9. Wut
9. Wut
Mit Sascha zusammen ging ich zur Kombüse. Law wollte mich noch sprechen und Sascha und ich hatten Hunger. Der werte Herr Kapitän müsste sowieso gerade in der Kombüse sein. So, wie jeden Morgen.
Empfangen wurden wir von dem Duft frischer Pfannkuchen und süßem Sirup. Ebenso, wie von einem verstimmten Trafalgar Law, am Herd stehenden Jean Bart *Der kann kochen?!* und einem bedrückten Shachi, der mit gesenktem Kopf am Tisch saß. Law saß an der Spitze des Tisches und sah zu mir, als er uns bemerkte. Sein Blick wanderte von mir zu Sascha und wieder zurück.
„Was soll das werden? Wer ist das?“ Seine Stimme war düster und man konnte seine schlechte Laune heraushören. Sascha versteckte sich hinter mir und hielt sich an meinem hellbraunen Pullover fest.
„Trafalgar, nein, Capt'n! Zuerst einmal möchte ich mich für meine Verspätung gestern entschuldigen. Ich wurde...ähm...aufgehalten.“ Ich verbeugte mich entschuldigend und schaute dann wieder auf. „Und das hier, das ist Sascha. Ich habe ihn hier her gebracht und eine Nacht bei mir schlafen lassen. Er hatte keinen anderen Ort, wo er hingehen konnte, also...und ehrlich gesagt, naja, wollte ich dich etwas fragen...ähm...“ Zwischendurch hatte ich meinen Blick wieder von ihm abgewendet, doch bei dem Geräusch von schabendem Holz wandte ich mich ihm wieder zu und sah, dass er nun direkt vor mir stand. Sein Gesichtsausdruck war ernst und irgendwie auch gruselig. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken runter. *Was ist mit ihm?*
>Klatsch!<
Meine Augen waren geweitet. *Hat er mir gerade eine geknallt?!*
Ich hielt mir meine sicherlich gerötete linke Wange, blieb mit dem Kopf zur rechten Seite schauend stehen, bewegte mich kein Stück. Saschas Griff an meinem Pulli wurde stärker und ich spürte, wie der kleine Junge zu zittern begann. Von den anderen Männern im Raum hörte ich ein Zischen.
„Ich bin der Captain! Ich gebe die Befehle und ihr alle, meine Crew, richtet euch danach! Das gilt auch für Euch, Miss Bloodman!“ Er schnappte sich mein Kinn und drehte meinen Kopf so, dass ich ihm genau in die Augen sehen musste. „Es ist mir vollkommen egal, ob dir etwas dazwischen kommt! Regelt es und folgt meinem Befehl! Ich kann keine unzuverlässigen Mitglieder in meiner Crew gebrauchen! Könnt Ihr Euch nicht daran halten, dann könnt Ihr gerne verschwinden!“ Er ließ mein Kinn los und griff an mir vorbei nach dem Jungen. Er zog ihn nach vorne und musterte ihn mit eisigem Blick. Der Braunhaarige wirkte eingeschüchtert und ängstlich, trotzdem sah ich eine Veränderung in seinem Gesicht, als Law sich wieder mir zu wandte. „Und was den Jungen hier angeht, es ist mi-“ „-AH! Verdammte Scheiße!?“
„Lass Billy in Ruhe! Sie ist total nett!“ Erschrocken beobachtete ich die Szene vor mir. Sascha hatte Law gegen das Schienbein getreten und sich schützend vor mich gestellt. Und dann schrie er auch noch! Law stand etwas wackelig auf einem Bein und hielt sich das andere. *Oh oh...*
„Sascha! Das ist schon okay! Er ist mein Capt'n und er hat Recht!“, tadelte ich den Jungen und schob ihn schnell hinter mich, bevor Law ihm noch etwas antat. Eben genannter stand mittlerweile wieder vernünftig da und schaute wütend zu dem Jungen.
„Capt'n, ich weiß, dass ich mich falsch Verhalten habe und es tut mir Leid! Es kommt nicht wieder vor! Und Sascha tut es auch Leid!“ Ich wandte mich an den Kleinen und warf ihm einen strengen Blick zu. „Nicht wahr, Sascha?“ Er blinzelte kurz, reagierte dann jedoch schnell und verbeugte sich dann etwas.
Ich konnte meinem Kapitän zwar immer noch die Wut ansehen und diese genervte Aura spüren, aber dennoch wirkte sein Blick nun etwas kontrollierter und, zumindest nach außen hin, ruhiger.
„Haltet Euch einfach daran, Miss Bloodman.“
Ich nickte und er lief an Sascha und mir vorbei.
