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Angel of Ashes

Wenn Engel die Welt beherrschen
von

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Die Burg aus Fels

Aufgrund der Anwesenheit der Engel, die aus irgendeinem Grund keinen Schlaf brauchten, dauerte es ewig, bis alle aus ihrer Gruppe eingeschlafen waren. Auch Sheena fühlte sich unwohl und hatte Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Sie lag etwas abseits und starrte in den Sternenhimmel. Immer wieder wanderte ihre Gedanken zu dem seltsamen Engel Sem, der scheinbar ein Problem oder anders geartetes Interesse an ihr hatte. Seine grauen, kalten Augen verfolgten sie und wurden noch intensiver, wenn sie die Augen schloss. Er war wie ein personifizierter Albtraum.

Doch sie hatte keine Zeit, sich über ihn Gedanken zu machen. Zu schwerwiegend waren die Entscheidungen, die es zu treffen galt.

Ihre Freunde waren müde und nur noch Schatten ihrer selbst. Sie hatten nicht mehr die Kraft, noch länger der harten Wüstenlandschaft zu trotzen, mit der Angst im Nacken, von den Abtrünnigen heim gesucht zu werden. Konnte sie es ihnen dann verdenken, dass sie die nächstliegende Möglichkeit in Betracht zogen die sich ihnen bot? Nein. Ihre Mutter hätte mit großer Gewissheit ebenso gehandelt. Aber warum fiel ihr das dann so schwer, sich über diese Chance zu freuen? Weil sie sich nicht einpferchen lassen konnte.

Wenn sie nach der langen Zeit, in der sie Tag für Tag gekämpft hatte, nun ein Leben führen sollte, in dem sie ihre Kraft und ihre Eigenständigkeit aufgeben musste, schüttelte es sie. Das war keine Option für sie. Sheena würde alle mit den Engeln gehen lassen, die sich für die Sicherheit der Festung entschieden und diesen geflügelten Wesen trauten, aber sie würde nicht mit kommen.

Diese Entscheidung lag so klar und unbeirrbar vor ihr, dass sie wusste, nichts konnte sie umstimmen. Es gab in dieser Welt nicht viel, was sie am Leben hielt und je mehr Freunde gingen umso weniger lebenswert würde es ihr vorkommen, aber wenn die Engel tatsächlich gut waren, dann würde ihre Gruppe in Sicherheit sein. Mehr wollte sie nicht. Ihr Schicksal würde es sein weiter zu wandern und sie war zufrieden mit dieser Lösung. Ihre Zukunft gehörte ihr und das war ihr wichtig.

In dieser Nacht träumte sie von dem Engel mit den Eisaugen. Zumindest glaubte sie, dass es Sem war, denn alles schien so vollkommen verschwommen. Sie spürte seine Haut, roch einen betörenden Duft, der ihr Herz rasen und ihren Atem stocken ließ, aber sie konnte ihn nicht erkennen. Unbekannte Gefühle schwammen wie Wellen über sie hinweg, während seine Haut über die ihre rieb und sein Körper mit ihrem verschmolz. Ihr entwich ein lautloser Schrei, der ungehört in der ätherischen Atmosphäre des Traumes verhallte. Was ihr dieser Traum vorgaukelte, hatte sie noch nie gespürt und sie fühlte sich dem Chaos und des Wahnsinns nah, während sie eine Ekstase erlebte, die sie wünschen ließ, niemals aufzuwachen. Eine Wärme breitete sich in ihr aus, welches heißer loderte als jedes Feuer. Tränen benetzten ihre Wangen, in dem Wunsch, dass dieses Gefühl lange bleiben möge.

Mit den ersten Sonnenstrahlen verflüchtigte sich jedoch der Nebel und Sheena öffnete die Augen. Sie spürte nicht nur eine seltsame Verwirrung, sondern auch den Widerhall des Traumes in ihrem Körper. Sie setzte sich auf und hielt sich den Kopf. Entweder sie hatte zu viel Sonne abbekommen oder die Anwesenheit der Engel ließ sie wirklich verrückt werden. Sie war versucht, ihren Körper nach Spuren der Hitze zu überprüfen, doch leise Gespräche holten Sheena in die Wirklichkeit zurück.

Sie hob den Kopf und sah sich nach den anderen um.

