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Der Weg aus dem Kampf

Wenn Träume Berge versetzen
von

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Aufregung

Kapitel 47

Aufregung
 

Gleichzeitig perlte Dhaômas Lachen über die erschrockenen und verwirrten Gestalten hinweg. Er rutschte von Lulanivilays Hals herunter und kam mit beiden Füßen auf, als Amar ihm in die Arme flog. Irgendwie hatte der Rabauke es geschafft, den Aufpassern zu entkommen. Er hatte Dhaôma und Mimoun längst erkannt und warum sollten ausgerechnet diese beiden etwas Gefährliches auf die Insel bringen?

„Wo seid ihr gewesen? Du hast versprochen, regelmäßig zu kommen!“ Der Junge war ein gutes Stück gewachsen und ging dem Magier inzwischen bis zur Brust. Offenbar hatte er vor, größer zu werden als Addar. „Ihr hättet ruhig wenigstens Briefe schreiben können!“

Im nächsten Moment prallte ein zweiter Körper gegen ihn. „Dhaô! Dhaô, Dhaô, Dhaô!“ Rote, wuschelige Haare, eine helle Stimme und viel Kraft in den schmalen Armen. Sie war ebenfalls gewachsen, wenn auch nicht so viel. Elin.

„Was machst du denn hier?“, rief er erstaunt aus. Dann drückte er die beiden Kinder an sich. Er war wirklich froh, sie zu sehen.

„Sind das deine Kinder, Freiheit?“, erklang es in den Köpfen aller und die Menge zuckte zusammen. „Sie sehen dir nicht ähnlich.“

Wieder begann Dhaôma zu lachen und strahlte seinen Drachen an. „Das sind Amar und Elin. Sie sind meine Freunde.“

„Wo ist dann Frieden?“

„Wer ist denn Frieden?“

„Fiamma.“, übersetzte der Braunhaarige und die Kinder begannen zu strahlen.

„Vermutlich in der Schutzhütte.“

„Wenn sie nicht weggelaufen ist.“

„Sie ist gut darin, musst du wissen!“

„Und Seren hilft immer mit. Dabei sind sie erst anderthalb!“

Wie hatte er diese Informationsfluten vermisst. Erneut drückte er die beiden Kinder an sich.
 

„Elin.“ Erstaunt beobachtete Mimoun das Treiben der Kinder und vergaß sein derzeitiges Opfer. Dennoch rang dessen Gegenwehr ihm nur ein spöttisches Lachen ab. Unterstützung erhielt Asam von seiner Gefährtin, die Mimoun einfach umarmte.

„Wo ward ihr so lange? Wir haben uns Sorgen gemacht.“

Endlich entließ Mimoun den Freund aus seinem Griff und erwiderte die Umarmung der jungen Frau. „Ich weiß. Tut mir Leid.“, erwiderte er. Wenige Augenblicke später fand er sich in Asams Würgegriff wieder, während sich Leoni nun dem zweiten Heimkehrer zuwandte. Das darauf folgende Gerangel wurde von einem kleinen blauen Drachen unterbrochen, der fauchend auf den Älteren losging. Lachend fing Mimoun seinen Begleiter wieder ein.

„Es ist schon okay.“, erklärte er. „Das ist seine Art mich zu begrüßen.“ Dass Asam ihm tatsächlich eine kleine Strafe bezüglich zu langen Wegbleibens hatte angedeihen lassen wollen, wussten nur dieser und der Wasserdrache.
 

Mit Elin auf dem Rücken, die ihren angestammten Platz nun erstmal nicht mehr räumen wollte, umarmte auch Dhaôma Leoni. Die junge Frau sah wunderschön aus, denn sie strahlte wie die Sonne mit den goldblonden Locken. Das Familienleben tat ihr offenbar richtig gut.

„Wie ist es gelaufen, während wir weg waren?“, wollte Dhaôma wissen. „Und wie geht es allen? Hat sich Fiamma gut eingelebt? Und der Kirschbaum?“

Leoni begann zu lachen. „Halt, halt. Der Reihe nach! Erstmal…“

„Erstmal will ich wissen, ob irgendjemandem außer mir auffällt, dass da ein Monster steht und uns beobachtet.“, unterbrach Janna das fröhliche Wiedersehen.

„Ach das ist…“

„Eidechse!“ Aus dem Pulk schaulustiger Hanebito rannte ungelenk ein kleines Kind. Einige der Erwachsenen stöhnten auf, als kurz darauf ein zweites hinterherdackelte. In beiden Augenpaaren, blau wie der Himmel, leuchtete pure Begeisterung. Drei Leute versuchten die Kleinen wieder einzufangen, aber als der Drachenkopf sich senkte, um sie eingehend zu betrachten, blieben sie wie angewurzelt stehen.

„Das sind deine Kinder.“, stellte Lulanivilay fest, während Fiamma einfach in ihn hineinrannte und an ihm kleben blieb. Seren blieb stehen und starrte hypnotisiert zu dem goldenen Auge hinauf.

Neben ihm keuchte Leoni auf und wurde blass, Janna war schon im Sprung begriffen, Dhaôma war dennoch als erster dort. Dass er keine Angst vor Lulanivilay hatte, erleichterte ihm das gewaltig.

„Ai, ihr seid aber groß geworden.“, staunte er und hockte sich vor sie. „Siehst du, Vilay, das sind Seren und Fiamma.“ Die beiden Kleinen schauten ihn an, doch im Gegensatz zu dem Drachen war er uninteressant.
 

Einem jedoch war die Angst vor dieser Bestie nicht im Weg. Asam stürmte erneut darauf zu, griff sich mit jeder Hand jeweils ein Kind und flatterte ein Stück zurück.

