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Ein magischer Samstag.

Kurzgeschichte.
von

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Ein magischer Samstag
 

„Ok, das war’s für heute! Bitte geht nach Hause, wir schließen jetzt.“ Lächelnd sah Reiko ihrem Kollegen, der die letzten Gäste einsammelte und zum Ausgang begleitete, zu. Ein Blick auf die Uhr hinter ihr verriet ihr, dass es bereits 8 Uhr morgens war. Sie seufzte und beobachtete den Kollegen mit der Security Jacke. „Toshi, sag Bescheid, wenn du Hilfe brauchst, ok?“ – „Danke, Reiko, aber ist schon ok,. Du weißt ja, ich bin die Rückkehr der Zombies ja gewöhnt!“ Reiko lachte. Sie bezeichneten die letzten Gäste im Gothic Club immer als „Zombies“. Einige von ihnen sahen bereits halb untot aus, wenn wie am Abend eintrafen, aber andere erreichten das Level von nichtlebenden Wesen in den letzten Morgenstunden und krauchten nahezu ohne eigenen Willen durch die Flure und Hallen. Während sie die Melodie des letztens Songs vor sich hinpfiff, säuberte Reiko den Bartresen und sammelte die leeren Gläser und Flaschen vom Saal. Sie liebte diese Atmosphäre sehr. Sie liebte auch den prall gefüllten Club mit seiner anonymen wie familiären Atmosphäre, jedoch brachte es ihr ungemeine Ruhe, sobald der Zauber der Nacht vorüber und die Cinderellas und Cinderellos gegangen waren. Nachdem sie ihren Barbereich gereinigt und das Geld ins Büro gebracht hatte, verließ sie nun auch den Club mit einem „wir sehen uns später Leute, gute Nacht!“ und winkte ihren Kollegen zu. Normalerweise wäre Reiko länger geblieben, da die Angestellten des „Midnight“ immer noch ein wenig nach Feierabend zusammen saßen. Aber heute bevorzugte sie es früh rauszukommen und den Sommermorgen draußen zu genießen.
 

