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Knight Alchemist

Warum leben wir?
von

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Sorur(Schwester)- Warum warst du fort?

Kapitel 16

Soror(Schwester)- Warum warst du fort?

In einen Fetzen meiner Erinnerungen laufe ich ihm immer hinterher. Ich kenne seinen Geruch, seine Stimme, sein Lachen, sogar sein Herzschlag ist mir vertraut, von den Stillen Augenblicken in der Nacht. Und trotz allem kann ich niemals sein Gesicht sehen.

Sagst du es mir?

Warum du ihn so ähnlich siehst und doch nicht er bist?

Und je weiter ich versuche dich zu sehen desto zu weiter entfernst du dich von mir.

Sag es mir doch endlich!

Was bist du für mich?

Und warum ist dein Blut an meinen Händen?
 

Damals, als der weiße Raum abermals in ihrem Rot gestrichen war, da hatte er sie berührt. Wie lange er es tat wusste sie nicht, aber es war lange genug um sie aus der Gleichgültigkeit wieder in den Schmerz zu reisen. Als er ihren Unterleib zerfetzt hatte stieß er sie von sich und Ash fiel in den See ihres eigenen Blutes. Es war als hätte der Schmerz das letzte bisschen ihrer Selbst aus ihren Leib gerissen. Ewigkeiten konnte sie nur daliegen, keuchend, wie eine Ertrinkende, während sie versuchte einzuatmen, auszuatmen, als die Welt in hundert rote Flecken explodierte.

Genau so fühlte Ash sich jetzt. Wie eine Statue stand sie da, die Augen starr vor sich gerichtet, wären der Name in ihren Kopf her umsprang. Zum zweiten Mal in dieser Nacht hatte sie das Gefühl jeden Augenblick ihr Bewusstsein zu verlieren. Ihre Waffen hingen vergessen in ihren Händen. Aus glasigen Augen sah sie ihren Bruder da stehen, als wäre sie nur Zuschauer in einen Stück, nur jemand der zusehen, doch die Handlung nicht beeinflussen konnte. Dass sie sich nicht mehr kontrollieren konnte.

Das war unmöglich. Hallte es ihn ihren Kopf.

Armestris war in einen Land von Millionen von Menschen! Die Wahrscheinlichkeit, dass er sie finden, dass einer überhaupt jemals ein Lebenszeichen erhaschen würde, war so gering, dass Ash sich überhaupt keine Gedenken gemacht hatte. Doch nun stand er da, direkt über Edward, den Fuß mit den Oroborus-Mal hoch erhoben, um ihn wieder in den Leib es Kleineren zu stoßen und nur von einer Stimme abgehalten.

Ihr ganze Hoffnung, ihr ganzer Glaube, dass er in Sicherheit war zerbrach in unendliche Scherben. Ashs Welt hörte auf sich zu drehen. Ein Rauschen im Hintergrund, doch sie konnte es kaum wahrnehmen, dafür war ihre Welt zu sehr zerstört. Envy wandte den Kopf zu dem Rauschen, und es war dieser Blick, der Blick aus den Augen, die aussehen wie flüssiger Amethyst, die Ash wieder ins Leben zurück riss. Das Rauschen wurde eine Stimme. Ashs Kopf schnellte auf die andere Saalseite. Eine schlanke Frau stand da, das lange Haar floss über ihren Körper. Die behandschuhten Hände umschlangen einen alten Ritterhelm. Auch sie war keine Fremde. Nur, dass ihr letzten Worte zueinander zehn Jahre zurück lagen. Ash konnte sich noch genau an die Lust erinnern, die ihr durch das Haar gefahren war und versucht hatte einen einzigen Ton aus ihr heraus zu bekommen. Sie war nicht einen einzigen Tag lang gealtert. Wieder begann sie zu sprechen und ihre Worte waren zweifellos an den am Boden liegenden Jungen gewandt.

„Wenn du nicht noch mehr Schmerzen erleiden willst dann wäre es jetzt an der Zeit mit der Transmutation fort zu fahren.“

Edward rappelt sich stöhnend auf. Sein Gesicht lies nicht eine Sekunde von Lust ab. In seinen Blick stand nichts als Wut. Eine Sünde die nur zu leicht zu Hass werden konnte.