„Wer passt eigentlich auf die Kinder auf?“, fauchte er ungehalten. „Es kann nicht sein, dass sie hier ungehindert rumlaufen!“

Mimoun seufzte. Schon wieder ein fehlgeschlagener Erstbesuch. Die Dorfbewohner hatten Angst. Eigentlich hätte er es vorausahnen müssen, doch ihm war sein Spaß wichtiger gewesen. Vielleicht sollte er seine Prioritäten mal ein wenig anders verteilen.

Er trat zu dem aufgebrachten Vater. Sein Drache hatte sich wieder auf seine Schulter platziert und sich wie ein Schal um den Hals gewickelt.

„Keine Angst. Sie sind unsere Freunde.“, erklärte er sanft. „Wir sind jetzt Drachenreiter und sie gehören zu uns. Das sind Lulanivilay und Tyiasur. Tyiasur, sag Hallo.“

Der kleine Wasserdrache verließ seinen Platz und schlängelte sich bis zu der Hand vor, die dem anderen offen gereicht wurde. „Hallo.“, erklang es in den Köpfen aller. Mimoun starrte seinen Drachen verblüfft und mit offenem Mund an.
 

Dhaôma war zusammengezuckt, als Asam seine Kinder von ihm und Lulanivilay weggerissen hatte, nun staunte er Bauklötze. Tyiasur konnte sprechen? „Da brat mir doch einer ’nen Storch.“, murmelte er, dann lächelte er. Seine Hand strich über die Nase seines Drachen, während er aufstand. „Wir sind ganz schön übereilt, was?“, fragte er leise, dann erhob er die Stimme. „Entschuldigung, dass wir nicht darüber nachgedacht haben, dass wir euch ängstigen. Die beiden sind unsere Freunde und werden niemandem etwas tun, aber wenn es euch lieber ist, werde ich mit ihnen zur nächsten unbewohnten Insel fliegen, damit ihr euch an den Gedanken gewöhnen könnt.“

Genießend schloss Lulanivilay die Augen, spürte den kratzenden Fingern nach.

Dann begann Seren zu weinen, weil sie sich erschrocken hatte, während Fiamma mit ihren kleinen Händen nach Tyiasur zu greifen versuchte. „Dechse! Eidechse!“, brabbelte sie glücklich.
 

Dieser warf den Kopf zurück. Sicher hätte er noch etwas dazu zu sagen gehabt, aber er wusste nicht, ob er das durfte.

„Du kannst sprechen?“, fragte sein Reiter verblüfft nach. „Warum? Seit wann? Warum hast du nie etwas gesagt?“

„Du wolltest nicht, dass ich spreche.“ Unsicher sah der Wasserdrache zu ihm auf. Das ging aber in der Umarmung seines Gefährten unter.

„Dummkopf. Warum sollte ich nicht wollen, dass du sprichst? Ehrlich. Ich freue mich riesig.“ Die Bestätigung holte sich Tyiasur aus den Gedanken seines Freundes und seine ganze Haltung entspannte sich.

„Ich sollte nicht sprechen lernen, damit ich keine Forderungen stellen kann.“, erklärte er.

„Aber…“ Betroffen brach der junge Geflügelte ab. Er erinnerte sich wieder an diese Situation. Das hatte er nicht gewollt. Das war doch nicht ernst gemeint gewesen. Aber das Jungtier, das der Drache damals war, hatte die Anweisungen seines Ziehvaters durchaus ernst genommen. Und das ließ sich nun nicht mehr rückgängig machen.

„Du musst dir keine Vorwürfe machen.“, sprach Tyiasur weiter, als das zweite Kleinkind zu weinen anfing. Fiamma kam nicht an die Eidechse. Asam ging nicht näher heran, um ihr das zu ermöglichen, und Mimoun achtete auch nicht mehr darauf.

„Du wirst ihr nicht wehtun, oder?“, fragte Mimoun vorsichtig nach. Er wollte seinem Winzling eigentlich schon die Möglichkeit geben, ihren Quasibruder kennen zu lernen.

„Nicht, wenn du es wünscht.“

Mimoun sah Asam fragend an und dieser starrte nur auf das Wesen auf Mimouns Arm.
 

„Jetzt ist es genug.“ Die klare, laute Stimme durchschnitt das ängstliche Getuschel der Geflügelten und ihr Gezeter. Auf Karo gestützt schritt Addar auf die Gäste zu. Man hatte ihn geholt, sobald man den Drachen gesichtet hatte, der sich das letzte Mal nach ihm erkundigt hatte, da es seinem Wunsch entsprach. Jetzt lächelte er unter all den Falten. Er war wieder älter geworden, stellte Dhaôma fest. „Beruhigt euch alle erstmal und richtet eure Aufmerksamkeit auf die Situation, die sich euch bietet. Leoni steht direkt neben dem Drachen und ihr ist noch nichts passiert. Elin und Amar zeigen euch ebenfalls, dass man keine Angst haben muss. Und die beiden Drachen zeigen nicht das geringste bisschen Angriffslust, obwohl Asams hektische Reaktion durchaus eine solche hätte heraufbeschwören können.“

Er hatte Recht, das sahen die Hanebito ein, aber das änderte nichts an der Situation, dass ein Drache – ein ausgewachsener, riesiger Drache! – genau vor ihren Nasen saß. Sie fürchteten sich – verständlicherweise.

Der Alte wandte sich an Dhaôma, der kleinlaut neben seinem Drachen stand, welcher wiederum aussah, als würde er gleich einschlafen. Beinahe konnte man ein zufriedenes Lächeln um die schuppigen Züge erahnen. „Willkommen zurück, Dhaôma.“, begrüßte er ihn und kam näher. „Ich hätte wirklich niemals gedacht, dass ihr es tatsächlich schafft. Ich bin stolz auf euch.“

Dem Magier fiel ein Stein vom Herzen. „Addar Maral.“ Er verbeugte sich, was bei Leoni ein Kichern auslöste. Die unerschütterliche Ruhe ihres Schwiegeruropas gaben ihr die nötige Ruhe, um klar denken zu können. Und er hatte Recht. Wäre sie in Gefahr gewesen, wäre sie wahrscheinlich längst tot und ihre Kinder dazu.

