? Überdies war es eine Sache etwas im Unterricht erklärt zu bekommen, eine zweite die Realität zu sehen. Er sollte sich beeilen, ehe die ein wenig widerspenstige Braut in wirklichen Problemen steckte.

Sie war nach Osten abgebogen, praktisch in einem Halbkreis zurück. Hatte sie in bestimmtes Ziel? Kannte sie etwa jemanden hier in der Einöde? Kaum anzunehmen bei einer behüteten Prinzessin. Und Koromi hatte zugegeben, dass sie bis zum Tod des alten Fürsten als Thronfolgerin gehandelt worden war. Was auch immer da geschehen war, ging ihn nichts an. Aber offenbar hatte das ihr gesamtes Leben umgedreht, ihr statt ihrer Schwester die Rolle der Fürstenbraut eingetragen. Nun, er würde es früher oder später von ihr aus erster Hand erfahren, da war er sicher.

Die Fährte wurde frischer, sie war offenkundig langsamer geworden. Wurde sie doch müde? Aber dann erkannte er sein neues Problem. Anscheinend um ihre Spur zu verwischen war sie in einen Fluss gelaufen. Raffiniert, aber es würde ihr nichts nutzen. Niemand entkam einem Hundedämon seiner Macht.
 

Koromi hatte sich unterdessen in ihre menschliche Gestalt verwandelt und trank Wasser in einem kleinen Talkessel. Von hier aus konnte sie bereits den Feuerberg sehen. Sie brauchte eine kleine Pause, zumal sie nach ihrer Finte mit dem Flusslauf nicht annahm, dass ihr jemand noch folgen konnte. Die Sonne stand schon tief und es würde bald dunkel werden, was eine Nachsuche noch einmal erschweren würde. Dann wollte sie sich erneut auf den Weg zu dem Vulkan machen. Kaum jemand würde sie dort vermuten. Sie raffte den mehrlagigen Kimono um sich als sie aufstand. Nun, vielleicht sollte sie sich doch erneut verwandeln, die Kleidung und der Schmuck waren bei einer solchen Flucht mehr als lästig.

„Koromi.“

Ihr Name ließ sie herumfahren, zu welchen Mächten auch immer betend, dass sie sich verhört hatte. Aber dort stand der Heerführer, die gepanzerten Arme verschränkt, und musterte sie. Wie hatte der ihre Spur bis hierher verfolgen können und dann auch so schnell? Nun gut, er war ein Hundedämon wie sie und sie kannte die eigene gute Nase, aber sie war doch wirklich rasch gelaufen. Er war wütend, das erkannte sie, und sein kaum bemerkbares Lächeln, das um seinen Mund huschte, weckte in ihr eine fremde, eisige Angst. Sie bemühte sich ihre Kontrolle zurück zu erhalten: „Edler Taishou, welche Überraschung.“

„Das kann ich mir vorstellen.“ Er ließ die Arme herabhängen und kam langsam auf sie zu. „Wie konntest du annehmen mir zu entkommen?“

Sie richtete sich auf, zu stolz, um nicht ihre Beklemmung verbergen zu können, ehe sie der Wahrheit gemäß antwortete: „Ich hatte nie die Absicht EUCH zu entkommen.“

Er blieb stehen.„Schön. Jetzt hast du mich überrascht. Was dann?“

„Einer Heirat.“

„Fürstengemahlin der westlichen Länder erscheint mir kein so arges Schicksal, dass man sich in einen Vulkan stürzen will.“

Er hatte ihr Ziel erraten: „Ich würde lieber hier in der Einsamkeit leben als jemanden zu heiraten, den ich weder kenne noch je achten kann.“

Er hob eine Braue: „So sicher? - Es ist gleich. Wie der werte Berater der Fürstin schon erwähnte: solange diese Reise dauert bin ich der Treuhänder. Und ich werde dich in den Westen bringen, wenn es sein muss auch gefesselt. Das erfordert meine Ehre.“ Sie hatte anscheinend wirklich nicht den Hauch einer Ahnung welche Titel er sonst noch trug. Sie hatte ihn soeben beleidigt ohne es zu wissen.

