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Kaizoku no Kokoro

Das Herz des Piraten
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
"Die Kunst des Lügens"

kleines Glossar:
Oni-san - Anrede für Brüder (Aniki hat die selbe Bedeutung, wird aber seltener genutzt) Komplett anzeigen

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Uso no geijutsu

 

„Wie bitte! Er will was!?“

Motochika war wütend und brüllte laut. Katusuragi stand im Rahmen der Shoji und zuckte zusammen.

„Er will Verhandlungen führen... Er wartet vor den Toren.“, wiederholte Katsuragi.

Motochika schnaubte verächtlich. Der kann was erleben! „Lass ihn rein! Dem werde ich gleich zeigen, was ich von seinen Verhandlungen halte!!“

„Aniki... Das bringt doch nichts.“, versuchte Katsuragi ihn zu beruhigen.

„Oh doch, das wirst du gleich sehen!“, versetzte Motochika.

Seufzend ging Katsuragi, um einen Soldaten zu schicken, der den selbsternannten Fürsten Mori in den Empfangsraum bringen sollte. Er hingegen würde auf dem Weg nach unten versuchen, Fürst Chosokabe von seiner plötzlich aufgetretenen Mordlust abzubringen. Er war selten so sehr aufgebracht, dass Katsuragi erschrocken zusammenzucken musste, wenn er wütend etwas sagte. Sogar als sie unten im Flur vor dem Empfangsraum ankamen, war Chosokabe noch am zetern.

„Aniki, bitte. Hör ihn doch erst einmal an.“, bat Katsuragi ruhig.

Chosokabe fuhr wütend herum. „Was gibt es da anzuhören?! Er hat Nobuchika entführt! Entweder er lässt ihn frei – und das vermutlich nur im Tauschhandel gegen mein Land – oder er tötet ihn! Ganz gleich was davon, abziehen tut er ganz bestimmt nicht einfach so! So viel Spielraum gibt es also nicht, Katsu!“

Katsuragi packte ihn am Arm und hielt ihn zurück. „Du wirst doch nicht wegen einer einzigen Person unser Land hergeben!?“

Chosokabe sah ihn an, als hätte er ihn ins Gesicht geschlagen. „Was denkst du eigentlich von mir? … Aber kampflos überlasse ich ihm Nobuchika auch nicht!“

Katsuragi seufzte schwer. „Du verlierst das Wesentliche aus den Augen! Es geht nicht mehr nur um Nobuchika, es geht um unser Land!“

„Das weiß ich!“

Der General zog plötzlich Chosokabes Kopf so nah an seinen heran, dass sich ihre Stirn berührten. „Vergiss das nicht, auch wenn du ständig nur an Nobuchika denkst! Bleib jetzt bitte ruhig. Alles andere will er doch nur! Er will, dass du wütend bist, also gib ihm nicht auch noch die Befriedigung, genau das erreicht zu haben!“, sagte er eindringlich.

Motochika schloss die Augen und seufzte. Er hatte ja Recht. Wenn er jetzt ausrastete, würde er weder erfahren, wo Nobuchika war noch über dessen Freilassung und den Abzug der feindlichen Armee verhandeln können. Katsuragi ließ ihn los und er straffte tief atmend die Schultern, bevor er die Shoji öffnete und mit Katsuragi hinter sich dem Feind gegenübertrat.

Der Feind war ein Mann mit dunklen kurzen Haaren. In seinem Gesicht zeichnete sich ein Bart ab und Chosokabe schätzte seine Statur zwar kräftig aber kleiner als sich selbst ein. Doch seine Augen waren am einprägsamsten. Sie sahen braun und dunkel aus, an und für sich vertrauenerweckend. Doch der Blick, mit dem Chosokabe bedacht wurde, sprach eine ganz andere Sprache. Er zeugte von Triumph und Überlegenheit. Ein Blick, den Chosokabe selbst sehr gut beherrschte, doch jetzt machte ihn das fast rasend, auch wenn er mit aller Macht um seine Beherrschung kämpfte.

