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Crystal Riders

Reanimation
von

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Angst

Crystal – Angst
 

Cinematic Piano – The Myth
 

Stille umhüllte mich, als ich langsam wach wurde. Kein Rascheln, kein leiser Atem. Nichts.

Ohne mich umschauen zu müssen, wusste ich, dass Jet nicht mehr neben mir lag. Seine Wärme war verschwunden, seine Arme lagen nicht mehr schützend um meinen Körper. Doch nahm ich immer noch einen Duft wahr und setzte mich vorsichtig auf. Ich spürte einen unbekannten Stoff neben mir und hielt gleich darauf Jets Jacke in den Händen, die halb über mir gelegen hatte.

Allmählich kann ich eine Sammlung von seinen Jacken anlegen, dachte ich, als ich diese an mich drückte und lächelte. Sein Duft wurde deutlicher und erinnerte mich an Schnee. Er hatte einen angenehmen Geruch, doch plötzlich wurde mir unwohl und ein Bild blitzte vor meinen Augen auf. Es war Jet, wie er über mir kniete und mich verzweifelt ansah. Es war gestern gewesen, als er mich beruhigen wollte, aber… irgendetwas war anders. Wir waren draußen. Es war frierend kalt. Ich kannte diese Erinnerung nicht und wollte es auch nicht. Mein Atem stockte und ich wurde unruhig.

Ich ließ die Jacke fallen und fasste an meinen Hals. Die Luft blieb mir kurz weg und meine Augen waren starr auf den dunklen Stoff gerichtet.

„Was… war das?“, fragte ich mich selbst und konnte schließlich wieder normal einatmen.

Wie gerne hätte ich ihn jetzt neben mir gehabt… Mein Blick glitt langsam durch das Zimmer und sofort fiel mir auf, dass Moons Bett seit gestern Abend unberührt geblieben war.

Wo war sie die ganze Nacht gewesen?

Ich entschied mich, zur Mensa zu gehen, vielleicht war sie ja mit Amber dort. Während ich mich wusch und meine Haare kämmte, sah ich in den Spiegel und verharrte langsam in den Bewegungen.

Jet hatte mich geküsst… Er hatte mich in den Arm genommen. Ein Kribbeln durchzog meinen Bauch und mir wurde warm. Er hatte mir versichert, dass sein ständiges Verschwinden nichts mit mir zu tun hatte, aber es tat trotzdem weh, da ich ihm scheinbar nicht helfen konnte. Und solange diese Sache zwischen uns stand, konnte ich ihm auch nicht voll und ganz vertrauen.

Ich ging wieder ins Zimmer und blickte zu meinem Bett. Als Jet hier aufgetaucht war, hatte er so fertig ausgesehen. Ich hätte so gerne gewusst, was geschehen war.

Seufzend zog ich mir eine Jeans an und einen warmen Pullover. Dann ging ich raus, direkt zur Mensa.

Meine Augen durchkämmten den Saal, doch konnte ich Moon und Amber nicht ausmachen. Ich verzog etwas den Mund und beschloss, mir nur ein belegtes Brötchen zu holen, dabei bemerkte ich, dass Mira und ihre Ansammlung von Perlen mich beobachteten und anfingen zu tuscheln. Auf eine Bemerkung von Mira, die ganz offenbar mir galt, hin, fingen alle an zu lachen. Ich schnappte mir nur mein kleines Frühstück und verließ die Mensa direkt wieder.

Wo waren bloß alle hin verschwunden? Und warum konnte mir nie jemand etwas vernünftig sagen?

Ich begab mich wieder in mein Zimmer und aß dort das Brötchen auf, dann zog ich meine Uniform an und steuerte auf die Sporthalle zu. Ich hatte heute wieder Training mit Jade, doch der Gedanke daran heiterte mich irgendwie nicht auf.

Sie stand regungslos mit dem Rücken zu mir, als ich die Halle betrat und die Tür wieder schloss.

„Guten Morgen, Jade“, sagte ich und lächelte, doch als sie sich zu mir drehte, verblasste es. Sie sah bleich aus und ihre schönen Augen waren etwas gerötet, als hätte sie geweint.

„Guten Morgen“, erwiderte sie, nur die Andeutung eines Lächelns zeigend.

„Heute machen wir mit den Nahkampftechniken weiter“, erklärte sie, während ich meine Jacke auszog. Ihre Erscheinung beunruhigte mich. Sie sah aus, als hätte sie die ganze Nacht keinen Schlaf gefunden.

