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Young Sherlock

von

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Die Drohung

Überraschender weise gewöhnte ich mich recht bald an den Gedanken, mit einem Verrückten, wie Sherlock Holmes zusammen zu leben. Ja, es kam mir nach einer Woche schon so vor, als würden wir schon ewig ein Zimmer teilen.

Seine Experimente, die häufiger in weniger erfreulichen Ereignissen endeten (ich habe noch nie in meinem Leben jemanden gesehen, der es schafft eine Wohnheim- Küche außer Betrieb zu setzten, nur weil er ein Ei hartkochen will!), sind schon Routine geworden und gegen die nächtliche Ruhestörung durch sein Geigenspiel, was keineswegs schlecht ist, im Gegenteil, doch um halb drei Uhr morgens zerrt es doch an den Nerven, habe ich mir im nächsten  Sainsbury Ohropax geholt.

Doch das, was ich vor wenigen Tagen erlebt hatte, war milde gesagt das Verrückteste, was ich je erlebt hatte.

 

    „Sherlock? Hast du schon von der Frau gehört, die gestern Nacht tot in ihrer Wohnung in der Furnival Street aufgefunden wurde? Die Zeitungen sind voll davon!“ Erwatungsvoll schaute ich in Richtung Badezimmer, wo Sherlock gerade dabei war sich zu rasieren.

    „Der Klempner war´s...“, murmelte er beschäftigt ohne vom Spiegel aufzublicken.

    Entgeistert starrte ich ihn an. „Woher zur Hölle weißt du...“

    „Ich war bereits dort, als du noch tief und fest geschlafen hast...“, er drehte sich zu mir um und grinste. „Übrigens schnarchst du, hat man dir das schon mal gesagt?“

„Bitte was?“, schrie ich. „Sherlock! Red nicht so mit mir!“

Er wand seinen Blick vom Spiegel ab und blickte mich spöttisch an. „Das trifft sich ja gut, ich hatte eh vor zu gehen, Lestrade hat sich bei mir gemeldet...“ Er schloss die Badezimmertür und ging zum Kleiderhacken um sich seine Jacke zu holen.

„Wer ist Lestrade?“, fragte ich neugierig, klappte meinen Laptop zu und erhob mich von meinem Stuhl.

Ohne eine Antwort ging er aus dem Zimmer und knallte die Tür zu. Was zur....

„Sherlock, warte!“, brüllte ich, schnappte mir meinen Notizblock, denn ohne den verließ ich nie das Haus und stolperte hinter 

ihm her. „Ich will mit!“

Doch es scheint als nahm er überhaupt keine Notiz von mir und er lief einfach ungerührt weiter. Dieser... Ich biss mir auf die Lippe um ihm nicht wütend anzuschreien, ich hasste es, dass er mich immer ignorierte.

Schwungvoll riss Sherlock die Türen zum Polizeipräsidium auf und trat mit einem selbstgefälligen Lächeln ein. „Ich bin wieder da-a!“, trällerte er und nahm im Vorbeigehen einem Polizisten einen Coffe to go aus der Hand.

„He!“, protestierte er, doch Sherlock ignorierte ihn geflissentlich.

„Entschuldigen Sie ihn, er ist nicht...“, ich schüttelte den Kopf. „Doch er ist immer so... Entschuldigen Sie...“

Doch der Polizist fluchte nur leise als Antwort und wand sich dann von uns ab, komischer Kerl!

Ich sah nach vorne und entdeckte gerade noch so, wie Sherlock um eine Ecke bog. „He, warte!“, rief ich und erhöhte mein Tempo. „Wohin gehst du?“

„Zu Lestrade, hab ich doch gesagt!“, lachte er und öffnete eine große Tür am Ende des Flurs, aus dem ich gedämpfte Stimmen hörte und trat hinein.

Zögernd folgte ich ihm in den Raum und sah zwei Personen: eine gut gebaute Frau mittleren Alters mit glatten langen braunen Haaren, die mürrisch aufblickte, als wir eintraten und ein junger blonder Mann von maximal 25 Jahren, der sarkastisch Lächelte, als er mich erblickte.