Nach und nach ließen die Bogenschützen ihre Waffen sinken und Addar wandte sich Mimoun zu. „Auch dich heiße ich willkommen, Mimoun. Es freut mich zu sehen, dass es dir gut geht, auch wenn man in deinem Fall vielleicht eher von Drachenträger sprechen sollte.“ Ein spitzbübisches Schmunzeln grub noch mehr Falten in das alte Gesicht.
 

Während es dem einen offensichtlich peinlich war, so bezeichnet zu werden, schob sich der andere wieder den Arm herauf, wickelte sich um seinen angestammten Platz und thronte nun mit stolz erhobenem Kopf und lässig übereinander gelegten Klauen auf Mimouns Schultern.

„Es ist schön, Euch wieder zu sehen.“, erwiderte der junge Geflügelte und wandte sich dem Ältesten zu. Dieser würde keine Berührungsängste zu dem Drachen haben, also stellte es kein Problem dar, zu ihm zu gehen. Er reichte ihm einen Arm zur Stütze.

„Entschuldigt bitte den Aufruhr. Ich fürchte, ich lerne nicht aus Fehlern.“

Der Arm wurde ignoriert. Stattdessen glitt die Hand des Alten weiter nach oben und berührte den kleinen Drachen an der Nase. Kurz zuckte der Kleine zurück und duldete es dann.

„Kalt.“, stellte Addar fest und Mimoun nickte.

„Tyiasur ist ein Wasserdrache und unglaublich. Er kann fantastisch schwimmen und sogar fliegen, wenn er es will. Selbst seine Verteidigung lässt nicht zu wünschen übrig.“ Der Kopf des Gesprächsthemas entzog sich dem Streicheln des Alten und drückte sich an die Wange des jungen Geflügelte. Nun, da das Tier nicht mehr hinsah, versuchte auch Karo zögerlich ihr Glück.

Im nächsten Augenblick spürte Mimoun einen Aufprall. „Eidechse.“ Asam hatte die Kleinen absetzen müssen, da sie schwer und unhandlich geworden waren, wenn sie zappelten, und prompt war ihm Fiamma wieder abhanden gekommen.
 

Dass der Älteste eine Berührung mit einem Drachen überlebt hatte, beruhigte die Dorfbewohner noch mehr. Jeder wollte plötzlich den kleinen Drachen berühren oder wünschte es sich zumindest, denn der Große war immer noch im Weg. Und ob sie den berühren durften, wusste keiner.

Leoni hatte schließlich Erbarmen mit Fiamma. Sie hob das Mädchen hoch und fragte Tyiasur direkt. „Darf sie dich mal streicheln? Ich fürchte, die Geschichten über euch haben sie in euren größten Bewunderer verwandelt. Und sie wird kaum Ruhe geben, bevor sie dir zeigen konnte, dass sie dich gern hat.“

„Eidechse!“, bestätigte Fiamma stolz.
 

„Drache.“, korrigierte Angesprochener beleidigt und drehte den Kopf aus der Greifrichtung der kleinen Magierin. „Nicht Eidechse.“

Mimoun lachte. Seine Finger glitten beruhigend über die kühlen Schuppen unter dem Kinn. Schwachstelle gefunden, dachte er wie so häufig davor und feixte amüsiert. Die Augen halb geschlossen streckte Tyiasur den Kopf ein wenig vor, um eine größere Fläche zu bieten.

„Tust du mir den Gefallen?“, wollte auch Mimoun wissen, erhielt aber nur ein widerwilliges, unwirsches Grummeln als Antwort. Kurz drückte der Geflügelte seinen kleinen Begleiter an sich und ließ sich dann seinen Winzling aushändigen. Kurz glotzte sie ihn mit großen Augen an, bevor die Eidechse, die nun endlich in greifbarer Nähe war, wieder zum Mittelpunkt ihres Interesses wurde.

„Sie ist groß geworden.“, stellte Mimoun fest und beobachtete sie mit einem sanften Lächeln. Und schwer. Kein Vergleich zu dem Baby von damals.

Ungeschickt tatschte die Kleine auf Tyiasurs Nase herum und zog dann an den Stacheln an seinem Nacken. Der Drache folgte der Bewegung und stupste ihr die Nase in den Bauch, was sie zum Lachen brachte.

Mimoun wandte sich zu Dhaôma um und strahlte ihn glücklich an, wäre da nicht die Masse, die sich neugierig um ihn zu scharen begonnen hatte, allen voran Asam, der auf Mimouns Bemerkungen hin zu seiner alten lobpreisenden Art zurückgefunden hatte.
 

Gerade setzte er dazu an, dass sie das klügste Kind der Welt wäre, das er je gesehen hätte, so dass sie selbst den Erwachsenen gewachsen war, da war er plötzlich verdrängt worden, denn die Kinder des Dorfes stürmten nun alle auf Mimoun zu. Sie hatten ihn vermisst und nun brachte er sogar noch ein interessantes Haustier mit. Viel spannender als die Fenras, die sie hier oben beherbergten. Addar brachte sich mit einem weiteren Schmunzeln aus der Schusslinie und stellte sich lieber neben Dhaôma. Hier wurde er garantiert nicht so leicht umgerannt, da der große Drache sie davon abhielt.

„Und was kann er?“, fragte er neugierig.

