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Weil du doch mein Freund bist

von

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Lautes Donnern erklang durch das Einfamilienhaus. Eine getragene Socke flog durch das elterliche Schlafzimmer. „Lardna! Wo ist meine zweite karierte Socke? Und wo hast du meine schönste Krawatte hingelegt?“ Entnervt stampfte der Mann Richtung Badezimmer und klopfte gegen die verspiegelte Türe. „Ich bin nicht dein Kindermädchen!“, bekam er als Antwort zu hören. Knurrend drohte Aloysius die gläserne Türe einzuschlagen, wenn sie sich nicht sofort dazu entschloss, ihm zu helfen seinen Schlips zu suchen. Genervt zog die Frau ihre grossen Lippen mit ihrer favorisierten Farbe nach und überprüfte ihr Aussehen im gerahmten Spiegel. Unbemerkt schlich sich ein blonder Junge zurück ins Kinderzimmer. Er öffnete leise die Türe, lief zu einem Bett und rüttelte an der Decke.

„Du kriegst riesigen Ärger, wenn du nicht sofort aufstehst!“ Als er keine Antwort bekam, zog der Junge ruckartig die Decke weg und hüpfte auf das knirschende Bett. „Mom und Dad sind ziemlich gestresst. Sie streiten auch wegen gestern weiter. Dad ist böse auf Mom, weil sie nicht mitkommen will. Du weisst doch, heute ist ein wichtiger Tag für Dad. Hat er doch gesagt.“ Da der im Bettliegende sich immer noch schlafend stellte, musste sein kleiner Bruder direkter werden. Er schüttelte heftiger an der linken Schulter und liess erst locker als der Angesprochene ihn mürrisch wegschupste. „Du kleine Ratte, lass mich in Ruhe!“, knurrte Porky wütend, während er die Decke wieder über sich ziehen wollte. Jedoch schnappte sein Bruder Picky die Decke und sprang mit ihr vom Bett. Auch als der Kleine von seinem älteren Bruder beleidigt und ihm die schlimmsten Strafen angedroht wurden, gab er das Gewünschte nicht aus den Händen. Irgendwann fielen Porky keine Argumente mehr ein. Er gab sich murmelnd geschlagen. Natürlich nahm er die Warnungen seines kleinen Bruders ernst, aber er hatte seine Gründe um nicht aufzustehen. Da nahm er den Zorn seiner Eltern gerne in Kauf. Die bedrückte Stimmung im Kinderzimmer wurde von einer heftigen Diskussion der Eltern begleitet. Das Wort Versager vernahm man in wenigen Sekunden öfters geschrien, welches aber von verwöhntem Weibsstück gekontert wurde. Es folgten die üblichen Drohungen, das er es nicht mehr lange in so einer undankbaren Familie aushalten würde und das er sein Leben bis jetzt verschwendet hätte. Sie warf höhnisch ein, dass sie Besseres verdient habe und sie jederzeit einen bedeutenderen Mann finden könnte. Picky zuckte zusammen, als die Erwachsenen Richtung Esszimmer eilten. Bittend blickte er Porky an: „Ich hab dich gewarnt. Ehrlich, ich will nicht das du Ärger bekommst.“ Der Junge liess die Bettdecke fallen und ging zu Türe.

„Ach ja. Alles Gute zum Geburtstag, Porky.“ Schulterzuckend verliess er den Raum.
 

Lardna nippte an der geblümten Kaffeetasse. Kalt betrachtete sie ihren Ehemann und zog erneut ihre Lippen nach. Aloysius biss in das dick mit Butter bestrichenes Brot und schnauzte seine Frau an: „Du musst dich nicht versuchen auf zu hübschen. Nützt bei dir nicht mehr. Und kostet unnötiges Geld“ Da er im Augenblick nicht beachtet wurde, getraute Picky sich ein Brötchen zu nehmen. Während seine Eltern laut diskutierten, ass der Junge still sein Frühstück. Die Erwachsenen stopften ihre Portion sprechend in sich hinein.