„Ah, Sherlock! Wen bringst du uns denn da mit? Ist das dein neuer Freund?“, er grinste mich an und streckte mir die Hand entgegen. „Inspector Greg Lestrade, freut mich Sie kennen zu lernen.“

  „Ich... bin nicht sein Freund!“, zischte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen, als ich seine Hand nahm. „Er ist nur mein Mitbewohner!“

Doch er ignorierte mich und wand sich an Sherlock: „Schön, dass du so schnell gekommen bist, süß dein Freund!“, grinste er und deutete mit dem Kinn auf mich.

„Ja, nicht wahr?“, grinste der Angesprochene zurück und legte mir die Hand auf den Kopf, die ich mit einem wütenden Fauchen wegschüttelte.

„Lass das, Sherlock!“

„Interessant“, lächelte die Braunhaarige süffisant. „dass der Kleine noch nicht ins Gras gebissen hat...“ Mütterlich tätschlte sie mir den Kopf, sie war fast einen Kopf größer als ich und wieder einmal bemerkte ich, dass ich für mein Alter recht klein geraten war.

„Warum reden ständig alle davon, dass Sherlock mich umbringen würde?“, murmelte ich genervt. Und warum tätschelt man mir so oft den Kopf?!

„Du lebst doch mit Sherlock unter einem Dach, oder?“, fragte Lestrade. Zögerlich nickte ich. „Na dann solltest du unsere Bedenken doch verstehen können!“

Hinter mir meldete sich Sherlock mit einem leichten Räuspern zu Wort und ich fuhr überrascht herum. „Nun“, erklärte er sachlich. „ich fände es freundlich, wenn Sie mit den... Komplimenten...“ Grinste er ironisch. „Aufhören könnten und mir sagen würden, weshalb sie mich angerufen haben, Inspektor.“

Die Frau versuchte ein Lachen hinter einem Husten zu verbergen, doch der Inspektor funkelte sie warnend an. „Donovan, halten Sie sich zurück!“, fauchte er gereizt. Dann seufzte er und wand sich an Sherlock. „Wir haben es mit einem Fall von Vergewaltigung, Mordandrohung und...“

„Nicht mein Bereich!“, schnallte Sherlock zurück, bevor sein Gesprächspartner überhaupt aussprechen konnte. „Ich interessiere mich nur für etwas spannendere Fälle und nicht für so etwas... triviales.“

„Oh glaub mir, Sherlock, dieser Fall wird dich interessieren, denn er fand an eurer Universität statt!“

Sprachlos starrten wir ihn an.

„Bitte was?!“, brachte ich verwirrt hervor. „An unserer Schule... ähm... ich meine Universität?!“ 

„Ja, genau. Wir haben mit den Ermittlungen noch nicht angefangen, denn wir wollten erst dich holen, Sherlock, und fragen, ob du dich der Sache annimmst...“, antwortete Lestrade nickend.

Nun war ich verwirrt. Es war an sich schon seltsam, dass Sherlock mit einem Polizisten befreundet war, doch dass er ihn zu Rate ziehen wollte, ihm sogar den ganzen Fall anvertrauen wollte verstand ich nicht. „Bist du so etwas wie ein Privatdetektiv, Sherlock?“, fragte ich. „Davon hast du mir noch gar nichts erzählt!“ Achselzuckend nickte er. „Aber  die Polizei zieht doch keine Amateure zur Hilfe...“

Empört schnappte Sherlock nach Luft. „John, ich finde es enttäuschend, dass du mich als „Amateur“ bezeichnest, doch wenn ich eins nicht bin, dann das! Soll ich dir noch mal deine Lebensgeschichte erzählen, oder erinnerst du dich nicht mehr an unser erstes Treffen?“, fragte er spöttisch.

Natürlich erinnerte ich mich. Und an die Scham vor ihm innerhalb weniger Minuten am Boden zu kriechen. Röte- ob von der Wut oder dem Schamgefühl was ich empfand, ich konnte es nicht sagen- schoss mir ins Gesicht.

„Ich sehe, du erinnerst dich!“, lachte er sarkastisch.  

