Sadaris ~ Ein lauer Abend im Herbst
Es war ein abgerissen aussehender, magerer Kerl, der dort in der hintersten Ecke einer Taverne saß und etwas von den durchgebratenen Pilzen in sich hineinschlang. Anfangs, als der Fremde den Raum betrat schien sich der Schankwirt selbst noch nicht sicher zu sein, ob er diesem, durchdringend nach vielerlei Dingen riechenden Kerl überhaupt bewirten sollte. Als der Fremde jedoch mit seinen dürren Fingern in seinen Taschen herumkramte und schließlich ein paar Münzen auf die Tischplatte fallen ließ, sah das ganze schon anders aus.
Mit einer flinken Bewegung schob der Wirt die Münzen in seine Schürzentasche und ging zurück zur Küche. Diese lag neben dem massivem Holztresen, wo eine üppig gebaute Schankfrau große Bierkrüge füllte. Während der Mann auf sein Essen wartete, vertrieb er sich die Zeit damit, einige der längeren, weißen Haarsträhnen zu entwirren, die ihm teilweise auch ins Gesicht hingen. Als ihm dies nach einer Weile zu langweilig wurde, kratzte er sich mit einem seiner langen, splittrig abgebrochenen Fingernägel an an der Wange und lehnte sich auf der Bank zurück. Dort wäre er im Halbdunkel auch beinahe eingeschlafen, als der Wirt einen dampfenden Teller vor ihm auf den Tisch stellte. „Wenn du den leer hast, verschwindest du. Es sei denn, du kannst noch weitere Münzen springen lassen.“, knurrte er. Der Fremde nickte leicht und griff nach dem kleinen Holzlöffel, der sich in einem seiner Beutel befand. Anschließend machte er sich eilig und mit knurrendem Magen über die dampfenden Pilze her.
Als er nach einer Weile den Teller geleert hatte, stand er kommentarlos auf und verließ seinen Platz auf der Bank in der Ecke. Zum Glück war es ein lauer Herbstabend und man konnte die kalten Winde, die bald von Norden heranziehen würden noch nicht riechen. Wie er dort so die Straße hinunterging, sprach ihn ein Bettler an, der es sich in einer Häusernische gemütlich gemacht hatte. „Du hattest heute wohl mehr Glück als ich, was Sadaris?“, sagte der Alte und grinste ihn mit einem zahnlosen Lächeln an. Der jüngere Mann lächelte nur verhalten und legte sich die Finger an den Hals, ehe er nickte. Das Sprechen fiel ihm an manchen Tagen schwer, besonders wenn er spürte das ein Wetterumschwung nahte. Jedoch fehlten ihm nach seinem Besuch im Wirtshaus die nötigen Münzen im Beutel um sich ein Plätzchen im Schlafsaal eines Gasthauses zu sichern. Aber vielleicht gab es noch den ein oder anderen unbeobachteten Heuboden in der Gegend. Sadaris nickte zu seiner Überlegung und lenkte seine Schritte Richtung Stadtrand, wo die Straße sich langsam einen kleinen Hügel hinunterwand und die ersten Bauernhöfe sich mit ihren Feldern an das Pflaster schmiegten.
Nachdenklich blickte Sadaris beim laufen nach oben und betrachtete die ersten Sterne, die sich am Firmament zeigten. Er lächelte und strich eine seiner Strähnen beiseite, während er im Anschluss einen der Höfe genauer in Augenschein nahm. Ein etwas abgelegener Bauernhof, nahe eines kleinen Wäldchens erregte seine Aufmerksamkeit und Sadaris schlich sich nahe den Felwegen an die kleine Gebäudeansammlung heran. Der Hof bestand aus dem Haupthaus mit angrenzender Scheune und den Stallungen, wie man aus den Geräuschen schließen konnte, die durch die Abendluft herangetragen wurden. Leise schlich sich der Mann an die rückwandige Seite der Scheune heran und linste um die Ecke. Anscheinend war auch beim Bauern und seiner Familie die Zeit fürs Abendessen gekommen, denn er konnte niemanden auf dem Platz vor dem Haus sehen. Zufrieden nickte er und schlich sich leise durch das angelehnte Scheunentor, ehe er sich rasch im Gebäude umsah und anschließend eine kleine Leiter erklomm, die an den Heuboden grenzte.
Dort oben war alles mit würzig duftendem Gras angehäuft und schon unübersichtlich. Eiligst machte Sadaris sich daran, inmitten dieser Grasballen ein kleines Nest auszuheben und anschließend wieder ein paar Ballen vor seiner Schlafnische zu platzieren um sie verborgen zu halten. Zufrieden mit dem Ergebnis rollte er sich auf dem weichen Gras ein und schloss die Augen. Was der morgige Tag wohl so mit sich bringen mochte? Wer weiß...