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Von Dir und Mir

Fortsetzung zu 'Von Waschmitteln im Supermarkt'
von

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Von vorwurfsvollen Frauen, Personen, die im Dunkeln warten und von offenbarenden Gesprächen

Meine Vorlesungen an der Universität langweilten mich tödlich. Das einzige, was mich über Wasser hielt, war der Gedanke an den Zooladen, den ich besuchen wollte.

Sobald der Dozent die Vorlesung beendet hatte, sprang ich auf und machte mich auf den Weg. Nur wenige Bahnstationen entfernt befand sich der Laden. Ich wollte mit der netten Verkäuferin plaudern, sie auf den neuesten Stand bringen, was die Katze anging und ein bisschen was kaufen. Ein Spielzeug, ein neuer Napf und eine Tüte Leckerlis. Das wichtigste bekam ich zwar auch im Supermarkt, aber manchmal zog es sich mich hierher.

Als der Laden in Sicht kam, verließ jemand diesen, der mir bekannt vorkam - Reiko, die Besitzerin des Katzencafés in Setagaya. Sie entdeckte mich und winkte mir. Ich lächelte leicht und ging zu ihr. "Hallo. Zero war dein Name, richtig?" Ich nickte nur. "Schön, dich wieder zu sehen. Wie geht es dir denn?"

Ich hob eine Schulter. "Ganz gut, denke ich."

"Ganz gut, so so." Sie lächelte leicht. "Ganz gut und Schulterzucken bedeutet, dass es dir eigentlich nicht so gut geht." Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. War es Vorsicht? Mitgefühl? Oder gar Enttäuschung? "Ich will mich nicht einmischen, aber Karyu war letztens bei mir im Café. Er war nicht so glücklich."

Ich seufzte leise. "Lass mich raten. Er hat gleich ausgeplaudert, was passiert ist?"

"Er sagte mir nur, dass ihr keine Freunde mehr seid, als ich fragte, warum er wieder so traurig guckt.", erwiderte sie ruhig, während ich die Hände in die Jackentaschen steckte.

"Ja...ist besser so."

"Denkst du das ernsthaft? Er ist wirklich niedergeschlagen, und entschuldige, wenn ich das sage, aber du siehst auch nicht so zufrieden aus. Vielleicht war eure Entscheidung die falsche?" Ich blinzelte sie an und holte Luft um etwas zu wiederholen, aber mir war auf die schnelle nicht klar, was ich erwidern sollte. "Tut mir leid. Ich weiß, wir kennen uns nicht gut, aber ich mach mir einfach nur Sorgen.", fügte sie leise hinzu und lächelte schwach.

Ich seufzte und hob die Schultern. "Ist schon in Ordnung. Ich weiß auch nicht...es ist jetzt, wie es ist."

Sie betrachtete mich einen Moment schweigend. "Also...denkst du, dass das sensibel war? Und dass die aufgelöste Freundschaft besser für ihn ist?" Ich erwiderte ihren Blick lediglich fragend. "Nun, ich hatte dich gebeten, schonend mit Karyu umzugehen. Das soll jetzt auch kein Vorwurf oder ähnliches sein. Mir kommt nur der Gedanke, dass du dir vielleicht was aus meinen Worten gemacht hast und...das Richtige tun wolltest, aber ich glaube, das war es nicht." Vorsichtig sah sie mich an, als hätte sie die Befürchtung, zu weit gegangen zu sein.

Ich wandte den Blick ab. "Ich hab keine Ahnung, okay? Ich hab jetzt eine Katze, und um die muss ich mich kümmern...", murmelte ich nur und ging an ihr vorbei. Sie ließ mich gewähren.

"Überlegt es euch doch noch mal", riet sie mir. "Ich würde euch gern beide wieder in meinem Café begrüßen können - zusammen", fügte sie leise hinzu.

"Mach's gut", murmelte ich, während ich ihr einen entschuldigenden Blick über die Schulter zuwarf.

Wenn sie mir ein schlechtes Gewissen hatte machen wollen, dann war es ihr gelungen. Es war ja auch meine alleinige Entscheidung damals gewesen, nicht "unsere". Und ja, womöglich war sie falsch gewesen, wer wusste das schon? Dass Karyu traurig war, war verständlich, hatte er mich doch besonders gemocht - etwas, was ich immer noch nicht verstand. Ich war langweilig und eine graue Maus, aber das war eine andere, unerhebliche Baustelle.