„Ich gebe Freiheit ein wenig von dem See ab, der in mir ist.“, beantwortete Lulanivilay die Frage für Dhaôma. „Du bist Schwalbe Anführer. Ich habe versucht, dich zu finden.“

„Ich weiß.“ Der Alte betrachtete die goldenen Augen und amüsierte sich über die Übersetzung seines Namens. Es war ihm schon zuvor aufgefallen, dass der Drache Dhaôma und Mimoun nicht mit ihren richtigen Namen sondern mit der Übersetzung der alten Sprache anrief. „Man hat es mir gesagt, aber da warst du schon wieder fort.“

„Sie haben spitze Stöcke nach mir geworfen.“

„Das tut mir aufrichtig Leid. Sie konnten ja auch nicht wissen, dass du zu unseren Freunden gehörst.“

„Ich habe es ihnen gesagt. Sie haben nicht zugehört.“ Der grüne Drache bewegte seine Beine ein wenig und legte sich dann nieder. „Es ist schön, dass sie Freiheit und Himmel zuhören können.“

„Und was ist nun deine Fähigkeit?“

Dhaôma übernahm mit einem freundlichen Nasenstüber an seinen Freund die Erklärung. Addars Augen wurden immer größer und ungläubiger, je mehr er erfuhr. „Möchtet Ihr, dass ich es Euch beweise?“, fragte der Braunhaarige mit schelmischem Blick.

„Wenn es gefahrfrei ist.“

„Vilay?“

„Sicher.“

Strahlend bückte sich der Magier und legte die Hände auf den Boden, bevor er noch einmal hinauf sah. „Irgendwelche Wünsche?“

„Elin hat sich sehr bemüht, hier essbare Pflanzen anzupflanzen.“

„Verstehe.“

Dann initiierte er die Magie. Wie eine Welle, schossen um sie herum Pflanzen in die Höhe, Gräser, niedrige Kräuter, die Bäume am See strotzten plötzlich nur so vor Kraft, der Kirschbaum mit seinen blassroten Kirschen bildete zusätzliche Blüten und Früchte, die Büsche an den Häuserwänden wuchsen ein gutes Stückchen hinauf. Und währenddessen vergingen alte, trockene Pflanzen und wurden schlicht wieder zu Erde, die von neuen Keimlingen bevölkert wurde. Dhaôma spürte dank Lulanivilay die ganze Insel durch die Struktur der Wurzeln und konnte seine Magie auf die Pflanzen konzentrieren, die essbar waren. Um sie herum wurden erschrockene, dann erstaunte und staunende Rufe laut.
 

Und damit waren sie nicht mehr im Mittelpunkt. So sehr Mimoun es auch genoss, unter seinesgleichen zu sein, so anstrengend konnten sie bei unbekannten Sachen werden. Er nutzte eine winzige Lücke in der Mauer der Umstehenden, eilte an Dhaômas Seite und atmete einmal tief durch. Tyiasur verzog sich sofort auf Lulanivilays Rücken. Er hatte erst einmal die Schnauze voll. Da interessierten ihn die flehendlich in seine Richtung gestreckten Ärmchen herzlich wenig.

„Ihr zwei seid die Besten.“, bedankte sich Mimoun und setzte sich neben seinen Magier, die Kleine fest auf seinem Schoss haltend, von dem sie bereits wieder herunter wollte. Belustigt beobachtete er sein staunendes Volk.

Kichernd, das Kind erneut umgreifend, wandte er sich an Dhaôma, forderte seine Aufmerksamkeit. „Wenn du sie fertig beeindruckt hast, bin ich dran, oder?“, schmunzelte er.
 

„Willst du ihnen wirklich solche Vorlagen liefern?“, fragte der Braunhaarige leise, im Geiste sich vorstellend, wie Mimoun unter Wasser verschwand und tauchte, und hockte sich neben seinen großen Freund. „Sie machen schließlich alles nach.“ Sein Finger stieß gegen Fiammas Händchen und sie schloss es im Reflex darum. Die Haut war ganz warm und trocken. Auf seine Lippen legte sich ein weiches, liebevolles Lächeln. „Weißt du, dass ich dich vermisst habe, Fiamma? Dabei kannst du dich gar nicht an mich erinnern.“

„Weichfell!“, quietschte sie und versuchte aus Mimouns Armen zu krabbeln, was sie bewerkstelligte, indem sie zappelte und sich wie ein Aal wand. Kein Wunder also, dass Asam sie nicht lange halten konnte.
 

„Ihr wisst von nichts!“, schärfte er den Anwesenden erschrocken ein, während er Winzling freigab. Wenn die Kinder tatsächlich seinem Vorbild folgen sollten, dürfte er sich nie wieder hier blicken lassen. Er wäre ein toter Mann. Vielleicht hatte Lesley Recht und er musste wirklich anfangen, seine geistigen Fähigkeiten zu trainieren. Mimoun musste anfangen, solche Sachen und Handlungen von Personen vorauszusehen, jede Eventualität mit einzuberechnen.

„Stimmt. Ich weiß nicht, wovon ihr redet.“, machte Addar wieder auf sich aufmerksam. Nach einem „Ich darf doch?“ setzte er sich neben die Freunde ins Gras und lehnte sich entspannt gegen Lulanivilays Flanke, ohne eine Antwort abzuwarten.

„Ich beherrsche nun auch Magie, wenn auch begrenzt. Und einige sich mir bietende Möglichkeiten sind nicht zur Nachahmung empfohlen, weil wirklich nur ich in der Lage dazu bin.“, klärte Mimoun den Ältesten auf. „Baah.“ Mit hinter dem Kopf verschränkten Armen ließ er sich ins Gras kippen. „Das wäre die Möglichkeit gewesen, Asam klar zu machen, dass ich der Stärkere bin.“ Das war er wahrscheinlich auch ohne seine Magie. Dafür hatte er schließlich eine harte Schule durchlaufen, sich in den letzten Wochen nahezu täglich mit Drachen angelegt.