„Was für eine Heirat, wenn die Braut gefesselt und geknebelt ist!“

„Du verachtest einen Fürsten, den du nicht kennst.“

„Ich verachte jeden Mann, der glaubt, sich eine Frau untertan zu machen.“

„Deine Erziehung zur Thronfolgerin scheint einige beklagenswerte Nebenwirkungen zu haben, wenn du dich der Realität verweigerst. Bei Hundedämonen befiehlt der Stärkere dem Schwächeren.“

„Ich bin nicht schwach!“ knurrte sie. Ja, die Logik kannte sie, sie war ihr oft genug gesagt worden. Auch als männlicher Hundedämon musste man sich unterwerfen. „Viele Männer sind mir unterlegen.“

„Ich bin der Herr der Hunde.“ Das war ein Missgriff und er korrigierte sich eilig: „Der Heerführer.“

Sie hatte den letzten Satz überhört. Ihre Gedanken rasten förmlich dahin. Er würde sie nie gehen lassen. Nicht ohne Kampf. Ohne Antwort verwandelte sie sich in eine große weiße Hündin, nicht überrascht, dass er in Sekundenschnelle diesem Beispiel folgte. Er war größer als sie, sicher stärker, und das Fell, dass sich, wie bei ihrem Vater um den Vorderleib bauschte würde ihn vor ihren Bissen schützen. Sie dagegen besaß es nicht. Sie hatte seit ihren Welpentagen keine Rauferei in Hundeform mehr bestritten, vermutlich im Gegensatz zu dem Heerführer. Und das waren harmlose Geplänkel gewesen, gegen Spielkameraden. Hier würde das anders aussehen. Sie erkannte für sich jedoch zwei Vorteile: sie war kleiner, damit wendiger, und sie hatte keine Skrupel zuzubeißen, während er ja kaum seinem Herrn dessen Braut durch seine Schuld verletzt präsentieren wollte. Dieser Talkessel würde eine künstliche Arena bilden, verhindern, dass einer von ihnen zu weit dem anderen auswich...
 

Für einen Moment standen sich die beiden riesigen, weißen Hunde gegenüber und musterten sich. Der Inu no Taishou versuchte ihre Taktik zu erraten. Hatte sie überhaupt eine? Sie musste doch wissen, dass sie ihm unterlegen war. Aber für einen Moment war etwas wie Verzweiflung in dem schönen, ruhigen Antlitz aufgeschienen. Fürchtete sie eine Ehe wirklich so? Es war jedoch gleich. Wollte er nicht sein Gesicht verlieren, zum Gespött eines jeden Dämons im Süden und Westen und wohl auch darüber hinaus werden, durfte er nicht zulassen, dass die Braut ihm entkam. Er musste das hier bereinigen. So schoss er auf sie los.

Es war schnell, aber Koromi machte einen Satz seitwärts, drehte sich noch in der Landung und sprang erneut, um so hinter ihren Gegner zu kommen, dessen Gebiss zu vermeiden. Gleichzeitig öffnete sie ihren Fang und zielte auf das linke Hinterbein des Taishou..

Dieser sprang weg, aber die Zähne der Prinzessin ritzen durch das Fell noch die Haut, ehe sie sich zurückwarf um außer Reichweite zu gelangen, als er nun herumfuhr. Aufmerksam umkreiste sie ihren Gegner, zwang ihn dadurch sich mit zu drehen. Er wollte keinen erneuten Angriff von hinten riskieren, zumal er bemerkt hatte, dass sie wirklich zubeißen würde, etwas, das er für seinen Teil zu vermeiden wünschte.

Beide sprangen aufeinander los, schnappten, hechelten in grimmigem Schweigen. Ein Gewirr felliger Körper entstand, ein Durcheinander von Bewegungen. Dieser enge Kontakt dauerte keine Minute, ehe Koromi hastig zurücksprang.