Nachdem ich meine Haare zusammengebunden hatte, hielt sie mir den Stock hin und stellte sich vor mich. Wir trainierten wie jedes Mal, aber es herrschte dabei eine merkwürdige Stille und die Spannung ließ die Luft fast schon knistern.
 

Beyond Music - World of Wonder
 

Nach einer Stunde beendete Jade den Unterricht und wir zogen uns wieder an. Ich ahnte, dass sie etwas über Jet wusste – wer, wenn nicht sie? – und gab mir einen Ruck.

„Jade… wisst Ihr, wo Jet immer wieder hin verschwindet?“, fragte ich zaghaft, aber sie blickte nur traurig zu mir.

„Darüber darf ich leider nicht sprechen“, erklärte sie trüb. „Es tut mir leid, Crystal.“ Ich nickte bloß, dann gingen wir.

„Crystal“, hielt Jade mich noch einmal auf, als ich schon den Flur anvisierte. „Ich habe mir überlegt, dass du nach dem Mittagessen in den Zweigkurs der Philosophie gehst. Das ist eine kleine Unterrichtseinheit, die nur zweimal wöchentlich stattfindet und sich intensiv mit der Psyche der Crystal Rider befasst.“ Ich nickte zögernd. „Ich dachte mir, dass ich dort noch nicht reinschicken sollte, da du deine Gabe noch nicht kennst, aber vielleicht rüttelt das Gespräch in der Gruppe sie ja wach.“

„Okay, dann mach ich das“, meinte ich schlicht.

„Neben dem Training wäre es das Einzige, was mir noch einfallen würde“, seufzte sie und schloss kurz die Augen. Ich fühlte mich mit einem Mal elend. So als wäre ich eine Last.

„Ruht Euch aus“, sagte ich und sah sie ernst an. Jade blickte zu mir und lächelte mich schwach an, dann öffnete sie ihre Tür und verschwand.

Ich ging wieder in die Mensa. Zumindest wollte ich das, da ich Hunger hatte, doch plötzlich stellte sich mir jemand in den Weg. Es war Mira und hinter hier erkannte ich noch sechs weitere Perlen, die mich gemein anlächelten. Dann schubste mich Mira an der Schulter zurück und ich stieß leicht gegen die Wand.
 

Audiomachine - Being and Nothingness
 

„Ein Vöglein hat mir gezwitschert, dass Jet heute Morgen aus deinem Zimmer kam… ist da was dran?“, fragte sie bissig und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Als ob dich das etwas angehen würde“, knurrte ich und wollte an ihr vorbeigehen, aber die anderen Mädchen stellten sich mir in den Weg.

„Was will er eigentlich mit dir?“, fragte Mira und musterte mich abfällig. „So wie du aussiehst, bist du wahrscheinlich eh noch Jungfrau.“ Dann lachte sie und die anderen stimmten mit ein.

„Ich wette, der spielt sowieso nur mit dir“, zwitscherte die platinblonde Perle rechts von Mira und legte ihr grinsend eine Hand auf die Schulter, woraufhin diese die Brauen hob.

„Da könnte was dran sein, Askella“, antwortete sie. „Jetzt versteh ich auch, warum deine Mutter dich rausgeschmissen hat. Wahrscheinlich hat sie nur auf eine Gelegenheit gewartet, dich endlich loszuwerden.“ Ich zuckte zusammen und spürte den Schmerz in mir aufsteigen. Ich wollte es nicht zulassen, aber ihre Worte trafen mich.

„Und dann ist sie auch noch eine Hochstaplerin“, fiel eine Perle mit lilafarbenen Haaren ein. „Keine Gabe, vollkommen wertlos. Eigentlich… könnten wir sie doch auch direkt entsorgen.“

„Damit täten wir der Direktorin nur einen Gefallen“, stimmte die Blonde, Askella, lauthals zu.

„Eine hervorragende Idee“, erwiderte Mira lachend und auf einmal kramten alle in ihren Taschen und zogen kleine, silberne Päckchen hervor, die mir sehr vertraut vorkamen. Es waren Kontaktlinsen und als sie sich alle welche eingesetzt hatten, sahen ihre Augen plötzlich ganz normal aus.

Mir dämmerte allmählich, was sie vorhatten und ich drehte mich schnell weg, um die Flucht zu ergreifen, doch Mira packte mich am Ellbogen und verstärkte ihren Griff sofort.

„Lass mich los!“, rief ich und versuchte, ihr meinen Arm zu entreißen, aber stattdessen griffen auch die anderen Perlen nach mir.

„Bringen wir sie doch in die Stadt“, sagte Mira höhnisch und schon zerrten sie mich zur Hintertür vor der Mensa.

