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Outlaw

... die Macht der Machtlosen (NaruHina)
von

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Das schnellste Sechsergespann

Gebannt hat Konohamaru den detaillierten Schilderungen des Chairman gelauscht und an seinen Lippen gehangen, wie ein Abhängiger. Er wird regelrecht aus einem tranceähnlichen Zustand herausgerissen, als Naruto in seiner Geschichte stoppt und Schweigen plötzlich den Raum erfüllt. Der junge Bursche blinzelt etwas verwundert und beugt sich erwartungsvoll und mit großen Augen nach vorne, um seinem Gegenüber zum Weitererzählen zu animieren. Dass er dabei noch immer den zuvor gereichten Ordner in den Händen hält und inzwischen sogar an sich drückt, wie einen wertvollen Schatz, wird ihm erst wieder bewusst, als Naruto mit einem schiefen Lächeln auf diesen deutet. Konohamaru blickt hastig im Wechsel zu dem Ordner in seinen Händen und dem Chairman, ehe er mit einem fast schon quietschenden Laut, den Ordner regelrecht aufreißt und erst bei dem etwas erbosten Laut von dessen Besitzer, wieder zur Ruhe zurückfindet – er will ja nichts beschädigen und damit den potenziellen Zorn eines ganzen Volkes auf sich ziehen. Der junge Rebell lässt die erste Seite mit dem Gedicht hinter sich und findet schließlich ein altes, verfärbtes Blatt Papier, auf dessen Oberfläche eine sehr grobe und eckige Schrift zu lesen ist. Etwas verblasst und dennoch gut zu lesen, auch wenn die Handschrift durchaus eine Herausforderung darstellt.

Konohamarus Herz macht einen aufgeregten Sprung, nachdem ihm klar ist, dass er tatsächlich einen handgeschriebenen Brief des einstigen Outlaws in den Händen hält. Eine Kostbarkeit, wie es keine Zweite geben könnte und dennoch … dieser Ordner beinhaltet wohlmöglich den wertvollsten Besitz seines Volkes. Festgehaltene Erinnerungen aus einem längst vergangenen Jahrhundert, geschildert von einem einzigen Mann. Mit einem andächtigen Schlucken, streicht Konohamaru mit den Fingerspitzen über die glatte Oberfläche der Hülle, in welcher der Brief sorgsam aufbewahrt liegt und beginnt seine Augen über die Zeilen gleiten zu lassen und dabei vergessend, dass er in diesem Raum nicht alleine ist. Ruhig und vielleicht auch etwas genießend, schaut sich der Chairman das Verhalten seines Stammmitgliedes an und schweigt abwartend.
 

Meine Liebsten,
 

ich weiß nicht, wo ich meine Geschichte beginnen soll oder wie ich überhaupt beginnen könnte. Ich bin zurzeit in New York, die Stadt in der ich geboren und meine ersten Lebensjahre verbracht habe, doch habe ich an diesen Ort nur wenige schöne Erinnerungen. Sie war und ist immer noch ein dreckiges Loch, voller Abfall und erbärmlicher Gestalten. Es ist dasselbe Bild. Es hat sich nichts geändert. Es ist, als wäre ich nie weg gewesen. Ich bin hier jedoch nicht alleine. Eine Frau Namens Tsunade unterstützt mich. Sie ist eine sehr alte Freundin, doch werde ich euch an anderer Stelle mehr von ihr erzählen. Hanabi ist ebenfalls bei mir und es geht ihr soweit gut. Sie hat viel durchgemacht. Das soll als Information erst einmal genügen. Die Frage, die ihr euch vermutlich stellt ist, warum schreibe ich einen Brief und dass mit dieser unmöglichen Handschrift? Nun, ich will damit anfangen euch zu erklären wer ich bin und was mich zu dem gemacht hat. Als meine Familie habt ihr ein Recht darauf und ich will und kann es euch nicht länger verschweigen. Also beginne ich ganz von vorne.

Geboren wurde ich im Oktober 1830. Ich war der Sohn eines Kaufmannes und einer Bäckerstochter. Es ist mir leider nicht vergönnt gewesen, auch nur ein Jahr mit meinen Eltern zu verbringen, denn sie starben bevor ich überhaupt laufen konnte. Ich kenne nicht einmal ihre Namen. Als Waise war mein Schicksal praktisch in Stein gemeißelt, denn ohne Eltern und ohne Halt würde ich es nie zu etwas bringen. Das ist auch heute noch die Meinung der Menschen. Ich wurde in ein Waisenhaus gebracht. Aus den Augen aus dem Sinn, war die Devise und es war wirklich keine schöne Zeit. Herzlichkeit war dort nicht zu finden. Ich und die anderen Kinder waren ungewollte Störenfriede. Ballast der Gesellschaft und das bekamen wir jeden Tag zu spüren. Eine meiner ersten Erinnerungen dieser Zeit ist, dass ich verprügelt wurde, als ich in die Hose gemacht hatte. Ich war zwei, vielleicht drei Jahre alt und bekam für eine unbeabsichtigte Handlung die ersten Prügel meines Lebens – mit einem Teppichklopfer. Von dem Moment an wusste ich es besser. Ich ging nie wieder zu einem der Erzieher und bat für irgendetwas um Hilfe. Ich war noch so jung und trotzdem schon selbstständiger als manch ein Erwachsener. Nässte ich mich wieder ein, wusch ich mich selbst und entsorgte die dreckige Kleidung heimlich, um mir dann in der Nacht neue auf der Kammer zu klauen. Meine Selbstständigkeit schützte mich aber nicht vor weiteren Schlägen. Ich erntete viel Boshaftigkeit und gewöhnte mich irgendwann an die Schmerzen und die blauen Flecken. Die Schläge sollten uns brechen. Sie sollten uns gehorsam machen, doch bewirkten sie bei mir das Gegenteil. Ich wurde aufsässig, rebellisch und stur. Ich ließ mir wenig bis gar nichts sagen und versuchte jedem einzelnen meiner Leidensgenossen Mut zu machen. Ich stahl zusätzliches Essen aus der Küche. Ich brachte es mir selber bei Gitarre zu spielen und spielte den anderen etwas vor. Ich sagte offen meine Meinung. Ich verweigerte aufgetragenen Aufgaben und hielt jedem Erwachsenen stand. Ich habe nie die Hand gegen euch erhoben und ich würde es auch nie tun, denn in diesen Jahren habe ich so viel Züchtigung und körperliches Leid erfahren, dass er für mehrere Leben reichen würde. Den Schmerz und die damit verbundene Demütigung würde ich nie ein Teil von euch werden lassen. Was ich erlebt habe, was ich erleben musste, sind Erfahrungen welche nicht gemacht werden sollten. Es fällt mir nicht leicht darüber zu schreiben. All diese Dinge, die ich tief in mir vergraben und zum Schweigen gebracht habe, wieder hervor zu holen. Sie praktisch noch einmal durchleben zu müssen, kommt einem gefürchteten Albtraum gleich. Ich werde euch jedoch nichts mehr verheimlichen, doch werde ich an dieser Stelle enden – zu diesem Zeitpunkt.
 