Eine halbe Stunde später und mit einem frischen coffee-to-go in der Hand verließ Reiko die kleine Bäckerei. Während das Mädchen mit dem silbernen Zopf durch die Straßen schlenderte, genoss es der Stadt beim Erwachen zuzuschauen. Einige der Passanten ähnelten ihren geliebten Zombie Gästen, als würden sie von einer langen Partynacht kommen. Andere waren gerade erst aufgewacht und joggten oder gingen zur Arbeit. Dies war Reikos Lieblingszeit um die Straßen des Einkaufs- und Vergnügungsviertels Odaibas entlangzulaufen. ‚Das magische Potential dieser Gegend inspiriert mich immer wieder von Neuem. Es ist toll, wie man gleichzeitig Fremder und Teil dieses Areals ist. Genau wie im Club. Wir kennen uns alle nicht, aber trotzdem sind wir miteinander durch dieselbe Magie verbunden.‘ Mit diesen philosophischen Gedanken hielt Reiko vor dem Schaufenster eines kleinen Ladens. An ihrem heißen Kaffee nippend, las sie den Spruch auf einem silbernen Schild, welches die Form eines liegenden Blattes hatte. ‚Der Zauber liegt in dir. Suche ihn. Gebe ihm Gestalt. Lebe ihn.’ Reikos dunkle Augenbrauen bewegten sich ein wenig nach oben. ‘Was für ein Laden ist das? Ich habe ihn nie zuvor gesehen…’ Hinter dem Glas des Fensters konnte sie verschiedene Gegenstände ausmachen. Die meisten von ihnen schienen antik, aber nicht besonders wertvoll zu sein. Reiko ließ ihre Augen über ein großes Buch mit lateinischen Buchstaben, einige Schmuckstücke und lose Kristalle mit durchscheinenden Farben wandern, ebenso über einen leeren alten Vogelkäfig und eine silberne Figur einer Meerjungfrau, die auf einer Welle sitzen auf einer Harfe spielt. „Wow, wie konnte ich diesen Laden vorher nicht bemerken?“ – „Vielleicht deshalb nicht, weil dein Geist noch nicht bereit dafür war, ihn zu finden?“ Reiko schrak auf und verschüttete beinahe ihren Kaffee, als plötzlich ein Mitte 30 jähriger Mann in der Tür neben dem Schaufenster auftauchte. „Was--- Mussten Sie mich so zu Tode erschrecken, ich habe fast eine Herzattacke bekommen! Konnten Sie sich nicht irgendwie bemerkbar machen, bevor Sie mich urplötzlich ansprechen? Argh, Sie können von Glück reden, dass ich nicht meinen Kaffee verschüttet habe, sonst hätten Sie mir einen neuen ausgeben dürfen!“, beschwerte sich Reiko lautstark. Sie hasste es, wenn Leute sie so erschrecken. Der Mann machte ein skeptisches Gesicht. „Okay, okay, tut mir ja leid, dass ich jemanden, der womöglich ein Kunde von mir sein könnte, einfach so anspreche. Entschuldigen Sie vielmals, junge Dame!“, sagte er mit einem ironischen Unterton in seiner Stimme. Reiko schenkte ihm einen düsteren Blick. Wie lange hatte er da schon gestanden, ohne ein Wort zu sagen? Reiko seufzte. Die Stimme ihrer Schwester kam in ihren Sinn: ‘Reiko, du bist viel zu temperamentvoll. Behalte im Kopf, dass die Menschen nicht böse sind und dich nicht verletzen wollen. Versuche, empathisch zu sein und ruhig zu bleiben, ok?‘ Wie immer hatte Sayuri Recht. Zudem hatte der Mann sich entschuldigt und das Geschäft mit all den seltsamen Gegenständen zog Reiko sehr an. Sie atmete tief ein und lächelte den Mann an. „Schon okay… Also, Sie arbeiten in diesem Laden?” Der Mann schaute nun etwas verdutzt, aber lächelte ebenfalls. „Du bist echt eine interessante Person, weißt du das.“ Reiko war bereits wieder kurz davor ihn anzuschreien, konzentrierte sich jedoch darauf ruhig zu bleiben und wartete auf eine Antwort auf ihre Frage. „Und ja, ich arbeite in diesem Laden, ich bin der Besitzer.“ Eine freundliche Geste mit seinen Händen wies Reiko in den Laden zu kommen. „Ich öffne erst um 10 Uhr, Aber wenn du magst, kannst du gerne schon hereinkommen und dich umsehen. Du wirktest sehr an den Gegenständen im Schaufenster interessiert.” Er erhielt ein schüchternes Nicken als Bestätigung. „Nun, dann fühl dich in meinem bescheidenen Geschäft wie zu Hause.“ Reiko folgte der Einladung sofort.
 

