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The Sin Verse

von

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Alle Engel kommen in die Hölle

„Dachtest du, du kämst tatsächlich in den Himmel zurück? Obwohl sie dich für deinen Verrat verurteilen? Obwohl deine Seele geschändet wurde? Du bist verdorben!“, schrie Achlys und ihre Stimme bebte voller Verachtung und auch ... Schmerz?

Mir war schlecht. Wie konnte ich das nur übersehen? Engel fielen, ihre Körper wurden zerstört, doch anstatt dass ihre Seele auf der Erde landete, wanderte sie geradewegs in die Hölle, wo sie so lange gequält und gefoltert werden, bis sie selbst zu Dämonen werden. Das war unser Schicksal. Dasselbe Schicksal, dass schon den Lichtbringer und all die anderen vor mir ereilt hatte. Nur erfuhr man dies meistens erst, wenn es bereits zu spät war. Dass ich von diesem schrecklichen Wissen verschont geblieben war, zeigte nur wieder wie naiv und unschuldig ich doch im Dritten Himmel gewesen war.

„So ist das also“, sagte ich ruhig, doch im Widerspruch zu meiner Gelassenheit, rannten mir Tränen über das Gesicht.

„Grace, bitte vertrau mir! Du musst!“ Dalquiel berührte mich am Arm, doch bevor Achlys ihm auch nur ein Haar krümmen konnte, stieß ich ihn von mir und starrte ihn verzweifelt an.

„Nein“, hauchte ich zittrig. „Nein, nie wieder werde ich denselben Fehler begehen. Ich habe genug betrogen zu werden. Genug davon missachtet zu werden. Genug davon nicht geliebt zu werden. Genug, genug, GENUG!

Engel mögen zwar nicht lügen können und vielleicht war seine Absicht, mich in den Himmel zurückkehren zu lassen doch ehrlich gemeint, doch es änderte nichts daran, dass mich eine andere Zukunft erwartete.

Etwas wie Schuld blitzte in Dalquiels dunklen Augen auf. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und er wirkte so angespannt, als ob er am liebsten auf mich zugehen würde, doch er wusste ganz genau, dass weder ich noch Achlys dies zulassen würden.

Besagte Göttin war kurz davor aus der Haut zu fahren; Marinas Lockenkopf sah nun eher aus wie ein schwarzer Dornenstrauch mit giftigen Stacheln; ihre Haut war von Achlys‘ Tintenmuster beinahe komplett blau geworden und aus ihrem Mund krabbelten immer wieder irgendwelche kleinen, aber tödlichen Insekten. Trotz ihres schrecklichen Aussehens, an das ich bereits gewohnt war, nahm sie mich zärtlich in den Arm, wie nur eine Mutter es konnte und wisperte fürsorglich: „Engel sind die schlimmste Art von Dämon, Kind. Du siehst es doch, wie sie andere um den Finger wickeln und dann einfach wegwerfen, sobald man nicht mehr benötigt wird.“ Ihre rauchige Stimme füllte sich mit Wehmut, als beschwöre sie böse Erinnerungen hervor. „Niemand wird dir mehr wehtun.“

Und als ob sie ihren Worten Nachdruck verleihen wollte, spürte ich wie die Wirkung meines Fluchs abnahm und das Gift in meinem Blutkreislauf schwächer wurde, bis ich wieder regelmäßig atmen und meinen Körper bewegen konnte.

Und dann tat ich es. Es passierte so schnell, dass ich erst bemerkte, wie ich meine blutige Rippe tief im Herzen meiner Mutter vergrub, als eine dicke schwarze Flüssigkeit meinen Arm hinab rann und mir den Arm verätzte.

Ich konnte nicht glauben, was ich da getan hatte. Ebenso wenig wie Achlys oder Dalquiel, die beide nicht mehr damit gerechnet zu haben schienen. Ich verlor wohl endgültig den Verstand. „Danke, Mutter.“

„... du ... dummes ... Kind“, presste sie hervor und klang mehr enttäuscht als verletzt. Ihr eigenes, giftiges Blut, das auch durch meine Adern floss, bahnte sich einen Weg durch ihren geborgten Körper und fraß sie von innen heraus auf.

Ein unmenschlicher Schrei stieg aus ihrer Kehle, die jedes Fenster im Umkreis von einer Meile sprengen musste, als ihre Augen hohl wurden und sie sich auflöste.

Mein Kopf schien zu explodieren, als Achlys‘ Essenz in mir in Aufruhr geriet und sich an dem letzten Rest meiner Seele festklammerte, daran riss und zerrte, und dennoch qualvoll aus meinem Körper gezogen wurde.

Die verzweifelten Schreie aller meiner Schwestern und Brüder, die auf der Erde unter den Menschen wandelten und ihre dunklen Dienste angeboten hatten, dröhnten durch meinen Schädel, als sie den Tod ihrer Mutter beweinten, bis ich glaubte verrückt zu werden.

