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Die Ballade der Schneeflocken

von

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Schwanengesang - Zweiter Teil

Kurz bevor Albus die Tür erreichte, legte ihm jemand seine Hand auf die Schulter und hielt ihn auf. Überrascht stellte der junge Zauberer fest, dass dieser Jemand seine Cousine Rose war. So wie immer trug sie einen Beutel gefüllt mit Büchern und ihre Haare hatte sie heute Morgen mit einer Spange am Kopf befestigt. Sie wirkte etwas müde, wahrscheinlich hatte sie wieder bis spät in die Nacht gelernt.

„Was gibt es denn, Rosie?“, fragte er nach und die beiden traten zur Seite, um den nachfolgenden Schülern nicht den Weg zu versperren.

„Hast du zufälligerweise schon Professor Longbottoms Aufgabe fertig? Die Herkunft des Malvenkrauts? Also… ähm, würdest du mich nicht einmal drübergucken lassen? Ich bin mir bei meinem Aufsatz nicht ganz sicher, ob auch alles richtig ist.“

„Rose?“ Verwundert hob Albus eine Augenbraue. So etwas sah seiner Cousine doch gar nicht ähnlich. „Was ist los mit dir?“

„Was soll denn los sein?“, fragte sie nervös und fuhr sich durchs Haar. „Ich hab dich doch nur um Hilfe bei den Hausaufgaben gebeten.“

„Ja, und genau das ist ja das Merkwürdige“, entgegnete Albus. „Du bist Rose Weasley – beste Schülerin und Lehrerliebling. Du brauchst keine Hilfe von mir, also sag mir schon, was dich bedrückt. Denn das du eigentlich etwas anderes von mir willst, das liegt doch auf der Hand.“

Rose seufzte. „Würdest du bitte damit aufhören, meine Gedanken zu lesen?“, verlangte sie. „Das ist unheimlich.“

Der Junge schmunzelte. „Ich kenne dich eben gut genug“, meinte er. „Du hättest dir eine bessere Ausrede ausdenken müssen, wenn du etwas von mir willst. Eine Rose, die um Hilfe bei den Hausaufgaben bittet? Jeder würde sofort wissen, dass du eigentlich etwas anderes willst. Also, was willst du?“

„Ach, ist doch egal, was ich will. Es ist doch eigentlich lächerlich und es geht mich nichts an. Nur, ähm … wo ist denn Scorpius heute? Geht es ihm nicht gut?“, hakte sie neugierig nach und blickte ihren Cousin neugierig an.

„Scorpius? Wovon redest du denn da?“, fragte Albus jedoch verwundert und blickte auf Rose, die einen ganzen Kopf kleiner war als er, herab. „Wer soll das sein?“

„Sehr witzig, Al“, erwiderte sie. „Ist das jetzt sein neuer Scherz? So tun, als wäre er nicht mehr da? Ich kann nicht glauben, dass du dich damit reinziehen lässt. Wenn er ein Problem mit mir hat, kann er es mir auch sagen, anstatt sich so einen Kinderkram auszudenken. Lass mich einfach in Ruhe, Albus.“

Wütend drängte sie sich an ihm vorbei und stolzierte aus dem Klassenzimmer. Wie konnte sie nur so dumm gewesen sein, fragte sie sich und eilte ins Mädchenklo. Schluchzend flüchtete sie eilig in eine der Kabinen und sperrte die Tür hinter sich zu. Sie war so dumm. So dumm. So dumm!

„Ich hasse dich, Scorpius Malfoy!“, schluchzte sie und kramte in ihren Taschen nach einem Taschentuch. „Wie konnte ich nur so dumm sein und mich auf dich einlassen?“

Niemals hätte sie gedacht, dass er sich so etwas Lächerliches ausdenken würde. So zu tun, als wäre er unsichtbar und dann auch noch seinen besten Freund zu überreden, dabei mitzumachen. Gerade von Albus hätte sie das nie erwartet. Sie hätte ihn niemals ansprechen sollen. Eigentlich ging es sie ja auch gar nichts an, immerhin war sie es ja gewesen, die mit ihm Schluss gemacht hatte. Da wollte sie einmal nett sein und dann so etwas. Dieser Malfoy war doch ein …

Das Klopfen an der Tür unterbrach ihren Gedanken. „Ist alles in Ordnung?“, erklang die Stimme von Aurora Malfoy – Scorpius jüngerer Schwester und der besten Freundin von Hugo.