In Liebe

Charles
 

P.S In den nächsten Tagen werdet ihr Besuch bekommen
 

Fassungslos und gefesselt von diesem Stück Papier hebt Konohamaru den Blick wieder an und lächelt unbewusst in sich hinein, während seine dunklen Augen den Chairman fixieren, der unberührt noch immer an seinem Platz sitzt und einen äußert zufriedenen, gleichzeitig jedoch auch sehr stolz wirkenden Eindruck macht. Der Lebensweg des Häuptlings Ahiga, der Held eines ganzen Volkes, liegt quasi in den Händen eines pubertierenden Halbstarken. Handgeschrieben, für nachfolgende Generationen festgehalten. Ungeschönte Worte, die nicht mehr als die reine Wahrheit preis geben und vor ihm sitzt ein direkte Nachkomme dieser Blutlinie. Es ist der Beweis, den Konohamaru immer haben wollte, um die ganzen Geschichten glauben zu können. Es gab ihn wirklich diesen aufopferungsvollen Menschen, der viel von sich gab und stets über seine Grenzen hinausging. Ein Mann der für seine Familie kämpfte, den Tod in Kauf nahm und sich gegen ein Regime auflehnte. Ein Schauer von Ehrfrucht durchströmt den jungen Körper des Indianersprosses.

„Leider hat er nie festgehalten, was genau er in New York eigentlich getan hat, aber die Briefe an seine Familie schildern seinen Leidensweg den er bewältigen musste, um erwachsen zu werden. Er hat sein Versprechen wahr gemacht und seiner Familie alles gesagt, was er ihnen über die Jahre hinweg schuldig geblieben ist.“ Naruto lehnt sich bei seiner kurzen Ausführung etwas auf seiner Sitzgelegenheit zurück und verschränkt die Arme vor der Brust. „Ich kann dir leider nicht erzählen, was in der Großstadt passierte, aber wenn es dich interessiert, kann ich dir erzählen was bis zu seiner Rückkehr auf Cowboys Heaven passiert ist. Die Jahre dort sind nicht ereignislos geblieben.“

Obwohl die Entwicklung von Hanzo und den anderen nicht unbedingt zu dem Inhalt seines Referates gehört, interessiert es den Jungen eben doch, weswegen er nur heftig mit dem Kopf nickt und sofort wieder an den Lippen seines Gegenübers hängt.
 

April 1866
 

Nachdenklich liest sich Hanzo den letzten Satz des Briefes zum wiederholten Male durch, doch wird er nicht schlau an dieser einen Zeile. Sie werden Besuch bekommen. Von wem und warum? Wen hat sein Vater kontaktiert, dass dieser jemand wohlmöglich eine weite Reise in Kauf nimmt und diese Farm aufsucht? Seufzend faltet der Halbindianer den Brief wieder zusammen und richtet seinen Blick auf seine Freundin. Hana sitzt nicht weit von ihm entfernt auf einem Stuhl und liest in einem Buch, welches sie von ihrer Mutter bekommen hat. Einen Moment lang betrachtet er ihr friedliches und entspanntes Gesicht, auf dem sich keine tiefe Denkerfalte gebildet hat. Sie macht sich weniger Gedanken um den Inhalt des Briefes, denn sie ist mit der Unberechenbarkeit Narutos aufgewachsen und weiß, dass ihr Patenonkel schon immer für eine Überraschung gut gewesen ist. Ein Verhalten, welches Hanzo von seinem Vater weniger kennt oder ist es ihm einfach nie aufgefallen? Nachdenklich löst Hanzo seinen Blick von Hana und schaut in den Himmel empor, an dem sich einige harmlose Wolkenberge auftürmen.

Der Brief kam vor einer Woche bei ihnen an, doch der dort drin erwähnte Besuch hat sich noch nicht gezeigt. Seit einer Woche rätselt fast jeder auf diesem Gelände, um wen es sich dabei handeln könnte. Selbst Sasuke, der Naruto ziemlich gut kennt und auch ein wenig mit dessen Kontakten vertraut ist, hat auf die Frage nur ahnungslos mit den Schultern gezuckt. Seit einer Woche zermartern sich die Bewohner der Farm den Kopf darüber und der eine oder andere hat bereits schlaflose Nächte hinter sich gebracht, doch auch die Frage was genau mit Hanabi passiert ist, wabert wie ein Schatten durch die Köpfe aller, denn Narutos Worte verströmten nur bedingt Grund zur Freude. Sein Brief hat einige Fragen aufgeworfen, auf deren Antwort sie noch warten müssen – wenn sie überhaupt beantwortet werden können oder sollten. Sie haben bereits so viel durchmachen müssen, dass kaum noch Platz für weitere schlechte Nachrichten vorhanden ist. Es gibt einfach eine unüberschaubare Masse an möglichen Situationen, die ihre Köpfe durchzucken wie Blitze und die wenigstens davon sind schön.

Stumm schließt Hanzo die Augen, lehnt sich mit der Schulter an dem Geländer der Veranda an und lässt sich die leichte Brise über sein Gesicht wehen, wobei er versucht wenigstens für einen Moment den Kopf von allen Bildern und Gedanken frei zu bekommen. Sich nach langer Zeit einfach mal wieder fallen lassen und keine ernsten Gedanken zu lassen. Mit seinen sechszehn Jahren hat er ohnehin schon viel zu viel Lebenserfahrung, die ihm in sein Gesicht geschrieben steht. Er wirkt weitaus älter und der bereits recht kräftige Bartwuchs unterstützt den Eindruck nur noch mehr. Es wurden ihm Jahre seiner Kindheit genommen. Mit dreizehn musste er so schnell erwachsen werden, dass er kaum begreifen konnte, was das eigentlich bedeutet. Plötzlich war er der Mann im Haus und ist es immer noch.
 