Seufzend betrat ich den Laden. Zwar war ich durch den Wind, und wollte eigentlich über das Gespräch nachdenken, doch auf der anderen Seite wusste ich auch, dass es einfach nichts bringen würde. Es war, wie es war. Es war gut so. Dass ich Karyu zu mir eingeladen hatte, war ein Fehler gewesen. Das war uns wohl beiden klar. Es war aus und vorbei. Weil es besser so für uns war.
 

Glücklich und zufrieden, die Tüte voll mit den Sachen, die ich gewollt hatte und noch anderem Kram, verließ ich eine halbe Stunde später den Laden. Ich hatte Musik im Ohr und freute mich auf zu Hause. Es wartete jemand auf mich. Das war ein gutes Gefühl.

Es war bereits dunkel geworden, als ich zurück kehrte. Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen, da irgendjemand vor dem Haus stand, an die Wand gelehnt. Wahrscheinlich wartete die Person. Paranoid wie ich war, überkam mich gleich die Angst. Vielleicht ein Räuber oder Mörder? Verstohlen sah ich mich auf der Straße um. Niemand weiter zu sehen. Natürlich. Würde ich jetzt weg gefangen, würde es auch wirklich niemand bemerken...ganz toll.

Langsam und ohne die Person aus den Augen zu lassen, schritt ich auf die Haustür zu, den Schlüssel bereits in der klammen Hand. Doch je näher ich kam, umso sicherer wurde ich, dass diese Person auf mich wartete. Denn sie hatte blonde Haare.

Verwirrt nahm ich einen Knopf aus dem Ohr, während ich näher kam. "Karyu?"

Er sah auf. "Oh hey, da bist du da."

Überrascht musterte ich ihn. "Hast du auf mich gewartet?"

Er nickte. "Ich bin vor 20 Minuten oder so hergekommen. Ich hab geklingelt, natürlich hat keiner aufgemacht, und da auch kein Licht an war, dachte ich mir schon, dass du weg bist. Also hab ich draußen gewartet.", erklärte er und stieß sich von der Mauer ab. "Ich dachte, wir sollten vielleicht reden. Und was klarstellen. Zumindest will ich das."

Ich schluckte. Was klarstellen. Wahrscheinlich sollte ich ihn wegen der Katze nicht mehr belästigen. Überhaupt in Ruhe lassen. Na gut, ok. Ich hatte das ja eh so gewollt.

"In Ordnung, komm rein", murmelte ich und schloss auf. Schweigend gingen wir hinauf.

Wieder dieses unangenehme Gefühl, wieder diese Anspannung zwischen uns. Das machte mich direkt nervös.

Wie immer öffnete ich vorsichtig die Tür, achtete darauf, dass die Katze nicht ausbüxte, während wir die Wohnung betraten.

"Hast du jetzt einen Namen für sie?", erkundigte sich Karyu, woraufhin ich den Kopf schüttelte.

"Leider nicht. Vielleicht...", ich seufzte, "vielleicht nenne ich sie einfach..Katze."

"Sehr kreativ", kommentierte Karyu mit hochgezogener Augenbraue, woraufhin ich lediglich vage die Schultern hob. Was sollte ich machen?

"Setz dich ruhig schon mal. Ich versorg nur noch die Katze, ja?", bat ich ihn und er nickte.

Die Kleine folgte mir in die Küche, wo ich ihr Futter gab und seufzend nach der Wasserschale griff. "Du hast ja schon wieder nichts getrunken...Das ist nicht gut für dich, das weißt du?", murmelte ich und sah sie anklagend an, aber sie legte nur ihr Köpfchen schief und tat unwissend. Dann mauzte sie und widmete sich dem Futter. So wurde das nie was. Besorgt wechselte ich das Wasser der Schale, dann atmete ich tief durch und ging zu Karyu ins Wohnzimmer. "Möchtest du was zu trinken?", fragte ich ihn, doch er schüttelte den Kopf.

"Das regelt sich schon noch."

Verwirrt sah ich ihn an, während ich mich setzte. "Was?"

"Das mit dem Wasser. Mach dir keine Sorgen, sie wird anfangen, mehr zu trinken."

Ich nickte langsam. "Ach so...ja...das hoffe ich doch sehr." Ich rang mir ein Lächeln ab und räusperte mich. "Du wolltest noch mal reden?"