„Auch wenn es einen kleinen Zwischenfall gab.“, fuhr die Homunkuli fort. „Die Zutaten sind immer noch da.“

Eds Kopf wandte sich zu den Gefangenen, die wie verwirrte Tiere in den Schutt lagen. Tiere die nicht wussten, dass dies ihre Schlachtbank war. „Ihr wollt etwa, dass ich die Gefangenen benutze um den Stein herzustellen?“, fragte Ed. Entsetzten stand in jeder seiner Regungen. Es war die Stimme eines Menschen dessen Glaube dabei war zu zerbrechen. „War…war ich etwa von Anfang an Teil dieses Planes?“

„Wir haben das schon immer gewusst, Ed, “, dachte Ash in Stillen. „ Und wir es war uns absolut gleich.“

Einen Moment schwebten die Worte des Elric im Raum. Erst jetzt schienen die Gefangenen wirklich zu begreifen was ihr gespielt wurde. Wie verängstigte Hasen sprangen sie auf und liefen auf den Ausgang zu. Vollkommen gleich wo er sie hinbrauchte, Hauptsache weg von hier. Doch sie waren viel zu berechenbar. Aus der offenen Tür kam eine weitere, kleinere Gestallt heraus. Die gewöhnliche Manneslänge schien bei ihm in die Breite gezogen zu sein. Lange, rote Fänden führten von seiner schwarzen Kleidung bis zu den grießigen Händen. Auch Gluttony hatte sich nicht verändert. Zwischen seinen Fingern führte er den Helm des jüngsten Elric wie mitgenommenen Teddybär.

„Du wirst uns diesen Wusch erfühlen müssen.“, meinte Lust während Gluttony die Rüstung fallen ließ. Al fiel wie eine ungeliebte Puppe auf den Stein. Die Gefangenen wichen zurück, als man ihnen die Rüstung vor die Füße warf. Al besaß nicht einen seiner Gliedmaßen. Ed schrie auf, während Ash den Drang unterdrückte ihr Wurfmesser in Gluttonys Schädel zu bohren. Al war nicht mehr als sein Schrothaufen, nicht einmal in der Lage sich zu rühren, geschweige denn zu kämpfen.

„Ed.“, selbst die Stimme der Rüstung klang wie von Rost befallen.

„ Das sind… das sind Homunkuli!“

„ Völlig unmöglich...“

„Und doch ist es so.“, sagte eine andere Stimme. Das Wesen das es aussprach hatte den Körper, Ohren und Haltung eines riesigen Tieres, doch ein Teil des Rückens und der Kopf waren eindeutig der eines Mannes. Sein nackter Oberkörper klebte wie bei einen abstrakten Kunstwerk auf seinen Rücken, so dass der Kopf mit der Brille und den wässrigen Augen verkehrt in den Raum sahen. Die Augen waren genau so wie das Bild auf den Ash ihn zum ersten Mal gesehen hatte.

Shou Tucker, der Sewing-Life Alchemist, der Mann, bei den Ed und Al gelebt hatten und der seit vier Jahren tot sein sollte. Selbst darüber konnte Ash sich nicht mehr entsetzt sein. Nicht einmal von der kleinen, menschenähnlichen Chimäre, die er in seinen Pranken hielt. Das Ebenbild seiner Tochter lag da wie eine ramponierte Puppe.

„Diese Leute hier sind Homunkuli, perfekte künstliche Menschen. Sie haben mir versprochen mir das Geheimnis ihres Lebens zu verraten. So könnte ich Nina endlich wieder zum Leben erwecken.“

Wieder zum Leben erwecken...

„Welchen Sinn hätte es ihre Hülle wieder zu beleben?“, schrie Ed wutentbrannt.

„Sie... sie wäre ohne Seele!“

„Ihre Seele lebt in mir.“ Der Chimären-Mann tippte sich mit den Klauen an die eingefallene Stirn. Sein Lächeln war getränkt in Wahnsinn. „Hier drin! Nina wird leben. Ich werde jede einzelne meiner Erinnerungen in den Homunkulus einpflanzen. Auf diese Weise erschaffe ich eine perfekte Nina, einen Nina wie ich sie mir immer gewünscht habe.“

Erinnerungen einpflanzen? Was redete er für einen...

„Diese Nina wäre nicht Nina!“

Doch Eds Worte wurden von einen weiteren Tritt Envys unterbrochen, der den Blonden ihn die Bodenarbeiten vor Augen tanzen lies. Der Grünhaarige ging in die Hocke und beugte sich über den kleineren.

„Schluss mit den Geschwätzt! Sieh zu, dass du endlich mit der Transmutation beginnst, kleiner Fullmetal Alchemist. Vorher solltest du dich allerdings um die Decke kümmern.“

Er hatte recht. Von den Deckenwänden war nicht außer großem Brocken Gestein übrig geblieben, die fast den gesamten Raum ausfühlten. Im roten Licht des unvollendeten Steines schienen sie sich wie wilde Schlangen zu winden. Auch wenn der Raum noch im Staub lag, so wusste Ash, dass das Wasser nicht einmal ansatzweise für einen Stein der Weißen reichen würde. Sie brauchenden mehr als nur den einen Kreis. Und die einzigen die ihn gebrauchen konnten waren...

Lust seufzte.

„Also gut, Fullmetal. Das Problem ist, dass wir keine Alchemie einsetzten können. Aus diesen Grund müssen wir jemand anders darum bitten.“

„Wie, ihr könnt keine Alchemie benutzen? Aber was wollt ihr dann mit den Stein der Weisen?“

Stille. Die Zähne des Blonden zerrieben seinen Zorn.