Die Engel standen in der Nähe der schwelenden Glut, starr und unbeweglich wie Statuen, während ihre Freunde geschäftig im Lager kramten.

Sie packten. Sheena wurde das Herz schwer. Warum hatte ihr Unterbewusstsein keinen Traum geschickt, der sie auf das Kommende vorbereitete und nicht dermaßen verrückt machte? Langsam erhob sie sich und trat ins Lager. Während Sem und die Brüder sie nicht beachteten, sahen der Rotschopf und Japhet auf. Letzterer war auch derjenige der das Schweigen brach.

„Wir brechen in wenigen Minuten auf. Die Frauen und Kinder werden zuerst geflogen.“

Sheena runzelte einen Augenblick die Stirn.

„Fliegen? Also ihr werdet sie tragen?“

„Das ist die schnellste Möglichkeit.“

Besorgt sah sie ihre Schützlinge an. Das war ihr unheimlich. Was ist, wenn einer der Engel ein Kind fallen ließ.

Beruhige dich, du dummes Ding, schalt sie sich. Wenn sie den Engeln glauben schenkten, waren sie kostbar. Also würde ihren Freunden kein Leid geschehen. Sheenas Problem war nur das Thema Vertrauen.

Entschlossen wandte sie sich an die fünf Engel, als sie bemerkte, dass die Gruppe abreisebereit war.

„Mit der Hoffnung, dass ihr es ehrlich mit uns meint, danke ich euch, dass ihr sie in Sicherheit bringt. Ich werde jedoch nicht mitkommen.“

Sem’s Kopf ruckte hoch und ein Aufschrei ging durch die Gruppe. Die anderen Engel verzogen keine Miene.

„Bist du verrückt geworden?“, sagte Frank. „Wir bekommen ein Zuhause und Sicherheit geboten und du schlägst das aus?“

Sie sah, dass die anderen ebenso wenig Verständnis für sie hatten und nicht wenige der älteren Frauen wirkten zutiefst erschrocken. Es tat ihr Leid die Angst in ihren Gesichtern zu sehen, aber sie hatte sich entschieden.

„Du kennst mich, Frank.“ Sie sah sich nach den anderen um. „Ihr alle seid bereits so lange mit mir unterwegs. Ich kann mich nicht knechten lassen, ob im Guten oder im Schlechten. Das würde mich wahnsinnig machen, bitte versteht das. Lieber sterbe ich, als dass ich den Rest meines Lebens vor mich hin sieche.“

Einige der Kleinen fingen an zu weinen und Sheena kniete sich vor sie. Paula, Kira und Miro warfen sich ihr in die Arme, während die älteren Kinder versuchten stark zu sein. Stolz blickte Sheena in die Runde.

„Ich werde euch nicht vergessen, niemals hört ihr? Aber ihr müsst mir was versprechen, okay?“

Sie sah den Kindern in Augen und alle nickten sie, die einen mit laufender Nase, andere mit schmollenden Mündern.

„Ihr passt mir auf die Älteren auf, damit sie keine Dummheiten machen und glücklich werden.“

Sie hörte Schluchzen, unterdrückte aber die eigenen Tränen und wandte sich dann wieder an die Engel.

Der Blick mit dem Japhet sie bedachte, ließ sie schaudern. Seine Haut wirkte, als habe sie sich verdunkelt, wirkte fast schwarz und Wut begegnete ihr in seinen Augen. Auch die anderen schienen verstimmt und Sem schien sich nur mühsam beherrschen zu können. Wachsam musterte sie die Engel, deren Verhalten das Misstrauen in ihr erneut auflodern ließ.

„Stimmt etwas nicht?“

„Du wirst mit uns kommen!“ Japhet’s Stimme kam einem Donnergrollen gleich. Sheena runzelte die Stirn.

„Ihr sagtet nichts davon, dass wir mit euch kommen müssen, soweit ich weiß.“ Statt dieselbe Angst zu empfinden, die sie in den Gesichtern ihrer Freunde sah, spürte sie ein Echo von Japhet’s Wut in ihr.

„In deinem Fall ist es etwas anderes!“, fauchte der dunkle Engel.

