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Fallen Angel

Angels Project II
von

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Blutiges Erwachen

Als der Blick des blonden Mädchens über die Stadt schweifte, seufzte sie schwer. Von der Anhöhe, auf der sie standen, konnten sie und ihr kleiner, ungewöhnlicher Begleiter das gesamte Tal überblicken. Jedoch war es nicht der Anblick der Stadt, der sie seufzen lies. Es war die Ungewissheit, die in ihr schlummerte. Der graue Schleier des Vergessens, der all ihre Erinnerungen umhüllte und diese vor ihr verbarg. Und dieses nagende Gefühl, das sie weiterhin voran trieb, seit sie erwacht war.

 

'Seit sie erwacht war' bedeutete die Zeitspanne von wenigen Tagen. Denn nur 12 Tage zuvor hatte sie noch in einem Leichenhaufen aus Wolfskadavern gelegen, eingehüllt in ein OP-Hemd, wie es Patienten direkt vor einer Operation angezogen bekamen.

Das Hemd war mit Blut vollgesogen und ihr ganzer Körper blutverschmiert. Als ihr Kopf begriff, was ihre Augen sahen, sprang sie hastig auf und rannte einfach nur los, wobei sie beinahe auf den Kadavern ausgerutscht und den Leichenhaufen hinuntergestürzt wäre.

Ihr Weg führte sie auf den gegenüberliegenden Rand der Grube, in der sie sich befand, zu und dann schnurstracks in Richtung Zaun, den sie mit Leichtigkeit überwand. Denn, kaum dass sie abgesprungen war, hatte sie auch schon die obere Kante des 2,50 Meter hohen Zauns erfasst und sich darüber gezogen. Doch, auch wenn sie sich selbst darüber wunderte, was für ein Kinderspiel das gewesen war, lies sie sich selbst keine Zeit zum Nachdenken. Nachdenken konnte sie noch später. Jetzt wollte sie nur eines: Und zwar ganz schnell von hier weg.

Die Blonde rannte so lange, bis sie mehrere Kilometer zurückgelegt hatte und inmitten eines kleinen Wäldchens stehen blieb. Vor ihr lag ein kleiner See mit einer spiegelglatten Oberfläche, die den abendroten Himmel reflektierte. Jedoch lies sie den Anblick nicht auf sich wirken, denn noch immer zitterte sie am ganzen Körper. Vorsichtig blickte sie sich um, ehe sie langsam in das Wasser hinein watete, um das OP-Hemd auszuziehen und sich das Blut vom Körper zu waschen.

Erst, als ihr Körper wieder sauber war, stieg sie aus dem See und warf das nasse, blutrote Hemd achtlos auf den Boden.

Es störte sie kein Bisschen splitterfasernackt in einem Wald zu stehen. Und sie wusste, dass es nicht daran lag, dass gerade die Sonne hinter den Bergen verschwand. Etwas, was sie erneut einschüchterte. So sollte das Ganze nicht sein, auch das wusste sie. In einem Winkel in ihrem Kopf sprach etwas von menschlichem Schamgefühl.

Zitternd schlang die junge Frau die Arme um ihren Körper und ging in die Hocke. Es war keine Kälte, die sie zittern lies. Es waren Angst und Verwirrung.

„Verflucht noch mal!! Was ist hier nur los?! Wer... Wer oder was, zur Hölle, bin ich...?“ Auch wenn die Blonde sich an nichts konkretes erinnern konnte, so wusste sie doch, dass ein 'normaler Mensch' keine so hypersensiblen Sinne haben sollte, wie sie welche besaß. Ebenso wusste sie, dass jemand mit ihrer Statur normalerweise keinen 2,50 Meter hohen Zaun einfach so, aus dem Handgelenk heraus, überwinden und danach auch noch solch eine Strecke im Sprint zurücklegen konnte, ohne auch nur ein Bisschen aus der Puste zu sein.

Verzweifelt krallte sie die Finger ihrer einen Hand in ihr langes, blondes Haar.

Was... ist nur passiert...?“ Doch die einzige Antwort, die sie bekam, war das Rascheln eines Busches in ihrer Nähe.

Augenblicklich war das Mädchen in Hab-Acht-Stellung und starrte angespannt zu dem Gebüsch hinüber. Nur wenige Sekunden später brach ein graues, hundeartiges Wesen mit einem langen Pony auf der Stirn, Ohrringen an den übergroßen Ohren und zwei puscheligen Schwänzen durch das Dickicht und blieb abrupt vor ihr stehen. Einen Moment lang starrten sie sich einfach nur an, bis das Mädchen eine Hand auf den Boden stützte, um sich nach vorn zu beugen und die andere nach dem Wesen auszustrecken.

Nagi...“, flüsterte sie, beinahe zärtlich, den Namen des Tieres, als hätte der Wind ihn ihr zugeflüstert. Und mit einem Mal änderte sich der verunsicherte Blick des grauen Tiers zu Erleichterung, ehe er dem Mädchen kurzerhand in die Arme sprang.

„Kira!!“

 

Und seit Nagi wieder bei ihr war, gab es immer wieder Momente, in denen sie sich an einen kleinen Fetzen ihrer gemeinsamen Vergangenheit erinnern konnte. Es waren bis jetzt zwar nur Belanglosigkeiten, doch reichte ihr dies für den Anfang.

Und nun standen sie beide auf dieser Anhöhe, während Kira – mittlerweile in T-Shirt und zerrissene Jeans gekleidet – die Stadt noch immer grübelnd musterte. Das Gefühl in ihrem Innern sagte ihr, dass sie in diese Stadt gehen sollte, doch hatte sie kein Vertrauen in die Menschen. Sie war zwar selbst einer, doch irgendwie auch nicht. Wenn sie das Ganze doch nur endlich benennen könnte.

Erneut seufzte die Blonde schwer, während Nagi sich auf die Hinterbeine stellte und sich mit den Vorderpfoten an ihrem Bein abstützte.

„Geh'. Nachdenken bringt nichts. Geh' und finde mehr raus.“ Mit einem leichten Lächeln betrachtete das Mädchen ihren Begleiter, der ebenso Eingebungen hatte, wie sie selbst. Jedoch wusste sie, dank Nagi, dass bei ihnen beiden ein Unterschied bestand:

Sie selbst hatte all ihre Erinnerungen verloren, da Schmerzen und Qualen sie dazu getrieben hatten alles zu verdrängen, was bisher in ihrem Leben geschehen war.

Nagi aber hatte zeitgleich mit ihr, nach und nach, vergessen, was in ihrem gemeinsamen Leben geschehen war. So, als ob ihre beiden Gehirne irgendwie miteinander verbunden gewesen waren. Dennoch besaß er alle Erinnerungen, die vor ihrem ersten Zusammentreffen entstanden waren. Sie waren verschlossen, doch wenn Kira sich an irgendetwas erinnerte, flackerte diese Erinnerung auch in seinem eigenen Gedächtnis auf. Als wäre er dazu da, ihre Erinnerungen zu bestätigen, wenn sie sie hinterfragte.

 

Vollkommen entspannt schaute die Blonde nun in Nagis große, eisblaue Augen, ehe sie ihm sanft über den Kopf streichelte. Dann erst wandte sie sich – nun mit mehr Mut – erneut der Stadt zu.

„Na, dann lass' uns mal unsere Erinnerungen aufspüren, Nagi.“



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