„Ihr seid seit genau wie Cornelo! Ihr seid größenwahnsinnig und...und wollt die Welt beherrschen!“

Die Schwarzhaarige schlug ihre Lider nieder.

„Wir wollen Menschen werden!“ meinte sie so schlicht, als wäre es das einfachste auf der Welt. Sie sprach als müsste sie einem Kind erklären, warum Raupen zu Schmetterlingen werden wollten. Edward war fast so regungslos wie Ash, die das Schauspiel immer noch mit ansah als wäre sie nicht hier. Auch deren Worte hallten in seinen Kopf wieder.

-Ich will es wissen! -

„Mehr nicht“

- Und alles andere schert mich nicht! -

Mühselig rappelte er sich wieder auf.

„Wenn ihr tatsächlich Homunkuli seid, dann muss es einen Alchemisten geben der euch erschaffen hat. Soll der Idiot euch doch den Stein machen!“

Das Geräusch von Kochen auf Fleisch zerfetzte die Luft. Man hörte wie Rippen in Zwei brachen.

- Als ob wir Gegenstände wären!! -

„Wir wurden nicht ERSCHAFFEN! Wir wurden GEBOREN!“

Die andere Homunkuli sprach unbeirrt weiter. „Das einzige was wir tun konnten waren Hinweise bezüglich den Steins zu geben. So wollten wir erreichen, dass sich jemand findet der diesen Stein für uns herstellt.“

„Ihr war es! Ja, ja genau! Ihr habt Magma verraten wie man rote Wasser einsetzt! Dann habt ihr Tucker und Doktor Marco auch eingeflüstert was sie zu tun haben! Und...und in Reole habt ihr diesen Bastard von Cornelo den falschen Stein angedreht!“

Ein blutrotes Lächeln. Ein Kichern des Gier-Schlundes . Envy lachte höhnisch auf.

„Du glaubst gar nicht wie viele Dummköpfe das auf den Plan ruft die alle hinter den Stein her sind.“

„Und rate man was dann passiert ist.“, fuhr Lust fort. „Dann kamt ihr.“

Das Labor schien sich vor Eds Augen in langsamen, elliptischen Kreisen zu drehen. Seine Kehle war wie zugeschnürt.

„Es war also...von Anfang an geplant, dass ich herkomme?“

Dass sie von dem Stein erfahren hatten, dass sie die Reise auf sich genommen hatten? Dass sie nicht mehr als Puppen waren, die wie Schachfiguren durch das Spielfeld geführt wurden nur um am Ende feststellen zu müssen, dass der Feind sie benutztet hatte?

„Nein, das stimmt nicht!“ Eds Ruf war nicht mehr als ein verzweifelter es Schluchzten.

„Ash, Al und ich sind aus freien Stücken hier her gekommen! Wir...wir sind weit gereist und nach langer Reise endlich am Ziel.“

„Ja, ihr seid hier, weil wir es so wollten.“

„Oh Nein, das ist gelogen! Uns drei hat niemand manipuliert!“

„Äquivalenter Tausch.“, sagte Lust. „ Ich werde dir verraten wie man den Stein der Weisen herstellt und im Gegenzug dafür wirst du uns zu Menschen machen.“

Edward schüttelte den Kopf. Es war beinah wie in Trance.

„Unmöglich, wie sollte ich euch jemals vertrauen?“

„Ich hoffe du verstehst mich nicht falsch.“, meinte die Homunkuli. Jeglicher Humor verschwand aus ihrer Stimme, als sie den fremden Helm aufhob. „Das eben war keine Bitte.“ Mit einer Schabe ging der Helm auf. Das Blutsiegel schien im Licht des Steines zu erglühen. „Es war ein Befehl!“

Mit diesen Worten setzte sie einen der Finger an das Siegel. Ihre langen spitzen Nägel fuhren bedächtig um den Rand des Blutmales. Von ihrer alten Länge und Härte hatten sie sich längst verabschiedet.

„Weißt du man muss nur ein bisschen am Siegel.“ Der Helm stöhnte schmerzhaft auf, als würde sie ihn ein Messer in sein Herz stoßen, das er seit langen verloren hatte.

“ Rumkratzen.“

“ Seit Ihr etwas verrückt geworden?“ schrie Ed.

“ Hört auf damit!“

“ Edward Elric...“

Die Augen des Helmes wandten sich ihm zu. In den roten Punkten spiegelte sich das rote Wasser. Ein hoffnungsloses Schimmern.

“ I....Ich.....“ Doch dann zerbrach das Siegel und Ed würde nie erfahren was er sagen wollte.

Drei Teile vielen in fast schon suspekt genauen Teilen zu Boden. Das Geräusch hallte wieder wie ein Todesschrei. Ohne die geringste Regung erhob sich Lust. Es wäre gar nicht nötig gewesen sich zu Alphonse herunterzubeugen und den Helm von den Schultern zu nähmen. Es war längst klar dass die Homunkuli zu allen fähig war. “Ist einfach“ kicherte sie.