„Hört auf!“ Ich versuchte, mich zu wehren, aber gleichzeitig war ich auch wie erstarrt.

„Die Leute auf den Straßen werden sich bestimmt freuen, sie zu sehen!“, trällerte Askella und sie zogen mich grob weiter.

„Nein! Bitte, lasst mich doch in Ruhe!“, schrie ich und mit einem Mal wackelte der Boden und es krachte lautstark. Wasser schoss links und rechts an mir vorbei und stieß alle Perlen von mir. Erschrocken und ängstlich blickte ich mich um, bis ich sie entdeckte.

Moon stand dort und hatte die Hände zu Fäusten geballt. Ihre Augen glühten dunkel, blitzten auf und ihr wütender Blick blieb an Mira hängen, die völlig durchnässt hinter mir stand.

„Noch ein Wort gegen Crystal und ihr dürft fortan in einem Aquarium leben, ihr Muschelabfälle!“, knurrte sie und warf einen Blick über die Schulter. Amber war auch dort.

„Amber, wenn du so freundlich wärst?“, schmunzelte sie böse.

„Ihr habt jetzt Sendepause“, sagte er grinsend und jegliches Geräusch von den Perlen verstummte. Ich konnte sehen, wie Mira den Mund öffnete und irgendwas zu sagen versuchte, aber es kam kein Ton hervor. Dann drehten sich die Perlen wie in vollstem Einverständnis um und gingen davon, nur Mira wirbelte noch einmal herum und warf Moon einen vernichtenden Blick zu. Diese grinste sie nur böse an und im nächsten Moment waren wir allein.
 

Skyrim OST CD 2 Track 15 Tundra
 

Ich sank auf den Boden und zitterte. Die Tränen stiegen schon in meine Augen, jeder Versuch, sie zurückzudrängen, war vergebens.

„Bist du in Ordnung, Crystal?“, fragte Moon und kam zu mir. Sie hockte sich neben mich und legte mir die Hände auf die Schultern. Als ich sie endlich ansehen konnte, zog sie mich in ihre Arme.

„Sie hat Recht…“, schluchzte ich an ihrer Schulter, „ich habe keine Gabe… ich bin wertlos!“

„Du bist doch nicht wertlos!“, hörte ich Amber, der mittlerweile neben uns kniete.

„Und sowieso, alles, was die Perlen von sich geben, ist nur dummer Mist, hör nicht auf sie“, meinte Moon und strich mir beruhigend über den Rücken.

Aber was war, wenn meine Gabe sich einfach nicht zeigen wollte? Ich hätte nicht einmal nachhause gekonnt, denn für meine Mutter würde ich ewig ein Crystal Rider bleiben. Sie wollte mich nicht mehr bei sich haben.

Und wie verdammt nochmal sollte ich Jet dann noch helfen können?

„Komm, wir gehen ins Zimmer“, meinte Moon und half mir auf die Beine. Sie und Amber blieben nahe neben mir, während wir den Flur entlanggingen und niemand sprach ein Wort.

„Vergiss ganz schnell, was Mira gesagt hat“, beteuerte Moon, als ich mich auf mein Bett setzte und sie und Amber auf ihres. „Dieses Miststück hat keine Ahnung.“ Mein Blick streifte Jets Jacke, die immer noch in meinem Bett lag und dann fiel sie auch Moon und Amber auf, woraufhin beide verwirrt die Stirn runzelten. Ich atmete tief durch.

„Jet hat mich geküsst“, sagte ich wie von selbst und erfasste genau ihre Reaktionen. Beiden klappte die Kinnlade runter und ihre Augen weiteten sich ungläubig. Amber lief sogar rot an.

„Wie schön!“, rief Moon dann und strahlte übers ganze Gesicht. „Oh, Crystal, das freut mich ja so für euch!“

„Verdammt…“, murmelte Amber. „Der Kerl ist gerissener als ich dachte. Ich schließe nie wieder Wetten mit Moon ab…“ Er seufzte und Moon grinste, während er ihr unauffällig einen Zwanzigdollarschein zusteckte. Ich senkte nur meinen Blick und biss mir auf die Unterlippe.

„Mira hat einfach keinen Plan“, sagte Moon als Reaktion darauf. „Sie ist nur eifersüchtig und Jets Signale sind viel wichtiger.“

„Das Problem ist nicht Mira, sondern Jet“, flüsterte ich trüb.

„Warum?“, fragte Amber irritiert.