Wütend starrte ich ihn an und bemerkte aus dem Augenwinkel, wie sich Donovan und Lestrade  fragende Blicke zuwarfen, als mir klar wurde, wie für die beiden meine Reaktion scheinen musste.

Meine Wangen röteten sich noch mehr und ich sah zur Seite um den neugierigen Blicken der Polizisten zu entkommen.

„Also, da wir nun meine Kompetenz für diesen Fall geklärt haben, denke ich, dass wir nun zur Tat schreiten sollten! Inspektor, ich hätte gerne mehr Details zu unserem Fall, ebenso die Namen des Täters und des Opfers!“, unterbrach Sherlock das peinliche Schweigen, welches nach unserem Wortwechsel eingetreten war. 

Lestrade räusperte sich. „Nun, ich kann dir sogar noch etwas Besseres geben: das Opfer sitzt im Nebenraum!“

Überrascht schüttelte Sherlock den Kopf. „Warum hast du das nicht gleich gesagt, Greg? Ich will sofort zu ihr!“

„Ihr?“, fragte ich verwundert.

„Natürlich, oder hast du schon mal gehört, dass eine Frau einen Mann belästigt und bedroht hat?“, lachte Sherlock. Nein, aber ein Mann einen anderen, wer hat mich denn fast zwei mal umgebracht?, dachte ich verärgert. Sherlock wand sich an den Inspektor: „Wer ist bei ihr? Sie wird ja nicht alleine sein!“

„Anderson!“, Donovan grinste ihn süffisant an und ihr lächeln wurde noch breiter, als sie Sherlocks entnervten Blick sah.

„Wieso unbedingt Anderson...“, stöhnte Sherlock entnervt.

„Wer ist Anderson?“, fragte ich interessiert. Wer konnte Sherlock derartig nerven, von seinem Bruder einmal abgesehen.

„Lucas Anderson ist der Chef der Abteilung für IT Forensik.“ Als ich ihn fragend anblickte antwortete er: „Das bedeutet, dass er sich um Verbrechen kümmert, die irgendetwas mit Technik, Computern und so weiter zutun haben!“ Er seufzte. „Und außerdem war er mein Informatiklehrer, als ich noch auf der Highschool war... Wir konnten uns nicht so wirklich leiden und waren nicht begeistert, uns hier wieder zu treffen...“ 

Auch ein Sherlock Holmes hat Probleme mit Lehrern! Ich war fassungslos! „Beruhigend, dass du die selben Probleme hast wie jeder andere Schüler!“, lachte ich, doch die strafenden Blicke der Polizisten und Sherlocks leises: „Auf einer Polizeiwache wird nicht oft gelacht, vor allem nicht, wenn es grad um einen Fall geht!“, ließen mich verstummen.

„Wie heißt sie?“, fragte Sherlock den Inspektor.

„Ihr Name ist Simpson, Lara Simpson. Sie ist im letzten Collegejahr und möchte nächstes Jahr Linguistik studieren“, antwortete Lestrade. „Aber vielleicht solltest du lieber selbst mit ihr reden!“ Mit diesen Worten verließ er das Zimmer, Sherlock wand sich schon zum Gehen, als er noch einmal zu mir blickte.

„Was ist, kommst du mit, John?“, fragte er.

Hastig nickte ich. „Klar!“

Lara Simpson war gut ein Jahr jünger als ich, hatte schulterlanges rotes Haar und war –wie überraschend- größer als ich. Ich hatte sie schon einige male auf dem gang gesehen und glaubte mich zu erinnern, ihren Rotschopf im Englisch- Leistungskurs gesehen zu haben, doch ich hatte sie als gepflegt und ordentlich in Erinnerung, aber das passte in keinster Weise zu dem Bild, das sich mir bot, als ich hinter Sherlock den Raum betrat.

Sie stand in der hintersten Ecke des Raumes, halb der Wand zugeneigt und hatte die Arme fest um sich geschlungen, so als wolle sie sich selbst umarmen, oder versuchen sich zusammen zuhalten, aus Angst jeden Moment auseinander zufallen. Ihr Körper zitterte und ich nahm an, dass sie weinte, denn ich hörte leise, erstickte Schluchzer. Ihr Haar war zerzaust und fettig, so als wäre sie oft mit den Fingern hindurch gefahren, auch ihre Kleider waren in keinem besseren Zustand, sie hingen schlaff an ihrem Körper hinunter, waren zerknittert und hatten Flecken.