Picky überlegte sich gerade wegzuschleichen und seinem Bruder das Brötchen hinauf zu schmuggeln, als die unüberhörbare Stimme des Vaters erklang: „Wo steckt dieser dicke Faulpelz von einem Sohn schon wieder?“ Sein Blick glitt zu seiner Gattin, die gleichgültig ihre Bluse zu Recht zupfte. „Ich hab ihn seit gestern Nachmittag nicht mehr gesehen. Oder war es Abend?“, flötete sie und erhob sich vom Stuhl. „Ich bin nicht eure Sklavin. Ob ihr es glaubt oder nicht: Es gibt Menschen, die mich noch als Frau sehen.“ Theaterisch stöckelte Lardna davon. Aloysius knurrte empört: „Ist es gottverdammt zu viel verlangt, wenn ich mir wünsche, das wir wie eine normale Familie zusammen die Mahlzeiten einnehmen? Zwei Mal pro Tag. ICH LASSE MIR NICHT SO AUF DER NASE HERUMTANZEN!“ Poltern schoss der Mann hoch, knallte die Tasse auf den Tisch und stampfte Richtung Treppe. „Dad, warte!“, Picky, der bis jetzt geschwiegen hatte, stellte sich vor ihn hin. „Porky ist …“ klatsch Picky taumelte zur Seite, hielt sich betroffen seine rechte Wange und spürte, wie Tränen in seine Augen stiegen. Der Lärm von unten drang verständlicherweise bis nach oben. Porky zitterte am ganzen Körper. Natürlich war ihm bewusst, das seine Aktion den Zorn seines Vaters auf sich zog. Dieser war heute aufgebrachter als sonst.

„DU KOMMST AUGENBLICKLICH AUS DEM BETT ODER ICH …!“, Aloysius betrat schnaubend das Kinderzimmer. Er zertrat einen Spielzeugsoldaten, zog grob die Decke von Porky und packte ihn an Arm. Obwohl der Junge versuchte seinen Vater zu erklären, warum er noch im Bett lag, wurde er heftig durch geschüttelt. Danach ins Badezimmer geschoben. „Du bist das dümmste, faulste und dreckigste Kind, welches ich je gesehen habe. Manchmal denke ich, ich habe ein Schwein grossgezogen.“ Porky biss die Zähne zusammen und nickte nur. Es hatte keinen Sinn seinem Vater zu widersprechen. Er setzte sich auf die Toilette. Er wollte nachdenken, doch er hatte nicht damit gerechnet das sein Vater ihn seine Kleidung hinterher schleppte. „Warum hast du dich nicht schon ausgezogen?“, wurde er angebrüllt. „Dad, mir …“, fing er an, da wurde Porky gepackt. Eine weitere Ohrfeige war zu hören. „Ich arbeite mir den Rücken krumm und so was ist mir der Dank? Ist es zu viel verlangt, das man meinen Worten gehorcht?“ Endlich liess der Vater von seinem Sohn ab. Sein Blick erhielt den ganzen Groll, den Aloysius auf die Welt hatte. Porky, der auf dem gepunkteten Badezimmerteppich kauerte, nuschelte mit aller Demut, den er aufbringen konnte konnte: „Entschuldige mein schlechtes Verhalten, Dad.“
 

Die nächsten fünf Minuten war Porky alleine im Raum. Er bettete seinen Kopf auf den kühlen Badewannenrand. Seine Gedanken kreisten wirr im Kopf herum, jedoch stach einer besonders hervor. Eines Tages werde ich stärker sein als du. Wenn ich König über die Welt bin, wirst du niemanden mehr wie Dreck behandeln. Der dickliche Junge ballte seine Hände zu Fäusten. Doch das Gefühl von Schwäche verschwand nicht. Plötzlich stand die Mutter in der Türe und sah überrascht auf ihren Sohn. „Was machst du hier?“ Ihr Gesichtsausdruck wurde strenger. Direkt sah sie ihn an. „Junger Mann, auch für dich ist Schule. Oder ist heute ein besonderer Tag?“