„Moment!“ Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und öffnete die Tür. Aurora stand vor ihr und sah sie besorgt an. Wie seltsam so eine nette Malfoy doch wirkte. Normalerweise würde die Blondine doch jetzt eine abfällige Bemerkung über sie machen. Seit sie mit Scorpius zusammengekommen war, hatte Aurora sie bei jedem Aufeinandertreffen spüren lassen, wie sehr sie sie doch hasste. Scorpius hatte gemeint, dass seine kleine Schwester ganz einfach eifersüchtig wäre, dass er nun ein anderes Mädchen an seiner Seite hatte und Rose sie einfach ignorieren solle.

„Was willst du?“, fragte sie nun und nahm das Taschentuch an, dass Aurora ihr reichte. „Macht es dir Spaß, noch weiter auf meinen Gefühlen herumzutrampeln? So wie Albus und dein Bruder?“

Aurora hob fragend eine Augenbraue und für einen kurzen Moment erinnerte sie an Albus, der den gleichen Gesichtsausdruck gehabt hatte, als sie ihn nach Scorpius gefragt hatte.

„Mein Bruder?“, sprach Aurora nun genau das aus, wovor Rose sich so gefürchtet hatte. „Rose, ich bin Einzelkind. Das weißt du doch genau.“

War … das jetzt ein weiterer Scherz? Nein, Aurora würde so etwas nicht tun. Sie vergötterte ihren Bruder viel zu sehr. Aber, um Rose eins auszuwischen, möglicherweise doch?

„Scorpius? Aurora, was ist los mit euch allen?“

Doch die Hufflepuff blickte sie nur weiterhin verwundert an. „Scorpius ist wirklich ein merkwürdiger Name, findest du nicht auch? Obwohl, meine Eltern haben mal gesagt, wenn ich ein Junge geworden wäre, dann hätten sie mich so genannt. Findest du nicht auch, dass das so gar nicht zu mir passt? Ich bin doch wirklich froh, dass ich ein Mädchen geworden bin.“

„Ja, stimmt.“ Eilig setzte sich Rose ein gequältes Lächeln auf und trat dann ans Waschbecken. Ihre Hände zitterten, während sie sie unter den Wasserstrahl hielten. „Also, ich muss dann weiter. Zu Zaubertränke.“

Sie eilte aus der Mädchentoilette und machte sich auf den Weg runter in die Kerker. Doch auf der Hälfte des Weges machten ihre Füße kehrt und trugen sie in die Bibliothek. Madam Pince blickte sie fragend an, doch ignorierte sie die Bibliothekarin und verschwand in die hinteren Ecken der Bibliothek. Aus den Regalen griff sie wahllos ein Buch und setzte sich dann an einen der Tische.
 

***
 

Ihr Prinz.

Sie blickte ihn an, während sie ihm sanft durch sein weißblondes Haar strich. Er gehörte ganz allein ihr. Auf seinen Haaren entstand eine dünne Eisschicht, als ihre Finger sie berührten. Sein Blick ging verträumt ins Leere. An was er wohl dachte?

„Was bedrückt dich, mein Prinz?“, fragte sie neugierig. „Du kannst es mir erzählen.“

„Das Singen der Vögel“, entgegnete er leise.

„Es ist schön, nicht wahr? Ist es schöner als ich?“

„Nein“, flüsterte er. „Nichts ist schöner. Aber... sie stören mich, wenn ich an Euch denken will, meine Königin. All diese schönen Dinge. Ich will sie vergessen, denn Ihr seid das einzig Schöne für mich.“

Sie lächelte. Ja, er sollte nur sie schön finden. Nicht den lieblichen Gesang eines Vogels, nicht den süßen Duft einer Rose. Er hatte seine Freunde vergessen, doch nicht die anderen Dinge. Und auch diese sollte er vergessen. Und so beugte sie sich zu ihm herab und küsste sanft seine Augen. Erst das Linke und dann das Rechte.

„Wer ist jetzt die Schönste für dich?“, wollte sie wissen und sah ihn an, während er mehrmals blinzelte. „Sag es mir, mein Prinz.“

„Nun, Ihr seid es“, antwortete er nach einigen Sekunden. Irrte sie sich oder schwang da ein Hauch von Zweifel in seiner Stimme mit?

Es konnte nur ein Irrtum sein. Ihr Zauber versagte nie.

Sie konnte nicht wissen, dass ihr Zauber machtlos war gegen das Bild, das immer wieder vor seinen Augen aufblitzte. Das Bild der roten Haare, die jemand lachend über die Schultern warf.
 