Ich hatte augenblicklich Mitleid mit ihr. Intuitiv ging ich einen Schritt vorwärts, doch Sherlock hielt mich mit ausgestecktem Arm zurück. Sie kennt dich noch nicht, sagte er stumm. Lass mich lieber machen! Skeptisch zog ich die Augenbraue und an seinem Grinsen wusste ich, dass er mich verstanden hatte: Das kann doch nicht dein Ernst sein?

„Miss Simpson?“, meldete er sich, das Lächeln war einem professionellen, einfühlsamen und cleveren Gesichtsausdruck gewichen. „Mein Name ist...“

Beim Klang seiner Stimme blickte sie in unsere Richtung und ein leichtes Lächeln glitt über ihre Züge. „Mister Holmes...“, murmelte sie leise. „Ich habe von Ihnen gehört... Sie sind selbst bei uns Jüngeren eine Berühmtheit!“

Wenn Sherlock verwundert war, so zeigte er es nicht. Er tippte sich nur lächelnd an einen imaginären Hut und meinte im Tonfall eines Butlers: „Steht´s zu Diensten, Mam! Ich wusste nicht, dass man mich bis über die Grenzen meines Jahrganges kennt, sehr erfreut Sie kennenzulernen, Miss Simpson!“

Für einen Moment schien es, als hätte sie ihr Angst vergessen und etwas Röte stieg in ihr bleiches Gesicht. Sie lächelte beschämt zurück und strich sich eine Haarsträhne aus dem  Gesicht. Er erwiderte ihr lächeln und beide tauschten so intime Blicke aus, dass ich das Bedürfnis hatte, den Raum schnellstmöglich zu verlassen.

Sherlock schien mein Unbehagen zu bemerken und räusperte sich kurz. Erst jetzt blickte Lara auch mich an und ihr Gesicht wurde noch röter, als sie mich zu erkennen schien.

„Mein Name ist Watson“, sagte ich und streckte ihr die Hand entgegen. „John Watson. Wir sind im selben Englischkurs, weißt du?“ Sie nickte und schüttelte mir stumm die Hand. „Ich bin der Zimmernachbar von Sherlock...“ Ich deutete mit dem Daumen auf ihn. „Und eins kann ich dir sagen, mit ihm wird es dir sicher nie langweilig!“ Ich lachte, doch sie antwortete nur mit einem leichten Lächeln, das nicht ihr Augen erreichte.

Plötzlich klopfte es hinter uns und Lestrade steckte den Kopf durch die Tür. „Na Sherlock, hast du schon was herausgefunden?“, fragte er neugierig.

„So einiges...“, antwortete er.

Wie kann das sein, fragte ich mich. Er hat doch kein Wort mit ihr gesprochen.

„John, du weißt, das ich nicht mit den Leuten sprechen muss, ihr Aussehen sagt mir genug!“, flüsterte er grinsend zu mir, so als ob er meine Gedanken gelesen hätte. 

Laut zu Lestrade erwiderte er: „Sie wurde von einem ihrer Mitschüler bedroht, sie solle ihm Geld geben, als sie sich wunderte und fragte weshalb, schlug er sie mehrere male, doch als sie sich wieder weigerte griff er zu härteren Methoden und vergewaltigte sie in einer der Damentoiletten.“ Lara schluchzte laut auf. „Das nehme ich jetzt mal als Bestätigung“, grinste er zufrieden und da war er wieder, der Sherlock, den ich ihn kannte, er war nicht der Charmeur, der alle Frauenherzen brach, sondern ein sadistisches Genie, nicht mehr und nicht weniger. „Mit Glück gelang es ihr, ihrem Vergewaltiger einen der Damenmülleimer über den Kopf zu ziehen und ihn so bewusstlos zu schlagen. Das war ihre Rettung.“

Dicke Tränen rannen aus Laras Augen und ich ging auf sie zu, um ihr über die Schulter zu streicheln, doch als ich sie berührte, wich sie fauchend zurück.