Provokativ stemmte sie die Hände in die Hüften. „Ich sehe da keinen Unterschied!“

„Wir fliegen zuerst die Frauen und Kinder und du bist die Erste!“

„Wieso sollte ich! Ich sagte bereits, dass ich nicht mit kommen werde!“

„Das wirst du nicht entscheiden!“

„Wer denn sonst? Ich bleibe hier!“ Sheena kam das Verhalten der Engel absurd vor.

Nun schaltete sich auch Rotschopf ein und seine Stimme war erstaunlich tief und wohltönend: „Wir müssen dich mitnehmen. Du bist die wertvollste Person in deiner Gruppe!“

Da hört sich doch alles auf. „Jeder hier ist mindestens genauso viel Wert, wenn nicht mehr. Also Schluss damit! Ich bleibe hier!“

Einer der Zwilling richtete sich auf und wirkte äußerst aggressiv, was sie dann doch ein wenig zurück treten ließ. Sofort wanderte ihre Hand zu dem Messer. Sie hätte ihnen niemals vertrauen dürfen! Doch Japhet hob beschwichtigend eine Hand.

„Wir wollen doch keine Fehler begehen!“, sagte er in einem beschwichtigenden Tonfall und obwohl er sie ansah, wusste Sheena, dass er nicht sie meinte.

„Wenn du auf unsere Bitten hin nicht mit uns kommst, werden wir dich zwingen müssen. Du entscheidest ab hier nicht mehr alleine!“

„Das ist wohl ein Scherz. Ich habe bisher immer alleine entschieden!“

„Sheena, du versteht da etwas nicht ganz!“

„Oh, ich verstehe sehr gut! All euer Gerede war nichts als eine Lüge! Ihr seid keine Rettung, kein Segen. Ihr seid nur eine weitere Grausamkeit Gottes!“

Nun schien auch Ignatius verstimmt und Sheena hob die Klinge. Sie würde bis zum Ende kämpfen!

Als der rote Engel nun zu ihr sprach, war keinerlei Freundlichkeit mehr in seinen Worten: „Du trägst ein Kind unter dem Herzen, welches in der Gunst des Herrn steht. Ab jetzt ist es unsere Aufgabe dich und das Kind zu schützen, egal mit welchen Mitteln!“

Sheena entglitt alles aus dem Gesicht. Sie starrte die Engel mit offenem Mund an, ohne wirklich zu begreifen, während durch die Reihen ihrer Freunde Ausrufe der Überraschung und des Unverständnisses gingen.

„Shee, das wussten wir ja gar nicht. Seit wann bist du denn schwanger?“ Frank umklammerte ihren Arm und sah ihr besorgt ins Gesicht.

Sheena schüttelte sich, um den Kopf wieder klar zu bekommen.

„Ich bin nicht schwanger! Das müsstet ihr doch selbst wissen, mit wem und wann soll das geschehen sein?“, fauchte sie Frank und die anderen Alten an, dann blickte sie Japhet direkt in die Augen. Sie spürte die Hitze, die diese absurde Situation in hier hervorbrachte, aber so zornig sie auch war, war da auch eine unbestimmte Übelkeit, die sich in ihrem Innersten manifestierte.

„Was soll dieser Mist! Noch mehr Lügen bringen euch nicht weiter!“

Japhet sah verächtlich auf sie hinab: „In der letzten Nacht ist ein Auserwählter zu dir gekommen. Eure Vereinigung ist besiegelt. Nun trägst du sein Kind. Es ist ein Kind Gottes.“

„Ihr verarscht mich!“ Nur mühsam verdrängte sie ihren seltsamen Traum. Ein Seitenblick auf Sem, den sie im ersten Moment für die Person dieses Traumes gehalten hatte, sagte ihr dass es unmöglich war. Er war wieder so unbeteiligt, als ginge ihn diese Diskussion absolut nichts an.