„An dem Abend des Balls haben Jet und ich uns nicht gestritten. Er ist einfach davongegangen und nachdem er mich geküsst hatte, auch. Er hat kein Wort gesagt, sondern mich einfach stehen lassen.“ Bei der Erinnerung fröstelte ich wieder. „Und gestern Nacht stand er dann plötzlich vor meiner Tür und sah so fertig aus. Ich glaube sogar, er hatte Tränen in den Augen…“ Sofort hatte ich sein Gesicht wieder vor mir, sein gequälter Blick und wie er dann ging, ohne ein Wort der Erklärung.

Moon und Amber erwiderten nichts, sondern sahen einander nur ernst an.

„Was…?“, fragte ich und ließ meine Augen zwischen ihnen hin und herwandern. „Ihr wisst doch nicht etwa was darüber?“ Beide zögerten, doch dann öffnete Amber den Mund.

„Aber wie soll das damit zusammenpassen…?“, murmelte er wie für sich selbst.

Ich stand auf und stürzte zu ihnen, fiel vor dem Bett auf die Knie und packte Moons Hand.

„Bitte, was ist es?“, rief ich verzweifelt. „Was wisst ihr über Jet?“
 

Silent Hill 2 - Music Soundtrack - Heartbeat
 

„Es ist seine Gabe“, erwiderte Amber und seine Miene verdüsterte sich. Noch nie hatte ich ihn so angespannt gesehen. Da verschränkte Moon ihre Finger mit meinen und seufzte tief, ehe sie mich wieder ansehen konnte.

„Weißt du, warum Jet hier nie als Schüler unterrichtet wurde? Wieso er keine Kurse besucht und alleine, fernab des Internats, wohnt?“ Ich runzelte die Stirn und mein verwirrter Blick glitt suchend zu Amber, der ebenfalls seufzte.

„Weil seine Gabe nicht wie andere trainiert werden kann“, setzte er fort. „Selbst beim Kampftraining lassen sie ihn nicht zu… aus Angst.“

„Angst?“, wiederholte ich verständnislos. Jet hatte mir noch nie Angst eingejagt, das konnte ich mir nicht einmal vorstellen. Trotzdem spürte ich, dass sich bei Ambers Worten ein kalter Schauer über meinem Körper ausbreitete.

„Was ist seine Gabe?“, fragte ich schließlich und hatte plötzlich das unerklärliche Bedürfnis, die Frage zurückzunehmen und mir die Ohren zuzuhalten. Diesmal war es Moon, deren Blick so ernst war, dass ihre Augen fast nachtblau wurden.

„Soforttod.“

Ich blinzelte.

„Was… bedeutet das?“, wisperte ich und musste auf einmal daran denken, wie Jet beim Probetraining mit Jade die Augen geschlossen gehalten hatte.

„Er ist in der Lage, mit nur einem Blick zu töten“, fuhr Amber leise fort und schon fing die Szene an, einen Sinn zu ergeben. Dann erinnerte ich mich daran, wie Jet sich von mir abgewandt hatte, als ich ihm aus der Mensa hinterhergelaufen war, der Tag, an dem ich meinen Anfall gehabt hatte.

„Er kann sogar Crystal Rider töten und das ebenfalls mit nur einem Blick“, fügte Moon hinzu und mir schossen prompt weitere Bilder durch den Kopf. Wie Jade mir gesagt hatte, dass sie über Jets Verschwinden nicht sprechen dürfte und wie traurig sie dabei ausgesehen hatte.

Der Ball, als Jet mich allein stehen gelassen hatte und beim Training, wie er die Augen zugekniffen und mich von sich gestoßen hatte. Nun wurde mir endlich bewusst, dass er mich nur so behandelt hatte, um mich vor sich selbst zu beschützen.

„Es ist ein offenes Geheimnis“, fuhr Amber fort und seufzte noch einmal, dann ließ er den Kopf hängen und stützte sich mit den Ellbogen auf den Knien ab. „Als wir uns kennenlernten, nannte er mich dumm und lebensmüde, mich mit ihm abzugeben…“ Er schaute wieder auf. „Aber ich habe ihn nie als Mörder gesehen.“

„Ich auch nicht“, fiel Moon ein und drückte meine Hand fester. „Er ist kein schlechter Mensch. Im Gegenteil, er könnte keiner Fliege was zuleide tun.“ Ein kleines Lächeln zeigte sich auf ihren Lippen.

„Es macht ihn fertig“, kam es wieder von Amber. „Er zeigt es nicht, aber ich glaube, manchmal würde er sich am liebsten nur die Ohren zuhalten und schreien.“ Ich schluckte und stellte mich langsam wieder hin. Da klingelte es plötzlich und ich dachte an den Kurs.
 