Er war viel stärker, dachte sie. Wie kam sie hier nur weg? Ihr war seine Taktik klargeworden. Ja, er würde möglichst nicht zubeißen, aber er versuchte sie zu Boden zu bekommen. Nach den Regeln aller Hundeartigen war ein Kampf beendet, wenn der Unterlegene auf dem Rücken lag und die Kehle darbot. Genau darauf zielte er ab. Sie musste ihn täuschen, dann versuchen diesen Talkessel zu verlassen um sich zu verbergen. Warum nur hatte sie zuvor keinen Bannkreis eingesetzt, dann hätte er sie kaum so rasch gefunden.
 

Der Heerführer bewegte sich vorwärts. Sie dachte nach, suchte sicher ein neue Taktik. Das sollte er nicht zulassen. Der Kampf wurde eher zu einer Hetzjagd. Koromi blieb kaum etwas übrig, als zurückzuweichen. Wenn sie als Entlastung angriff, dann von hinten, oder tief von vorn, immer auf die Beine des Gegners zielend, aber oft genug fehlte sie oder biss in das Schulterfell. Frustrierend. Sie musste hier weg und rasch einen Bannkreis als Versteck bauen. Das hatte sie gelernt und konnte nur hoffen, dass er nicht auch noch diesen durchbrechen konnte.
 

Sie täuschte einen Angriff auf seine rechtes Hinterbein vor. Unverzüglich fuhr der Taishou herum, nur, um zu erkennen, dass sie sich ihrerseits herumwarf, los spurtete, um aus dem Talkessel zu gelangen. So nicht, dachte er und setzte unverzüglich nach. Seine Schnauze stieß so hart in ihre Weichen, dass sie nach Luft rang und seitlich zu Boden gestoßen würde. Im nächsten Moment war er über ihr, seine Zähne umfassten ihre Kehle.

Keine Chance, dachte sie resigniert. Sie hatte verloren.

Da er spürte, dass sie nachgab, sich entspannte, knurrte er ein wenig, ehe er sie freigab. Verstand sie, dass sie verloren hatte? Sie war stark und schön, warum nur war sie so töricht?

Koromi wollte sich umdrehen, aufstehen, aber sofort war er wieder über ihr, zwang sie zurück in die Demutshaltung. Es war ungerecht, peinlich....aber sie gab zu, dass er wohl zornig genug auf sie war. Alles, was ihr noch blieb, war die Schmach in Würde zu tragen – und zu versuchen ihn zu beruhigen. Es konnte für sie kaum förderlich sein, wenn er seinen Bruder gegen sie einnahm. Und dass sie mit in den Westen musste war ihr jetzt nur zu deutlich gemacht worden. Er würde sie nicht gehen lassen und sie besaß keine Möglichkeit zur Flucht mehr. Sobald sie zurück bei dem Geleitzug waren, würde er sicher seine Männer anweisen sie scharf zu bewachen – und sie selbst auch kaum mehr aus den Augen lassen.
 

Er gab sie frei, wartete einen Moment, aber da sie liegen blieb, verwandelte er sich, nun gewiss, dass er auch in ihren Augen gewonnen hatte. Erleichtert erhob sie sich und folgte diesem Beispiel. Unwillkürlich legte sie eine Hand an ihre Kehle, wo sie noch immer das Gefühl der scharfen Zähne hatte.

„Zufrieden, edler Taishou?“

„Nein. - Du hättest uns beiden das ersparen können.“

„Nein, denn einen Versuch war es wert meine Freiheit zu behalten.“ Und es würde nun sicher der Einzige bleiben.

Er musterte sie, dann wandte er sich um und blickte in die Abenddämmerung: „Freiheit bedeutet auch sich selbst schützen zu können. Du bist im Schloss aufgewachsen, umgeben von Kriegern, die Magie des Halsbandes schützt das Land. Hast du dir nie Gedanken darüber gemacht wie es anderswo aussehen mag? Kennst du die Gefahren, die hier draußen, aber auch in den anderen Fürstentümern zu finden sind?“

„Ich habe viel gelernt. Und ich bin stark,“ protestierte sie.