„Oh Gott, das ist einfach nur wunderschön!“ Mit weit geöffneten Augen untersuchte sie den kleinen Raum. Die Wände waren komplett mit Regalen bedeckt, die zum größten Teil mit Büchern gefüllt waren. In der Mitte des Raumen stand ein Tisch in orientalischem Stil. Einige Gegenstände standen auf dem Holzboden und formten kleine Pfade durch das Zimmer. Reiko wusste nicht, wohin sie ihre Augen zuerst wenden sollte ob der vielen interessanten Dinge in dem kleinen Raum. Doch dann zog etwas ihre Aufmerksamkeit auf sich. Durch die frühe Morgensonne, die den Raum mit sanften Strahlen erhellte, wurden einige funkelnde Effekte in die Szenerie gebracht. Um die Quelle für das Funkeln zu finden, drehte Reiko sich um und fand eine Säule hinter der Tür, vor einem zweiten Schaufenster. „Oh, du hast also den Sternenwünscher bemerkt?“ Der Ladenbesitzer nahm den Gegenstand, der die funkelnden Lichtreflektionen verursacht hatte und gab ihn Reiko. „Was ist ein Sternenwünscher?“, fragte sie. Der Gegenstand den sie hielt war ein silberner Rahmen in Form eines großen Wassertropfens mit filigraner Verzierung und einem Boden in der Form einer Seerosenblüte. In dem Rahmen waren ein paar zierliche Silberkettchen angebracht und zitterten leicht bei jeder Bewegung von Reikos Händen. Die Kette in der Mitte endete in einem Stern aus Glas, er war umgeben von mehreren anderen Kettchen mit kleinen Anhängern. „Die Legende erzählt, dass auf den Sternen unserer Sternzeichen Königreiche gab und ihre Aufgabe war es Glück und Wohlfahrt zu den Leuten zu bringen, die in ihrem Zeichen geboren waren. Siehatten hoch entwickelte Technik und Industrie und einige spezielle glasähnliche Steinmaterialien mit denen sie handelten. Die Stern Königreiche hatten ihre eigenen spezifischen Arten der Glassteine, aber alle waren so massiv und strahlend wie Diamant. Wie ich bereits sagte, sie verwendeten diese Materialien in Industrie und für den Handelsmarkt. Aber sie benutzten auch die Splitter und Scherben, die während der Herstellungsprozesse abfielen. Diese Splitter wurden von einer speziellen Arbeitergruppe zusammengeklebt. Es war eine Sage unter ihnen, dass die Wünsche dieser Arbeiter mit den Gegenständen, die sie aus den Splittern herstellten, getragen wurden. Aus diesem Grund haben diese Gegenstände die Legende Glück zu bringen und die Wünsche der Besitzer eines solchen Sternenwünschers zu erfüllen. Die Menschen stellten ihre Sternenwünscher in die Fenster, so dass das Licht der Sonne direkt auf sie schien und die Zimmer vom Funkeln der Reflektionen erfüllt waren. Wenn ein Sternenwünscher jedoch herunterfiel und zerbrach, wurden die Wünsche gelöscht und rückgängig gemacht.“ Der Ladenbesitzer pausierte in seiner Erzählung und Reiko sah auf und in sein Gesicht. Ihr Herzschlag hatte sich erhöht während er dieses Märchen erzählt hatte. Moment – ein Märchen? Reiko war nicht sicher, ob das tatsächlich nur eine Geschichte, eine Legende, Mythologie war. Etwas kam ihr bekannt vor und sie fühlte sich, als wäre da eine versteckte Erinnerung in ihrem Kopf, die gerade erwacht war und nun versuchte den Weg zurück in die Gegenwart zu finden. „Aber…“, begann sie zögerlich. „Das ist nur ein Märchen, eine Geschichte um diesen Gegenstand zu verkaufen, oder? Es gibt keinen Beweis dafür, dass das in irgendeiner Art und Weise wahr wäre, richtig?“ Ihre goldenen Augen fokussierten die grauen Augen des Mannes. Reiko fragte sich, ob sein Lächeln so besonders mysteriös wegen diesen Ortes und der eben gehörten Geschichte oder weil er einfach ein gut geschulter Verkäufer war. „Es liegt an dir, die Geschichte zu glauben oder nicht. Aber ich denke, du weißt ganz genau, dass viele Dinge unter ihrer Oberfläche ein Geheimnis bewahren.“ Darüber grübelnd, ob er etwas über ihre Sailor Kräfte wissen könnte, knabberte sie nervös an ihrer Unterlippe und schaute erneut zu dem Kristallstern. Jetzt sah sie auch, dass er tatsächlich aus mehreren verschiedenen Splittern zusammengesetzt war. Sie waren alle durchscheinend, einige hatten jedoch blass blaue und violette Färbungen. „Dieses Exemplar eines Sternenwünschers hat zwei verschiedene Arten Glasstein in sich. Manchmal haben die Sternenkönigreiche, die sich geographisch nah waren, untereinander die Splitter getauscht und so verschiedene Muster in den Sternen erhalten. Wenn sie…“ – „Hören Sie auf.“ Der Ladenbesitzer schaute verwirrt, als Reiko ihn plötzlich unterbrach. Er sah wie das Mädchen den Kopf schüttelte und den Sternenwünscher zurück auf die Säule stellte. “Habe ich etwas Falsches gesagt? Ist alles okay mit dir?“, fragte er verwirrt. „Nein, es ist nur… Ihre Geschichte bringt mich durcheinander und… Ich komme gerade von einer langen Arbeitsnacht und ich möchte eigentlich nicht solche blöden Stories über Königreiche auf Sternen und wie sie irgendwelchen Glasmüll getauscht haben, hören. Wir wissen doch beide, dass diese Dinge hier einfache Spielzeuge von wo-auch-immer sind und dass sich keinerlei Mystik befindet. Ich denke, ich gehe jetzt besser.“ Hitze wallte in ihrem ganzen Körper, als sie sich prompt umdrehte und aus dem Geschäft stürmte. Der Mann, der zurückblieb, schüttelte seinen Kopf. ‚Ich hätte sie mit dieser Geschichte über ihre Vorfahren nicht derart konfrontieren dürfen… Mir war ja gesagt worden, dass unsere Prinzessin einen stolzen Charakter hat, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie sich so aufregen würde.‘
 