Ich merkte gar nicht, wie ich mich schreiend an Achlys geklammert hatte, als ob ich versuchen könnte, dadurch meine Seele bei mir zu halten, bis mich Dalquiel von ihr weg zerrte und fest in den Arm nahm. Eine merkwürdig zärtliche Geste für einen Engel, der mich nur benutzt hatte. „Es tut mir so leid“, flüsterte er und strich mir über den Kopf.

Ich sah Feuer. Ich brannte. Ich schrie.

Und dann war es vorbei.

So plötzlich wie ein Wimpernschlag, als wäre ich aus einem schrecklichen Albtraum erwacht und spürte weder Schmerzen noch Angst.

Ich fühlte mich …

„Gut?“, fragte eine mir bekannte Stimme und ich sah aus meiner knienden Position hoch.

„Wo bin ich Rabacyal?“, fragte ich den Engel, der, in seiner immerzu wechselnden Gestalt, mir aufhalf. Das Gefühl meiner Seele, meiner Essenz, freien Lauf zu lassen, ohne eine Hülle zu benötigen, war überwältigend.

„Hast du etwa bereits vergessen wie Shehaqim aussieht?“, fragte der erste Prinz, als wäre ihm das völlig unbegreiflich. Sein Körper wechselte von einem Jungen in eine ältere Frau und wieder zurück. Engel hatten keine feste Gestalt – sie mussten noch nicht einmal wie Menschen aussehen – doch ich vermutete, dass er mir zu liebe versuchte eine mir vertraute Form aufrecht zu erhalten. Allerdings war es nicht leicht pure Energie zu formen, wenn man kein Gefäß hatte.

„Es ist lange her“, erwiderte ich langsam. Allmählich erinnerte ich mich wieder daran was geschehen war. Es war, als hätte man meinen Verstand in tausend Stücke gerissen und wurde nun vorsichtig wieder zusammen geflickt. „Ich bin wieder ein Engel“, stellte ich verwirrt fest. „Aber wieso bin ich hier?“

Meine Essenz bebte bei der Erinnerung nach dem grausigen Höllenfeuer, das sich durch meinen Körper fraß und die wahnsinnigen Schreie der gefolterten Seelen, die aus allen Richtungen auf mich eingestürmt waren. „Ich meine, ich tötete Achlys – ich habe die Hölle gesehen.“

Der Engel schwieg für eine Weile, dann erwiderte er: „Wir sollten das woanders bereden.“

Er schnipste mit den Fingern und die Umgebung veränderte sich rasend schnell. Meine Essenz wurde wie von der Erdanziehungskraft nach unten gezerrt, bis ich Luft schnappend die Augen auf riss. Die Augen von Grace, um genau zu sein, deren Körper ich wieder mit Leben füllte.

Ich atmete fast schon erleichtert auf, wieder in diesem zerbrechlichen Menschen zu stecken und blickte mich um.

Wir saßen auf meiner Couch. Die Godiva-Trüffel lagen noch immer unberührt auf dem Wohnzimmertisch, während in meinem ehemaligen Haus bereits einige weitläufige Veränderungen stattgefunden hatten. Kisten stapelten sich überall, alle Kästen waren leer, alle Laden in der Küche waren aufgerissen und der bittere Geruch von Putzmittel schwebte durch den Raum.

Ich öffnete den Mund um etwas zu sagen, wurde aber von Keenan überrascht, der mit zwei Kartonkisten die Treppe hinunter kam und sie zu den anderen stellte. Anschließend wandte er sich um und begann die etlichen Zettel und Fläschchen vom Wohnzimmertisch wegzuräumen, die ich einfach hatte liegen lassen, als ob sie eines Tages von selbst verschwinden würden.

Der Junge sah älter als, erschöpfter. Er hatte dunkle Augenringe und eine krank aussehende Blässe, die nichts mit seinem üblichen hellen Teint zu tun hatte. Selbst seine Haare waren ungestylt und fielen ihm schlaff ins Gesicht. Hatte er abgenommen?

„Er kann uns nicht sehen“, bestätigte Rabacyal, was ich bereits vermutet hatte.

„Es ist besser so“, erwiderte ich, viel ruhiger als ich erwartet hatte. Meine Essenz summte in mir wie ein beruhigendes Schlaflied und machte mich viel ausgeglichener. Oder gleichgültiger. Wie ein Engel. Neutral. Leblos, korrigierte eine Stimme in meinem Kopf. Wie eine Marmorstatue.

Ich runzelte leicht die Stirn. „Was ist passiert, Bruder?“

„Woran erinnerst du dich?“

Die Furche zwischen meinen Augenbrauen wurde tiefer. „Ich tötete Achlys. Dalquiel verriet mich. Schon wieder.“

„Und doch bist du hier“, grinste Rabacyal und bereitete die Arme aus. Obwohl sich seine Lippen verzogen, lag keine Spur Humor in seinen Worten.

Ich war verwirrt. Wieso war ich hier? Wieso war ich wieder ein Engel? Natürlich, ich war dankbar und so unendlich erleichtert, nur ... „Wieso?