***
 

Es war der Abend des Eiskunstzauberwettbewerbs. Aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen waren die Zuschauertribünen bis auf den letzten Platz gefüllt. Albus war sich sicher, dass seine Cousine Victoire etwas damit zu tun hatte. Ihren Veela-Charme setzte sie immer ein, um das zu kriegen was sie wollte. Und sie wollte ein unvergessliches Abschlussjahr.

Albus ließ sich neben Rose nieder. Seit dem Vorfall im Klassenzimmer hatten sie kein Wort mehr miteinander gewechselt. Sie hatte sich verkrochen, war nach den Unterrichtsstunden sofort verschwunden und immer erst knapp bevor der jeweilige Professor in die Klasse kam, tauchte sie selbst erst auf. Sie setzte sich in den Klassenräumen immer ganz weit weg von Albus und hatte sogar bei Professor Flitwick nach einem neuen Partner gefragt, als er die beiden zusammen eingeteilt hatte. Heute blickte sie ihn nur kurz an, seufzte dann theatralisch und rückte bestimmend von ihm weg. Sie wirkte ziemlich erschöpft, fiel ihm auf. Ihr Haar war noch unordentlicher als sonst und außerdem hatte sie tiefe Ringe um die Augen. Ob sie letzte Nacht wohl nicht geschlafen hatte?

Und das alles nur wegen dieses Scorpius. Er hatte die ganze letzte Woche darüber nachgedacht, wen Rose damit nur gemeint hatte. Doch es war ihm einfach nicht eingefallen. Auch wenn er nicht leugnen konnte, dass dieser Name ihm aus irgendeinem Grund bekannt vorkam, so wusste er ihn nirgendwo einzuordnen.

Das laute Klatschen von Direktorin McGonagall ließ ihn nach vorne zucken. Die Hexe trat nach vorne an das Podest, dass vor dem See aufgebaut worden war. Neben ihr standen die anderen Professoren, sowie Victoire. Und außerdem stand da noch etwas anderes, versteckt unter einer großen blauen Decke.

„Herzlich willkommen zum alljährlichen Eiskunstzauberwettbewerb, der nun schon zum vierten Mal in Folge stattfindet. Und dieses Jahr ist es mir eine Freude, den Preis für den ersten Platz zu verkünden. Es ist eine Spende, die uns zugeschickt wurde. Ihr Spender möchte anonym bleiben, doch nun präsentiere ich die lebensgroße Skulptur für die Erstplatzierte!“ Und mit einem Schlenker ihres Zauberstabs hob sie die Decke an und entblößte das Darunter.

Für einen Moment herrschte Stille auf den Tribünen. Schockiert betrachteten sie die Figur des lebensgroßen Eisläufers. Ein junger Mann, der den rechten Arm über seinen Kopf ausgestreckt hatte und wie ein Eisläufer wirkte, der gerade seine Abschlussfigur vorgezeigt hatte. Er bestand ganz aus Eis, so sah es jedenfalls aus.

Es war Rose, die die Stille durchbrach.

„SCORPIUS!“
 

Da war er.

Sie stürzte nach vorne, drängte sich an den Schülern vorbei und stolperte auf die Skulptur zu. Sie würde ihn immer erkennen. Überall. Die Statur sah so lebensecht aus, wie ein Mensch, den man eingefroren hatte. Eine Eisskulptur, die aus einem Menschen bestand?

Diese Statur dort vorne war Scorpius. Ihr Scorpius. Jeder, den sie gefragt hatte, hatte gemeint, er würde ihn nicht kennen. Sie hatte die letzten Tage damit verbracht nach einer Lösung zu suchen. Zu den Lehrern wollte sie nicht gehen. Man hätte sie für verrückt erklärt an jemanden zu glauben, der gar nicht zu existieren schien.

Und doch war das alles wahr. Für einen Moment hatte sie geglaubt, dass sie tatsächlich verrückt sei. Das sie sich Scorpius tatsächlich nur eingebildet hatte. Und doch, da war er.

Sie streckte ihre Hand aus und berührte sanft seine Wange. Er war es wirklich. Dieser Blick seiner Augen. Selbst die Wimpern waren perfekt. Jede einzelne. Zögernd streckte sie ihre Hand danach aus. Ihre Finger schwebten kurz davor, dann zog sie sie zurück. Sie sahen so zerbrechlich aus. Sie wollte nichts zerstören.

„Er gehört mir.“

Überrascht drehte sie sich um. Alles war auf einmal dunkel geworden. Die Schüler waren verschwunden, die Tribünen, die Professoren. Da war nur sie, Scorpius und diese fremde Frau.