Mit einem lauten „argh“ schmiss Reiko den Kaffeebecher in den Mülleimer an der nächsten Straßenecke. ‚Warum hat mich diese Geschichte nur so aus dem Konzept gebracht?‘ Schnellen Schrittes ging sie in die Richtung ihres Zuhauses. ‚Dieses Märchen hat mich wirklich an unser Leben im Königreich im Sternzeichen Zwillinge erinnert. Aber woher sollte dieser Fremde von unserer geheimen Identität und unserer Vergangenheit wissen? Und warum habe ich mich niemals zuvor daran erinnert, dass wir solche Sternenwünscher in unseren eigenen Fenstern zu stehen hatten… Ich bin nicht sicher, was echte Erinnerung ist und was sich mit dem Wunsch sich zu erinnern und dieser Story ist.‘ Reiko hielt vor einer roten Ampel, eine Straße von ihrer und Sayuris Wohnung entfernt. Sie begann sich etwas zu beruhigen und ließ ihren Blick über die Gegend wandern. Es waren bereits mehr Menschen draußen und im Park gegenüber spielten Kinder. ‚Ich werde mit Sayuri reden, vielleicht kann sie sich an etwas erinnern.‘
 

Zurück daheim ging Reiko als erstes in die Küche und stellte den Rest ihres Abendessens in die Mikrowelle. Während das Essen aufwärmte, nahm sie eine Dusche. Sie versuchte nicht über das Gespräch mit dem Besitzer des Ladens mit all diesen magischen Items zu denken… Aber es war schwierig!
 

~
 

“—ko! –eiko!” – “Was.. Was, wo… argh..!” Blinzelnd erwachte Reiko langsam. Nach und nach wurde der verschwommene Raum um sie herum klarer und sie begriff, wo sie war. Sayuri saß auf ihrem Bett und lächelte ihre Schwester an. „Reiko, bist du jetzt wach? Du hast deinen Wecker nicht gehört!“ Die zwei Jahre Jüngere beugte sich hinunter und küsste ihre geliebte Schwester auf die Stirn. „Oh, wirklich? Puh, danke dass du darauf geachtet hast!“ – “Natürlich, natürlich. Hattest du eine anstrengende Nacht im Club?“ Reiko stand auf und begann Sachen von ihrem Stuhl und aus dem Schrank zusammenzusuchen. „Nein, die meisten Gäste sind nach dem Konzert nach Hause gegangen. Aber du weißt ja, auf dem Floor, wo ich arbeite, ist immer am meisten los und so hatte ich wieder mit die längste Schicht.“ Sayuri saß still auf Reikos Bett und beobachtete ihre Schwester beim Erzählen und Sachen zusammensammeln. „Ok, verstehe, Wann musst du heute los zu deiner Schicht?“, fragte sie. Sie war immer sehr interessiert am Leben ihrer Schwester und genauso war es andersherum. Sie hatten nur sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten, seit auf ihren Heimatsternen der Krieg ausgebrochen war , als Chaos begonnen hatte die schwachen Sternenkristalle der Sternzeichen-Königreiche zu rauben… „Hey, träumst du, Sayurischatz?“ Reiko tippte mit dem Finger auf Sayuris Nase. „Oh, entschuldige, Ich habe ein wenig getagträumt. Also, öhm, wann musst du heute los zur Arbeit?“ – „Ich muss 23 Uhr im Club sein. Davor muss ich noch einige Seiten meiner Kurzgeschichte fertigbekommen und auch noch am Artikel für die Morning Zeitschrift arbeiten.“ Sayuri nickte und erhob sich. „Okay. Ich muss dann jetzt auch los zu unserem Yoga-Kurs. Als du geschlafen hast, war ich schon einkaufen, ok? Und flippe nicht aus, wenn du den ganzen Schokopudding im Kühlschrank siehst, der war im Angebot!“ Das lebhafte Mädchen sagte die letzten Worte lauter, als sie in der restlichen Wohnung verschwand. Mit ihren Klamotten auf den Armen ging Reiko ins Badezimmer und startete den Tag. Vor dem Spiegel betrachtete sie sich selbst. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie mochte ihr Aussehen sehr und war vielleicht sogar etwas narzisstisch. „Wir sehen uns später, Schwesterherz!“, kam es vom Flur und nachdem sie ein „viel Spaß, Sayuri!“ geantwortet hatte, hörte das vertraute Geräusch der sich schließenden Tür. „Mist!“, entschlüpfte es Reikos Lippen, als ihr auffiel, dass sie vergessen hatte, Sayuri von dem Treffen mit dem verrückten Ladenbesitzer zu erzählen. Nun, sie würde einfach warten, bis Sayuri zurück war.