„Hört auf!“, schrie Ed von Panik erstickt. Die Finger fuhren langsame Kreise.

„Hört sofort auf damit!“

Der Kreis wurde enger.

„Last ihn sofort los!“

Enger. Enger. Enger

„Last die Finger von meinen Bruder!“

„Ed.“, sagte Alphonse. Seine Stimme war so leise, dass es Ed eiskalt den Rücken herunter lief. Sein kleiner Bruder war so ruhig, als hätte er sich bereits mit deinen Tod abgefunden. Als ob er sich selbst aufgegeben hätte....

„Schon gut Edward. Ich bin doch ohnehin nur...“

„Sei still! Hallt den Mund, Al!“ Edward schlug die Hände aneinander. Blaues Licht erfühlte den Raum. Die Brocken auf den Boden verschmolzen mit dem Gestein und manifestierten sich auf der Decke über ihnen und wurden wieder zu dem Kreis. Sekunden später hatte das Loch in der Decke nicht mehr existiert. Edward hatte sich entschieden. Der Kreis, das Wasser und die Opfer, alles war da. Er würde es tun. Neben ihn stieß Envy einen bewunderten Pfiff aus.
 

„Hör auf Ed!“ Edward schob eines der großen Glasbehälter mit dem roten Wasser zu dem Tranksmutationskreis. Er wandte nicht einmal den Kopf. In der Kreismitte drängte Gluttony die Strafgefangenen in den Kreis. Sein breiter Mund zu einen wahnsinnigen Grinsen verzehrt. Ash stand nur an die Wand gepresst da, während die schrillen Schreie Als in ihren Kopf widerhallte.

„Willst du das wirklich tun?“

Ja, Edward würde es tun und Ash schämte sich beinah, weil sie wusste dass sie schon früher eingewilligt hätte, wäre sie an seiner Stelle gewesen. Doch ihre Seele würde nicht so wie die von Ed zerbrechen. Neben der Rüstung lobte Lust den Blonden.

„Du schaffst das bestimmt, Kleiner.“

„Ed! Hör auf damit!“, schrie Alphonse erneut. Die Worte erreichten seinen Bruder nicht, während er wie in Trance den Bannkreis überprüfte und sich den Gefangenen zuwandte. Er hätte ebenso gut eine Leiche sein können.

„Ed, hör sofort auf damit! Das sind doch alles Menschen!“

„Ja, gut beobachtet.“, stimmte Envy ihn zu. Die violetten Iren sahen die Rüstung spöttisch von der Seite an. Er hatte seit langen nicht mehr etwas so erbärmliches gesehen.

„Na und? Was soll’s?“

„Ich will nicht, dass Menschen sterben müssen, nur damit ich meinen alten Körper zurückbekomme!“

Envy lachte auf.

“Ha! Ihr seid ja wirklich zwei Komiker! Habt ihr das nicht schon geahnt als ihr beschlossen habt eure Mutter wieder zum Leben zu erwecken? Um die Transmutation von Menschen durchzuführen braucht man andere Menschen. Es ist ganz einfach: Man muss ein Leben opfern damit ein anders entstehen kann.“ Genau das gleiche hatte er damals zu ihr gesagt und auch diesmal verfehlten seine Worte ihre Wirkung nicht. Envy brauchte keinen Stift, so wie Ash um, andere Bilder in den Kopf zu setzten. Er schaffte es alleine mit Worten Bilder in Köpfe zu setzen und die Massen zu bewegen- oder sie in Qualen ersticken zu lassen. Envy hatte absolut recht, um etwas Neues zu erhalten muss man etwas vom gleichen Wert hergeben, doch eines wollte der Alchemistin nicht in den Kopf. Dass Al mit ansehen würde, wie Edward den Stein erstellen würde. Ein Mörder würde, genauso wie Ash.

„Tja“, sagte Lust. „Man kann eben nicht erreichen wenn man auch nicht bereit ist Opfer zu bringen. Ein Erwachsener sollte das Wissen.“

„Aber.....aber wir sind...!“

„ Ihr habt euch selbst dafür entschieden in die Welt der Erwachsenen einzutreten. Niemand hat euch drei dazu gezwungen. Ihr könnt nicht dann zu Kindern werden wenn es euch am besten passt!“ „Dann ist das also die eine Wahrheit hinter der Wahrheit.“, sagte Ed leise.

„Verstehe.“ Edward ging in die Knie. Mit der linken Hand schlug er gegen seine rechten, die nutzlos an seiner Seite herab baumelte und Ash amte die Bewegung ganz automatisch nach. Beide schlugen gleichzeitig die Hände aneinander.

Edwards Finger kamen wie in Zeitlupe zum Kreis. Ash hielt kurz vor der Wand inne. Nun war es Zeit sich zu entscheiden welche Seite sie wählen sollte. Und selbst jetzt, alles von diesen Augenblick abhing wusste Ash es nicht. Nur eines wusste sie:

Sie würde nicht zulassen, dass Envy etwas zustieß.