„Dalquiel“, erwiderte er schlicht und beobachtete Keenan dabei, wie er versuchte mehrere meiner Tinkturfläschchen auf einmal zu tragen und den Rücken dabei akrobatisch nach hinten verbog.

„Und weiter?“, fragte ich. Ich hatte keinen Grund ungeduldig zu sein, doch ich wurde das nagende Gefühl nicht los etwas Wichtiges übersehen zu haben und ich stand so kurz davor herauszufinden was es war.

Rabacyal stieß einen tiefen Seufzer aus. „Dalquiel ist derjenige, der deinen Platz in der Hölle eingenommen hat.“

Was?!“ Ich starrte ihn perplex an und schüttelte den Kopf. „Moment, wieso sollte er das tun? Er hat mir gegenüber keine Verpflichtung!“

Der erste Prinz mimte meine Bewegung und zog nahezu spöttisch die Augenbrauen nach oben. „Na weil er dich liebt, natürlich, und nie damit aufgehört hat. Ein Fehler, wenn du mich fragst, aber ich bin nicht derjenige, der über euch urteilen wird.“

„Na vielen Dank auch“, schnaubte ich verächtlich.

„Wäre es dir angenehmer mit Jabriel zu sprechen?“

Ich schwieg und dachte an den starrköpfigen Engel, der mit seiner Kraft Legionen besiegen konnte, aber Unterhaltungen mit einsilbigen Wörtern führte. Seine Art war schlichtweg … unangenehm. Rabacyal dagegen war kalt wie ein Eisblock, doch er wusste wenigstens wie man Höflichkeit heuchelte.

„Bitte bleib“, sagte ich.

Der Engel nickte zufrieden und fuhr fort: „Nachdem du gefallen bist, herrschte in Shehaqim Chaos und war kurz davor zu zerfallen, wenn Dalquiel nicht deinen Platz eingenommen und Frieden geschaffen hätte. Jabriel war außer sich und wollte dich für deine Taten hinrichten, doch da warst du bereits in Achlys Fängen und wir konnten dich nicht mehr auffinden. Ich bot also Dalquiel an, dass, sollte er es schaffen Achlys zu töten, würden wir dir erlauben wieder nach Shehaqim zu kommen.“

„Achlys ... wieso hasst sie eu–uns so sehr?“ Falls Rabacyal mein kleiner Ausrutscher aufgefallen sein sollte, sagte er nichts dazu.

„Weil Jabriel dasselbe mit ihr gemacht hatte, was Dalquiel bei dir getan hatte. Unter anderen Umständen natürlich, doch letzten Endes stellte er unseren Vater vor die Urnacht und zog sich seit jeher ihren Zorn auf sich.“

„Oh.“ Mehr brachte ich nicht heraus. Als Giftprinzessin wäre ich vielleicht geschockt und entsetzt gewesen, doch alles schien auf merkwürdige Art und Weise an seinen Platz zu fallen. Es machte Sinn. Und ich bedauerte es.

Alles hätte anders kommen können und ich hätte niemanden verletzten müssen, schon gar nicht Dalquiel. Gott, ich konnte mir gar nicht vorstellen, was er gerade erleiden musste. Meinetwegen. Weil ich nicht warten konnte. Weil ich weg lief. Weil Vaters Wege unergründlich waren.

Meine Essenz krümmte sich vor Schmerz, als würden sich meine Eingeweide zusammen ziehen, als ein plötzliches Klirren meine Aufmerksamkeit zu der Quelle riss.

Keenan war bereits das dritte Mal an uns vorbei geschlurft, doch dieses Mal konnte er das Gleichgewicht nicht halten und alle Fläschchen zerschmetterten auf dem Boden. Der Junge fluchte so wild, wie ich ihn noch nie zuvor gehört hatte, als er sich beugte um die bunten Scherben aufzusammeln. Tränen sammelten sich in seinen Augen, doch er schniefte sie weg, atmete tief ein und holte einen Kehrbesen.

Der erste Prinz sah mich an und seine Essenz leuchtete hinter der Sclera seiner Augen. „Ist es schwer auf der Erde zu leben?“

Die Frage traf mich unvorbereitet. „Wäre es eine Strafe, hierher verbannt zu werden, wenn es nicht so wäre?“

Touché.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Okay, jetzt bleibt nur noch ein Kapitel!
Und wenn ihr wollt, ein Bonus-Kapitel aus Dalquiels POV! Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Raishyra
2013-12-24T15:31:22+00:00 24.12.2013 16:31
ohhh ja! Bitte mahc noch ein Kapi mit Dalquiel! >.<
Ich möchte zu gerne erfahren, was nun bei ihm los ist oder einfahc nur seine Gedanken und Gefühle zu erfahren *_*
Antwort von:  P-Chi
26.12.2013 18:26
Alles klar :D
Dann mach ich den Epilog aus Dalquiels Sicht :)


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