„Das wollen wir doch einmal sehen.“, warf Asam ein, der nur den letzten Satz mitgehört hatte und nun breitbeinig und mit verschränkten Armen vor ihnen stand.

„Lust zu verlieren?“ Mimoun stemmte sich auf die Ellenbogen hoch und blitzte das junge Ratsmitglied herausfordernd an.
 

„Du könntest einfach zeigen, was du in der Luft dazugelernt hast. Das können sie doch nachmachen, ohne Gefahr zu laufen, zu ertrinken, oder?“, schlug Dhaôma abwesend vor. Das kleine Mädchen tatschte nun in seinem Gesicht herum und malte die Linien auf seinen Wangen nach. Dann zog es an seinen Haaren. „Wie in vergangenen Zeiten.“, kicherte er, als sie grob daran riss und er sie ihr entzog.

„Fellweich.“

„Ja, sie sind weich, aber kein Fell.“

„Echse. Eidechse.“ Sie zeigte auf Lulanivilay.

„Ein Drache.“, schüttelte er den Kopf.

„Dechse!“ Sie wurde wütend. „Dechse!“

„Drache.“, widersprach er.

„Dechse!“

Er seufzte. „Wie wäre es, wenn du ihn einfach beim Namen rufst? Lulanivilay heißt er.“

Sprachlos starrte sie ihn an. Sie war es nicht gewöhnt, dass man sie mit einem so langen Vorschlag bedachte. „Eidechse?“

„Lulanivilay.“, wiederholte er geduldig. „Sein Name ist Lulanivilay.“

„Ich bin keine Eidechse.“, stimmte besagter Drache zu. „Nenn mich nicht so.“

Das verwirrte sie endgültig. „Weichfell?“, fragte sie. Und Dhaôma gab auf, drückte sie an sich und bohrte seine Finger in ihre Seiten, dass sie quietschte. Sie war süß. Und unglaublich zutraulich.

Daneben erklang eine andere helle Kinderstimme. „Drache.“, sagte Seren.

Und plötzlich ging es. „Drache.“, stimmte Fiamma zu. „Die Dechse ist eine Drache.“

„Oh, sind sie nicht unglaublich klug?“, schwärmte Asam und drückte seiner kleine Seren vernarrt einen Kuss auf die Wange. Mimouns Herausforderung ignorierte er für den Moment.

„Ist es bei kleinen Hanebito und kleinen Jagmarr immer so, dass sie so seltsam sprechen?“, wollte Lulanivilay wissen und bekam die Antwort von Janna, die ihr Misstrauen möglichst unterdrückte, dass sie es erst lernen müssten. Die goldenen Augen betrachteten die Kleinkinder einen Moment lang, dann schlossen sie sich und er legte den Kopf neben die Pranken und Dhaôma.
 

„Was ist nun? Hast du Angst, dass ich dir tatsächlich überlegen bin?“, brachte Mimoun die Aufmerksamkeit wieder auf sich.

„Pah.“, erwiderte Asam hochmütig. „Ich bin zwei Jahre älter und bin damit reifer und erfahrener als du.“

Mimoun warf den Kopf zurück und lachte lauthals. Aber du hattest nicht mein Training, dachte er spöttisch und erhob sich fließend. „Na, dann schauen wir mal.“ Suchend sah er sich auf der Insel um und entdeckte schließlich etwas Geeignetes. „Fangen wir mit etwas Leichtem an.“ Misstrauisch wanderte Asams Augenbraue nach oben, als Mimoun ein kleines Federspiel aufhob. Es war ein Spielzeug für die Fanras. „Jag es mir ab - wenn du kannst.“, forderte der Jüngere und ließ die an einem Band befestigten Federn durch die Luft sausen. Und dann war er weg. Mimoun hatte sich in die Luft geschwungen und sauste bereits über die Insel. Noch gebrauchte er seine Magie nicht.

Mit einem abfälligen Schnauben startete Asam die Jagd. Als wenn ihm dieser Jungspund das Wasser reichen konnte. Doch immer, wenn er dachte, nun hätte er ihn, war das Federspiel wieder aus seiner Reichweite verschwunden. Er brauchte nicht lange, um zu begreifen, dass Mimoun seine Spielchen mit ihm trieb. Und er änderte seine Taktik, versuchte nicht mehr die Beute zu erlangen, sondern ging seinen Gegner direkt an. Aber selbst das brachte nicht den gewünschten Erfolg. Viel zu wendig und schlüpfrig war dieser Bengel geworden.

Und dann war er nicht mehr alleine. Nachdem die Auswirkungen von Dhaômas Magiedemonstration nebensächlich geworden waren, war die Jagd der beiden Kindsköpfe zum Mittelpunkt des Interesses geworden. Die Kinder waren die ersten, die sich der Hatz anschlossen. Sie ließ Mimoun näher herankommen, aber auch ihnen entzog er sich immer wieder. Dann schlossen sich ein paar Erwachsene an, um ihr Glück zu versuchen.

Lachend angesichts dieser Übermacht schwang sich Mimoun in immer größere Höhen. Nach und nach blieb einer nach dem anderen zurück und der junge Drachenreiter flog noch immer dem Blau über ihnen entgegen. Als er ordentlich Abstand gewonnen hatte, ließ er sich rückwärts kippen und beschleunigte seinen Sturzflug mit seiner Magie. Es wagte niemand, sich ihm in den Weg zu stellen. Ausgelassen erwartete Mimoun seine Verfolger bei den Drachen. „Willst du wirklich noch gegen mich antreten?“, lachte er Asam entgegen.

„Immer.“, kam die Antwort ein wenig atemlos. Erfreut ließ Mimoun das Spielzeug in Dhaômas Schoß fallen und stürzte sich auf seinen Gegner.
 

