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Eine Chance auf Glück?

~ Severus Snapes zweites Leben ~
von

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Der Brief

Severus sah hinüber zum Lehrertisch. Avery hatte recht, alleine schon Dumbledores äußere Erscheinung an diesem Morgen war merkwürdig. Sein Umhang saß schief, seine langen, schneeweißen Kopf- und Barthaare standen wirr zu allen Seiten ab. Auch sein Verhalten war in der Tat seltsam. Der Schulleiter blickte verwundert von einem Schüler zum nächsten, als wäre er im höchsten Maße überrascht, sie zu sehen. Als sein Blick den von Severus traf, runzelte er die Stirn, lächelte dann und prostete ihm quer durch die Halle mit seinem Becher zu.

Diese Geste fiel auch Mulciber auf, der fragend die Augenbraue hob. Severus zuckte mit den Schultern und tat so, als würde ihn der Toast auf seinem Teller weitaus mehr interessieren als der Lehrertisch. Tatsächlich aber fragte er sich die ganze Zeit, was den Schulleiter so durcheinander gebracht haben könnte. So lange er ihn kannte, hatte er ihn noch nie so durch den Wind erlebt.

Ein lautes Flügelflattern erfüllte die Große Halle. Die Eulen brachten die Morgenpost. Ein Waldkauz landete graziös vor Avery auf dem Tisch und gab ihm den Tagespropheten. Währen dieser das Geld für die Eule abzählte, kreischte ein Mädchen in seiner Nähe überrascht auf, als eine Schleiereule wild mit den Flügeln schlagend auf ihrem Teller landete. Diese gehörte Snapes Mutter und hatte sich bei ihrer Landung leicht verschätzt. Augenscheinlich hatte sie ihre besten Jahre bereits hinter sich. Severus murmelte eine Entschuldigung während er den Vogel vorsichtig an sich nahm, darauf bedacht, nicht mit der Butter in Kontakt zu kommen, die an den Brustfedern klebte. Mit einer Servierte tupfte er die Federn notdürftig sauber, bevor er ihr den Brief entnahm. Aus den Augenwinkeln fiel ihm auf, das Averys Hände zitterten, als dieser seine Zeitung nahm. Nachdem er die erste Seite überflogen hatte, entspannten sich seine Züge jedoch kaum merklich und er lehnte sich zurück. Jeden Morgen aufs Neue fürchtete sich der Junge davor zu lesen, dass seine Eltern, beide Todesser, festgenommen wurden.

Severus las die ersten paar Zeilen von seinem Brief und riss ihn anschließend in winzige Fetzen.

„Was ist denn mit dir los?“, fragte Mulciber mit vollem Mund. Er hatte ihn bei seiner Zerstörungswut beobachtet. „Hat deine Mum wieder einen ihrer peinlichen Kosenamen für dich benutzt?“

In der Tat lautete die erste Zeile des Briefes „Guten Morgen, Schnuffel!“, doch es war nicht der springende Punkt. Severus konnte jedes einzelne Wort in diesem Brief auswendig, so oft hatte er ihn in all den Jahren bereits gelesen. Versucht, zwischen den Zeilen versteckte Hinweise zu finden.

Dieser Brief war die letzte Nachricht, die er jemals von seiner Mutter bekam. Sie hatte ihren Mann mit einem Täuschungszauber belegt der dafür sorgte, dass dieser nicht einmal mehr seinen eigenen Sohn wiedererkannte und war abgehauen. Nicht den kleinsten Hinweis auf ihren Verbleib hatte sie ihm hinterlassen. Es war beinahe beleidigend, wie alltäglich ihre letzten Zeilen an ihn waren. Ob er auch brav für die Prüfungen lernte, ob er genügend aß und ja keinen Unsinn anstellte. Auch nach Lily hatte sie sich erkundigt, doch diesen Satz hatte er damals schon durchgestrichen. Zu schmerzhaft war er für ihn nach ihrem letzten und endgültigen Streit.

„Wollen wir gleich in die Bibliothek, zum Lernen?“, fragte Mulciber seine beiden Freunde.

„Jop, bin dabei“, meinte Avery. „Habe nämlich keine Ahnung wie ich den ganzen Stoff von Zaubereigeschichte in meinen Kopf bekommen soll.“

Severus würgte seinen längst kalten Toast hinunter und nickte.