„Siehst du das?“ Erschrocken öffnet Hanzo die Augen wieder und richtet seinen Blick in die Ferne, nachdem die Stimme seiner Freundin ihn aus der herannahenden Leere herausgerissen hat und er sofort erkennt, auf welches Ereignis ihre Worte anspielen. Eine Staubwolke, erzeugt von einem wild herannahenden Pferdegespann, welches die staubige Straße hinunterjagt und kurz darauf das Tor der Farm passiert, als wäre der Teufel hinter ihnen her. Hanna schlägt ihr Buch zu, während sich Hanzo an dem Geländer der Veranda in die Höhe zieht und die zwei Stufen schließlich hinab steigt. Das Knallen einer Peitsche durchzuckt die Luft wie ein Blitzschlag in der Dunkelheit und wilde Rufe des Kutschers werden laut, während der schnelle Galopp wie Donnerschläge auf die Erde nieder prallen. Auch die übrigen Bewohner werden zunehmend mehr auf die Szenerie aufmerksam und verfolgen neugierig das weitere Geschehen.

In einem kaum zu beschreibenden Tempo naht die Kutsche heran, bis die Pferde nahezu brachial zum Stehen gebracht werden. Ein energischer Zug an den Zügeln und diese edlen Geschöpfe rammen ihre Beine förmlich in den Boden hinein. Das gesamte Gespann schlittert einige Meter an dem erstaunten Pärchen vorbei und wirbelt dabei ordentlich Staub auf, so das einen Moment lang nicht viel zu erkennen ist. Umhüllt von einer Staubwolke hustet Hanzo etwas leicht und fächelt mit der Hand vor seinem Gesicht herum, um den Staub aus seinem Blickfeld zu vertreiben.

Die Pferde schnaufen und aus dem Inneren der Kutsche ist eine dumpfe, leicht verstimmte Stimme zu vernehmen, bevor die Tür auffliegt, als hätte sie jemand aufgetreten. Der Kutscher springt nahezu erfreut von seinem Bock und Klopft sich schmunzelnd den Staub von seinen Hosenbeinen, während eine Gestalt aus dem Gespann steigt und mit drohendem Finger den Kutscher fixiert.

„Du bist irre! Du bist einfach nur irre!“ Der Kutscher lacht amüsiert über die Worte der blonden, älteren Frau, als er sich seinen Hut vom Kopf zieht und diesen durch Abklopfen am vorderen Wagenrad, ebenfalls von dem Dreck befreit. „Ja. Irre gut. Ich habe die Reisezeit um mindestens zwei Tage unterboten.“ Stolz nimmt der großgewachsene und kräftige Mann Haltung vor der fremden Frau an, als hätte er eine große Leistung vollbracht, welche dem Verleih eines Ordens würdig wäre.

Dieser Mann hat eine breite Nase und spitz zulaufende Augenbrauen, gepaart mit einem sehr dunkel wirkenden Augenpaar. Seine braunen Haare sind bis auf wenige Millimeter gekürzt worden und das Gesicht wirkt kantig, während schon einige tiefe Falten sein Gesicht um Augen und Mund zieren. Die Frau verdreht auf diese Äußerung nur genervt die Augen. Im Gegensatz zu dem Mann hat sie ein recht schlankes Gesicht und blonde lange Haare, die sie zu einem strammen Zopf gebunden hat. Allerdings haben die Beiden dieselben Augen und auch ihr Gesicht ist bereits deutlich von der Zeit geprägt worden. Sie schüttelt den Kopf als sie einige Schritte auf den Mann zugeht. „Bei deiner Fahrweise ist es ein Wunder dass wir überhaupt angekommen sind!“

„Stell dich nicht so an Schwesterchen. Wo ist deine Risikobereitschaft?“

„Die habe ich irgendwo in der ersten Meile verloren, nachdem wir das erste Mal in einer Kurve auf zwei Rädern gefahren sind!“ Verwundert blicken sich Hanzo und Hana an und fühlen sich ziemlich fehl am Platz, denn diese zwei Gestalten schenken ihnen keinerlei Beachtung. Der Mann geht auf die blonde Frau zu, welche erzürnt die Hände in die Hüften stemmt und ihn böse anfunkelt, während er sich nur leicht zu ihr beugt.

„Hast du dir eine Beule geholt?“

„Nein.“

„Dann hätte ich schneller fahren sollen.“ Der stämmige Mann zuckt nur neckisch mit den Schultern und klopft der blonden Frau beiläufig auf die ihre, was seiner weiblichen Begleitung ein resigniertes, zum Teil aber auch wütendes Schauben entlockt und Hanzo kann sie murmeln hören, dass sie die Verwandtschaft zu dem Kutscher in Frage stellt. Es beantwortet allerdings immer noch nicht die Frage, wer die Herrschaften eigentlich sind. Zur Überraschung des Paares steigt eine dritte Person aus der Kutsche, die jedoch unbeeindruckt von dem Gezeter der Frau seinen Gehrock gerade rafft und sich interessiert umschaut.

Bei diesem Mann handelt es sich für Hanzo und Hana auch um einen vollkommen Fremden, dessen Haarfarbe mit seinem rotbraunen Schimmer jedoch sehr ungewöhnlich und auffällig ist. Ein recht kleiner Mann mit einer dennoch sehr respektablen Erscheinung und ebenso wirkungsvollen Ausstrahlung. Er lächelt etwas, als er das junge Paar erblickt und begibt sich in entspannten Gang schließlich auf sie zu.
 

„Das ist Narutos Junge?“ Ungehobelt, nahezu rücksichtslos schießt der Kutscher förmlich an dem elegant gekleideten Mann mit dem schwarzen Gehrock vorbei und schubst ihn dabei fast aus dem Weg, so dass dieser genervt mit den Augen rollt.