Diese Art Sturzflüge beherrschten Mimouns Spiele fast immer. Inzwischen war Dhaôma daran gewöhnt, aber die anderen stöhnten entsetzt auf, als der Schwarzhaarige der Insel immer näher kam, viel schneller als das normal der Fall gewesen wäre. Als er sich abfing, gab es sogar Applaus.

„Er hat dazugelernt.“, kommentierte das Addar und nickte zufrieden. So hatte er sich das vorgestellt mit den Drachenreitern. Sie waren Wesen, die weit stärker waren als der Durchschnitt.

Seren hockte inzwischen auch auf Dhaômas Schoß, spielte jetzt mit dem Federspiel, das Mimoun fallen gelassen hatte, während das traditionelle Gerangel losging. Zunächst sah es so aus, als wären sie noch gleich stark so wie früher, aber immer mehr kristallisierte sich heraus, dass Mimoun überlegen war. Er gab einfach nicht alles, verzichtete auf alle Angriffe mit seinen Flügeln oder Beinen. Gerade mal die Arme teilten Stüber aus, während der blonde Mann beinahe alles einsetzte, was er nutzen konnte.

„Aber er ist immer noch so kindisch wie Asam.“, stimmte Janna nach einiger Zeit trocken zu. „Aber was erwartet man schon von einem Mann?“

Ihre beiden Töchter waren da ganz anderer Meinung. Gerade noch hatten sie Dhaôma begrüßt, jetzt feuerten sie Asam an und gaben gute Ratschläge. „Mehr rechts!“ „Nein, links! Oder besser von oben!“ Amar dagegen war auf Mimouns Seite und jubelte bei jedem Treffer.

„Ist das immer so?“, wollte Elin wissen, die zwar wusste, dass Mimoun gut raufen konnte, aber dass er so gut war…

„Immer.“, bestätigten ihr mehrere Seiten.

„Er ist ganz schön gut geworden. Ich wette, jetzt könnten Haru, Ramon und ich nicht mehr gewinnen. Dabei haben wir so sehr dafür trainiert.“

„Sag mal, Elin, warum bist du hier? Sind deine Eltern hierher gezogen?“

„Nein. Ich bin hier Lehrerin!“, erwiderte sie stolz. „Ich bringe ihnen bei, was man essen kann und wie man Brot backt.“

„Wir wussten nicht, wann du wiederkommst oder ob überhaupt, da haben wir beschlossen, dass deine Schüler das Wissen an die anderen Dörfer weitergeben sollen. Deswegen ist sie hier. Für einen Monat. Die anderen Kinder sind in anderen Dörfern, aber sie wollte unbedingt hierher, weil sie eure Tochter kennen lernen wollte.“

„Und, was hältst du von ihr?“, fragte Dhaôma das Kind.

Sie strahlte. „Sie ist toll! Ich wette, sie wird eine tolle Drachenreiterin!“

„Uh? Wie kommst du denn darauf?“ Kinderlogik war für Dhaôma noch immer nicht leicht zu begreifen. „Warum sollte sie eine Drachenreiterin werden?“

„Wir werden alle welche, das haben wir beschlossen. Haru will einen Feuerdrachen und euch helfen, Frieden zu bringen. Und ich und Ramon werden Bodentruppen.“

„Ich auch!“, rief Amar begeistert dazwischen. „Ich habe sogar rennen geübt. Jetzt schlage ich dich ganz sicher!“

„Und Fiamma und Seren werden Feuer und Luft verkörpern und ihre Drachen Erde und Wasser, damit alles in einem ist, denn sie denken jetzt schon wie eine.“

„Ich sehe, ihr plant eine Armee.“, lächelte Dhaôma. „Aber wie wollt ihr zu den Drachen kommen? Ihr müsstet den Weg ganz alleine finden. Seid ihr dazu nicht noch ein wenig zu jung?“

„Ihr könnt uns doch hinbringen.“

„Das geht nicht.“, schüttelte Dhaôma den Kopf. „Zu den Drachen kann man nur, wenn man sich beweist und von ihnen als Reiter anerkannt wird. Ihr werdet euch richtig anstrengen müssen, wenn ihr das machen wollt.“ Sanft zog er die Federn aus Serens Mund. Fiamma nahm sie ihm sofort aus seiner Hand.

„Dann machen wir das eben.“, zuckte sie gleichmütig mit den Achseln. „Wir schaffen das. Ihr habt es ja auch geschafft.“

„Sie spielen nichts anderes mehr.“, verriet ihm Leoni. „Jeder weiß inzwischen ganz genau, wie sein Drache aussehen soll und was er kann.“

„So ist das also.“

Ein Aufschrei ging durch die Menge, als Mimoun über Asams Kopf flog, sich abrollte, und im nächsten Moment wieder über dem Blonden hockte. „Mann, Mimoun, was hast du gefrühstückt?“, keuchte der Ältere zwischen zusammengebissenen Zähnen.
 

„Von Drachen zerquetschten Hirsch.“, überlegte Mimoun und nagelte seinen Gegner unnachgiebig am Boden fest. Als er weiter überlegte, zeigte sein Gesicht eine Mischung aus Erstaunen und Reue. „Ich fürchte, ich hab heute noch nicht meine Portion Erdbeeren bekommen. Ich werde dann immer so übermütig.“ Grinsend ging er auf Abstand. Es wäre langweilig, wenn ihr Spiel jetzt schon enden würde. „Und du? Du scheinst heute ein wenig schwach auf der Brust. Oder ist das dein Alter?“ Mit einer schnellen Drehung des Oberkörpers ließ er einen Angriff Asams von sich abgleiten und schickte ihn im gleichen Atemzug wieder auf den Boden. „Soll dir Dhaôma ein wenig von deiner Alterslast nehmen, so wie einst Addar? Vielleicht hast du dann eine Chance gegen mich, der noch in der Blüte seiner Jugend steht.“
 

„Übermut tut selten gut!“ Und schon hatte Mimoun einen Arm vor dem Hals und wurde von Asams gesamtem Körpergewicht zur Seite und auf den Boden gedrückt, so dass er Gesicht voraus unter ihm lag. Triumphierend setzte er sich auf ihn und wurde von den anderen gefeiert, während er selbst Mimouns Flügel mit den Knien niederdrückte.