Als er vom Tisch aufstand, zögerte er kurz, bevor er den Brief mit einem Schwenker seines Zauberstabes wieder zusammenfügte und in seinem Umhang verstaute. Er hatte seiner Mutter zwar noch immer nicht verziehen, jedoch brachte er es nicht übers Herz diese letzte Erinnerung an sie endgültig zu vernichten.
 

„Oh man bin ich froh, wenn der ganze Prüfungsstress endlich vorbei ist!“, meinte Avery gähnend.

Bereits seit Stunden saßen sie in der Schulbibliothek und lernten für die drei noch anstehenden ZAG-Klausuren. Besser gesagt, Mulciber und Avery lernten, während Severus nur da saß, Löcher in die Luft starrte und gedankenverloren auf seinem Pergament herumkritzelte. In seinen Jahren als Lehrer hatte er mehr als genug aufgeschnappt, um die Zauberkunst und Geschichte der Zauberei aus dem Stegreif zu schreiben. Was Zaubertränke anging … er musste jedes Mal, wenn die beiden die unterschiedlichen Zutaten in der falschen Reihenfolge aufzählten, regelrechte Wutanfälle unterdrücken. Wenn sie es in der Prüfung genauso machten, würden sie die halbe Schule in die Luft jagen.

„Nein Avery, die Affodillwurzel muss fein zerhackt und nicht zerrieben werden, was ist daran denn bitte so schwer zu verstehen?“, entfuhr es ihm schließlich.

Seine beiden Freunde sahen ihn nur mit großen Augen an.

„Seit wann bist du denn so pingelig, Sev?“, fragte ihn Mulciber.

„Er ist schon den ganzen Tag total komisch ...“, meldete sich auch Avery, von Snape's groben Ton leicht eingeschüchtert, zu Wort.

Ohne irgendetwas zu erwidern, sammelte Severus seine Sachen zusammen und verließ die Bücherei.

„Ich sage es dir, der Umgang mit diesem Schlammblut tut ihm echt nicht gut.“, murmelte Mulciber nachdem Severus außer Hörweite war.

„Ich glaube nicht, dass es nur das ist.“ Avery klang besorgt. „Mal ehrlich, ich erkenne ihn kaum wieder ...“
 

Mit wehendem Umhang stürmte Severus durch das Schulgebäude nach draußen. Dort lehnte er sich an die Außenmauer und atmete tief durch. Die warme Junisonne wärmte sein Gesicht und beruhigte ihn allmählich. In Gedanken versunken blickte er hinüber zum See. Die schillernde Wasseroberfläche war beinahe glatt, in ihr spiegelten sich die wenigen Wolken am Himmel über Hogwarts. Er hatte viele Jahre seines Lebens in diesem Schloss verbracht und hatte sich schon viel zu lange nicht mehr die Zeit genommen, die Schönheit dieses Ortes zu bewundern.

Severus war klar, dass er hier nicht den strengen Lehrer spielen konnte. Auf die Art würde er noch die einzigen beiden Menschen vergraulen, die noch mit ihm redeten. Er würde sich zusammenreißen müssen, wenn er am Ende nicht wieder ganz allein dastehen wollte.

„Naja, irgendwie ist er ja schon ganz süß ...“, erklang eine helle Mädchenstimme, die von einem lauten Gekicher begleitet wurde. Drei Schülerinnen in Gryffindor-Uniform liefen an ihm vorbei, ohne ihn zu bemerken. Als Severus unter ihnen einen roten Haarschopf erkannte, spitzte er die Ohren.

„Klar, wenn man auf hochnäsige Idioten steht.“ Es klang nach Lily.

„Sei nicht so hart zu ihm, er macht dir doch schon seit Jahren schöne Augen.“

„Ja, und darauf kann ich liebend gerne verzichten ...“

Die drei verschwanden im Schulgebäude und Severus bekam den weiteren Verlauf des Gespräches nicht mehr mit. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Über wen haben die drei gesprochen? Über James? Oder vielleicht sogar über ihn? Hatte Lily ihren Freundinnen von seinem Geständnis erzählt? Machten sie sich nun sogar über ihn lustig?