Ehe Hanzo sich versieht, ist der Kutscher auch schon unmittelbar vor ihm, eine Handbreit von seinem Gesicht entfernt, so dass die der Halbindianer etwas nach hinten beugt. Der Atem seines Gegenübers ist nicht unbedingt sehr angenehm, aber von dieser Tatsache unabhängig findet Hanzo eine solche Distanzlosigkeit ohnehin nicht sehr erfreulich. Ihm ist es persönlich lieber wenn Fremde eine Armlänge von ihm Abstand halten. Seine Abneigung entgeht dem Kutscher jedoch gänzlich. Dieser beäugt ihn, wie ein interessierter Käufer auf dem Pferdemarkt. „Hm. Eine gewisse Ähnlichkeit ist vorhanden. Die Augen sind verräterisch.“

„Ich entschuldige mich für mich meinen Bruder. Er besitzt das Auftreten eines wilden Büffels.“ Etwas gereizt stößt der kleinere Mann den ungehobelten Bauerntrampel zur Seite und funkelt ihn etwas böse an, was dieser mit einem leichten, fast albernen Kichern quittiert und schließlich die Arme hinter seinem Kopf verschränkt. Hanzo hat noch immer keinen Schimmer, was er zu dieser Situation überhaupt sagen soll und greift daher fast betäubt die dargereichte Hand des braunhaarigen Mannes. Eine begrüßende Geste, wie sie bei dem weißen Volk an der Tagesordnung steht und wie sie von Hanzo längst übernommen worden ist. Er hat sich mit der Zeit angepasst und ist dieser Welt längst nicht mehr fremd, auch wenn er einige Dinge unbewusst übernommen hat, die ihm nicht unbedingt recht sind – der im Grunde unbedeutende Handschlag gehört dazu. Der Fremde scheint seinen fragenden Gesichtsausdruck und den doch sehr laschen Händedruck entsprechend zu verstehen und lächelt leicht, ehe er zu einer Erklärung ansetzt.

„Mein Name ist Gaara. Die beiden anderen sind meine Geschwister Kankuro und Temari. Wir kennen Naruto von früher. Wir sind Freunde von ihm.“

„Die besten Freunde.“ Mit geschwollener Brust, als würde er gleich vor Stolz platzen, posiert Kankuro vor Narutos ältestem Sohn, wie ein Hahn zwischen seinen Hennen, als Sasukes Stimme die Aufmerksamkeit aller auf sich zieht. „Die Position habe ich inne, also Hinten anstellen.“ Mit einem freudigen Gesichtsausdruck – Hanna muss gestehen ihren Vater noch nie so aufgeregt und fröhlich gesehen zu haben – kommt Sasuke auf die versammelte Truppe zu, deren Gesichter auch ebenfalls sofort erhellen. „Gaara. Schön dich wieder zu sehen.“ Mit leuchtenden Augen, vergleichbar mit einem Kind das die weihnachtliche Bescherung kaum erwarten kann, ergreift Sasuke eine Hand des Sherrifs und legt seine andere freundschaftlich auf dessen Schulter. Gaara hingegen bekommt überhaupt nicht die Möglichkeit seine Freude zu erwidern, denn Kankuro ist derjenige, der in die Situation hinein platzt, den Familienvater kraftvoll umarmt und sogar von den Füßen hebt. Sasuke ist jeder Bewegungsmöglichkeit sofort beraubt und japst überrascht nach Luft.

„Kankuro. Ich kriege keine Luft mehr.“ Der Angesprochene setzt seinen Kindheitsfreund wieder auf dessen Füße, doch kaum dass der schwarzhaarige Farmarbeiter wieder seine Lungen mit Sauerstoff füllen kann, schlägt der Älteste der Sabakuno Kinder erfreut, aber sehr kraftvoll auf Sasuke Rücken, so dass dieser etwas aus dem Gleichgewicht gerät und leicht zu husten beginnt. „Meine Güte. Reiß dich doch einmal in deinem Leben zusammen.“ Kopfschüttelnd und mit wütend zusammengezogenen Augenbrauen gibt Temari ihrem Bruder einen Klapps auf dessen Hinterkopf, doch mehr als ein Grinsen kann sie ihm damit auch nicht entlocken. „Ich sehe schon, ihr habt euch nicht viel verändert.“ Amüsiert reibt sich der Familienvater die schmerzende Schulter und lässt seinen Blick durch die Runde gleiten. „Warum seit ihr hier?“
 

Sasukes Frage hat durchaus seine Berechtigung, denn seit Jahren – Jahrzehnten haben sich die einstigen Freunde nicht mehr zu Gesicht bekommen. Jeder ist seiner Wege gezogen und sie haben einander aus den Augen verloren. Dass die Geschwister weiterhin in Kontakt geblieben sind, ist innerhalb einer Familienbande nur normal, doch Sasuke hat bis zum jetzigen Zeitpunkt keine Ahnung gehabt, was aus ihnen geworden ist und die Geschwister wussten es nicht von ihm. Es ist seltsam und gleichzeitig eine große Freude, sie jetzt vor sich stehen zu haben, lebensfroh und bei bester Gesundheit. Sie alle Drei noch einmal wieder zu sehen, damit hat Sasuke in diesem Leben nicht mehr gerechnet.

Noch während der Familienvater auf eine Antwort wartet, zieht ein quietschender Laut die Aufmerksamkeit der versammelten Gruppe auf sich, denn Minato scheint völlig aus dem Häuschen zu sein, als er sich ihnen nährt. Er grinst von einem Ohr zum anderen und hüpft die letzten Meter förmlich zu ihnen, bis er an der Kutsche angekommen ist und staunend um die Pferde herum geht, als wenn er noch nie welche zu Gesicht bekommen hat.

„Hanzo, weißt du was das ist?“ Aufgeregt wendet sich Narutos jüngster Sohn seinem Bruder zu und deutet auf das Sechsergespann, während Hanzo nur mit den Schultern zuckt und nüchtern antwor-tet, dass es sich dabei um Pferde handelt, doch mit dieser Antwort ist sein kleiner Bruder nicht ein-verstanden und schüttelt daher heftig mit dem Kopf und beginnt wild zu gestikulieren. „Nein … ja, schon, aber das sind die Pferde! Dieses Gespann ist das schnellste im ganzen Westen, wenn nicht sogar im ganzen Land. Hast du noch nie davon gehört?“

Das unwissende Kopfschütteln ist Minato Antwort genug und schon setzt er zur Erklärung an, wobei er zu den beiden vordersten Tieren geht. Zwei pechschwarze Hengste, stolz und edel. Von seltener Schönheit. Minato klopft einem der Tiere den Hals entlang, bis er verträumt über die Nüstern streicht.