Lange währte sein Sieg nicht. Der Schwarzhaarige drückte sich nach dem ersten Schrecken in die Stütze. Zwar ging das nur langsam und erforderte eine eiserne Disziplin und Kraft, aber er kam immer weiter hoch. Selbst seine Flügel waren trainiert genug, um Asam einfach zu heben.

„Wow!“, gab dieser von sich. „Dein Training mit den Drachen war wirklich schwer, oder? Da wird sich Kaley aber freuen.“ Vorsichtig stieg er von ihm herunter. „Genug. Du hast gewonnen. Revanche erst, wenn ich dich eingeholt habe.“

Es gab Jubelrufe und Amar flog auf Mimoun drauf. „Mach das mit mir auch! Ich will auch oben sitzen, wenn du am Boden liegst und dich hoch drückst!“
 

„Du hast ja keine Ahnung.“, war Mimouns Erwiderung bezüglich des Trainings gewesen. Kaum war Asam von ihm herunter gegangen, hatte er sich wieder zu Boden sinken lassen. Nun hatte er den nächsten Quälgeist an der Backe. Spöttisch musterte er den Kleinen.

„Wenn ich es zehnmal schaffe, musst du mich auch einmal stemmen, okay?“, schlug Mimoun vor und begeistert stimmte Amar in die Wette ein. Sofort machte sich der Geflügelte ans Werk. Immer wieder glitt sein Blick zu dem Kind auf seinem Rücken, dessen Gesicht mit jedem weiterem absolviertem Liegestütz unsicherer wurde. Erst nach dem neunten tat er auf erschöpft und blieb keuchend liegen. Amar sprang jubelnd von Mimouns Rücken. Er hatte die Wette gewonnen. Als das nächste Kind ankam, wehrte der junge Geflügelte gleich ab. Irgendwann musste Schluss sein. Die Enttäuschung war natürlich groß, aber nicht zu vermeiden.

Mimoun streunte zu Dhaôma und den Babys hinüber. Seufzend ließ er sich neben ihnen fallen. Wie hatte er das vermisst. Das quirlige Leben dieser Rasselbande.

„Lesley will sich die Kleinen wirklich antun? Er sollte nicht so viel in die Zeit gehen.“, stellte Mimoun erneut fest.

„Wieder etwas, das wir nicht verstehen.“, merkte Addar an. „Wie wäre es, wenn ihr uns beim Essen die ganze Geschichte erzählen würdet. Ich bin mir sicher, ich bin nicht der einzige Neugierige.“
 

„Aber dann kriegen wir ja gar nichts mit!“, protestierte Elin. Aber ihr Gesicht hellte sich sofort auf, als sie vorschlug, ein Picknick zu machen. Auch eine von Dhaômas Erfindungen. Gerne gingen die Geflügelten darauf ein und selbst die Erwachsenen machten jetzt schnell, damit sie die Neuigkeiten möglichst bald und aus erster Hand erfuhren. Ehe sie sich versahen, waren alle bei den Vorbereitungen und Dhaômas Aufgabe war es, auf die Kleinsten aufzupassen, die sowieso kaum davon zu überzeugen waren, dass dieser junge Mann nicht nur ein vergrößerter Teddybär war. Aber auf die vorsichtige Anfrage, was die Drachen denn essen würden, versicherte Dhaôma, dass er sich selbst darum kümmern würde. Bambus würde hier sicher auch gut wachsen und Spaß für die Kinder bedeuten, wenn Lulanivilay etwas davon übrig ließ.

Dann kehrte schließlich Ruhe ein, als ein Feuer brannte, über dem Fleisch geröstet wurde, alle in einem ausladenden Kreis mitten auf dem Dorfplatz saßen, tranken und aßen, während Dhaôma und Mimoun abwechselnd von ihrer Reise erzählten. Schon zuvor hatten sie sich verabredet, das Ganze wie ein Schauspiel zu inszenieren, indem sie mit den Stimmen leiser wurden, wenn etwas Spannendes passierte, und lauter wurden, wenn der Höhepunkt erreicht war, um die angespannten Zuhörer zu erschrecken. Einmal übernahm auch Lulanivilay, der ganz glücklich erzählte, wie Dhaôma ihm aus der Patsche geholfen hatte – nicht dass ihn irgendeiner wirklich verstand, aber es gefiel ihm, dass sie ihm lauschten.

Der Wald der seltsamen Dimensionen löste skeptisches Gemurmel aus, so dass Mimoun Dhaôma vorschlug, ihnen zu zeigen, wie groß die Erdbeeren gewesen waren, die er mitgebracht hatte – natürlich ganz uneigennützig. Trotzdem futterte er danach fleißig Erdbeeren.

Der Zeitmagier, Lesley, stieß auf großes Interesse, da er schon viel länger lebte als Addar, und natürlich fragte der Älteste, ob sie in Erfahrung gebracht hatten, was den Krieg ausgelöst haben könnte. Dhaôma konnte ihm bloß sagen, dass Lesley sich geweigert hatte, ihnen das zu sagen, weil es die Zukunft ungünstig beeinflusste, wenn sie es ‚jetzt schon’ wussten. Überhaupt hatte er recht wenig gesagt über damals, solange es nicht die Drachenreiter betroffen hatte.

Während der ganzen Geschichte ließen sie jedoch schön weg, wie man zur Insel der Drachen gelangen konnte oder wo genau sie sich befand, immerhin sollten etwaige Nachfolger den Weg alleine finden.