„Wenn es diesen Auserwählten gäbe, müsste ich es doch wissen. Ich versteh nicht, wieso ihr solche abstrusen Mittel anwendet, damit ich mitfliege. Aber es ändert nichts an meiner Meinung! Ich bleibe!“

Japhet seufzte kaum vernehmbar und nickte dann. Sheena fühlte schon den Triumph, doch dann löste sich Rotschopf aus der Reihe und ging geradewegs auf sie zu. Sie wich zwar zurück, aber er war so plötzlich bei ihr, dass sie nicht einmal Zeit zu protestieren hatte. Ihre Klinge, die sie im Reflex zur Abwehr gehoben hatte, schnitt tief in seine Schulter und erschrocken, ließ sie sie fallen. Doch Ignatius zuckte nicht einmal mit der Wimper. Mit Bedauern in seinen grünen Augen packte er sie nicht gerade sanft um die Taille und dann war sie auch schon in der Luft.

Sie schrie aus vollem Halse, während ihre Freunde unter ihr immer kleiner wurden. Sie schlug nach dem Engel, doch sein Körper schien aus Stahl zu sein, sodass nichts eine Wirkung zeigte.

„Du Monster!“

Immer schneller raste die Landschaft an ihr vorbei und Sheena brachte nicht ein Wort mehr heraus. Stöhnend schloss sie die Augen und kämpfte gegen die Übelkeit an, die in Wellen über sie schwappte. Das war einfach nur ein Albtraum!
 

Zwang

„Bitte lass mich herunter!“, rief Sheena immer wieder, doch der Engel hielt sie mit einer Kraft, die nur unmenschlich zu nennen war. Ignatius presste sie mit dem Rücken gegen seinen stahlharten Körper und hielt ihren Kopf mit einer Hand, sodass sie nicht einmal den Blickwinkel ändern konnte. Er reagierte nicht ein einziges Mal auf ihre Rufe und Bitten und Sheena kämpfte vermehrt gegen die Übelkeit an. Der Boden unter ihr raste unglaublich schnell an ihr vorbei, was Schwindel in ihr verursachte.

„Bitte! Ich kann nicht mehr!“, ihre Stimme wurde immer schwächer, da sie kaum noch die Kraft hatte, den Kopf zu heben. Erst jetzt kam eine Reaktion des Rotschopfes.

„Wir sind fast da! Nur noch drei Meilen.“

Drei Meilen zu viel, wenn es nach Sheena ging, aber er würde sich nicht beirren lassen.

Eine Unendlichkeit später ließ der Wind, der um ihre Ohren pfiff nach und dann spürte sie Boden unter den Füßen. Sofort gaben ihre Knie nach und Sheena musste sich auf der Stelle übergeben. Der Engel wich nicht angewidert zurück, wie sie es vermutet hätte, sondern hielt ihr Haare und Kopf, während sie würgte und bellte einige Befehle, die Sheena in ihrem Elend nicht verstand. Am liebsten hätte sie sich auf die Erde zusammen gerollt und abgewartet, bis die Welt um sie herum aufhörte an ihr vorbei zu fliegen, doch Rotschopf ließ sie nicht los, sondern hielt sie fast sanft aufrecht. Plötzlich waren da noch zwei weiter Hände, die ihr einen Becher Wasser an die Lippen führten.

„ Trink das, meine Kleine. Das hilft ein wenig.“ Die Stimme war leicht rau, aber auf jeden Fall weiblich und Sheena wagte es die Augen zu öffnen. Neben ihr saß eine Frau, die sie Anfang 40 schätzte. Ihre Haare waren blond, von der Farbe hellen Weizens und ihre Augen so blau, wie das Meer. Die erste Frau in diesem Alter, die Sheena seit langem gesehen hatte. An ihrem Blick musste die Frau erkennen, was sie dachte und sie lächelte warm.

„Mein Name ist Rosa. Ich bin so etwas wie die Wirtschafterin hier, die sich um alle anderen Frauen kümmert.“

„Andere Frauen?“, flüsterte Sheena und richte sich auf, nicht nur um sich von dem Engel zu entfernen, der sie ja schließlich entführt hatte, sondern auch um sich um zu sehen. Erst jetzt sah sie, dass die Frau namens Rosa hochschwanger war und Beklemmung machte sich in ihr breit. Dies war also ihre erste Begegnung mit einer der von ihr genannten Zuchtstuten. Sofort wich ihr jegliche Farbe aus dem Gesicht.

Lachend legte Rosa ihre Arme schützend über ihren geschwollenen Leib.