„Ich wette, sie könnten es sogar mit Ashkii aufnehmen.“

Dies ist ein Satz, dessen Inhalt Hanzo sehr anzweifelt und entsprechend das Gesicht verzieht, als sein Bruder sich überzeugt zu ihm herum dreht. Hanzo verstaut seine Hände in den Taschen und betrachtet die schwarzen Hengste eingehender. Er muss gestehen, dass alle sechs Pferde einen sehr kraftvollen Körperbau aufweisen, doch die Rappen fallen besonders auf. Sie wirken auf ihn, als sein sie sich ihrer Kraft bewusst und zeigen sich voller Stolz. Der linke Hengst, über dessen Nüstern Minato noch immer streicht, hat eine vertikal verlaufende und nahezu perfekte weiße Raute mittig auf der Stirn, während der andere Rappe ebenfalls eine weiße Raute aufweist, jedoch direkt zwischen den Nüstern. Es sind Brüder. Hanzo erkennt es sofort und geht mit einem faszinierten Blick auf das Gespann zu, nur um seine Schritte neben Minato zu stoppen und dem anderen Rappen über die Stirn zu streichen.

Schneller als Ashkii. Schneller als fliegender Vogel. Das klingt vollkommen abwegig, denn immerhin kann der Hengst von Naruto mit dem Charles problemlos mithalten. Hanzo erinnert sich noch genau daran, wie der einst gerettete Adler im Tiefflug neben dem galoppierenden Ashkii herflog und beide hätten ihre Geschwindigkeit noch steigern können. Hanzo weiß, wie es sich anfühlt auf Ashkii zu reiten. Dieses Tier hat trotz hoher Geschwindigkeit einen so weichen Galopp, dass es sich anfühlt als würde er schweben. Es wirkte damals auf Hanzo so, als würde er fliegen. In dem jungen Mann keimt erneut die Sehnsucht nach seinem Vater auf, aber auch nach diesem edlen und stolzen Hengst, wie es keinen Zweiten gibt und so nehmen seinen Augen wieder einen sehr traurigen Ausdruck an, ehe Hanzo beginnt zu lächeln und aus den Augenwinkeln zu seinem Bruder schaut. „Niemals.“
 

Zwischen Narutos Söhnen beginnt eine spaßige Diskussion, während Sasuke und die Sabakuno Geschwister sie beobachten. „Der Blonde kommt schon eher nach Naruto.“ Kankuro verschränkt die Arme vor der Brust, während Sasuke etwas zu ihm hinauf schauen muss und sein Profil eine Weile betrachtet, ehe wieder zu seinen Ziehsöhnen zurück schaut. „Sie kommen beide nach ihm. In Minato steckt nur mehr der junge Naruto. Hanzo hingegen hat seinen Gerechtigkeitssinn, seine Stärke und den Willen.“

Dass die Kinder ganz anders waren, als sie bei ihm angekommen sind, bedarf keiner Erklärung. In ihrem jungen Leben hat Narutos Familie genug erleben müssen und es war ein schwerer Weg für die Kinder, wieder annährend so zu werden, wie sie mal gewesen sind. Das Hanzo wieder lachen und sein Leben genießen kann, daran ist Hana nicht ganz unbeteiligt. Sie hat ihm wieder Leben eingehaucht, doch noch immer ist es Sasuke ein Rätsel, was seine drei Kindheitsfreunde auf seiner Ranch wollen. Fragend blickt er zu Gaara und Temari, während sich im Hintergrund, zögernd aber neugierig, Hinata und die anderen der Truppe nähren.

„Was macht ihr hier?“

„Naruto hat uns kontaktiert und um Hilfe gebeten. Er erklärte zwar nicht warum, aber man konnte ihm ja schon immer schlecht etwas abschlagen.“ Seufzend und mit einem Schmunzeln auf den Lippen zupft Gaara an seinem Gehrock herum, während seine Schwester nur zustimmend nicken kann. „Er hat euch die Situation geschildert?“

„Kann man so sagen. Ziemlich plump und wenig detailliert. Er hat nur geschrieben, er ist Häuptling der Diné, verheiratet, drei Kinder und zurzeit in New York. Was genau er da tut, hat er nicht gesagt.“

„Mich hat viel mehr gewundert, dass er überhaupt wieder in der Stadt ist. Er hasst New York.“ Kankuro ergänzt damit die Worte seiner Schwester. Das Gaara den Grund für den Aufenthalt in dieser Großstadt kennt, hat der Sheriff bisher für sich behalten. Er weiß, dass es alle anderen nur beunruhigen würde und damit keiner überstürzt irgendwelche dummen Entscheidungen trifft, behält er es lieber für sich.

„Ihr seit seiner Bitte einfach so nachgekommen, ohne eine Begründung zu wollen?“ Ungläubig blickt Sasuke zwischen den Geschwistern hin und her. „Na ja, er hat eine Begründung geschrieben. Er meinte, dass er sich mit einigen Leuten anlegt und dass du und deine Familie, ebenso wie seine Familie dadurch in Gefahr geraten könntet. Er bat darum, dass wir euch schützen.“ Nachdenklich blickt Kankuro zu den übrigen näher kommenden Personen und sein Blick bleibt auf Hinata und ihrer Tochter haften. Er weiß nicht warum, aber er erkennt sofort, dass sie Narutos Frau ist. „Ich bin hier, weil ich das schützen will, was er sich so hart erarbeiten musste. Er wollte immer dazu gehören und jetzt hat er Menschen gefunden, die an ihn denken und ihn brauchen. Er hat ein Zuhause. All dies zu verlieren, würde ihn zerstören.“ Sasuke und die anderen beiden folgen dem Blick in die Richtung Hinatas, wobei Temari und Gaara zustimmend nicken. „Er hat es verdient endlich in Frieden zu leben und wir bleiben so lange, bis er wieder da ist.“
 

Später…
 

Seit geraumer Zeit beobachtet Hanzo die Pferde aus dem Sechsergespann, die auf der Weide zusammen mit den Kü-hen grasen. Es sind prachtvolle Geschöpfe, die voller Ele-ganz und Stärke stecken, doch eines dieser Tiere hat es Hanzo besonders angetan. Der schwarze Hengst mit der weißen Raute auf der Stirn. Groß und kräftig, ebenso wie dessen Bruder, doch dieses Tier strahlt etwas aus, was Hanzo an sein eigenes Pferd erinnert, obwohl die zwei keine Ähnlichkeiten miteinander haben. Ein Wesen von sanftmü-tiger und ruhiger Natur. Friedlich und ruhend und doch vol-ler Energie, wie ein schlafender Vulkan.