"Genau. Ich weiß nur nicht, wie ich anfangen soll." Er lächelte mich schwach an und seufzte. "Als wir uns letztens im Supermarkt wiedergesehen haben, warum hast du mich eingeladen?"

Ich senkte den Blick. "Das hab ich mich auch schon gefragt."

"Bullshit." Geschockt sah ich auf. "Du hast mich vermisst. Du bist trotz Katze allein, so einfach ist das." Er musterte mich mit zusammengezogenen Augenbrauen. "Ich hatte gehofft, dass du mittlerweile so weit wärst und mir das direkt sagen kannst. Oder willst du mir ernsthaft weismachen, dass dir der Grund nicht klar ist?"

Ich blickte beiseite. "Keine Ahnung. Ist es wichtig, warum ich dich angesprochen hab?"

"Ja, das ist es! Ich meine, du kündigst mir per Zettel die Freundschaft und sagst mir, du wärst lieber allein, als mit mir zu sein. Wochenlang reden wir nicht und dann sprichst du mich wegen deiner Katze an. Kannst du dir also nicht vorstellen, dass ich einigermaßen verwirrt bin und mich frage, was das nun zu bedeuten hatte? Und du bist der einzige, der mir das beantworten kann." Er lächelte säuerlich. "Aber weißt du, auf der anderen Seite gibt es nicht viele Erklärungen für dein Verhalten. Momentan halte ich jene am plausibelsten, dass du mich eben vermisst hast. Du bist allein, du hast sonst niemanden. Das geht mir auch so. Ich hab mich gefreut, dass du mit mir gesprochen hast. Aber das soll nicht das einzige Mal geblieben sein, ok? Also bitte...ich will von DIR hören, warum du es getan hast."

Ich starrte ihn nur an. Mein Inneres war dank seiner Worte völlig durcheinander. Irgendwie, so musste ich mir das eingestehen, hatte er wohl recht. Er hatte mich richtig analysiert. Ich räusperte mich. "Ok...ja, ok, was du sagtest, ist richtig.", murmelte ich nur und sah betreten zu Boden.

"Schön. Und wenn du dabei nicht so beschämt gucken würdest, würde ich mich nicht wie der letzte Dreck fühlen."

"Wie bitte?"

"Du schaust aus, als wäre es schlimm oder peinlich oder was auch immer, dass du mich angesprochen hast. Jemanden zu vermissen ist normal, weißt du.", antwortete er trocken, weswegen ich seufzte.

"Schon gut, tut mir leid. Ich bin eben so. Ich guck so. Das ist mein Gesicht. Worauf willst du denn noch rumhacken?", brummte ich und warf ihm einen kurzen Blick zu, so sah ich, wie er einen Moment stockte.

"Oh, so wie ich das sehe, hast DU auf MIR rumgehackt. Ich versuche gerade, noch irgendwas zu retten. Deine Aktion war für mich der Ruf nach Aufmerksamkeit. Du brauchst Gesellschaft, und zwar menschliche. Ich wäre immer noch gern dein Freund. Ich bin so nett und gebe dir die Chance, deine Worte zu bereuen und deine Entscheidung zu richten. Stattdessen führst du dich auf wie...wie ein Kleinkind."

Ich zog eine empörte Schnute. Ich war doch kein Kleinkind!

"Da, genau das meine ich." Er seufzte. "Ehrlich Zero, ich werde aus dir nicht schlau. Was soll ich denn noch machen, um dir zu helfen?"

"Du sollst mir ja gar nicht helfen", erwiderte ich trotzig. Irgendwie wurde mir das hier zu viel. "Ich kann sowas nicht gut. Solche Gespräche führen oder Diskussionen. Das ist nicht mein Ding."

Karyu vergrub das Gesicht in den Händen. "Ich stelle dir einfache Fragen, und auf die sollst du einfach nur antworten...", murmelte er und blickte auf. "Wenn du das wirklich nicht willst, deine Entscheidung für richtig hältst und uns beide weiter quälen willst, dann bitte. Okay, dann gebe ich auf und gehe. Ich werde nie wieder mit dir reden, dich nie wieder ansehen, nie wieder auch nur irgendwas mit dir zu tun haben. Wenn es das ist, was du willst." Ernsten Blickes betrachtete er mich.