„Ohne Zweifel. Aber du konntest dich ja nicht gegen mich behaupten – und es gibt einige, die in meiner Klasse spielen. Du hast noch viel zu lernen.“

„Kann ich das noch...als Fürstin?“

„Natürlich.“ Er vermutete langsam, dass sie wilde Gerüchte über den Westen und seinen Fürsten gehört hatte, die ihre Furcht vor dem Unbekannten genährt, ja, anscheinend fast zu Panik gesteigert hatten. Nun gut. Jetzt sollten sie zu seinen Kriegern zurückkehren. Da fiel ihm die seltsame Wolke am Horizont auf und er spannte sich an.

Koromi entging es nicht, da sie ihn vorsorglich beobachtete. Er klang zwar erstaunlich ruhig für den Sieger eines Duells, aber womöglich wollte er sie doch noch disziplinieren oder gar fesseln: „Was ist?“

„Eine der Gefahren hier, von denen ich sprach, hat uns bemerkt. Vermutlich haben sie durch unseren Kampf unsere Energien gespürt. Und sie sind hungrig danach. Vampirdämonen.“

Sie musste nachdenken: „Man kann gegen sie keine Energieangriffe mit einem Schwert führen....“

„In der Tat.“ Er ließ den Schwarm nicht aus den Augen: „Und das sind sehr viele für Klauen und Zähne.“

„Ein Bannkreis?“

Er drehte den Kopf: „Kannst du einen erschaffen und die gesamte Nacht aufrecht halten? Sie werden erst mit der Sonne wieder verschwinden.“

„Ja, ich kann einen erschaffen. Aber ich habe ihn noch nie für zwei Personen eine ganze Nacht gehalten.“

Ehrlich war sie ja: „Geh zurück zu den Felsen, damit wir diese im Rücken haben und setze dich.“

Sie gehorchte, mit einem Blick auf die schwarzen Schatten am Himmel. Gleich würde es völlig dunkel werden, denn die Wolken verbargen die Sterne. Dann faltete sie die Hände im Schoss und atmete tief durch um sich zu konzentrieren, ein wenig überrascht, dass sich der Heerführer sehr dicht neben sie setzte, ja, sie berührte. Das war bestimmt unschicklich, aber sie sagte aus zwei Gründen nichts. Zum einen hatte er sie zuvor, wenn auch in ihrer wahren Gestalt, weitaus intensiver berührt, zum zweiten beabsichtigte er in seiner Eigenschaft als Treuhänder sicher nicht ihr unsittlich zu nahe zu kommen, sondern wollte nur ihr helfen den Bannkreis möglichst klein und damit kraftsparender zu errichten.
 

Sie verfügte in der Tat über erhebliche magische Fähigkeiten, dachte der Taishou, als um sie beide ein kuppelartiger Zauber entstand. Den zu durchbrechen würde ihm schwer fallen. Und es stand zu erwarten, dass die Vampirdämonen ebenfalls ausgesperrt wurden. Sie waren heran und griffen sofort aus dem Flug an, mit schrillen Schreien, die in den Hundeohren schmerzten. „Schließe die Augen und konzentriere dich,“ warnte er noch, dann prallten die ersten Angreifer gegen das unsichtbare Hindernis. Er warf einen Blick in die aufgerissenen Mäuler mit den vier spitzen Zähnen, die von einem Saum kleinerer umrahmt wurden. Es war besser, wenn Koromi das nicht so direkt vor Augen hatte, nicht, dass ihre innere Sammlung nachließ und der Bann brach. In diesem Fall hätte er zu seinem Schwert greifen müssen, was er sehr ungern tat – die Nebenwirkungen gefielen ihm nicht sonderlich.
 

Schweigend warteten die beiden Hundedämonen. Stunde um Stunde verging, ohne dass die Vampire verschwanden. Ganz offenkundig war die Energie, die sie beide ausstrahlten, zu verlockend.

Koromi atmete durch: „Sie versuchen den Bannkreis zu brechen,“ sagte sie leise.

„Das versuchen sie seit Stunden,“ erwiderte er erstaunt.