„Ach hatte ich vergessen zu erwähnen, dass sie neben dem Schock, den sie durch dieses Erlebnis bekommen hat, auch noch unter Berührungsängsten leidet, mein Fehler, entschuldige John!“, er lachte, woraufhin ihn Lestrade, Donovan, die ebenfalls das Zimmer betreten hatte, und ich ihn ungläubig anstarrten. In so einer Situation für das arme Mädchen kein Mitgefühl zu empfinden, er war so boshaft, dass sich vor Wut auf ihn meine Haare zu Berge standen.

„Sherlock...“, knurrte ich leise, doch ich wurde von Laras tränenerstickter Stimme unterbrochen.

„Er hat Recht, kein Grund ihm böse zu sein!“, schluchzte sie. „Es ist genau so, wie sie es gesagt haben, Mister Holmes. Ihre Fähigkeiten sind wirklich unglaublich!“ Und wieder hörte ich die unverhohlene Bewunderung aus ihrer Stimme.

Sherlock nickte lächelnd. „Schön, dass das jemand mal sagt im Normalfall... werde ich erst einmal als Verrückter abgestempelt.“ Boshaft grinste er Donovan an, die seinem Blick mit erhobenem Kinn trotzte. „So Greg, hast du den Täter schon gefunden?“

Der Inspector kratzte sich verlegen am Kopf. „Noch nicht, wir... waren noch nicht so weit mit unseren Ermittlungen vorgedrungen...“, druckste er.

Abschätzig schüttelte Sherlock den Kopf. „Sucht nach Thomas Leon, er war ihr Freund und...“ Lara schluchzte laut auf. „Und er war der Täter!“

„Wie kommen Sie darauf?“, fragt Donovan gereizt. „Sie können nicht einfach irgendwen beschuldigen!“

„Wenn Sie zur Abwechslung mal anfangen würden zu denken, wären wir hier schon viel weiter!“, seufzte Sherlock entnervt.

„Sherlock, reiß dich zusammen!“, fauchte ich und rammte dem Detektiv meinen Ellebogen in die Seite.

Dieser stöhnte schmerzvoll auf. „Das war jetzt nicht nötig, John!“, fauchte er zurück, räusperte sich dann aber und fuhr in einem versöhnlicherem Tonfall fort: „Miss Simpson ist seit einem guten Jahr in einer festen Beziehung mit Thomas Leon, ein Physikstudent im ersten Semester. Aber wie komme ich auf ihn? Einfach: erstens würde sie niemanden als ihren Freund so nah an die lassen und zweitens schauen Sie sie doch einmal an.“ Abfällig deutete er auf das Häufchen Elend. „Sie ist eigentlich eine starke junge Frau, und nur Menschen, die wir lieben, können uns so verletzten...“ Für einen kurzen Moment fiel ein Schatten über sein Gesicht und in seine Augen trat ein trauriger Schimmer, doch so schnell, wie dieser Moment gekommen war, war er auch wieder verschwunden, doch ich hatte es gesehen. Was hatte mein bester Freund für ein Problem, das ihn derartig belastete und das er vor mir verbergen wollte? 

   Sherlock atmete noch einmal tief aus und fuhr dann fort. „Also...“, sagte er gedehnt, „ich denke, John und ich gehen zurück nach Hause und reden mit Thomas, ein ganzer Polizeikonvoi würde ihn nur verschrecken!“ Er grinste, so als ob er denken würde: Das wäre sicher aber auch ganz lustig!

Lestrade bejahte Sherlocks Vorschlag und auch Donovan ließ sich zu einem Nicken herablassen. Ganz offensichtlich gefiel ihr der Gedanke, dass Sherlock nun den Fall übernommen hatte, ganz und gar nicht, doch sie wollte sich nicht gegen ihren Vorgesetzten stellen, also schwieg sie.

Sherlock öffnete die Tür. „Bye Lestrade, Donovan, Miss Simpson, seine Sie froh, dass ich jetzt da bin!“, lachte er ohne sich umzudrehen.

Zögerlich ging ich ihm hinterher. „Einen schönen Tag noch...“, murmelte ich leise und verschwand hinter Sherlock aus dem Zimmer.