Überfordert öffnete ich den Mund. Was wollte ich denn? "Ich...ich will..." Etwas hilflos starrte ich Karyu an. Diesmal half er mir nicht, sprang nicht ein, sondern wartete. Er meinte es wirklich ernst. Wenn ich jetzt nichts sagte, würde er für immer aus meinem Leben verschwinden. Einzig die Katze würde mich noch an ihn erinnern, denn zu dem Kauf hatte er mich inspiriert. Nur dank ihm war ich darauf gekommen. "Ich...also ich will..." Ich atmete durch. "Ich will nicht allein sein..."

Karyu lehnte sich lautlos seufzend zurück und musterte mich. Ich konnte nicht sagen, ob er enttäuscht war oder...irgendwas anderes. Nach ein paar Sekunden verschränkte er die Arme. "Ok, gut. Ich will auch nicht allein sein", erwiderte er und betrachtete mich eingehend. "Eine Frage hätte ich noch. Kann denn wirklich ICH dir helfen? Darf ich für dich da sein, oder wünschst du dir eigentlich irgendjemand anderen?"

Verwirrt erwiderte ich seinen Blick. "Ich..ich verstehe nicht..."

"Ab und an hatte ich das Gefühl, dass du mich abweist. Dass du mich nicht bei dir haben willst.", antwortete er. "Das Ganze hat keinen Sinn, wenn du...na ja, wenn du mich nicht wirklich leiden kannst."

Meine Augen weiteten sich. "Nun mach mal einen Punkt. Ich hab eben nicht so viel Kontakt mit anderen Menschen gehabt in meinem Leben, geschweige denn engen. Daher bin ich manchmal wohl etwas komisch. Aber natürlich mag ich dich, sonst hätte ich nicht so viel mit dir rumgehangen", erklärte ich.

Tatsächlich schenkte Karyu mir daraufhin ein kleines Lächeln. "Das hör ich doch gern. Dann bin ich erleichtert.", sagte er und hob die Hand, um mit einer Haarsträhne zu spielen. "Wir sollten aber noch deine Befürchtungen besprechen", sagte er leise. "Von wegen, dass es uns beide ja nicht gut tun würde, wenn wir Zeit miteinander verbrächten."

Daraufhin wandte ich den Blick beiseite. Das dachte ich ja eigentlich auch immer noch. "Ja also, denkst du das denn gar nicht?", wollte ich von ihm wissen.

Überraschenderweise lachte er. "Nicht wirklich, Zero." Sanft sah er mich an. "Ich will dich nicht vergessen oder sonstwas. Du bist der einzige, den ich habe. Das hab ich dir doch schon mal gesagt und das mein ich ernst. Ich hab nur dich und ich will Zeit mit dir verbringen. Auch wenn du über mich anders denkst als ich über dich. Das ist ok. Damit komme ich klar." Er lächelte schwach. "Das Problem sehe ich eher darin, dass du meintest, ich könnte nicht genug Zeit für dich erübrigen."

Ich seufzte innerlich und lehnte mich zurück. "Ja, also..du bist von morgens bis abends im Krankenhaus. Das ist auch okay, das ist dein Job, deine Ausbildung. Nur, wenn wir dann mal verabredet sind, wüsste ich gerne, dass wir diese Zeit auch nutzen können. Was bringt es, sich zu verabreden, wenn du nicht wirklich da bist? Was nutzt uns dann eine Freundschaft, wenn wir uns so selten sehen?", sagte ich bekümmert, woraufhin er mich leicht anlächelte.

"Wow, Zero hat tatsächlich Gefühle und scheint mich zu mögen und zu vermissen", meinte er beinahe stolz klingend, weswegen ich ihn verwirrt ansah. "Na ja, ich fühle mich geehrt, dass ich dir fehle, wenn wir uns nicht jeden Tag sehen."

"Also SO hab ich das nun auch wieder nicht gemeint!", warf ich ein, aber ihn interessierte das gar nicht. Karyu grinste nur triumphal..

"Schon okay", lenkte er beschwichtigend ein und lächelte seicht. "Du solltest wissen, dass ich ja nicht oft zu Notfällen gerufen werde. Das passiert nicht mal ein Mal im Monat, ok? Und noch was: ich bin am Ende meiner Ausbildung. Ich muss nur noch für meine Abschlussprüfung lernen, und dafür werde ich weniger Stunden im Krankenhaus verbringen müssen. Sobald ich durch bin, würde ich gern in ein kleineres Krankenhaus wechseln. Da ist sowieso weniger los. Ich hätte in der Woche vielleicht sogar zwei Tage statt nur einem frei", erzählte er zwinkernd. "Ich hab mich da schon informiert. Keine Sorge. Dein Horrorszenario, dass wir uns wochenlang nicht sehen, wird nie eintreffen, ok? Deine Ängste sind unbegründet", versuchte er mich zu beruhigen.