Sie trug ein langes, weißes Kleid. Ihre blonden Haare waren mit Schneeflocken bedeckt und umrahmten ihr blasses Gesicht. Kalte, violette Augen blickten sie an und ihre hellen rosa Lippen schürzte sie missbilligend, während Rose sie betrachtete.

„Wer bist du?“, fragte sie und stellte sich schützend vor Scorpius. Wer auch immer diese Person war, sie durfte ihn nicht anfassen.

„Ich bin diejenige, die er liebt“, meinte sie und deutete auf die Skulptur. „Ich bin es, die er will.“

„Also hast du ihn mir genommen?“, schlussfolgerte sie. „Du hast dafür gesorgt, dass alle ihn vergessen.“

„Oh, das war eine kleine Nebenwirkung seines Wunsches. Er wollte alle vergessen und nur an mich denken. Aber es kam mir gelegen. So würde niemand nach ihm suchen!“, erklärte sie und kam näher. „Er wollte alles vergessen. Seine Freunde, seine Familie, einfach jeden. Nur, eins konnte er nicht vergessen.“

„Und was ist das?“

„Dich!“ Sie spuckte dieses Wort wie eine Beleidigung aus und hasserfüllt blickte sie sie an. „Er vergaß dich nicht, egal wie sehr ich mich anstrengte, ihn vergessen zu lassen. Und ich will, dass er dich vergisst. Er soll nur mich lieben. Ich will der einzige Gedanke in seinem Kopf sein. Ich will der Grund sein, weshalb sein Herz jede Sekunde schlägt. Er soll seine Augen öffnen und nur mich ansehen. Mich.“

Mit jedem Wort kam ein Eishauch aus ihrem Mund heraus. Sie wirkte wie die Schneekönigin. Scorpius Lieblingsmärchen, wie er ihr einmal erzählt hatte.

„Was willst du dann von mir?“, fragte sie nervös und tastete ihre Taschen nach ihrem Zauberstab ab. Doch die Frau bemerkte ihr Vorhaben und hob ihre Hand und schnipste in ihre Richtung. Und erschrocken musste Rose mitansehen, wie sich ihre Hände anhoben und sich ein Eisblock um sie formte.

„Nun, weil er dich nicht vergessen kann, ist er jetzt zu einer Eisskulptur geworden. Sein Selbst ist zerrissen und so hat er sich in dieses Eis geflüchtet. Eine von uns beiden soll ihn nun gewinnen.“ Sie deutete auf den zugefrorenen See. „Lassen wir also diesen Wettbewerb entscheiden. Er verliebte sich in mich, als er mich auf dem Eis laufen sah. Und das soll er jetzt auch wieder. Du wirst gegen mich antreten. Und er wird sich entscheiden.“

„Was machst du, wenn ich gewinne?“, fragte Rose. „Wirst du einfach verschwinden?“

„Nun, du kannst nicht gewinnen“, meinte die Schneekönigin. „Du kannst ja nicht einmal Schlittschuh laufen. Weshalb sollte er dich lieben?“

Sie hatte Recht. Rose hatte absolut kein Talent. Schon als Kind, wenn sie und ihre Cousins und Cousinen ins Muggeldorf zum See gerannt waren, um im Winter dort Schlittschuh zu fahren, war sie jedes Mal ausgerutscht, wenn sie auch nur einen Fuß auf das Eis gesetzt hatte. Aber, wenn es auch nur eine kleine Möglichkeit gab, dass Scorpius sie sehen konnte und sich wieder erinnerte, dann musste sie es einfach versuchen.

„Ich habe keine Schuhe“, erklärte sie und blickte an sich herunter. „Und nicht einmal ein Kleid.“

„Das lass mal meine Sorge sein!“ Die Schneekönigin schnipste wieder mit ihrem Finger. Der untere Teil ihres Rockes löste sich in kleine Schneeflocken auf, die durch die Luft tanzten. Der Stoff verschwand bis kurz vor ihren Knien. Der untere Saum bestand ganz aus Eiskristallen. Sie warf den Mantel zu Boden, der sich in einen Schneehaufen verwandelte. Dann schnipste sie wieder mit den Fingern.

Etwas hob Rose an und sie stellte fest, dass sich ihre Stiefel in Schlittschuhe verwandelt hatten. Ihre Kleidung löste sich in tausend kleine Schneeflocken auf und als diese verschwanden, trug sie ein pechschwarzes Kleid.

Es war ärmellos und sie trug stattdessen lange, schwarze Seidenhandschuhe. Auf ihrer Brust waren dunkle Federn, die wie die ausgefächerten Flügel eines Rabens wirkten. Ihr Kleid endete kurz vor ihren Knien und war genauso schwarz wie der Rest ihres Outfits.