Niyol war ein Falbe. Ein sandfarbenes Fell mit umso dunkle-rem Langhaar und dunklen Beinen, bis zu den Forderfuß-wurzelgelenk, kennzeichneten den Hengst und auch er war ein Geschenk von Naruto. Hanzos eigenes Pferd. Er erinnert sich noch genau daran. Es war der Tag seines siebten Jahres auf der Erde und er wurde von seiner Mutter geweckt, indem sie ihm durch die Haare strich und in sein Ohr flüsterte, dass er dem Mann werden ein Stück näher gekommen ist. Er war sofort hellwach, denn er wusste was draußen auf ihn wartet und so sprang er aus seiner Schlafstelle, hechtete ungeachtet seiner Mutter sofort vor der Tür und schon stand er ihm gegenüber. Das Pferd seiner Träume war nur wenige Schritte von ihm entfernt und daneben sein Vater mit einem stolzen Lächeln auf den Lippen. Es waren keine Worte mehr notwendig, denn es war klar dass dieses Pferd ab diesem Tag ihm gehören würde und so rannte er einfach los und ließ sich von seinem Vater auf den breiten Pferderücken schwingen. Das Tier stand vollkommen ruhig auf der Stelle und er war eigentlich noch viel zu klein für dieses Prachtexemplar von Tier und trotzdem wollte er am liebsten nie wieder absteigen. Sein Vater kam zu ihm hin und schaute zu ihm hinauf. Er legte eine Hand auf sein Bein und sagte: „Er ist ab jetzt dein Partner. Er wird dich tragen, wie der Wind die Blätter.“ Das war der Moment, in dem Hanzo der Name einfiel und so beugte er sich so weit nach vorne wie er konnte, legte sich mit seinem Oberkörper auf den Hals des Tieres, wobei er überglücklich durch das Fell strich und flüsterte den Namen Niyol – Wind.

Mit einem schweren Seufzen atmet Hanzo aus, während sein Blick noch immer auf dem Rappen haftet. Er weiß nicht was aus Niyol geworden ist. Vielleicht floh er bei dem letzten Überfall und lebt ein Herdenleben in den Weiten des Landes oder er ist jetzt das Pferd eines Kavalleristen. Im schlimms-ten Fall gehört er mit zu den sinnlosen Opfern des Massakers im Dorf. Niyol war eine treue Seele und die Zerstörung dieser Partnerschaft ist nicht weniger tragisch, als alle ande-ren Trennungen und dennoch vermisst Hanzo ihn, allerdings sehr viel intensiver in den vergangenen Stunden, als davor. Dieser Hengst besitzt dieselbe Ausstrahlung wie Niyol. Die gleiche ruhige, sanftmütige und zutrauliche Energie, die Hanzo fast glauben lässt, er hätte sein Pferd wieder vor sich stehen. Es treibt Kummer in sein Innerstes, dass es nicht der Richtigkeit entspricht. Narutos ältester Sohn seufzt erneut und zuckt erschrocken zusammen, als sich Kankuro voll-kommen unvermittelt neben ihn stellt und ebenfalls auf die Weide blickt. Hanzo hat ihn gar nicht bemerkt. Offensicht-lich ist der werte Herr sehr viel leichtfüßiger als er auf den ersten Blick aussieht. Der Kutscher legt im Allgemeinen ein ziemlich rüpelhaftes Verhalten an den Tag und scheint wenig Taktgefühl zu besitzen. Plump und aufdringlich. Allzu viel Sympathie birgt Hanzo ihm gegenüber daher nicht. Er mag ihn nicht.

Schweigend wendet sich der junge Indianer wieder den Pferden zu und zuckt sogleich erneut zusammen, als Kankuro zu sprechen beginnt. „Sein Name ist Zeus.“

Zeus, der oberste olympische Gott der griechischen Mytho-logie und mächtiger als alle anderen griechischen Götter zusammen. Ein Name mit einschüchternder Bedeutung, wel-chen Hanzo nicht unbedingt passend findet. Er verzieht das Gesicht und schüttelt leicht den Kopf, denn in seinen Augen hat dieser Hengst mit dem Gottvater Zeus keinerlei Gemein-samkeiten. Die Abneigung bleibt Kankuro jedoch nicht ver-borgen, weswegen dieser kurz aus den Augenwinkeln zu dem Jüngling schaut und die Arme vor der Brust ver-schränkt. „Wie würdest du ihn nennen?“

„Wir geben Geschöpfen einen Namen, wenn wir ihre Eigen-schaften kennen. Ein markanter Charakterzug oder ein be-sonderes Erscheinungsbild.“

„Die Indianer und ihre Philosophie. Warum auf etwas war-ten, wenn man es doch selbst bestimmen kann?“

„Warum soll man denn immer der Bestimmer sein? Es wird doch mehr erreicht, wenn man Hand in Hand arbeitet und nicht nur die Hand aufhält. Ihr nehmt immer nur, verlangt noch mehr und gebt nichts zurück.“ Kankuro lächelt etwas in sich hinein und zuckt lasch mit den Schultern. „Weißt du, die Politiker nennen es, das Gesetz des Stärkeren. Eine na-türliche Auslese der Schwachen und Kranken.“ Hanzo holt tief Luft und spürt deutlich wie die Wut in seinen Innereien aufsteigt. In ihm kommt der Drang auf, diesen Kutscher sofort nieder zu schlagen, stattdessen verlegt sich Hanzo darauf ihn böse und bedrohlich anzufunkeln und einige Schritte auf ihn zu zugehen. „Soll das ein Witz sein? Was ist daran natürlich, in Dörfer zu reiten und Frauen und Kinder niederzumetzeln? Das hat nichts mit stark und schwach zu tun. Das ist Mordlust!“ Hanzo ist während seiner Worte immer lauter geworden, doch Kankuro ist ihm standhaft geblieben und hebt nun beschwichtigend die Hände, wobei er amüsiert in sich hinein lacht und bei Hanzo große Verwirrung auslöst.