Zweifelnd sah ich ihn an und knabberte auf meiner Unterlippe rum. War das denn so einfach? "Wenn die Sache so leicht zu lösen ist, warum..hast du mir das nicht gleich gesagt?", wollte ich leise wissen, woraufhin er die Augenbrauen hob.

"Weil du mich verletzt hast, deswegen. Ich hätte deine Angst beinahe als Ausrede gehalten, als billige Ausrede." Er verschränkte die Arme, während er mich ruhig ansah. "Es war so schwer, an dich ranzukommen, und versteh die Wortwahl nicht falsch." Er lächelte schwach. "Du warst lange misstrauisch mir gegenüber und hast abgeblockt, wenn es um Persönliches ging. Das ist teilweise immer noch so, woraus ich dir keinen Strick drehe. Es gibt immer Sachen, über die man nicht gern spricht." Er senkte den Blick. "Du warst immer sehr vorsichtig und zurückhaltend, wenn ich aufgetaucht bin. Und plötzlich sagst du mir, dass dir unsere gemeinsame Zeit nicht reicht. Das hat mich stutzig gemacht. Ich hielt es zuerst für eine Ausrede, weil du mir nie gezeigt oder gesagt hast, dass es dir wirklich was bedeutet, wenn wir zusammen sind, verstehst du?" Ich nickte nur. "Deswegen war ich enttäuscht und verletzt, aber ich hab dir letztendlich nicht zugetraut, dass du mich anlügst." Er seufzte. "Im Endeffekt war ich einfach sauer, dass du mich so abservierst. Ich hab nicht nachdenken können... Aber genau das musste ich, um dir klarzumachen, dass deine Befürchtungen nicht notwendig sind."

Ich betrachtete ihn. "Du...hast für einen Moment gedacht, dass ich vielleicht doch nicht so unrecht habe, stimmt's?"

"Zumindest was mich angeht. Dass es mir vielleicht auf Dauer wirklich nicht so gut tut, mit dir Zeit zu verbringen.", nickte er und lächelte schwach. "So nah und doch so fern, verstehst du?" Ich nickte nur und zog die Knie an, bevor ich mich gegen die Couchlehne sinken ließ. "Aber ich schaffe das schon. Es wäre schlimmer für mich, wieder allein zu sein. OK?" Erneut brachte ich nur ein Nicken zustande und beobachtete Karyu dabei, wie er mit traurigem Blick den Kopf senkte. "Es gibt da noch etwas, das ich dir sagen sollte." Nervös fuhr er sich durchs Haar. "Wo wir dabei sind, alles zu klären und dabei ehrlich zu sein..." Er schluckte und hob den Blick, welchen ich verwirrt erwiderte. Was kam denn jetzt?

"Hast du was angestellt?", wollte ich mit leicht hochgezogenen Augenbrauen wissen, woraufhin er langsam nickte.

"Ja, das..kann man wohl so sagen", murmelte er schwach lächelnd. "Also, die Sache ist die... Ich... Es ist wirklich nur einmal passiert, ja? Und es tut mir leid.."

Wow, da druckste aber einer gewaltig rum. "Karyu, was ist denn los? So schlimm wird's schon nicht sein."

"Na da wär ich mir nicht so sicher..", murmelte er und sah auf. "Ich hab dich angefasst."

"Was...?" Aus großen Augen erwiderte ich seinen Blick. So ganz kam ich nicht mit.