War ja klar, dass sie meinen Geburtstag vergessen. Porky atmete tief ein, um sich zu beruhigen. Das er vor wenigen Minuten eine Ohrfeige von seinem Vater bekam, interessierte seine Mutter nicht. Vermutlich dachte sie eh, dass er es verdient hätte. So lief es immer, egal ob bei Picky oder ihn. „Ich habe Bauchschmerzen. Und mir ist übel“,sagte der blonde Junge. Seufzend wedelte sich die Frau Luft zu. „Das geht nicht. Heute habe ich mein Mädchen-Ausgeh-Tag. Ich kann nicht absagen. Und dein Vater“, Lardna verdrehte genervt die Augen, „hat heute sein Geschäftsessen. Wenn der Versager sich nicht schon wieder ungeschickt anstellt, bekommt er endlich eine Beförderung.“ Sie überlegte und sah ihr Kind schnippisch an: „Geh in die Schule oder bleibe zu Hause. Aber falle uns nicht auf die Nerven.“

Sie packte ihn und zog in sein Schlafzimmer. „Manchmal wünsche ich mir, das du und dein Bruder in einem Internat wohnen.“ Mit zwei Fingern griff die Mutter nach einer sauberen, gestreiften Unterhose, warf diese dem gedemütigten Jungen zu und schnaubte tief. „Ihr seid heute Mittag alleine. Koch was für deinen kleinen Bruder. Aber mach die Küche nicht wieder schmutzig!“ Porky, der mit seiner Unterhose in den Händen herum spielte, sah seiner Mutter ins Gesicht und nickte brav. Bevor er jedoch wieder ausgeschimpft wird, entschloss er sich sicherheitshalber mit einem Satz zu antworten: „ Ja, das werde ich tun. Darf ich aber jetzt zu Hause bleiben? Mein Bauch tut echt stark weh.“ Lardna rollte die Augen. „Mach was du willst, du Nervensäge. Mama ist beschäftigt.“ Sie hatte das Zimmer noch nicht verlassen, da murmelte der unglückliche Junge „Du dumme Kuh! Ich brauch dich nicht.“ Und kroch wieder in sein Bett.

Wenn ich König über das Universum bin, wirst du mich auch einmal in die Arme nehmen. Und Dad schlägt uns nicht mehr. Es wird jeden Tag mein Lieblingsessen geben. Und Geschenke, die meiner würdig sind. Leise lachte er vor sich hin und ein breites Grinsen zierte sein bleiches Gesicht. Die Haustüre wurde geräuschvoll geöffnet. Seine Eltern redeten immer noch hitzig miteinander. Kaum waren sie aus Sichtweite, herrschte friedliche Ruhe. Nur das ticken der Uhr im Gang war zu hören.

Porky atmete tief aus und schloss erleichtert die Augen.
 

Sein Bruder trappelte die Treppe hoch. „Willst du nicht zur Schule?“, fragte dieser ihn emotionslos. „Nein. Heute will ich meine idiotischen Mitschüler nicht sehen“, knurrte Porky. Sein Bauch tat langsam wirklich weh. Warum fragten ihn alle, weshalb er die Schule schwänzte? Er war niemanden eine Antwort schuldig. Es kümmerte ja in Wahrheit eh keinen, wie es ihm ging. Er brauchte auch kein geheucheltes Mitgefühl! „Geh in die Schule, du kleiner Wicht.“ Trotz der feindseligen Stimmung ging Picky nicht. Unschlüssig musterte er seinen Bruder. Langsam nährte sich der Jüngere dem Bett. „Ich weiss ja, das du nicht gerne in die Schule gehst“, sprach Picky und setzte sich auf die Bettkante, „aber heute ist doch dein Geburtstag.“ Sanft stich er über die verschwitzen Haare seines älteren Bruders. Porky seufzte innerlich. „Das sagst ausgerechnet einer, der ein Mädchen als einzigen wirklichen Freund hat. Auf dein Mitleid verzichte ich, du Schwächling.“ Eigentlich wollte Porky das nicht sagen. Aber die Worte sprudelten aus seinem Mund. Picky stand auf, zog die Schultern hoch und ging.
 