Wenig später nahm Reiko auf ihrem bequemen Sessel auf dem kleinen Balkon Platz und öffnete ihren Laptop. Sie streckte sich und sah hinunter auf die Straßen und den Park. Sie war stolz darauf, solchen einen Job mit viel Freiheit und autonomen Arbeitsschichten zu haben. Es war undenkbar für sie wie Leute morgens zur Arbeit gingen, den ganzen Tag in einem langweiligen Büro sitzen und am Ende des Tages zurückkommen, und das fünfmal die Woche. Während der Laptop hochfuhr, versuchte sie Sayuri und ihre Yogagruppe im Park auszumachen. Ihre Gedanken begannen zu ihrer beider Geheimnis, ihren Sailor Kriegerinnen Kräften, abzudriften. Dann kam ihr die Geschichte der Sternenwünscher in ihren Sinn und sie wieder nervös. Sie bekam das Märchen echt nicht mehr aus dem Kopf und fühlte, dass die Gedanken an sie in den nächsten Tagen ihren Geist sehr stark besetzen würden. Da war einfach etwas, dass sie permanent daran denken und diese dumme Legende mit den Bruchstücken ihrer Erinnerung an ihre Vergangenheit vergleichen ließ. Sie war sich sicher, dass die Wirtschaft Pollux‘ und Castors am stärksten im Export und Import war und sie erinnerte sich ebenfalls an die Fabrik und Minen, in denen Material gewonnen und verarbeitet wurde. Aber das waren nur einige wage Bilder in ihrem Kopf, die so schnell verflogen, wie sie aufgetaucht waren. ‚Genug mit der Grübelei jetzt, ich muss die Texte zu Ende schreiben!‘, ermahnte Reiko sich selbst, setzte ihre Lesebrille auf und klappte den Laptop auf, auf dem sie die notwendigen Programme für ihre Schreibarbeit öffnete. In Einbezug ihrer verschiedenen Zeitvorgaben und Abgabetermine, die Reiko für ihr Projekt hatte, konzentrierte sie sich darauf Stück für Stück abzuarbeiten und wurde so in nicht einmal zwei Stunden schnell mit allem fertig. Sie war mit Recherchen beschäftigt, um ihren Artikel mit weiteren Argumenten unterlegen zu können, und bemerkte nicht, wie es bereits Abenddämmerung war und ihre Schwester heute länger als gewöhnlich für ihre Gymnastik brauchte. Als ihre geliebte Schwester endlich nach Hause kam, hatte diese eine unerwartete Überraschung mitgebracht. „Reiko, Reiko, Reiko, sieh mal, was mir jemand geschenkt hat!“. Die Schwester rannte förmlich auf den Balkon, noch in ihrem Sportdress und mit geröteten Wangen. Das adressierte Mädchen nahm ihre Brille ab und starrte auf den Gegenstand, den ihre Schwester gerade mitgebracht und einfach auf dem Tisch platziert hatte. „Was zum… Wo hast du das her!?“, fragte sie und flippte fast aus. Gesetz den Fall, dass sie gerade nicht träumte oder halluzinierte oder ihre Augen ihr sonst irgendwie einen Strich spielten, war sie sich gerade mehr als sicher den Sternenwünscher von dem merkwürdigen Ladenbesitzer direkt vor sich zu sehen, auf dem Tisch, auf dem Balkon ihrer Wohnung in Odaiba. „Was, weißt du, was das ist, Reiko?“, fragte Sayuri. Die ältere Schwester nickte. Dann schüttelte sie den Kopf. „Ich bin nicht sicher, Sayuri. I wollte mit dir darüber reden, weil ich hatte ein sehr verwirrendes Treffen diesen morgen.“ Sayuri nahm auf dem zweiten Sessel auf dem Balkon Platz und schaute neugierig in Reikos Gesicht. Reiko speicherte die offenen Dateien auf ihrem Laptop und schloss selbigen. Sie erzählte, was am Morgen passiert war und wiederholte die ganze legendäre Geschichte, die zu diesem so mysteriösen wie schönen Gegenstand gehörte. Aber offenbar war Sayuri nicht so geschockt, wie Reiko es gewesen war. „M-hm, okay. Ich glaube, ich habe denselben Mann im Park getroffen.“ Sie begann mit der Erzählung ihrer Version. „Während unserer Yogaübungen bemerkte ich diesen Typen, der auf einer Bank saß und den Enten auf dem Teich zusah. Nachdem unser Training beendet war, stand er plötzlich auf und kam zu mir. Er kannte meinen Namen und ähm, wie begannen uns zu unterhalten, er war wirklich nett. Er erinnerte mich an irgendjemanden, aber ich weiß nicht wen. Naja, am Ende erzählte er dann, dass er solche Gegenstände mit semi-magischen Geschichten sammelt und er zeigte mir diesen hier.“ Sayuri machte eine Pause. Sie legte ihre Arme um ihre angewinkelten Beine. „Er hat mir nicht die Geschichte dieses Sternenwünschers erzählt, aber er sagte, dass er zu uns gehört. Ich weiß nicht wieso, aber ich habe ihm das geglaubt und hab das Teil mit nach Hause genommen.“ Ein Moment der Stille legte sich über sie und beide Mädchen sagten eine Weile nichts. Reiko fummelte ein wenig an dem Sternenwünscher und stellte ihn so hin, dass der letzte Rest der Sonne den Glasstern und die Splitter berührte. „Nun…“, begann sie. „Jetzt ist er hier. Ich habe keine Ahnung, was das bedeutet und ob das ein komischer Zufall oder etwas wichtigeres ist. Aber ich mag dieses Ding und ich fühle, als ob etwas was für lange Zeit verloren galt gerade wieder heimgekehrt ist.“ Sie sah wie Sayuri nickte und lächelte. „Eines Tages werden all unsere Erinnerungen zurückkehren, ich verspreche es, Sayuri.“ Die Straßenlaternen gingen gerade an und man konnte vereinzelt durch offene Fenster anderer Wohnungen Familien beim Abendessen und sprechen hören. „Mache dir keine Sorgen um mich, Reiko. Ich bin zufrieden damit, wie wir jetzt leben. Ich weiß, dass du dein bestes gibst, um für mich zu sorgen. Aber weißt du, ich bin kein Kind mehr.“ Reiko errötete ein wenig. „Das wollte ich damit auch nicht sagen…“ – „Schon gut. Es ist ja kein Geheimnis, dass du einen Schwesternkomplex hast.“ Die Jüngere kicherte. Reikos Gesicht nahm einen noch dunkleren Rotton an als zuvor. „Okay, das Gespräch ist beendet. Ich muss noch meinen Samstag-Blog-Eintrag schreiben, bevor ich zur Arbeit muss!“, sagte sie in einem raueren Ton als beabsichtigt. Sayuri tätschelte ihr auf den Kopf und ging in die Stube, wo sie fernsah. ‚Ja, wir und unsere Freunde, wir alle wissen, dass ich dich mehr als alles andere in meinem Leben liebe. Ich gebe mir selber die Schuld daran, was mit unseren Eltern im Krieg passiert ist und versuche krampfhaft, sie zu ersetzen. Dabei bist du vermutlich sogar viel stärker als ich, Sayuri. Und dennoch, ich schwöre dir, wenn es nur die geringste Chance gibt, die Erinnerungen an unser früheres Leben zurückzugewinnen, werde ich mein Bestes geben, das zu erreichen.‘ Reiko öffnete wieder ihren Laptop, griff nach ihrer Brille und begann den Blog Eintrag zu verfassen.
 