"Ich hab dich angefasst", wiederholte er. "Der erste Abend, wo wir zusammen gesessen haben...du bist während des Films eingeschlafen und hast dich immer weiter an mich gelehnt, bis du irgendwann auf meinem Schoß gelegen hast", erzählte er. "Die Decke ist auf den Boden gerutscht und ich...als ich die aufheben wollte, hast du dich auf den Rücken gedreht..und ich hatte mich doch gerade hinab gebeugt..." Seine Augen starrten auf einmal in die Ferne. "Ich hab dich geküsst. Ich hab versucht, es nicht zu tun, aber...ich konnte es nicht verhindern. U-und dann...hab ich dich angefasst.." Entschuldigend sah er zu mir auf. "Es war nur mit der Hand auf deinem Oberkörper...und vielleicht..ist sie auch mal unter dein Shirt..gerutscht..", murmelte er mit roten Wangen, während ich erstarrte. In einer dunklen Ecke meines Gehirns regte sich eine Erinnerung, aber ich wusste nicht, ob das wirklich etwas mit dem zu tun hatte, was Karyu mir da gerade erzählte. "es war nicht lang..nur für ein, zwei Minuten vielleicht, dann hab ich wieder aufgehört und hab die Finger von dir gelassen. Ich bin gegangen..", fuhr er leise fort und fuhr sich durchs Haar. "Es tut mir wirklich leid und es kommt sicher nicht wieder vor. Ich hatte sofort aufhören wollen, aber du hast...du hast dich bewegt...", hauchte er langsam und mit einem Ton, der eindeutig darauf schließen ließ, WIE ich mich bewegte hatte. Das war ja peinlich.

Ich blinzelte und leckte mir flüchtig über die Lippen, denn auch Karyus Augen verrieten bei der Erinnerung so einiges. "Ok, ok, vergessen wir das, ja?", bat ich ihn, weswegen er mich überrascht ansah. Das Dunkle in seinen Augen war wieder verschwunden.

"Vergessen?" Nun war er es, der blinzelte, dann nickte er. "Oh..ja, natürlich." Er seufzte. "Hätte ich es überhaupt nicht erwähnen sollen? Heteros mögen es ja eigentlich gar nicht, wenn man so etwas macht und ihnen dann noch unter die Nase reibt, dass sie es irgendwie dann doch sogar mochten..."

Ich runzelte die Stirn. "Heteros...?"

Er blickte mich an. "Das bist du doch."

"Nein...eher nicht."

"Eher nicht?" Seine Augen waren kullergroß. "Du..."

"Du dachtest, ich wäre hetero?!", hakte ich nach und konnte nicht ganz nachvollziehen, wie er nun darauf kam. "Ich darf dich daran erinnern, dass du mir bereits die Zunge in den Hals gesteckt hast, als wir uns gerade mal flüchtig kannten und du mehr oder weniger in meine Wohnung eingebrochen warst. Wäre ich hetero, hätte ich dich verprügelt und vom Balkon runter geworfen...", sagte ich, woraufhin er schwach grinste.

"Das mag sein, ok. Das hat mich auch gewundert. Aber ich hatte...einfach all die Zeit danach das Gefühl, dass du...eben überhaupt nicht interessiert bist."

Ich öffnete den Mund, wollte erwidern, dass ich das doch auch nicht war, aber dann glaubte ich zu verstehen. Gerade so konnte ich verhindern, einfach nur "Oh" zu sagen. Das wäre schmerzhaft gewesen. Denn wie es aussah, glaubte Karyu, bei mir keine Chance zu haben, weil ich hetero war. Wenn ich aber schwul wäre, würde das alles ändern? Glaubte er dann, doch eine Chance zu haben? Aber so einfach war das doch gar nicht. Man konnte auch nicht interessiert sein, selbst wenn man schwul war... Was ging denn nun ab?

"Oh..", machte er plötzlich und mir wurde bewusst, dass ich ihn nur angestarrt hatte, und jetzt schien ihm klar zu werden, worüber auch ich nachgedacht hatte. "Du..du bist...du bist doch schwul?"

Leicht schüttelte ich den Kopf. "Nein, nicht direkt.", antwortete ich langsam. "Ich bin eher bi, denke ich."

"Denkst du?" Verwirrt betrachtete er mich, weswegen ich seufzte. Jetzt durfte ich ihm noch was privates aus meinem Leben erzählen. Na, so machten Freunde das wohl.