„Sprich! Du willst verhandeln.“, brachte er knurrend hervor.

„Wie schade. Ihr begrüßt mich gar nicht.“, entgegnete Fürst Mori.

„Ich sehe keinen Grund dazu. Außerdem bevorzuge ich die schnelle Variante, wozu also groß reden.“

Mori nickte. „Dann eben unzivilisiert... Hier ist ja schließlich noch Euer Territorium.“

„Sag, was du willst!“

„Nun... Was werde ich wohl haben wollen? „

Chosokabe knurrte. „Mein Land...“

„Kluger Bursche.“, lobte Mori hämisch.

Die Hand des Piratenfürsten ballte sich zusammen. Katsuragi beobachtete es von den Shoji aus und auch seine Hand lag bereits fest um den Schwertgriff. Aniki, lass dich nicht provozieren! Das will er doch!

„Was bietest du uns an?“, fragte Chosokabe.

Katsuragi fühlte sich, als würde sein Herz einen Augenblick lang aussetzen. Er ist drauf und dran, unser Land aufs Spiel zu setzen! Und das nur für Nobuchika?! Doch er konnte nichts tun. Es war nicht sein Recht einzugreifen und außerdem war noch nichts weiter geschehen. Er beruhigte sich wieder. Chosokabe lotete lediglich die Möglichkeiten aus, die er hatte.

„Nun... Das ist eine gute Frage. Eine berechtigte Frage...“, begann Mori.

„Sag, was du zu bieten hast!“

„Ich dachte mir, eine nette kleine Auslöse für deine Landsleute würde reichen. Für dich und deine Burgbewohner habe ich andere Pläne.“

„Welche?“, knurrte Chosokabe.

„Nun ja... Ihr gebt mir das Land und dafür dürft Ihr wählen.“

„Was wählen?“

Mori beugte sich vor und sah ihn eindringlich an, mit diesem bösartigen Grinsen im Gesicht, dass von nahem betrachtet, mit diesen kleinen Augen, wie ein böser Fuchsgeist anmutete. „Euren Tod!“

Chosokabe sagte nichts darauf und sah ihn nur an. Katsuragi hingegen schluckte schwer. Von Nobuchika war noch kein Wort gefallen. Er hörte deutlich Chosokabes Atem, der schwerer geworden zu sein schien.

„Ihr könnt wählen, ob wir Euch und eure Leute hängen, köpfen, foltern, verbrennen oder ob Ihr euren Leben selbst ein Ende bereitet. Harakiri... Gift... Das Meer... Die Wahl ist groß.“, fügte Mori hinzu.

Für einen Augenblick herrschte Stille, in der das Atmen noch deutlicher zu hören war. Genauso wie das Vogelgezwitscher und der Wind unerträglich laut wurden.

„Das ist nicht das, worüber ich verhandeln will.“, sagte Chosokabe nach einer Weile und überraschend ruhig.

„Nicht... Nun, dann sehe ich mich gezwungen, die Burg und Euer Land mit aller Gewalt einzunehmen! Und ich kann meine Soldaten nicht davon abhalten, zu töten und zu schänden. So eine große Armee, da verliert man schon einmal den Überblick. Ihr wisst sicher, was ich meine.“

Chosokabe schloss für einen Moment die Augen und atmete durch. Eine schreckliche Vorstellung, dass die Menschen auf der Burg entweder sterben oder alle Leute im Land durch die Übermacht einer Armee leiden sollten. Aber war dieser selbsternannte Fürst überhaupt noch übermächtig? Immerhin hatten sie ihn gestern erst erfolgreich zurückschlagen können. Und was war mit Nobuchika? „Ich werde nicht über den Tod meiner Leute verhandeln. Mich interessiert gerade nur, wo mein Gast hin ist!“, sagte er.