Auch wenn Ed und Al…

„Ed!“

„Alphonse. Wenn wir jetzt aufgeben würden dann wäre...“

Der Schatten der Hand wurde immer großer und größer. Die Finger des Jungen zitterten.

Aus Angst? Aus Reue? Aus Selbsthass?

Die Finger streiften den Kreis …- doch dann zogen sie sich zurück.

Es vergingen Augenblicke, Herzschläge, Sekunden, Stunden?

„Verzeih, Al.“

- Vergib mir, Nii-sama-

“Ich kann...“

- Es nicht zulassen -

„das einfach nicht“

Envy gab ein entnervtes schnauben von sich. Er wollte Edward gerade einen weiteren Schlag verpassen, als plötzlich das Rot um sie einstürzte.

KNALL!

Allerdings war es nicht nur einer. Offenbar hatte nicht nur Ash beschlossen in die Transmutation einzugreifen.

Steine flogen durch die Luft, Glas splitterte und eine Welle aus rotem Wasser, benetzte den Boden. Alphonse wurde quer durch den Saal geschleudert und schlitterte durch die Tür. Außerhalb des Schachtfeldes...

„Fullmetal!“, riefen zwei Stimmen gleichzeitig. Edward fuhr herum.

Scar stand in dem großen Loch über ihnen. Von seinen Arm tropfte das Blut. Ash stand auf der anderen Seite des Saales. Das Schwert in ihrer Hand blitzte auf. Beide zeigten eine todernste Minne. Das beide wie aus dem Nichts aufgetaucht waren schien niemanden zu kümmern. Es spielte auch keine Rolle.

„Nimm deinen Bruder und geh!“, rief Scar. Es war eindeutig ein Befehl.

„Was soll dieser Mist?“, schrie Ed wütend zu dem Narbenmann.

„Der ältere Bruder beschützt den jüngeren!“

Edward erstarrte. Sein Blick traf den von Ash, die immer noch kampfbereit dar stand. Sie schluckte hart.

„Was trödelst du hier so rum?“, keifte sie ihn an.

„ Jetzt mach schon!“

Edward knirschte mit den Zähnen und rannte dann los, er zu Al und Ash direkt auf Lust zu. Die Homunkuli regten sich.

„Verdammt!“, keuchte Lust, als sie den Staub aus ihren Lungen presste.

„Wir dürfen uns diese Chaussee nicht entgehen lassen!“

Doch noch bevor sie auch nur einen Schritt tun konnten flog ein Messer an ihr vorbei und verfehlte den Kopf der Homunkuli nur um Nanometer. Ash fluchte leise und wollte noch eines werfen, doch da viel ihr Blick auf Envy, der sich gerade wieder gefasst hatte. Rotes Wasser spritze um ihn herum.

Ihre Blicke trafen sich.

Ihre Augen weiteten sich gleichzeitig, Envy bewegte den Mund...doch dann.

FLESH!

Das letzte was Ash sah waren die weit aufgerissenen Amethyst ähnlichen Augen ihres Bruders, bevor die Welt vom Rot verschluckt wurde.

Alles war rot.
 

Es war als wäre der ganze Raum in Rot explodieren. Envy wich erschrocken zurück, als der Raum um ihn wankte, wie ein auf Grund laufendes Schiff. Glas splitterte, als die Behälter nachgaben und das rote Wasser freigaben. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, dass sie für einen Moment in ihrer festen Form verweilten, doch dann neigten sie sich und ergoss sich über den Boden.

Für einen Moment sah Envy nichts außer das Rot des unfertigen Steines und hörte wie mehre Stimmen durcheinander riefen.

Verdammt!

Er zwang seine Augen sich zu öffnen und er erhaschte gerade noch wie eine Gestalt von einen Saal-Ende direkt an ihn vorbei stürmte. Ein Schwert, lang und dünn wie ein Glassplitter ruhte in ihrer behandschuhten Hand. Ein langer Umhang wehte wie ein Schatten hinter ihr her und verbarg den Körper darunter fast vollständig.

Sie bewegte sich schnell. Einen kurzen Moment erhaschte er ihr Gesicht. Es war ein Mädchen, klein und von zierlicher Statur. Kurzes Haar umarmte ihre Züge und es schien im roten Licht des unvollendeten Steins der Weisen zu schimmern wie flüssiges Blut. Ihr rechtes Auge war von tiefen Narben zerschnitten, als hätten rissige Klauen ihr Gesicht entstellt und es war geschlossen. Doch das andere Auge war direkt auf Lust gerichtet. An ihren Lippen klebte Blut, doch das hinderte sie nicht daran ein Messer nach der Homunkuli zu werfen.

Hinter ihr konnte er Fullmetal nach seinen Bruder rufen hören. Beide liefen in andere Richtungen. Sie wollten flüchten!

Nicht mit ihm!

Doch gerade als Envy sich auf den Blonden stürzen wollte, erspähte ihn das Mädchen, als es direkt an ihn vorbei lief.