Manchmal lohnt es sich einen zweiten Blick auf das zu werfen, was wir bereits so gut zu kennen glauben. Diese Welt ist voll mit Magie und wir sind davon umgeben, obwohl wir uns ihrer oftmals nicht bewusst sind. Wir sind an die Dinge, denen wir täglich begegnen, gewöhnt und wir bewegen uns in einer durchweg institutionalisierten Umwelt und wie Bourdieu sagt sind wir nicht einmal frei in dem was wir tun, was wir nicht tun, mögen und nicht mögen. Was ist real, was macht uns aus, was machen wir aus, wann sind wir wahrhaftig frei. Es ist die Aufgabe eines Schriftstellers und auch eines Künstlers die Welt von einer anderen Sicht zu sehen. Vielleicht sollten wir alle versuchen diese Sichtweise zu lernen, um die Geheimnisse dieser Welt jeden Tag neu zu entdecken. Wir hängen in sozialen Gepflogenheiten fest, wir sind das gewohnt, was wir sehen, hören, riechen, ertasten, fühlen. Heute habe ich eine mysteriöse aber auch erweckende Erfahrung gemacht und ich schäme mich für meine eigene Ignoranz, bin aber auch neugierig mehr in unserer Gesellschaft zu entdecken. Diese kleine Konfrontation mit einem Fleckchen Magie hat eine versteckte Tür in meiner Seele geöffnet. Aus diesem Grund möchte ich euch dazu ermutigen couragiert und ein offener Fremder zu sein, um von Zeit zu Zeit eure Umwelt mit unerfahrenen Augen zu sehen. Ich verspreche euch, ihr werdet es nicht bedauern und vielleicht werdet ihr sogar von einer unerwarteten Briese von Magie umarmt, so wie ich heute.
 