„Euer Gast?“

„Du weißt ganz genau, von wem ich rede! Wo ist Nobuchika?!“

„Ach, dieser Gast... Wisst ihr, ich glaube, ich bin Euch da eine klitzekleine Erklärung schuldig.“

„Soll heißen?“

„Nun, Ihr seid da in eine überraschend gut ausgeklügelte Falle getappt, würde ich sagen.“

Chosokabe zog die Augenbrauen zusammen. „Was soll das heißen?“

„Seht... Ihr habt ihn auf dem Schlachtfeld aufgelesen. Was, wenn das gewollt war? Wenn Ihr ihn finden solltet? So war das nämlich geplant. Er sollte von Euch gefunden werden und er sollte Euch den armen Jungen ohne Gedächtnis vorgaukeln. Nun, dass es so gut funktionieren würde, dass ausgerechnet Ihr, ein Piratenfürst ohne Sitte und Anstand, sich in ihn verliebt... Damit hatte ich auch nicht gerechnet. Aber ich glaube, genau das macht es umso spannender, wenn er sich Euch gegenüberstellt und an meiner Seite für Euren Tod sorgen wird!“, erklärte Mori.

Chosokabe saß wie versteinert da. Sein Atem war noch mal um einiges schwerer geworden und Katsuragi sah seine geballte Faust zittern und weiße Stellen hervortreten. Er war rasend vor Wut, versuchte aber mit aller Macht die Beherrschung nicht zu verlieren. Noch ein Wort und genau das würde passieren.

Erneut beugte sich Mori weit vor und sah Chosokabe mit diesem Grinsen an. „Du wirst mir dein Land nicht kampflos überlassen, oder?“

„Niemals!“, knurrte Chosokabe wütend.

„Dann wird er dich töten, mach dich darauf gefasst.“

Chosokabe gelang es endlich dem Blick des feindlichen Fürsten zu begegnen. „Warum sollte irgendein dahergelaufener Soldat mich, einen Fürsten, töten sollen?“, fragte er.

Fürst Mori erhob sich, als wären die Verhandlungen damit abgeschlossen und ging zu den rückseitigen Shoji. Dort drehte er sich grinsend noch einmal um. „Weil er kein dahergelaufener Soldat ist, mein lieber Fürst Chosokabe.“

„Wer dann?“

„Er ist mein Bruder. Mori Motonari! Und er wird dich hassen und dafür töten, was du ihm angetan hast!“, anwortete Fürst Mori giftig und verließ mit knallenden Shoji das Zimmer.

Chosokabe saß da und war nicht fähig, sich zu bewegen. Selbst Katsuragi brauchte einen Moment, bevor er vorsichtig zum Fürsten ging und ihm eine Hand auf die Schulter legte.

 

„Guten Morgen ...Prinzessin!“, fauchte es an Motonaris Ohr.

Müde öffnete er die Augen und sah sich seinem Halbbruder gegenüber. Erschrocken saß er sofort aufrecht. „Hör auf, mich so zu nennen!“

„Warum sollte ich?“

Motonari stand auf. „Weil ich keine Prinzessin bin, wie du es ausdrückst!“, sagte er, während er die am Abend zuvor abgelegten Rüstungsteile wieder anlegte.

Okimoto sah ihn einen Augenblick lang an, dann musste er lauthals lachen. „Nein, überhaupt nicht...“, dröhnte er sarkastisch.

Motonari zögerte nicht lange, es reichte ihm. Er stürmte auf seinen Halbbruder zu und drängte ihn bis an die Zeltwand, den Arm gegen seine Kehle gedrückt. „Lass den Mist!“, knurrte er.

Okimoto grinste. „Du vergisst, dass ich meine Augen überall da haben kann, wo ich will! Ich weiß ganz genau, was passiert ist. Und deshalb bist du eine Prinzessin!“

„Wie meinst du das?“, fragte Motonari stirnrunzelnd.

„Lass mich los und ich sag es dir.“, forderte Okimoto.

Motonari gehorchte und ließ ihn los.

„Setz dich. Es wird dir nicht gefallen.“, sagte Okimoto und wartete, bis sein jüngerer Bruder sich auf sein Lager niedergelassen hatte und ihn wartend ansah.