„Ich mache den Anfang!“, erklärte die Schneekönigin und ging auf die Eisfläche zu. Als sie auf gleicher Höhe waren, beugte sie sich zu Rose und betrachtete sie eingehend.

„Ich finde das Kleid passt perfekt zu dir“, meinte sie mit einem fiesen Lächeln im Gesicht. „Du bist wie der schwarze Schwan. Und ich bin der weiße Schwan. Der Schwan, der am Ende den Prinzen bekommt.

Wie willst du mich schlagen? Der schwarze Schwan verliert am Ende.“

Sie betrat den See. Rose drehte sich um und blickte ihr nach, wie sie die ersten Runden auf dem Eis drehte.

Sie lief perfekt. Jede Figur, jeder Sprung, einfach alles führte sie graziös und mit solcher Anmut aus. Sie wirkte wirklich wie ein Schwan. Ein wunderschöner Schwan. Eiskristalle tanzten um sie herum, während sie ihre Schlussfigur vollführte und schließlich zum Stillstand kam.

„Du bist dran“, forderte sie Rose auf. „Es wird Zeit zu sterben, kleiner Schwan.“

Vorsichtig setzte Rose einen Schritt auf die Fläche. Sie hatte seit Jahren nicht mehr auf dem Eis gestanden. In ihren Erinnerungen kramte sie danach, wie Victoire ihr und Hugo damals erklärt hatte, wie man sich auf dem Eis bewegte.

„Einen Fuß vor den anderen … immer einen Fuß vor den anderen“, flüsterte sie und bewegte sich langsam nach vorne.

„Ich glaube kaum, dass du ihn irgendwie beeindrucken kannst, wenn du einfach nur wie ein Storch herumstolperst“, rief die Königin ihr zu.

Rose seufzte und beschleunigte ihr Tempo. Sie flog über den See. Eigentlich war es gar nicht so schwer, stellte sie lächelnd fest. Möglicherweise sollte sie jetzt etwas anderes ausprobieren. Langsam hob sie ein Bein an.

Und dann rutschte sie aus.

Sie fiel zu Boden. Aus der Ferne klang das höhnische Lachen der Schneekönigin. Es war doch sinnlos. Sie würde niemals gut genug laufen, um Scorpius zurückzuholen. Diese Frau hatte doch jetzt schon gewonnen. Das Beste war es doch, einfach zu gehen. Und sie Scorpius vergessen lassen.

Im Grunde genommen war sie wirklich wie der schwarze Schwan. Sie bekam den Prinzen nicht.

“Weißt du, was das Süßeste an dir ist, kleine Rose? Wenn du deine Haare über deine Schulter wirfst. Als wir das erste Mal miteinandersprachen, hast du dich theatralisch umgedreht, hast deine Haare zurückgeworfen und bist davon stolziert. Und dabei haben deine roten Haare mein Gesicht berührt. Sie haben nach Lavendel geduftet. Und in diesem Moment hab ich mich in dich verliebt, Rotkäppchen.“

Selbst, wenn sie nur der schwarze Schwan war, sie musste kämpfen. Sie musste um Scorpius kämpfen. Sie streckte ihren Arm aus und ließ ihre Hand kreisen, während sie langsam wieder aufstand.

Sie war der schwarze Schwan. Sie war das hässliche Entlein, dessen Bewegungen niemals so elegant wie die eines Schwans aussehen würden. Doch in jede ihrer Pirouetten, ihre Bewegungen und ihre Figuren legte sie all die Liebe, die sie für Scorpius gehabt hatte, nein, die sie für ihn noch immer empfand. Sie richtete ihren Blick auf ihn und erinnerte sich an all die glücklichen Momente miteinander.
 

***
 

Er konnte sie sehen. Er sah sie laufen und musste lächeln. Sie war so tollpatschig wie sie sich anstellte. So süß, wie sie ungeschickt versuchte, die verschiedensten Figuren auszuführen. Wie sie immer wieder das Gleichgewicht fand, kurz bevor sie zu stürzen drohte. Und egal, wie stockend ihre Vorführung auch wirkte, für ihn war sie wunderschön.

Wie ein Schwan. Ein schwarzer Schwan. Er hatte den Schwarzen sowieso schon immer viel besser gefunden. Eine Träne trat aus seinem Auge, die langsam seine eiskalte Wange hinabrann. Eine Träne, die das Eis wieder taute. Und seine Lippen formten den einen Namen, den er nie vergessen konnte.
 

„Rose!“
 



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