„Ganz ruhig Kleiner. Du bist deinem Vater ähnlicher als ich dachte.“

Immer noch schmunzelnd greift Kankuro in die Innentasche seiner Weste und reicht dem jungen Halbindianer einen Um-schlag auf dem erkennbar sein Name steht. Geschrieben in der Handschrift seines Vaters. Vollkommen unwissend und verwirrt nimmt Hanzo den Brief an sich, während die Wut gänzlich abflaut, so schnell wie sie über ihn schwappte. Ohne ein weiteres Wort wendet sich Kankuro zum Gehen um und lässt Sasukes Ziehsohn wieder alleine, der nur ahnungslos auf den Brief in seinen Händen schaut.
 

Temari blickt auf die zwei Umschläge in ihrer Hand und dann zu Hinata und ihrer Tochter, die in einiger Entfernung auf der Veranda ihres Häuschens sitzen, wobei die kleine Kuschina mit der Katze des Hofes spielt und ihre Mutter sich die Zeit mit kunstvoller Stickerei vertreibt. Die erfahre-ne Jägerin holt tief Luft, steckt die Umschläge in die Tasche ihrer Weste und geht schließlich entschlossen auf die Beiden zu.

Sie ist nicht unbedingt dafür bekannt, die Gesellschaft von anderen Menschen zu suchen. Sie bevorzugt die Ruhe und Einsamkeit der Wälder, denn dort muss sie sich nicht an Regeln oder irgendwelche gesellschaftlichen Bestimmungen halten. Dort kann sie so sein, wie sie ist und genau aus die-sem Grund ist sie im Umgang mit anderen nicht gerade sehr geschickt.
 

Hinata hält in ihrer Handarbeit inne, als sie die erfahrene Jägerin, mit dem sehr burschikosen Auftreten auf sich zu-kommen sieht und die mehrfache Mutter erkennt sofort, dass Temari sich in ihrer Haut nicht sehr wohlfühlt, weswegen die mehrfache Mutter gar nicht anderes kann, als einladend zu lächeln, um ihr die anhaltende Unsicherheit zu nehmen. Es ist ein Lächeln, welches sogar Wirkung zeigt. Die ruhige und ausgeglichene Art der Indianerin, löst in Temari ein Gefühl von Leichtigkeit aus, welche sämtliche Zweifel und jeden Wiederstand in ihrem Inneren vertreibt. Diese, von einem sehr schweren Schicksal geprägte und mit Sicherheit auch traumatisierte Frau, wirkt wie eine vertraute Person, der ein jeder ganz unbekümmert sein Herz ausschütten kann. Temari fühlt sich von diesem vorher herrschenden Druck befreit und doch findet sie im ersten Moment keinerlei Worte, was sie dazu veranlasst sich schweigend auf einem der anderen Stühle nieder zu lassen. Sie ist sich unsicher, eigentlich ist sie sogar unwissend, wie sie dieses Gespräch beginnen soll. Bisherige Unterhaltungen mit anderen Menschen, beschränkten sich auf das Nötigste und zwischenmenschli-che Dialoge war in ihrem Leben bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht existent. Etwas nervös nestelt die erfahrene Jägerin an ihren Fingern herum und stolpert förmlich ihre Gedanken.

„Temari war dein Name?“ Für die Angesprochene erklingt diese sanft klingende Stimme so plötzlich wie ein Kanonen-schuss in ihren Ohren, wodurch sie ein Zusammenzucken ihres Körpers nicht verhindern kann. Erschrocken blickt sie daher zu der mehrfachen Mutter neben sich und beantwortet ihre Frage mit einem hastigen Nicken. Diese simple Frage ist eine Möglichkeit ein Gespräch zu beginnen und stellt somit auch eine Einladung da, die Temari regelrecht dankbar entgegen nimmt.

„Ich lebe eigentlich in Oregon und komme selten mit anderen Menschen in Kontakt.“

„Du bist also alleine? Keine Familie?“

„Meine Brüder sind meine Familie. Ich fühlte mich nie als Mutter und Ehefrau geeignet. Deswegen hab ich vor langer Zeit beschlossen, alleine zu bleiben. Unter Menschen fühle ich mich nicht so wohl.“ Ein leichtes Lächeln umspielt die Lippen der Jägerin und ein etwas sehnsuchtsvoller Blick erobert ihre Augen, als sie an die Ruhe und Stille ihrer Wäl-der in Oregon denkt. Hinata nickt lediglich verstehend und richtet ihren Blick in den Himmel, an dem leichte Wolken-gebilde vorüberziehen. Wieder einmal denkt sie beim Be-trachten dieser unterschiedlichen Formationen an ihren Mann und spürt dabei abermals die Sehnsucht nach ihm in sich aufsteigen. „Bist du gut mit Naruto befreundet?“

„Das war ich mal, vor einiger Zeit. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht ob ich es jetzt noch bin. Es ist viel Zeit vergangen. Jeder lebt sein eigenes Leben. Eigentlich kennen wir einander gar nicht mehr.“

„Und trotzdem bist du auf sein Bitten hier.“

„Naruto ist ein Mensch, dem man nur sehr schwer etwas abschlagen kann. Er besitzt eine Überzeugungskraft, der man einfach nicht standhalten kann und ehe man sich versieht, tut man etwas, was man eigentlich gar nicht wollte.“

„Du bereust es hier zu sein?“

Temari seufzt etwas unentschlossen und kratzt sich kurz an ihrer rechten Wange. „Wie gesagt, er ist mir heute fremd und dennoch ein Teil meiner Vergangenheit. Er ist einfach er und er hat mehr erreicht, als ich ihm zugetraut habe.“ Mit einem nicht recht zu definierenden Lächeln, blickt Temari zu Hinata. „Ich hätte nie für möglich gehalten, dass er mal ein Ehemann und Vater ist. Dass er ein halbwegs geordnetes Leben hat. Ich weiß, dass er diese Dinge immer wollte, hielt es aber für unmöglich.“ Temari macht eine kurze Pause und blickt nachdenklich zu Boden, ehe sie wieder zu sprechen ansetzt. „Ich denke, ich bin hier, weil ich das schützen will, was er erreicht hat. Er hat es sich verdient und ich will ver-hindern, dass es ihm irgendeiner wieder nimmt. Er hat immer viel gegeben und nie etwas dafür zurückverlangt. Es ist Zeit, dass wir mal etwas geben.“