„Gehen wir einmal zum Anfang zurück... Ich wusste, wie gerne du an der Front mitkämpfen wolltest. Ganz entgegen den Wünschen unseres Vaters. Also bat ich Sano, dass er dich irgendwie in den Kampf einschleuste. Irgendwie musstest du ja Erfahrung sammeln, nicht wahr? Sano ist es tatsächlich sehr gut gelungen, dass du an die Front gehen konntest. Sehr schlau von ihm, deine Rüstung mit der eines anderen zu tauschen. Nur dumm, dass er nicht wusste, dass dein Doppelgänger ein Spion des Feindes war! Keiner wusste es, erst mein Ninja hat es herausgefunden. Jedenfalls hat dieses Manöver ziemlich gut geklappt, wie wir ja wissen. Und das im doppelten Sinne. Ich und Sano konnten dir deinen Wunsch erfüllen aber der Feind konnte dich dadurch auch in die Finger kriegen. Ganz, wie es vom Feind gewollt war. Du solltest gefunden werden, verstehst du. Du solltest sein Druckmittel gegen uns sein! Diesem Piratenfürsten war es dabei egal, ob sein Spion stirbt oder nicht. Letzteres war natürlich besser, aber keine Garantie, dass es nicht auffällt. Wäre auch etwas eigenartig nicht wahr? Wie sollte ich denn meinen eigenen Bruder nicht erkennen?“, erklärte Okimoto.

Motonari ließ ein abfälliges Lächeln erkennen, doch in seinem Kopf ratterte es. Konnte das so stimmen? Warum sollte es nicht möglich sein?

„Sicher, das Manöver hätte genauso gut auch völlig schief gehen können, aber dein Doppelgänger war bewusst so gewählt worden, dass er dir sehr ähnlich sieht. Aber das ist ja noch gar nicht mal das Interessanteste... Wie ich ja bereits sagte, weiß ich das von meinem Ninja. Und von dem weiß ich noch so manch andere... Dinge.“, sagte Okimoto.

„Was für Dinge?“, hakte Motonari nach, als Okimoto nicht weitersprach.

Sein Bruder kam seinem Gesicht sehr nahe. „Zum Beispiel den Grund, warum ich dich Prinzessin nenne! War es schön?!“, zischte Okimoto nahe Motonaris Ohr.

Schauer jagten ihm über den Rücken. Aber keine angenehme, denn Okimotos Stimme verhieß nichts Gutes. Für einen Moment sah Motonari ihn zögernd an. „Was geht dich das an?“

„Oh eine ganze Menge! Ich bin dein Fürst und dein Bruder! Also!? War es schön, diesem Piraten deinen Hintern hinzuhalten?!“

Angewidert wich Motonari ein Stück zurück. „Das geht dich überhaupt gar nichts an...“, meinte er.

Mit einem angeekelten Geräusch ließ Okimoto für einen Augenblick von ihm ab, bevor er ihn erneut mit diesem überlegenen Blick taxierte. „Was wohl deine Verlobte dazu sagen wird... Nun... dann willst du wohl auch nicht den Rest der Wahrheit hören, nehme ich an?“

Motonari schwieg darauf.

„Wenn das so ist... Irgendwo hier im Lager finden sich bestimmt ein paar ausgehungerte Soldaten, die sich über eine Prinzessin wie dich so richtig freuen würden. Sollen sie ihren Spaß haben, ich bin ja kein Unmensch... Aber eins solltest du wissen, wenn die fertig sind, werde ich dich aus dem Weg räumen!“, sagte er kalt, seine Klinge plötzlich auf Motonari gerichtet. „Es sei denn, du möchtest doch lieber die Geschichte zu Ende hören und überleben.“, fügte er knurrend hinzu.

Motonari saß in der Falle. Seine Waffe war noch immer festgebunden mit diesem verdammten Glöckchenband. Rechtzeitig erreichen und einsetzen würde er sie sowieso nicht können. Entweder er ergab sich, hörte sich den Rest an und überlebte diesen Abend oder er blieb stur und würde dafür die wilde Fleischelust ausgehungerter Soldaten ertragen müssen und dann auch noch von seinem Halbbruder ermordet werden. Letzteres war keine Option, ganz und gar nicht. Aber auch die erste schien einen riesigen Haken zu haben. „Erzähl weiter...“

„Klug, Oni-san, klug... Aber leider muss ich jetzt deine schöne romantische Geschichte endgültig in einen Haufen Asche verwandeln.“, sagte Okimoto.