"Keine Ahnung...ich hatte mal einen Freund auf der Oberschule. Wir haben rumgemacht, hatten Dates und das alles. Aber er ist immer der einzige geblieben. Ich schau aber auch mal hübschen Frauen hinterher, so ist das nicht. Ich hatte nur nie eine Freundin, aber ich glaube nicht, dass das was aussagt. Interessiert wäre ich schon mal an der einen oder anderen gewesen", meinte ich und zuckte mit den Schultern. "Daher denke ich, dass ich bi bin, aber um ehrlich zu sein, ist es mir auch egal." Ich lächelte ihn leicht an. "Ich mag eben den Menschen, den ich mag. Ob nun Mann oder Frau ist mir gleich. Es gibt ja auch keine Eltern in meinem Leben, die mich für meine Orientierung schief ansehen könnten, also...ist es mir völlig egal, in wen ich mich verliebe." Ich schwieg für einen Moment. "Nur, Karyu, denk deswegen nicht, dass sich irgendwas zwischen uns ändert. Es ist immer noch so, dass ich nur für eine Freundschaft zwischen uns bin, ok? Wäre da was...wäre da mehr auf meiner Seite, dann hätte ich dir das schon früher gesagt."

Er nickte nur stumm und lehnte sich zurück. "Ok, gut. Danke für deine Ehrlichkeit."

Vorsichtig sah ich ihn an. "Tut mir leid..."

Doch er schüttelte den Kopf. "Nein, schon gut, wirklich. Ich bin froh, dass du mir nicht allzu böse ist, wegen der...Sache. Mit dem Anfassen."

Nun war ich es, der mit dem Kopf schüttelte. "Mach dir nichts draus. Das ist nicht so schlimm. Es stört mich nicht. Es ist lieb, dass du es mir gesagt hast. Das hättest du nicht machen brauchen. Obwohl.." Ich grinste ihn leicht an. "Ich sollte sauer sein. Ich glaube, du warst es, dem ich einen komischen, erotischen Traum zu verdanken habe."

Aus großen Augen starrte er mich an. "Wie bitte?"

"Ich glaube, ich habe dein Fummeln gespürt im Schlaf. Ich konnte mich am Morgen nämlich an irgendwas erinnern, was ich beinahe als Sextraum klassifiziert hätte, aber da ja nichts weiter passiert ist, war es nicht mal ein feuchter Traum. Ich hab nur irgendwen fummeln gespürt...glaube ich. Du hast dich also wohl nicht allzu sehr ins Zeug gelegt."

Er schmunzelte sachte. "Ach so. Soll das jetzt eine Aufforderung sein? Das nächste Mal, wenn du einschläfst, kann ich dich gern doller befummeln und dich an Stellen küssen, die-..."

Doch ich hob die Hand und schüttelte grinsend den Kopf. "Nein, zu deinem eigenen Besten wirst du das nicht tun."

"Schade", kommentierte er nur lächelnd und streckte die Arme von sich. Gleichzeitig atmeten wir tief durch.

Ich ließ den Kopf auf die Lehne hinter mir sinken und starrte an die Decke. "Also ist erstmal alles geklärt?"

"Ich denke schon. Wir haben uns die dunklen Sachen gebeichtet und mögen uns trotzdem noch, oder?"

"Ja...so sieht es aus", erwiderte ich und schloss leicht lächelnd die Augen. "Da bin ich erleichtert."

"Ich auch", sagte er glücklich. Eine Weile starrten wir an die Decke und schwiegen, dann senkte sich das Polster neben mir plötzlich und Karyu ließ sich neben mir auf die Couch fallen. "Und jetzt machen wir also so Freundes-Zeug?"

"Freundes-Zeug?" Fragend sah ich ihn an und schmunzelte. "Also keine Ahnung..du hast davon mehr Ahnung als ich, glaube ich. Du hast Freunde in Hokkaido gehabt, ich habe eigentlich nie wirklich welche gehabt..."

"Hm", machte er und betrachtete mich. "Ja, wir machen jetzt so Sachen wie..zusammen shoppen gehen..."

Ich verdrehte die Augen. "Shoppen?"

"Hey, was hast du denn dagegen?"

"Uhm...nichts. Ich...ich geh nur nicht gern shoppen. Klamotten brauch ich selten und Spaß macht es auch nicht."

"Warum nicht?", wollte er wissen. "Nicht genug Geld? Oder passen dir die Sachen etwa nicht?" Er lachte, während er mich musterte. "Als ob es Klamotten gäbe, die dir nicht passen."

Ich seufzte. "Ich hab genug Geld. Einen Haufen Geld", erwiderte ich. "Und passen tun mir die meisten schon, aber sie..sehen nicht so toll aus und..ach was weiß ich. Es ist stressig. Es nervt mich."

Karyu schmunzelte. "Ich weiß schon, was dein Problem ist. Du magst es nicht, ALLEIN shoppen zu gehen. Wart's mal ab, mit mir wird das der Knaller."