Für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich ihre Blicke.

Amethyst traf auf Grün. Es war ein so undefinierbares Grün, dass es sich in jeder Sekunde zu verändern schien. Als sie seine eigenen Augen trafen weiteten sie sich und jetzt konnte er sehen, dass ihr rechtes Auge nicht nur entstellt sondern vollkommen ausgerissen war.

Er kannte dieses Grün, erkannte dieses Haar und in denselben Bruchteil dieser Sekunde begriff er was sie war. Wer sie war!

Seine Augen weiteten sich, ebenso wie ihre. Seine Mund öffnete sich zu einen Ruf… der in den Schrei seiner verlorenen Schwester unter ging.

Sie war einfach zu schnell oder er war viel zu langsam um sie davor zu warnen.

Das rote Wasser hatte sie erfasst, hatte sie erfasst, als sie mitten in das Meer aus Rot gestürzt war. Das blaue Licht einer Transmutation hüllte sie ein, als der unfertige Stein mit ihren Körper reagierte und eine Welle aus reiner Energie den Raum erzittern ließ. Ihre Pupillen wurden riesig, wurden zu nicht mehr als schwarze Punkte ohne Weiß, ehe sie zu leuchtend violetten Schlitzen wurden.

Auch wenn es nicht der fertige Stein war, reichte alleine die Menge um ihre alchemistischen Kräfte ins unermessliche steigen zu lassen. Ins unkontrollierbare steigern zu lassen…

„Ash!“ Fullmetal schrie etwas zu ihnen herüber, doch die Welle riss ihn von den Füßen und er stürzte in das rote Wasser. Die Reaktion war dieselbe.

Die Schreie der beiden hallten von den Wänden wieder. Als hätte die Automail des Blonden ihren eigenen Willen bekommen verformte sie sich und wurde zu einen langen Klinge, die sich vom Körper löste und wie eine Harpune auf Lust und Gluttony zuraste. Die Beiden konnten gerade noch ausweichen. Die Klinge bohrte sich in die Wand, was nur noch mehr rotes Wasser fließen lies. Das Metall der Prothese verschmolz mit dem Boden. Es war als würde der Stein seinen Geist verzehren. Am Rande seines Geistes konnte er Lust fluchen hören. Doch schon veränderte sich alles. Aus den Boden wuchsen Feile, so dick wie Kanonenkugel und ebenso tödlich.

Envy wich zurück. Er meinte auch das Mädchen schreien zu hören und auch ihre Arme hoben sich. Eine Mauer aus rotem Stein türmte sich vor Envy auf. Die Pfeile schafften es nicht einmal durch die Schicht. Es war als hätte sie die Arme schützend vor Envy stehend. Doch sie konnte es nicht kontrollieren. Wieder stießen neue Pfeile aus dem Boden und zielten in seine Richtung. Sie rasten an Eds Seite vorbei und verfehlten seine Eingeweide nur um Zentimeter.

Der Alchemist schrie auf, unfähig sich aus den Qualen und den Stein zu befreien.

Lust, Gluttony, Tucker und die restlichen Gefangenen waren längst aus dem Raum geschleudert worden. Die Energie des Steines war einfach zu stark.

Nur Envy konnte noch aufrecht stehen. Die Mauer bot ihn etwas Schutz vor der Druckwelle. Er sah ihr Gesicht, ihr einst so junges Gesicht, dessen Augen starr in die Horizontale sehen. In ihnen spiegelte sich der Schmerz.

Envy brauchte nicht einmal nachzudenken. Er ließ die Energie sein was sie war und verließ die Deckung. Sofort schoss ihn die Druckwelle mit unglaublicher Härte entgegen, doch er ignorierte es völlig. Es kam ihn nicht einmal in den Sinn nachzudenken...was sollte es auch bringen?

Je weiter er kam desto greller schien das Licht zu werden, während Spiralen um ihren Körper tanzten. Sie wirbelten herum und schlitzen die Haut des Homunkulus auf wie hunderter Klingen. Envy schenkte den Kratzern die sich in seine Haut ritzen nicht einmal eines Blickes. Er konnte nur seine Schwester sehen, die sich in stummen Qualen wand unfähig auch nur seine Stimme zu hören. Immer weiter und weiter kämpfte er sich nach vorne. Doch als wollte der Stein seine Beute nicht hergeben schleuderte er wie die Steine und Energie durch den Raum. Die Kraft war so stark, dass Edwards Automail sich aus dem Boden löste. Wie unnützer Ballast wurde der Junge weggeschleudert und sackte keuchend an der Wand zusammen. Envy schaffte es gerade noch rechtzeitig nicht zu wanken. Die Hand, die er gerade noch schützend vors Gesicht halte musste, um sich nicht von den Licht zu blenden zu lassen, tastete blind nach vorne. Ein verzweifelter Versuch sie zu finden. Sie an sich zu ziehen. Sie nie wieder los zu lassen. Es war ihn absolut egal warum sie hier war, scheiß egal, warum sie fort gelaufen war. Ihm war alles gleichgültig. Er dachte nur an seine kleine Schwester, die fast neben ihn stand, so nah, dass er nur den Arm auszustrecken brauchte und um sie von diesem bescheuerten Stein zu trennen.