Motonari sagte nichts dazu, sondern wartete auf die Fortsetzung.

„Wir wissen ja schon, dass du mit einem Spion ausgetauscht wurdest. Der Spion sah ganz bewusst so aus wie du. Fehler ausgeschlossen. Ein Hinweis, dass genau du es sein solltest, den der Feind entführen wollte. Ich vermute mal, das genau darauf geachtet werden sollte, dass du nicht zu sehr verletzt wurdest. Hauptsache du kommst irgendwie an Bord des Piratenschiffs.“, sagte Okimoto.

„Was dein Ninja wohl nicht wusste, war, dass ich gerade so überlebt hatte, oder? So gut scheint der Plan wohl nicht gewesen zu sein.“, warf Motonari dazwischen.

„Du sitzt hier. Ist das nicht Beweis genug, dass es dennoch gelungen ist? … Was ist nun? Kommst du von allein drauf?“

„Worauf soll ich kommen?“, knirschte Motonari.

Okimoto warf ihm eine Art verächtliches Lächeln zu, Motonari konnte es irgendwie nicht richtig deuten. „Während du dein Gedächtnis verloren hattest, wusste dein Geliebter ganz genau, wer du wirklich bist und was er da tat! Auch wenn es schändlich ist... Was für ein Triumphgefühl muss es für ihn gewesen sein. Besonders an dem gestrigen Abend. Da oben, zwischen den Kirschbäumen...“

Motonari war entsetzt. In seinem Kopf wirbelten Bilder und Gedanken wahllos durcheinander. Das meinte er die ganze Zeit... Er weiß davon! Es dauerte einen Moment, bis er wieder klar denken konnte. Und Okimoto schwieg um die Stille wirken zu lassen, während er das Wechselbad der Gefühle im Gesicht seines Bruders beobachtete und genoss.

Motonari hingegen nahm ihn nicht mehr genau wahr. Motochika wusste es? Es war geplant? … Das kann ich nicht glauben... Aber, … vielleicht hat Okimoto ja wirklich Recht... Motochika hat mir nie seinen Rang und auch nie seinen ganzen Namen gesagt. Alle haben ihn nur Aniki genannt, außer mir. Ich sollte ihn Motochika nennen. Und wer genau Katsuragi ist, weiß ich auch nicht. Ein Freund? Ein General? Ein Berater des Piratenfürsten? … Hat Motochika mir wirklich alles vorgelogen? Aber wenn er wusste, wer ich war, warum habe ich mich dann nie als Gefangener gefühlt? Von Verhandlungen habe ich auch nie etwas mitbekommen. Nicht einmal Feindseligkeit von all den anderen, die ich kennengelernt habe... „Du lügst! Es gab weder Verhandlungen, noch habe ich mich jemals als Geisel oder irgendwie unwohl gefühlt! Diese dämliche Geschichte mit dem Spion hast du dir doch nur ausgedacht!“

„Was für eine blühende Fantasie, Oni-san. Aber...“

„Was aber?“, blaffte Motonari und stand mit einem einzigen Satz vor Okimoto.

„Aber... es nützt nichts, mich einen Lügner zu nennen. Das solltest du lieber deinem geliebten Motochika an den Kopf werfen!“

„Warum sollte ich das tun?“

„Weil er es ist, der dir nicht die ganze Wahrheit gesagt hat... Oder weißt du, wer er wirklich ist?“, antwortete Okimoto und ging zum Zelteingang.

Dort drehte er sich noch einmal um und sah ihn mit diesem heuchlerischem Blick an. Motonari fragte sich eine Sekunde lang, ob er Mitleid ausdrücken sollte, doch das konnte nicht sein, dazu spiegelte sich zu viel Häme darin wider.