Ich wünsche euch einen wundervollen Samstagabend,

Euro Reiko Hoshino.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  TigerNagato
2015-11-16T13:38:10+00:00 16.11.2015 14:38
OMG,
also das ist die erste Sailor Moon FF, die ich lese und das obwohl ich damals in der Grundschule mit meinen Freundinnen epische Schlachten im Namen des Mondes ausgetragen habe.

Wie dem auch sei, es ist eine gelungene Geschichte, auch wenn viele Fragen offen bleiben. Mir ist bewusst, dass diese Story etwas älter ist, aber mich würde mal interessieren wie die komplette Geschichte zu den beiden Mädchen ist. Also wie war ihr Leben früher, was für Schlachten müssen die zwei mit ihren Kräften schlagen und bekommen sie ihre Erinnerungen zurück? Außerdem mag ich die beiden Mädchen irgendwie. Raiko scheint sympathisch zu sein und auch Sayuri ist ein echter Sonnenschein. Mal ganz abgesehen, dass ich den Namen Sayuri mag.

Also noch mal, eine klasse Geschichte,
LG Tiger
Antwort von:  MTToto
16.11.2015 14:55
Awwww das freut mich grad ganz doll, dass überhaupt jemand hier liest und dann noch so liebes Feedback! Und ja, da wurde ganz viel angeritzt und blieb offen. Im Kopf ging die Story der beiden auch weiter, aber ich hatte nix weiter geschrieben. :'D Es ging damals bei dem Contest eher darum, ihr alltägliches Leben darzustellen und deswegen war der Rest dann in den Hintergrund gerückt. ^^

Aber nochmal ganz ganz lieben Dank für deine lieben Worte! *-* Und süß, epische Schlachten im Namen des Mondes, hihi. ^_^


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