„Darf ich die Augen öffnen?“

Die stolze Prinzessin aus dem Süden erkannte ihn jetzt als Ranghöheren an, dachte er zufrieden: „Ja. Aber erschrick nicht, sie sind sehr viele und sehr nahe.“

Sie suchte ihre Konzentration zu halten, als sie die Augen öffnete: „Seht!“

Er folgte ihrem Blick. Rings um die Kuppel drängten sich die Angreifer, schwarz in der Dunkelheit der Nacht, nur die Augen und die Zähne erkennbar. Aber, was er zuvor nicht bemerkt hatte, immer wieder versuchten welche an der höchsten Stelle der Kuppel über ihnen durchzubrechen, Angriff auf Angriff erfolgte dort. Und er konnte erkennen, dass der Bannkreis in seltsamen Rot zu leuchten begonnen hatte: „Es ist die schwächste Stelle. Töricht sind sie nicht.“

„Das habe ich befürchtet.“ Sie sollte ehrlich sein: „Es war ein anstrengender Tag für mich und ich beginne müde zu werden.“

„Sie sehen ihren Erfolg und werden bis Sonnenaufgang nicht nachlassen.“ Der Taishou sah zu ihr: „Hast du je gelernt wie man Energien von Dämonen bündelt? Von jemand anderem nimmt?“

„Eure? Ja, das könnte helfen,“ erwiderte sie sachlich. Sie musste durchhalten – denn wenn der Bann brach würden diese Vampire über sie beide herfallen. Und das wäre bei der Menge dort draußen ihr Ende.

Ohne ein Wort nahm er ihre Hand und ließ behutsam seine dämonische Energie durch diese Verbindung fließen, spürte sofort, wie sie sie aufnahm. Gut, auch diese Form des Zaubers schien sie zu beherrschen. Dann konnte er mehr geben. Schließlich wollte er sie nicht aus Versehen umbringen. Gleichzeitig sah er nach oben. Das rötliche Leuchten wurde schwächer, in dem Ausmaß, in dem sie ihre Energie wieder erhöhte. Es funktionierte also.

Trotz aller Konzentration spürte Koromi es auch – und auch, dass der Mann, der ihre Hand hielt, bei weitem nicht seine volle Macht abrief. Er war wirklich stark. Wie stark musste dann erst sein Bruder, der Fürst, sein, da er diesem diente? Denn er hatte zuvor durchaus Recht gehabt: unter Hundedämonen galt die Regel, dass sich der Schwächere dem Stärkeren unterwarf.
 

Mit den ersten Strahlen der Sonne, die über den Horizont stiegen, verschwanden die schwarzen Angreifer. Die Prinzessin ließ erleichtert den Bannkreis sinken. Der Heerführer erhob sich und bot ihr die Hand um ihr beim Aufstehen zu helfen.

„Danke,“ murmelte sie, bemüht ihn nicht wieder zu verärgern. Überdies hatte sie damit nicht nach dem Zwist des Vorabends gerechnet.

„Meine Krieger sind weiter nach Nordwesten gegangen,“ sagte er. „Das werden wir auch tun und ihnen so den Weg abschneiden. Das geht schneller als einfach zurückzugehen woher wir kamen.“

Sie hob ein wenig die Brauen: „Allein mit Euch durch die Wildnis?“

„Du warst bereit ganz allein durch die Wildnis zu gehen.“

Das stimmte und ...„Und Ihr seid der Treuhänder.“

Hatte sie etwa Sorge er würde über sie herfallen? „Ich sagte deiner Schwester, dass du unter meinem Schutz ebenso sicher bist wie unter dem des Herrn der westlichen Länder. Ich stehe zu meinem Wort.“ Es bereitete ihm ein gewisses Vergnügen weiterhin zu schweigen, nachdem sie den Fürsten des Westens derart offenkundig als Feindbild ansah.

„Ich wollte Euch nicht beleidigen. - Es ist nur....es könnte zu Missdeutungen führen, wenn der Fürst davon erfährt, oder?“

Nicht wirklich: „Nein. - Komm.“

Sie blieb an seiner Seite, als sie den Berg hinuntergingen, um dann nach links in ein bewaldetes Tal zu gelangen. Nahrung in dem Sinn benötigte keiner von ihnen. Aber sie blickte immer wieder auf das magische Schwert auf seinem Rücken. Er hatte es weder beim Kampf gegen die Paradiesvögel eingesetzt noch jetzt gegen die Vampire. Gut, gegen letztere wäre ein Energieangriff auch töricht gewesen, aber dennoch: warum hatte er es nicht gegen die Paradiesvögel eingesetzt? Es war ein sicher alte, bestimmt mächtige Waffe. Zu mächtig? Eine dunkle Aura lag um den Griff. Aber sie konnte ihn schlecht fragen. Er war ranghöher als sie und hatte das demonstriert.