„Dein geliebter Motochika... ist Chosokabe Motochika! Fürst von Shikoku und unser Feind!“

Mit diesen Worten verließ er das Zelt und die Stille hüllte Motonari erbarmungslos ein. Die Geräusche des Feldlagers verschwanden plötzlich und nur noch das Rauschen seines eigenen Blutes in seinen Ohren war überlaut. Zu keinem klaren Gedanken fähig sank er auf die Knie. Seine Hände ruhten auf dem Boden, unfähig zu irgendeiner Bewegung. Ausdruckslos starrte er auf den sandigen Boden. Fürst Chosokabe Motochika... Wenn Okimoto Recht hat, dann hat er mich die ganze Zeit belogen. Alle haben mich belogen! Er hat mir ganz bewusst weder seinen Namen noch meinem gesagt. Er wusste wohl, dass ich mich dann auf jeden Fall hätte erinnern können... Das war wohl ein Risiko, dass er nicht eingehen wollte, wenn er mich als Druckmittel einsetzen wollte. Vielleicht habe ich auch deshalb keine Verhandlungen mitbekommen. Weil es nie welche gegeben hat, da er auf den richtigen Augenblick warten wollte... Weil er wollte, dass mein Vater hierher in sein Territorium kommt, wo er ihn mit Sicherheit schlagen konnte. Ganz ohne Verhandlungen... So ergibt das natürlich alles Sinn, was Okimoto gesagt hat...

Motonari erhob sich und starrte auf das verhasste Glöckchenband an seiner Vollmond-Klinge. Dann riss er es mit einem einzigen Ruck ab, sodass die kleinen goldenen Glöckchen in alle Richtungen des Zeltes fielen und ihr klares Klingen lautstark zu hören war. Du wirst dafür büßen, dass du mich belogen und benutzt hast, Motochika! Mit der Vollmond-Klinge fest in der Hand stürmte er aus dem Zelt ins warme Sonnenlicht. Okimoto stand nur wenige Schritte vor dem Zelt und sah gerade auf die Armee hinab, die sich vor ihm versammelte. Motonari warf einen Blick in ihre Richtung. Die Rüstungen schimmerten und die Waffen glänzten in der Sonne, während Okimoto zufrieden die Männer betrachtete und dann zu Motonari sah. Er lächelte ihm zu und wandte sich dann an die Armee vor ihnen. „Seid ihr bereit, einem Haufen Piraten in den Hintern zu treten und ihnen den Garaus zu machen?!“

Ein Brüllen und das laute Klirren der Schwerter rollte wie eine Welle durch das Lager.

„Wir mögen gestern geschlagen worden sein, aber wir sind immer noch in der Überzahl! Wir greifen sie frontal an, damit werden sie nicht rechnen!“, sagte Okimoto laut.

Ein erneutes Brüllen war die Zustimmung der Armee. Nachdem es wieder ruhiger wurde, ließ Okimoto zwei Pferde bringen, auf denen er und Motonari aufsaßen. Nachdem die Männer bereit waren, ritten sie im Schritttempo los in Richtung der feindlichen Burg.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Tamanna
2015-07-17T21:16:45+00:00 17.07.2015 23:16
So, so, dass hatte Okimoto also vor: seinem Bruder das Herz brechen und dann dafür sorgen, dass er selbst es ist, der seinem Liebsten den Garaus macht. Das ist natürlich sehr viel effektiver, als ihn umzubringen, während dieser hilflos ist.
Interessant ist auch, dass die beiden Stiefbrüder sind.
Ich glaube, dass hast du vorher noch nicht erwähnt.
Dadurch könnte man auch vielleicht verstehen, warum Okimoto Motonari so sehr verabscheut...
Da bin ich ja mal gespannt, wie das endet.
Ich hoffe mal, dass Motonari und Chosokabe die Lügen nicht einfach so schlucken, sondern erst einmal versuchen, dass zu klären - zumindest würde ich das versuchen, wenn ich verliebt wäre.

Freue mich auf die Forsetzung :)


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