Most Beautiful Music Ever: My Life
 

„Okay… danke“, meinte ich leise und verließ das Zimmer, um zum Philosophieraum zu gehen. Moon und Amber ließen es ohne Widerrede zu.

Als ich ankam, war die Tür bereits offen und ich hörte ein paar Stimmen. Vorsichtig schaute ich um die Ecke und erkannte nur sechs Schüler, die alle vereinzelt an Tischen saßen. Der Lehrer stand an der Tafel, doch noch hatte der Unterricht nicht begonnen.

„Hallo?“, fragte ich und der blonde Mann wurde auf mich aufmerksam und winkte mich mit einem freundlichen Lächeln heran. Ich trat an seinen Tisch.

„Du bist sicher Crystal. Jade hat mir schon Bescheid gegeben, dass du herkommst. Ich heiße Ivory“, sagte er und reichte mir seine Hand. Ich schüttelte sie kurz und versuchte, zu lächeln, aber meine Gedanken schwirrten nur um Jet.

„Okay, ich wollte gerade beginnen. Such dir einen Platz aus.“ Damit drehte sich um und schrieb noch etwas an die Tafel. Da jeder einen Tisch für sich allein beanspruchte, tat ich dasselbe und setzte mich in eine der hinteren Reihen.

Ich hörte jedoch selbst bei der Begrüßung von Ivory schon nicht mehr zu, denn mein Fokus galt Jet. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie er sich fühlen musste. Er hatte die Gabe, zu töten. Er hatte sicherlich auch schon getötet. Aber trotzdem hatte ich nur einen Wunsch, ich wollte ihm beistehen, ich wollte ihn in den Arm nehmen. Er sollte wissen, dass er nicht alleine war, ab jetzt war er es nie wieder.

Es fühlte sich schon fürchterlich an, keine Gabe zu haben, aber wie war es dann erst, wenn man so eine Gabe wie er besaß? War es dann nicht sogar eher besser, es nicht zu wissen?

Er hatte es so schwer und ich verstand endlich, warum er immer so ruhig war, niemanden ansah und meist allein blieb. Ich verstand seine Kälte, die er mir zu Beginn gezeigt hatte und… ich verstand ihn.

Aber wie konnte ich ihm helfen? Ich hatte keine Möglichkeit, ihm diese Last von den Schultern zu nehmen.
 

Yuki Kajiura - Zero Hour (Noir OST)
 

Irgendetwas zog mich wieder zurück in die Gegenwart und ich blinzelte. Mein Kopf drehte sich etwas nach hinten und mein Blick traf auf ein fremdes Gesicht. Der Mann lächelte mich an und mir fiel unweigerlich auf, wie hübsch er aussah.

„Onyx“, mahnte Ivory und ich zuckte zusammen. Ich drehte mich wieder nach vorn und war verwirrt. Was war das gerade gewesen? Und wieso hatte es meine Aufmerksamkeit erregt? Kurz schüttelte ich den Kopf und atmete seufzend aus.

„So, dann sind wir auch schon fertig für heute“, schloss Ivory und es klingelte. Ich stand auf, wie die anderen und ging hinaus. Es war Schulschluss und wie ferngesteuert, folgte ich dem Flur Richtung Mensa, als ich plötzlich gegen jemanden stieß und erschrocken zurückzuckte. Aber derjenige legte mir sacht seine Hände auf die Schultern.

„Alles okay, Crystal?“, fragte er und noch während ich die Stimme erkannte, sah ich auf. Es war Jet.

„J-Ja, ich… bin nur… erschöpft“, log ich und versuchte, zu lächeln. Er beugte sich ein Stück zu mir und gab mir einen kleinen Kuss auf den Mund.

„Dann solltest du dich ausruhen“, sagte er und mir war etwas schwindlig, wie jedes Mal, wenn er mich küsste.

Ich hätte ihn darauf ansprechen können, das war die Gelegenheit. Ich wollte es auch, aber wäre das nicht vollkommen taktlos gewesen? Je öfter ich ihn ansah, desto weniger konnte ich mir vorstellen, dass hinter diesem Gesicht ein Mörder stecken sollte.

„Hast du etwas?“, fragte er und seine Brauen zogen sich besorgt zusammen.

„Ja… ähm, ich meine, nein...“, stammelte ich und dann nahm er plötzlich meine Hand und zog mich in einen Seitengang, hin zu einer Tür, von der ich nicht wusste, wohin sie führte und welche er öffnete und dann mit mir darin verschwand.



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