„Das ist schon ein Anblick, da gebe ich dir Recht. Aber man gewöhnt sich dran und wenn man das Kleine erst einmal spürt, ist alles andere vollkommen irrelevant!“ Sie wandte sich an den Engel, der noch immer nicht von Sheenas Seite gewichen war. „Ist sie bereits in anderen Umständen?“

„Seit heute Nacht!“

Zorn schnürte Sheena die Kehle zu und selbst die letzte Übelkeit war schlagartig verschwunden. Genau das hier hatte sie nicht gewollt.

„Wie kannst du dich damit abfinden, die Hure dieser Monster zu sein?“, spie sie Rosa förmlich vor die Füße. „Das ist widerwärtig!“

Sheena hatte damit gerechnet, eine ebenso böse Antwort zu erhalten, doch die ältere Frau blickte sah sie nur nachsichtig an und stand dann auf. Sie reichte Sheena die Hand und bedeutete ihr, ihr zu folgen. Doch alles in Sheena war auf Gegenwehr getrimmt, sodass sie nur die Arme verschränkte und sich nicht rührte. Hochmütig sah sie zu der, auf ihre Art schöne Frau hinauf, die ihr vielleicht gerade ans Kinn reichte. Rosa sah sich nach ihr um und lächelte noch immer, dieses mitleidige Lächeln, was man oft kleinen Kindern schenkte.

Hinter ihr regte sich der Engel. Er erhob sich in die Luft und verschwand. Sheena vermutete, dass er den Rest ihrer Gruppe holen würde, sie hoffte es.

„Bitte komm mit. Ich möchte dir etwas zeigen!“

Bockig sah Sheena sich um. Sie war in so einer Art Burghof, der von Mauern umzogen war, jedoch sah sie weder ein Tor noch eine Tür, die aus diesem Hof hätte führen können. Um sie war nichts außer kaltem, grauen Stein. Keine Engel und auch sonst kein lebendes Wesen. Hinter Rosa erhob sich ein Berg, der zwar unförmig und willkürlich aussah, jedoch mit Fenster und Türen gespickt war. Dies konnte nicht von Menschenhand stammen.

Rosa folgte ihrem Blick.

„Beeindruckend nicht wahr. Es sieht mächtig aus, aber man gewöhnt sich daran und die Engel geben ihr bestes, um es uns gemütlich zu machen.“

„Dafür vergnügen sie sich ja auch mit euch!“, fauchte Sheena. Erneut kamen ihr Bilder ihres Traumes in den Sinn. Nur schmerzlich machte sie sich bewusst, dass es kein Traum gewesen sein konnte.

„So darfst du das nicht sehen. Sie sind wirklich gütig und freundlich. Sie tun nichts was uns ein Leid zufügen würde. Die Frauen, die Schwierigkeiten haben, werden in Trance versetzt, in der sie nur die schönsten Gefühle erleben dürfen.“

Sheena kam die Galle hoch.

„Das ist reine Selbstaufgabe!“

Rosa war immer näher gekommen und stand nun so nah, dass sie sich fast berührten.

„Mein liebes Kind! Das ist die einzige Perspektive, die wir auf dieser Welt noch hatten. Und es ist ein gutes Leben.“

„Mein Name ist Sheena!“, flüsterte sie beinahe, „Und ich werde mich nicht einfach zu einem Gegenstand machen lassen.“

Rosa zuckte mit den Schultern und setzte ihren Weg fort, ohne auf Sheena zu warten. Nur widerwillig stand diese auf und folgte der älteren Frau.

„Das bleibt dir überlassen. Da ich vermute, dass du in Trance versetzt wurdest, weißt du auch nicht wer dein Auserwählter ist, richtig?“

„Wer?“, Sheena dachte, sich verhört zu haben.

„Der Mann, der bei dir liegen darf.“

Darf? Sheena schüttelte nur den Kopf. Wie bizarr sollte diese Geschichte denn noch werden?

„Das ist schade. Einige von uns gehen sogar eine richtige Bindung mit ihren Erwählten ein. Das kommt immer darauf an, in wie weit man bereit ist, sich seinem Schicksal zu fügen.“

Sheena wusste, dass sie dafür sorgen würde, dass dieser „Erwählte“ sich wünschen würde, sie niemals berührt zu haben. Hass keimte in ihr auf, doch sie würde sich hüten, dies zu zeigen.