Ich lachte. "Aber natürlich."

"Wie sieht's aus? Wollen wir das machen?"

Ich hielt ein Seufzen zurück und nagte kurz an meiner Unterlippe. "Aber...wann hättest du denn dafür Zeit?"

Zu meiner Überraschung lächelte er mich an und klopfte mir auf die Schultern. "Morgen ist Samstag, da hab ich frei. Ok? Und zu Notfällen werde ich nicht mehr gerufen. Wegen der Prüfung." Ich nickte leicht. Das war gut. "Apropos Prüfung...wenn du mir ein bisschen beim Lernen hilfst, können wir mehr Zeit zusammen verbringen. Ich wäre vielleicht schneller und wir könnten abends immer noch was tun...falls du magst."

Ich hob eine Schulter. "Gut, in Ordnung. Warum nicht?"

Karyu strahlte mich an. "Das ist ja mehr, als ich erwartet hab. Sehr schön." Er klopfte mir auf das Knie. "Ich hab Hunger! Hast du was da?"

Kopfschüttelnd, aber lächelnd stand ich auf. "Da muss ich mal nachschauen. Jetzt klaust du mir das Essen also nicht im Supermarkt, sondern direkt zu Hause, wo mir die Lebensmittel schon gehören.." Ich seufzte gespielt, während er nur lachte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Kurenai_chan
2014-06-15T17:18:31+00:00 15.06.2014 19:18
Awww die große Versöhnung! ^o^
Irgendwie war es mir klar, dass der "Traum" kein richtiger, sondern eher ein "Halbtraum" war. ^^
Wie immer ein tolles Kapitel!
Und Karyu stell ich mir auch als super Shoppingbegleitung vor! ^^
Bin gespannt auf nächste Kapitel! :D
Antwort von:  Phoenix_Michie
17.06.2014 20:59
Vielen Dank für deinen lieben Kommentar :3
Und tadaaa schon das nächste Kapitel xD
Von: Futuhiro
2014-04-05T21:35:21+00:00 05.04.2014 23:35
Au man, die Besitzerin des Katzen-Cafe´s hat voll ihren Beruf verfehlt. Die hätte mal besser Psychologin werden sollen. -__-

Ganz schön harte Worte, die Karyu da spuckt. Er stellt sich ja hin, als wäre es eine regelrechte Gnade seinerseits, sich weiter mit Zero abzugeben. Und gleich mal so pauschal vorauszusetzen <Du hast mich doch vermisst, das weis ich!> zeugt schon von einem ordentlichen Selbstwertgefühl. ^^
Wobei ich fast glaube, es hätte vieles einfacher gemacht, wenn Zero schlicht und ergreifend hetero gewesen wäre. Trotzdem erleichtert es mich etwas, daß zwischen den beiden erstmal wieder alles in Butter ist. Der große Crash am Ende vom Teil 1 war schon herzlos und hart.

Nun bin ich gespannt, ob die große Shopping-Tour Zero wirklich so die Locken aus der Mütze haut, wie Karyu es ihm verspricht. XD
Von:  --Tsuki--
2014-04-05T20:55:59+00:00 05.04.2014 22:55
Ohhh, wie schön - eine Versöhnung! *_*
Also ehrlich, ohne diesen zweiten Teil ist die Story doch gar nicht komplett :3

Fand es echt gut, dass Reiko wieder aufgetaucht ist, und du somit Bezug zum ersten Teil genommen hast, und dann eben dieses lange klärende Gespräch zwischen den beiden...! Hach... Karyu, du kleines Ferkel!! (Auch wenn du ja schon mal angedeutet hast, dass er es faustdick hinter den Ohren hat)
Zum Glück hat Zero das cool aufgenommen und sich nicht künstlich aufgeregt hat wie eine Drama Queen ^^
Oh, und außerdem finde ich gut, dass "schwul oder bi-sein" nicht die einzige Voraussetzung für eine Romanze zwischen den beiden ist - wie es ja leider in vielen anderen FFs der Fall ist.

Hmmm, ein schöner Versöhnungssex wäre trotzdem ein krönender Abschluss gewesen (hahaha) aber dafür ist es wohl noch eeetwas zu früh. Wenngleich der Weg dorthin jetzt schon gar nicht mehr SO weit zu sein scheint.
Muhahaha! Weiter so!! ^-^


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