Und dann fand er sie!

Mit einem einzigen Ruck zog er sie an sich. Seine Arme schlangen sich um ihren Körper und er konnte spürte wie alles um sie herum erbebte. Die Energie zehrte an ihnen, riss an ihren Kleidern, versuchte sie mit aller Macht gegen sie zu stemmen und sie wieder auseinander zu reisen, wie sie es all die Jahre verdammt waren. Doch Envy drückte sie nur noch fester an sich. Die Stimmen in seinen Kopf wurden lauter und lauter. Vereinten sich zu einer schrecklichen Symphonie des Schmerzes und löschten jeden anderen Laut aus.

Für einen Herzschlag türmte sich die Kraft. Für einen Herzschlag konnten die da zustoßenden Truppen des Militärs nur dastehen und zusehen wie das gleißend helle Licht sie blendete. Und für einen Herzschlag setzte dieser bei jeden einzelnen von ihnen aus.

Und dann erlosch die Alchemistin.

Die ganze Kraft verließ sie und der Stein wurde zu rote Flüssigkeit auf den Boden.

Sie standen einfach nur da, ihren Kopf an Envys Brust gedrückt, seinen Kopf auf den ihren und seine Arme um sie geschlungen, wie einst.

Langsam wich das Violett in ihren Augen wieder den Grün, die Irren verloren sich in einen Schleier. Dann schloss das Mädchen die Augen und kippte in die Arme ihres Bruders.

Ohne zu zögern nahm er sie hoch und trug sie fort.

Das der Militärtruppe ihn sah scherte ihn nicht im geringsten. Er wusste nur, dass er Life niemals den Militär überlassen würde. Dass er sie nie wieder jemanden überlassen würde.
 

Aus den Inneren des Instituts traten zwei Personen. Beide waren in die Kleider des Militärs gekleidet, obwohl sie nicht einmal Menschen waren. Alleine diese Kleider bewahrten sie vor den Waffen der Soldaten. Zielsicher und ruhig gingen sie aus dem Labor. Keiner kümmerte sich um sie. Sie bleiben keine Sekunde stehen und als sie an der braunhaarigen Sekretärin vorbeigingen zischte sie ihnen zu.

„Was ist passiert? “

„Envy ist weg“, zischte die Schwarzhaarige zurück. Für einen Moment zogen sich die Brauen der Homunkuli zusammen, doch es verschwand so schnell wie es gekommen war.

Kaum waren ihre Worte verklungen explodierte das Institut.

Die beiden Todsünden der Wollust und der Völlerei waren weg, noch bevor Major Armstrong mit den Elricbrüdern ins Freie trat.
 

Doch keiner von ihnen wusste, dass Envy bereits in der unterirdischen Stadt war. Den Körper seiner Schwester hatte er über die Schultern geworfen. Es war fast als träge er ein Fliegengewicht. Nur die Automails an ihren Arm und Bein nahm er wirklich als Last war. Am liebsten hätte er sie auf den Arm genommen, so wie er es früher immer getan hatte, doch dafür war sie einfach zu groß. Dies zeigte den Homunkulus schmerzhaft wie viel Zeit verstrichen war. Bei jedem seiner Schritte wippte ihr Haar leicht vor und zurück und es kitzelte ihn. Sie trug es fast so wie damals, nur die vorderen Strähnen waren länger. Gemächlich ging er durch die Gassen, auf der Suche nach einen geeigneten Versteck. Kein Lebewesen begegnete ihm und das sollte auch besser so bleiben. Envy war nicht grade auf einen Plausch mit den anderen Homunkuli aus. In den Gassen war es so hell, dass Tiefe und Tageszeit die Bedeutung zu verlieren schienen. Als er schließlich ein geeignetes Gebäude fand ging er sofort hinein. Mit einen Tritt schlug er die Tür auf und mit einen ebenso kräftigen Tritt wider zu. Im oberen Stock trat er ins Schlafzimmer und setzte seine Schwester auf dem Bett ab. Die roten Strähnen streiften ihn und er schnupperte daran. Sie roch noch genau wie damals. Eine kleine Weile betrachtete er sie. Ihr Anblick löste eine Kettenreaktion aus Gefühlen aus.

Freude. Trauer. Sehnsucht. Fast alles war vertreten.

Er strich ihr kurz übers Haar, fuhr ihre Züge nach bis zum Kinn, an dem immer noch das Blut klebte. Und dann schüttelte er sie so kräftig an den Schultern bis sie endlich aufwachte. Ihre Augenlider flackerten. Langsam öffneten sich ihre Augen. Ihr Blick war leicht verschleiert.

„Envy.“, hauchte sie leise, fast wie in Schlaf.

Sie hatte ihn also erkannt, nach all der Zeit.