Die beiden Frauen traten in den Schatten des Berges und sie erkannte, dass sie sich mit dieser Bezeichnung geirrt hatte. Alles um sie herum erinnerte Sheena an die Bilder, die sie aus mittelalterlichen Büchern kannte. Sie hatten eine Art riesige Halle betreten, in deren Mitte eine Tafel stand, an der sogar einige Frauen speisten, während andere vor einem gigantischen Kamin standen und sich unterhielten. Als Rosa mit ihr im Schlepptau die Halle betrat, wandten sich ihr gut fünfzehn Gesichter von Frauen zu, die vermutlich zwischen 20 und 50 Jahren waren, meist in den verschiedensten Stadien einer Schwangerschaft. Zu ihren Füßen spielten sogar einige Kleinkinder, wobei keines älter als drei Jahre sein durfte. In ihrer Mitte befanden sich nur drei Engel, die entweder ebenfalls in Gesprächen vertieft gewesen waren oder mit den Frauen aßen.

Sheena unterdrückte ein Würgen. Alleine das Bild erzeugte in ihr eine solche Gegenwehr, dass sie wusste, sie würde es niemals ertragen, sich dieser Welt zu fügen.

Rosa winkte einem der Engel, ein großer, blonder Mann, dessen kantiges Gesicht wahrscheinlich jedes Frauenherz höher schlagen ließ. Nur nicht ihres.

„Sheena, darf ich dir vorstellen, mein Auserwählter: Michael.“

Der Engel lächelte sie freundlich an, doch Sheena fühlte sich wie gelähmt. Als sie nach einigen Momenten noch immer nicht reagiert hatte, übernahm Rosa wieder das Wort.

„Sheena ist erst seit Kurzem eine von uns und fühlt sich nicht ganz wohl mit ihrer Rolle.“, erklärte sie ihm.

Als wenn es das auch nur annähernd traf, dachte Sheena.

Michael nickte verstehend und sie musste den Drang nieder kämpfen, ihn anzuschreien. Diese mitleidige, nachsichtige Art machte sie rasend. Verstand denn keiner, dass sie das hier nicht wollte? Nicht konnte? Das es einfach widerlich war?!

„Ich gehe davon aus, dass man sich weder die Zeit genommen hat, dir deinen Erwählten vorzustellen, noch die die Möglichkeit gegeben hat, zu wählen.“

„Woher du das wohl weißt?“, entgegnete Sheena giftig.

„Das tut mir leid, aber oft seid ihr Menschen nicht in der Lage, die vollkommene Wahrheit zu verstehen.“

Sheena stieg das Blut ins Gesicht: „Welche Wahrheit? Das ihr Menschen schändet und sie zu euren Lustsklaven macht? Sie Kinder gebären lasst, wie Zuchttiere?“ Sie spuckte ihm vor die Füße. „Diese Wahl hätte ich nie getroffen. Ihr hättet mich sterben lassen sollen!“

Es war still in der Halle geworden und nun lauschte wirklich jeder Sheena‘s Worten. Die anderen beiden Engel waren näher getreten, wie um zu bekräftigen, dass sie hier das Sagen hatten.

Michael dagegen blickte sie nach wie vor verständnisvoll und freundlich an.

„Du spottest über deine Mitmenschen. Das ist nicht gerade eine feine Art, aber ich versichere dir, dass dir das keine übel nehmen wird. Rosa wird dir dein Zimmer zeigen. Dort kannst du erste einmal ruhen und wenn du etwas brauchst, kannst du uns gerne rufen.“ Er nickte Rosa zu und wandte sich dann ab. Das war es gewesen. Mehr hatte er dazu nicht zu sagen gehabt?

Fassungslos sah Sheena ihm nach, während er den Raum verließ. Es juckte ihr so unglaublich in den Finger, irgendjemandem ins Gesicht zu schlagen. Vorzugsweise mit Flügeln. Als hätte Rosa dies geahnt, legte sich sanft eine Hand auf Sheenas geballte Faust.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  yesso
2013-09-10T14:51:15+00:00 10.09.2013 16:51
Ich liebe deine Geschichte jetzt schon. Du musst unbedingt weiter schreiben!!!

LG yesso
Antwort von:  Rapsody
10.09.2013 16:56
Danke ^.^


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