Mit einem Lächeln auf den Lippen greift die Jägerin in ihre Weste und zieht die vorher verstauten Umschläge heraus, welche sie der mehrfachen Mutter entgegen hält. „Meine Geschwister und ich haben eine gemeinsame Vergangenheit mit Naruto und wir stehen in seiner Schuld. Vielleicht sind wir uns heute fremd, doch in meinen Erinnerungen ist er wie ein weiterer Bruder gewesen. Ich möchte ihn wieder kennenlernen.“
 

Minato hat vor einiger Zeit das Lesen für sich entdeckt. Er verbringt inzwischen viel Zeit damit, in dicken Büchern zu stöbern und in fremde Welten abzutauschen. Der Glöckner von Notre Dame, der letzte Mohikaner, Oliver Twist, Die drei Musketiere und Mobby Dick hat er regelrecht in sich aufgesaugt und kaum aus der Hand gelegt. Das Lesen beruhigt ihn und lenkt ihn von seinen Gedanken und dem Alltag ab. Er kann sich fallen lassen und die immerzu nagenden Sorgen um seinen Vater für einige Stunden vergessen lassen. Im Grunde war es der Zufall, der ihn zum Lesen brachte und ihm diese Erkenntnis schenkte.

Hanna hatte eines ihrer zahlreichen Bücher offen liegen las-sen und mehr aus der Langeweile heraus hat er damit be-gonnen, die Zeilen abzulesen, bis er die Geschichte zweier Städte in den Händen hielt und es förmlich verschlungen hat. Er merkte gar nicht, wie die Zeit verging und registrierte erst, dass er sich in der Geschichte verloren hatte, als die Gedanken an seinen Vater wieder aufkamen. Seit diesem Moment hat er sich quer durch Hannas Büchersammlung gelesen und bereits das nächste im Visier, während er noch mit der Ausgabe von Onkel Toms Hütte beschäftigt ist.

„Ein gutes Buch, nicht wahr?“

Minato zuckt bei den plötzlich erklingenden Worten zu-sammen und richtet sich in der Hängematte etwas auf, um die Stimme einer Person zuordnen zu können. Es ist Gaara, der sich an einen der zwei dicken Baumstämme anlehnt und leicht lächelnd auf eine Bestätigung seiner Frage wartet. Minato blickt kurz auf das Buch in seinen Händen und lässt es schließlich aufgeklappt auf seinem Brustkorb liegen. „Ich finde es sehr erschütternd. Sehr politisch, aber ehrlich. Es ist gut, aber auch nicht leicht.“

„Viele Autoren nutzen ihr Talent dafür in ausgedachten Geschichten, die Menschen auf gravierende Missstände in der Gesellschaft und der Welt hinzudeuten. Oft sind es solche Geschichten, die zum Denken anregen.“

Nachdenklich blickt Minato auf die Worte in das verzweigte Blätterdach des Baumes über sich und lässt sich die Worte des Sheriffs durch den Kopf gehen. Wenn die Gesellschaft aufschreit, dann muss die Politik handeln. Wenn einer vor-geht und sich weitere anschließen kommt Bewegung in das Parlament. Minato nutzt diese Geschichten aber nicht, um politische Debatten anzufachen, sondern nur für sich. Er seufzt. „Mir helfen diese Geschichten. Ich tauche ein und stelle mir vor, dabei zu sein. Es ist, als würde ein Film in meinem Kopf ablaufen und ich kann alles andere für eine Weile vergessen.“

Gaara lacht kurz auf und schüttelt fast ungläubig den Kopf, ehe er die Arme vor der Brust verschränkt. „So hab ich es auch gemacht. Wenn meine eigene Wirklichkeit zu schwer wurde, dann habe ich mir eine andere gesucht. Aus vielen Geschichten lässt sich etwas lernen. Eine Lehre für das wei-tere Leben. Geschichten können einem dabei helfen aus ei-genen Krisen wieder herauszufinden. Jedenfalls war es bei mir so.“

Minato kennt die Hintergrundgeschichte des Sheriffs nicht und doch treiben seine leisen und betrübt klingenden Worte einen festsitzenden Kloß in seinen Hals, während parallel die Sorgen um seinen Vater zurück in sein Denken kehren und er schließlich mit den Tränen zu kämpfen hat. Der Gedanke, seinen Vater niemals wieder zusehen, hat ihn schon des Öfteren schweigend in sein Kissen weinen lassen. Hastig fährt sich der Halbstarke über die Augen und holt zittrig Luft, als er wieder zurück in das Blätterdach schaut.

„Ich habe Angst, dass Papa nicht zurückkommt.“

„Das verstehe ich. Mach dir aber immer bewusst dass dein Vater alles versuchen wird, um zu euch zurück zu kommen. Ihr seid immer in seinen Gedanken – jeden Tag und jede Stunde, bei allem was er tut.“

Noch ehe Minato darauf etwas erwidern kann, legt Gaara ihm einen Umschlag auf das Buch, welches noch immer aufgeschlagen auf seinem Brustkorb liegt. Der Sheriff selbst wendet sich ohne ein weiteres Wort ab und lässt den Halb-starken mit dem Brief und seinen Gedanken schließlich wieder alleine.


Nachwort zu diesem Kapitel:
lang, lang ist es her und trotzdem kein Stillstand. Es geht weiter, wenn auch langsam Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  narutofa
2017-09-11T21:48:43+00:00 11.09.2017 23:48
Das war ein wirklich gutes Kapitel. Da hat sich das warten wirklich gelohnt.
Naruto hat wirklich für seine Familie vor gesorgt damit Ihnen nichts passiert. Ich bin gespannt was noch so kommt. mach weite so
Von:  Kaninchensklave
2017-09-11T19:55:52+00:00 11.09.2017 21:55
es sei dir verziehen

ein Tolles Kap

nun Naruto wird sich schon was dabei gedacht haben die Sabakunos um Hilfe zu bitten, denn er ist ja nur in NY weil er Politisch was verändern möchte, was sein Volk und seine familie betrifft und sobald er sein Ziel erreicht hat
wird er zurück kommen.

Jedoch wird er nicht alleine zurück kommendenn Hanabi wird er mit nehmen und dazu auch seinen Neffen
auch wenn das Kind unfreiwillig entstanden ist, doch ich freue mich schon darauf wie Naruto
Danzos hinterhältige Pläne mitten vor dem Kongress aufdeckt und dessen Verbrechen öffendlich werden

GVLG


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