Nachwort zu diesem Kapitel:
**

Händchenhalten in einem Bannkreis, jetzt ein gemeinsamer Spaziergang durch die Wildnis? Koromis Befürchtungen um ihren guten Ruf könnten nicht ganz umsonst sein. Andere Gefahren lauern jedoch auch auf sie. Das nächste Kapitel bietet: Fallensteller. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2016-05-26T19:21:36+00:00 26.05.2016 21:21
Hallo!
 
Sogar in der Niederlage liest sie sich noch stark und schön. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich das Kapitel genossen habe. Man verschwindet einfach im Geschehen und blendet alles andere aus, was sonst geschieht. Ich muss sagen, ich hatte am Anfang auch eine Gänsehaut, als Ren sich verhaspelte und den Rückzieher machte. Man könnte förmlich den Zorn des Inu no Taishou durch die Zeilen sickern spüren, und dass alle Männer reihum zurückwichen, war deutlich. Kein Wunder, dass Koromi in Windeseile eingeholt wurde - was ihn wenige Stunden kostete, aber immerhin.
Aber erst Paradiesvögel, nun Vampire? Was kommt da noch? Und die nächste Nacht wird womöglich nicht besser. Auweh. Immerhin hat er gesehen, dass sie auf ihre Weise mächtig ist und sich magisch zu schützen weiß. Es gefiel mir wahnsinnig zu verfolgen, wie sie ihm vorher das Leben im Duell schwer machte. Ja, das war gemein: Sie hatte mehr zu verlieren als er, doch unverwundbar war sie nicht. Einmal in die Weichen und die Angelegenheit war entschieden. Ich finde, sie hatte sich bei Wendigkeit und Schnelligkeit bis dahin sehr gut geschlagen. Schade, dass sie sich zu selten raufen musste in ihrer Jugend, hihi. Sonst wäre es vielleicht noch knapper geworden.
Plottechnisch auf alle Fälle genial. Erst ärgern, dann zusammenhalten. Nun ja, immerhin hat sie den Stärksten dabei, ohne es zu wissen. Das geht schief bei ihrem Stolz ...
 
Viele Grüße, Morgi
Von:  ayakoshino
2014-11-30T16:48:07+00:00 30.11.2014 17:48
Hallo, ich melde mich sich mdl wieder zu Wort. :)
Ein wirklich schönes Kapitel, man hat sehr schön Koromis inneren Kampf mitfühlen können. Gerade während des Kampfes, ihrem einzig möglichen Fluchtversuch. Die letzten Monate waren für sie ja schon schwer genug und bei den Geschichten die sie so vom Westen gehört hat ist es für eine so stolze Fürstentochter sehr schwer sich unterzuordnen. Aber der gute Taishou kümmert sich ja gut um sie und ich denke wenn er ihr offenbart wer er ist wird sich auch ihr Zweifel gegenüber einer Ehe legen. Ich finde es auf jeden Fall sehr schön mal wieder eine Geschichte über den jungen Taishou zu lesen, noch dazu mit dem zusammenkommen seinerseits mit Sesshoumarus Mutter. Sie in ihren jungen Jahren kennen zu lernen gefällt mir.:) Ich freue noch schon auf das nächste Kapitel!
lg ayako
Antwort von:  Hotepneith
30.11.2014 18:11
Danke, schön mal wieder von dir zu hören.

Ja, cih dachte mir ich versuche mich mal an einer Art "romantischen" Geschichte - wobei eine Ehe zwischen zwei Daiyoukai wohl wenig damit zu tun hat...Aber ih versuche zu erklären, warum manches dann so lief, wie es lief...


bye

hotep


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