Einige Minuten verstrichen. Picky war nun auch aus dem Haus. Der Blonde erhob sich aus dem Bett und öffnete das Fenster. Er spähte nach draussen. Als er Picky von weiten erkannte, stolperte der Junge nach hinten. Panisch suchte er nach dem Fernrohr, welches schon lange in seinem Besitzt war. Zwar war es kaputt und die Farbe splitterte ab. Für einmal kurz durchschauen sollte es aber noch reichen. Nachdem Porky es beäugt hat, rannte er zurück zum Fenster. Konzentriert schaute er hinaus. Tatsächlich unterhielt sich sein Bruder mit dem nervigen Nachbarsmädchen. Diese wuselte um ihn herum. Porky schüttelte genervt den Kopf. Als die nächste Person dazukam, musste der Junge sich beherrschen um nicht vor Wut das Fernrohr ganz zu zerbrochen. Picky plauderte wahrlich mit Ness.

Ness, der ja von allen so sehr geschätzt wurde. Ness, der das Glück hatte, eine tolle Familie zu haben. Ness, der alles besser kann als ich. Tränen stiegen in seine Augen. Schnell wischte er sie weg. Picky würde jetzt zur Schule gehen. Erleichtert wollte Porky das Fernrohr weglegen, da bemerkte er was. Aufgeregt unterhielt sich sein Bruder mit dem Nachbarsjungen. Dieser blickte Richtung Haus. „Stirb doch einfach“, schrie Porky und warf das unschuldige Fernrohr an die Wand. Ness war es doch egal, ob er zur Schule ging. Sicher hatte auch er seinen Geburtstag vergessen. Aufgewühlt schlug der blonde Junge mit den Fäusten an die Wand, bis seine Knöchel aufgeschürft waren. Mit Tränen in den Augen fiel er aufs Bett.
 

All die Jahre ging Porky nie während seinem Geburtstag zur Schule. Es interessierte eh niemanden, ob er da war oder nicht. Für die Mitschüler war er ein fettes Schwein. Ein Versager. Ein Trottel. Warum sollten Sie den bei seinem Geburtstag freundlich zu ihm sein? Die Erwachsenen schmunzelten über seine Sorgen. Nannten die Streiche und Hänseleien die ihm angetan werden harmlose Kindereien. Das diese Hänseleien sich wie Messerstiche in sein Herz und Seele bohrten, ignorierten sie. Manchmal hatte Porky Glück und sein Ehrentag fiel auf die Ferien oder Wochenende. Dann musste er nicht so tun, als würde er sich über die vorgemachten Glückwünsche der Mitschüler freuen.
 

Die Sekunden und Minuten krochen langsam dahin. Der dickliche Junge wachte aus seinem Nickerchen auf. Er wischte sich den Schweiss vor der Stirn. Die blonden Haare klebten an seiner Haut. Mühsam erhob Porky sich, gähnte laut und schlürfte erschöpft ins Bad. Wie näher er kam, desto intensiver stieg ihm der blumige Geruch eines Frauenparfüms in die Nase. Natürlich, hat sich wieder schick gemacht. Manchmal konnte er die Erwachsenen nicht verstehen. Warum sagten sie Dinge, die sie nach wenigen Tagen wieder vergassen? Immer wieder predigten sie, man müsste jederzeit ehrlich und höflich zu den Mitmenschen sein. Aber selber durften sie Theater spielen. Logen sich an. Für mehr Geld und Ansehen. Wie lächerlich sie doch alle waren.

Sein nächster Halt war die Küche. Das Geschirr war im Becken gestapelt und das Essen weggeräumt. Seine Augen wanderten Richtung Küchentisch. Auf seinen Platz. Ob es irgendwer merken würde, wenn er nicht da wäre? Würde die Polizei nach ihm suchen? Würde sein Steckbrief auf Milchflaschen gedruckt? Entschieden schüttelte er den Kopf um diese Gedanken wegzukriegen und holte sich ein sauberes Glas aus dem dunkeln Küchenschränkchen. Während er sich ein Tablett mit einem verspäteten Frühstück richtete, summte er die Happy Birthday Melodie vor sich hin. Er streckte sich drei Kekse in den Mund und grinste.

„Alles Gute zum Geburtstag, Porky!“, schmatzte der Junge und balancierte das volle Tablett hoch ins Kinderzimmer.



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