Es war längst Nachmittag, als sie endeten, indem sie erzählten, wie sie hoch über den Inseln geflogen waren, um hierher zu gelangen, damit man sie nicht überraschen konnte.
 

Nahezu ein kompletter Tag war dafür drauf gegangen, die Freunde zu begrüßen und Geschichten zu erzählen. Dabei standen noch genug Aufgaben bezüglich des bevorstehenden Winters an. Für eine Jagd war es heute schon zu spät und so beschränkte man sich darauf, den von Dhaôma produzierten Pflanzenreichtum einzulagern.

Als Mimoun helfend zur Hand gehen wollte, wurden die jungen Drachenreiter freundlich zum Babysitten verurteilt. Sie waren derzeit die einfachste Möglichkeit, die Rasselbande beschäftigt und unter Aufsicht zu halten. Und nicht nur die zwei wurden in Beschlag genommen. Auch die Drachen waren schnell wieder im Mittelpunkt. Dem kleinen Wasserdrachen war das gar nicht recht und er flüchtete mit einem Pulk Kinder im Nacken.

Erst ein scharfes Wort Mimouns brachte sie zur Ruhe. Erschöpft flüchtete sich Tyiasur auf die Schulter seines Reiters. Lachend kraulte dieser den blau geschuppten Kopf.

„Du magst keine Kinder, oder?“

„Sie sind laut und quirlig und ihre Gedanken sind verwirrend.“, hörte nur Mimoun.

Irritiert sah Mimoun den Drachen an. Er verstand nicht ganz, was der Drache meinte.

„Ihre Gedanken sind zwar einfach, aber völlig unlogisch, folgen nicht so wie eure klaren Bahnen.“

Du kannst Gedanken lesen, dachte Mimoun gezielt und der kleine Drache nickte zur Antwort. „Das ist toll. Das ist wirklich großartig!“
 

Unterdessen wurde es abends. Dhaôma war wieder in seine alte Verhaltensweise verfallen, die Beute beim Spiel der Kinder zu sein. Er war das große Böse, das die Drachenjäger jagten und vernichteten. Und wie schon zuvor war Amar auf seiner Seite. Er spielte den Gehilfen des Bösen wirklich überzeugend. Mit seiner viel zu hellen Stimme lachte er manisch, während er den anderen Fellbälle an die Köpfe warf, was jedes Mal als Sieg galt.

Dann ging die Sonne farbenprächtig unter und seit langer Zeit zum ersten Mal konnte Dhaôma sie wieder bewundern. Zumindest bis der erste Schreckensschrei zu ihm drang. Eine Mutter hatte ihr Kind gesehen. Da es vor dem Spiel mit Dhaôma und auch währenddessen immer wieder in Ufernähe im Schlamm gewesen war, war es von oben bis unten verkrustet. So wie auch jedes andere Kind. Die Kinder störten sich nicht daran. Was machte das bisschen Dreck schon? Aber die Mutter begann zu schimpfen, es solle sich sofort waschen gehen. Andere fielen in den Sermon mit ein und geknickt zogen die Kinder ab.

„Na, soll ich euch helfen?“, fragte Dhaôma und gesellte sich zu ihnen. Er sah kaum weniger schlimm aus.

„Schwimmst du dann? Wie ein Frosch?“

„Oh, können wir auf dir reiten?“

„Nein.“, wehrte der junge Mann lachend ab. „Ich kann keinen tragen, wenn ich schwimme. Aber wir können etwas anderes machen.“ Verschwörend zwinkerte er und schon hellten sich die Gesichter vor Spannung wieder auf.

Das Waschen wurde wieder zum Spiel für alle Beteiligten, denn Dhaôma ließ Wasserblasen fliegen und warf die Kinder damit ab. Natürlich gab das ein schier ohrenbetäubendes Quietschen und Geschrei und Revanchegespritze, aber am Ende waren alle sauber und nass und zufrieden. Die meisten der Kinder gingen an diesem Tag ohne Murren ins Bett.

Wie zuvor auch schon wurde den beiden Gästen ein Bett in Addars Hütte angeboten, aber Dhaôma lehnte ab. Es war noch warm draußen und er wollte Lulanivilay nicht alleine lassen. Der Drache hatte an diesem Tag einfach viel zu wenig Aufmerksamkeit von ihm bekommen und musste sich so fühlen wie er, als er zuerst auf die Inseln gekommen war. Die Leute hatten Angst vor ihm und das war niemals ein schönes Gefühl.

Die Sorge war dann unbegründet, denn der große Grüne hatte selten so viel Spaß gehabt. Er hatte dagesessen und beobachtet, hatte Kleinigkeiten im Verhalten der Hanebito gesucht und sich damit beschäftigt, Kinder, die seinen Schwanz berühren wollten, den er lang ausgestreckt hatte, zu erschrecken, indem er im entscheidenden Moment wegzuckte.

Selbstverständlich schlief Mimoun bei seinem Kameraden draußen, auch Tyiasur zuliebe, der weniger Spaß mit den vielen Leuten hatte, da bei ihm die Hemmschwelle für Berührungen weitaus geringer war. Also lieh man ihnen warme Felle, die den Boden polsterten.

Und mitten in der Nacht waren dann Amar und Elin da und fragten, ob sie auch unter freiem Himmel schlafen konnten, weil sie das noch nie gemacht hatten. Es gefiel ihnen so gut, dass sie beschlossen, es öfter zu machen, um schon mal für später zu trainieren.
 

Zufrieden mit sich und der Welt hatte sich der Geflügelte nach der nächtlichen Störung bezüglich seines Kuscheltieres umentschieden und Elin in seine Arme gezogen. Tyiasur hatte sich daraufhin in seinem Rücken zusammengerollt und den Kopf auf dem Hals seines Reiters zur Ruhe gebettet.



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