Die Stimmung hatte sich nach Laws verschwinden wieder etwas gelockert und ich unterhielt mich aufgeregt mit Shachi und Jean Bart über das baldige Fest, welches hier auf der Insel jedes Jahr einmal stattfand. Es würde in zwei Tagen soweit sein und wir würden natürlich mitfeiern. Sascha blieb ruhig und aß still seine Pfannkuchen, doch ich meinte ein leichtes Zucken seinerseits gesehen zu haben, als Shachi das Fest erwähnt hatte. Vielleicht sollte ich ihn später mal darauf ansprechen.
Nach dem Essen ließ ich Sascha einen Moment bei Shachi, die Beiden mochten sich, und Jean Bart, er war, anders, als sein Aussehen vermuten ließ, sehr Kinderlieb und mochte den Braunhaarigen anscheinend auch sehr gerne.
Ich fragte Law nach einem Gespräch unter vier Augen, ich konnte ihn ja vorhin gar nicht mehr fragen. Nervosität machte sich in mir breit, aber ich musste mich jetzt zusammenreißen!
„Law, ich wollte dich noch etwas fragen...wegen Sascha...also...ähm...-“
„Was?!“ *Man, der hat echt immer noch so eine miese Laune!*
„Okay, was ist dein Problem? Du bist doch nicht nur wegen mir und meinem Verhalten von gestern so schlecht gelaunt! Was zur Hölle ist passiert?!“ Meine Stimme wurde immer lauter und höher. *Uuuuh, sein genervt sein färbt auf mich ab...Tief durchatmen und wieder beruhigen ist angesagt!* Gedacht, getan. Law saß an seinem Schreibtisch und hatte seinen Kopf auf eine seiner Hände gestützt. Seine Mütze legte einen großen Schatten über sein Gesicht, ich konnte nur die gerade Linie seiner Lippen ausmachen.
„Law, was ist los?“, fragte ich nun mit einer ruhigeren Stimme.
„Wie Ihr schon festgestellt habt, bin ich genervt, Miss Bloodman. Der Grund geht Euch eigentlich nichts an, aber-“
„Entschuldigung wegen der Unterbrechung, aber könntest du mal aufhören mich ständig zu Siezen? Das ist ganz schön irritierend!“ Er hob den Kopf und sah mir in die Augen.
„Der Grund geht DICH eigentlich nichts an, aber einer meiner Informanten hat mir falsche Informationen gegeben.“
„Deshalb bist du so genervt, dass du nahezu puren Hass überall ausstrahlst, wo du dich aufhältst?! Und an mir lässt du deine Wut aus?! Ich hab eher das Gefühl, dass du zu wenig Schlaf hattest, so wie deine Augen aussehen!“
„Hah?“ Er war aufgestanden und knallte seine Hände auf den Tisch. „Ich nenne dir den Grund und du zweifelst daran?“
„Exakt!“ Ich trat einen Schritt näher an ihn heran. „Was natürlich nicht bedeutet, dass ich an dir als Kapitän zweifel!“
Er seufzte und setzte sich wieder.
„Na sag schon, was wolltest du fragen?“ Ich blinzelte ein paar mal, irritiert und überrascht zugleich bei dem schnellen Wechsel seines Gemütszustandes.
„Ah, genau! Ich habe überlegt, was ich mit Sascha machen könnte und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich ihn nicht so gerne hier auf der Insel lassen würde. Wäre es in Ordnung, wenn wir ihn bis zur nächsten bewohnten Insel mitnehmen könnten?“
„Du willst ein Kind an Bord meines U-Bootes haben? Lass ihn hier! Der findet schon irgendjemanden!“
„Law! Ähm, Capt'n! Er ist erst 7 Jahre alt und kommt nicht mal von der Insel hier! Er ist ein Außenseiter und hat nichts mit den Menschen hier zu tun, er hat niemanden! Bitte lass ihn mit uns fahren, wirklich nur bis zur nächsten bewohnten Insel! Da suche ich ihm dann einen Platz. Bitte!“ Ich setzte meinen besten Bettelblick auf und wartete ab. Law schaute mich an und seufzte dann auf einmal, schloss die Augen und nickte leicht.
„Bis zur nächsten bewohnten Insel.“ Ein breites, glückliches Lächeln legte sich auf meine Lippen und ich machte einen kleinen Luftsprung.
„Danke Law!“, damit lief ich um seinen Schreibtisch herum zu ihm und umarmte ihn kurz. Ich spürte, wie sein Körper sich anspannte und ließ eilig wieder los. Ohne weiter auf ihn zu achten verschwand ich aus dem Raum.
Den Blick, mit dem ihr Kapitän ihr hinterher sah, bemerkte Billy nicht.