 

„Was hast du jetzt vor?“, fragte ich meinen Freund, als wir das Präsidium verließen.

„Na, das was ich gesagt hab, wir statten Leon einen Besuch ab!“ Er streckte einen Arm aus und rief: „Taxi!“

„Wir fahren Taxi?“, rief ich überrascht. „Ich hab doch gar kein Geld dabei, Sherlock!“

Er grinste spitzbübisch. „Du kannst ja auch anders bezahlen!“, kicherte er.

„Was...?“, ich fühlte mein Gesicht rot werden. „Wie kannst du so etwas sagen, verdammt?!“

Doch ich bekam wieder nur ein Grinsen als Antwort.

Nachdem Sherlock dem Fahrer unsere Adresse gesagt hatte und wir hinten in der Kabine saßen, konnte ich nicht anders, als Sherlock zu fragen: „Sherlock, du ähm...“ Mein Gesicht wurde heiß und er blickte auf. „Stehst du... eigentlich... ähm, naja auf...“ Ich druckste.

Der Detektiv, der mich zuvor fragend angeguckt hatte brach in schallendes Gelächter aus, als er begriff, was ich sagen wollte. „Auf dich?“, gluckste er und ich nickte beschämt. „Nein, sorry Kleiner, ich steh nicht auf Männer!“, er grinste. „Enttäuscht?“

„Was? Nein, im Gegenteil!“, ich atmete erleichtert aus. „Es wäre mir nur eben unangenehm, mit dir in einem Zimmer zu schlafen, wenn ich wüsste, dass du jeden Moment neben mir liegen könntest und...“

Entrüstet starrte Sherlock mich an. „Zu so etwas hältst du mich fähig?“, rief er.

„Ähm... Ja!“, rief ich zurück. „Erinnere dich doch an unser erstes Treffen!“

Einen Moment schien es, als würde Sherlock nachdenken, dann nickte er. „In Ordnung, ich verstehe deine Sorge... Ich bin schon echt verrückt, nicht?“, fragte er lächelnd.

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, nur etwas seltsam!“, ich grinste zurück, da fiel mir plötzlich eine Sache ein, die ich ihn ebenfalls noch fragen wollte: „Was ist eigentlich mit Lestrade warum... benimmt er sich so komisch mir gegenüber?“

„Nun...“, begann Sherlock. „Das liegt daran, dass er in dir den Sohn sieht, den er so schnell verloren hat...“

Überrascht riss ich die Augen auf. „Was?“

„Er ist zwar noch jung, aber bereits verheiratet. Seine Frau war schwanger, doch ein knappes Jahr nach der Geburt des Kindes verstarb dieses. Er wünscht sich immer noch einen Sohn... Und bei dir“, er mustert mich eindringlich, „so einem Musterknaben, hegt er sehr starke Vatergefühle!“

„Armer Lestrade“, murmele ich leise.

Sherlock zuckte mit den Schultern. „Wir alle müssen sterben, ob nun früher oder später, das kann man nicht verhindern!“

„Aber er war noch ein Kind, Sherlock! Hast du denn gar kein Mitleid mit Lestrade oder seiner Frau?“, rief ich laut, doch als ich mir des Fahrers vorne bewusst wurde senkte ich meine Stimme wieder. „Wie kann man nur so herzlos sein!“, zischte ich wütend.

„Würde es ihm etwas bringen?“, gab er abfällig zurück. „Sag mir John, was würde es Lessi nützen, wenn ich ihn bemitleiden würde?“

„Es...“, begann ich, doch dann fehlten mir die Worte. So widerlich es auch war, Sherlock hatte recht, also schwieg ich.

„Du hast es also begriffen!“, murmelte Sherlock.

Stumm saßen wir nebeneinander und fuhren nach hause zurück. 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  seraphim87
2013-09-09T02:52:28+00:00 09.09.2013 04:52
immer wieder was zu lesen gute lösung
Antwort von:  Susuri
09.09.2013 15:29
Phhhhhuuuu~ Zum Glück... Ich fände es doof, wenn meine Leser unzufrieden wären! :3 >////<


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