Verdammt, er brauchte dringend eine Ablenkung. Er stieß sich von der Mauer ab und lenkte seine Schritte in Richtung Hogsmeade. Unterwegs begegnete er mehreren Gruppen jüngerer Schüler, die ihre Freizeit genossen, ohne für irgendwelche Prüfungen lernen zu müssen. Bei ihrem ausgelassenen Lachen stellten sich ihm die Nackenhaare auf. Auch wenn er im Grunde wusste, dass es Unsinnig war, hatte er ständig den Eindruck, sie alle würden über ihn lachen. Er hatte es nicht geschafft, dieses Gefühl in all den Jahren abzuschütteln. Aus diesem Grund hatte er in seinem Unterricht jede Art von Gelächter strengstens untersagt.

Ihm war klar, dass die ständigen Sticheleien von James und Sirius, die er jahrelang ertragen musste, dafür verantwortlich waren. Nicht aus Bosheit, vielmehr mangels besseren Wissens, hatten sie ihn nach und nach zerstört. Er hatte nie verstanden, wieso manche meinten mit „weißer“ Magie würde man niemandem schaden...
 

Er blieb stehen, als die heulende Hütte vor ihm aufragte und betrachtete den windschiefen Bau. Es war nur wenige Stunden her, seit er sich da drin mit dem dunklen Lord unterhalten hat. Er erschauderte, als er sich an den brennenden Schmerz und das Taubheitsgefühl, das darauf folgte erinnerte. Er hatte so kurz vor dem Tod gestanden und war bereit, in dessen eisiger Umarmung zu verschwinden. Wollte nichts mehr fühlen, wollte endlich frei sein. Hatte seine letzte Pflicht erfüllt, hatte dem Jungen, den er so sehr gehasst hatte, seine Erinnerungen anvertraut.

Man zwang man ihn jedoch dazu wieder aufzuwachen … Wieso hatten sie ihn nicht einfach in Ruhe gelassen? Er hatte sie um nichts gebeten.

Irgendwie hatte es diese Frau es auch noch fertig gebracht, ihn hierher zurückzuschicken. Ausgerechnet in die Zeit, die er am liebsten für immer aus seinem Gedächtnis gestrichen hätte.

Hatte es irgendeinen Sinn? Wieso musste er die schlimmsten Jahre in seinem Leben erneut durchleben? Wieso war es ihm nicht vergönnt gewesen, endlich Frieden zu finden?

Er seufzte, dann ging er wieder zum Schloss zurück. Bald war es Zeit für das Mittagessen und vielleicht würde er dann Lily wiedersehen, wenn auch nur aus der Ferne.
 

Er stutzte als er bemerkte, dass der Schulleiter nicht an seinem Platz saß. Er war zwar öfter mal beruflich unterwegs, jedoch verließ er die Schule für gewöhnlich nicht in den Prüfungswochen. Und dann auch noch sein komisches Verhalten von heute Morgen … Er konnte sich jedoch nicht mehr erinnern, ob Dumbledore auch damals schon an diesem Tag unterwegs war.

Während des Essens unterhielten sich alle Fünftklässler angeregt über die noch anstehenden Klausuren. Einige hatten sogar ihre Bücher mit an den Tisch genommen und fragten sich gegenseitig ab.

Severus' Blick glitt hinüber zum Griffyndor Tisch. Seine Augen trafen für einen Augenblick auf Lilys, die kaum merklich zusammenzuckte und zur Seite schaute. Wäre der Slytherin Tisch nicht so weit von ihrem entfernt, hätte er vielleicht die leicht rötliche Färbung ihrer Wangen bemerkt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  jane-pride
2013-08-01T19:10:28+00:00 01.08.2013 21:10
Ein schönes Kapitel. Es muss hart für Severus sein, wieder als 16-jähriger zu leben, gerade in seine weniger fröhlichen Vergangenheit. Ich hoffe, dass es dieses Mal besser für ihn laufen wird. Schon in den Büchern fand ich, dass Severus ein faszinierender Protagonist ist.

jane-pride
Von:  Omama63
2013-07-08T14:44:21+00:00 08.07.2013 16:44
Ein super Kapitel.
Haben sie Dumbledore auch zurück geschickt?
Ich kann es garnicht erwarten bis es weiter geht. Schreib bitte schnell weiter.
Könntest du mir eine ENS senden, wenn es weiter geht?


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