„Life.“, gab er ebenso leise zurück.

Sein Gegenüber riss die Augen auf. Es war als hätte sie erst jetzt realisiert wer er war. Sie wich zurück, doch Envy hatte sich schon vorgebeugt. Kaum hatte sie sich bewegt spürte Life auch schon etwas Hartes im Rücken. Die Wand! Sie war eingekesselt zischen ihren Bruder und der Wand. Eine unerbittliche Kraft die von ihren älteren Bruder ausging schnürte ihr die Kehle zu. Eine Ewigkeit verharzten sie so. Life an die Wand gedrückt und Envy mit ausgestreckten Armen über ihr. Er hat sich nicht verändert, schoss es den Mädchen durch den Kopf. Der schlanke Körper, das tannengrüne Haar, die alabasterfarbende Haut, alles war wie sie es auf ihren Bildern immer eingefangen hatte. Doch es war schier unmöglich, dass er hier war. Das alles konnte nichts mehr sein als ein Traum. Ein Albtraum aus den sie nie wieder aufwachen wollte. Envy sah sie durchdringend an. Seine Miene war unergründlich, als spiegelten sich zu viele Gefühle wider als um sie alle auf seinem Gesicht zu fangen. Sie konnte den Blick nicht von ihm wenden und er anscheinend auch nicht.

Seine Lippen bewegten sich, formten abermals ihren Namen, lautlos. Und doch durchfuhr sie ihr alter Name wie ein Blitz. Life wollte zurückweichen, doch eine Hand schloss sich um ihre und verhinderte jegliches entkommen.

Life spürte die Wärme die von der Hand ausging.

Also doch kein Traum…

Für einen Moment schien Envy unschlüssig. Während der vergangenen Jahre hatte er sich jeden Tag überlegt, die Wörter überlegt die ausdrücken, wie er gefühlt hatte, als sie einfach verschwunden war, wie er sie vermisste und wie er ihr beweisen konnte, dass er nichts mehr wollte als sie einfach bei sich zu haben. Jetzt wo sie sich gegenüber standen waren jegliche Worte vergessen.

Sie hatte sich fast nicht verändert.

Zugegeben, sie mochte aus den Kindersachen raus gewachsen sein, aber ihre Haut hatte immer noch dieselbe leicht kränkliche Blässe, ihr Haar wie ehe und je in alle Richtungen ab und schimmerte in den Blut so ähnlichen Rot. Das einzige große was ihn wirklich aufgefallen war, waren der schwarze Umhang und die Tatsache, dass sie darunter offenbar ein ganzes Waffenarsenal mit sich herumschleppten. Nur in ihrem Gesicht konnte er ablesen wie viel Zeit verstrichen war. Ihre Wangenknochen waren höher als damals. Das Kindliche war dabei aus ihren Zügen zu verschwinden und ihre Augen sprachen eine Sprache, die keinem Kind gehören konnten.

Es waren Augen eines Alten in einen Kindergesicht.

Die grünen Irren sahen hektisch um her, als suchten sie nach einen Ausgang. Envy verspürte nur noch den Wusch sie an sich zu drücken und sie nie wieder loszulassen, doch als er ihre Hand fester drückte wand sie den Blick ab.

Ihre Reaktion trieb ihn Tränen in die Augen, doch er unterdrückte sie. Er bemerkte das Blut an ihren Lippen und wischte es weg. Life erschauerte unter seiner Berührung. Was war nur los mit ihr?

„Hast du ihn wieder eingesetzt?“, fragte er ruhiger, als er es selbst für möglich gehalten hätte, fast schon gespenstisch ruhig.

Schweigen.

„Wann hast du das letzte Mal etwas zu dir genommen?“, fragte er weiter, diesmal mit zunehmender Härte.

Life senkte den Kopf und mit einem Mal fragte sich Envy wie vielen Menschen sie in den vergangenen zehn Jahren das Leben genommen hatte. Und stellte zugleich fest, dass es ihn nicht interessierte.

Als wäre es selbstverständlich wischte er das Blut und den Schmutz aus ihrem Gesicht. Seine Berührungen verfärbten ihre Wangen zu einen tief Rot, das ihr ein wenig Farbe verlieh. Ihre Lippen bewegten sich.

„Ich hasse mich dafür.“

Envy hielt mitten in der Bewegung inne.

„Hast du dich etwas immer noch nicht damit abgefunden?“

Sie sah ruckartig auf.

„Abgefunden?“, wiederholte sie finster. „Wie sollte ich mich damit abfinden? Damit abfinden Seelen zu verschlingen? Damit abfinden, dass ich jeden der mir auch nur einen Pfifferling wert ist umbringen könnte? Soll ich mich damit abfinden ein Monster zu sein?“

„Du bist kein Monster! “

Sie riss sich los, als wollte sie seinen Widerspruch abschütteln.

„Kein Monster?“, wiederholte sie gefährlich leise.

„Dann erklär mir doch wer Astrum damals ausgelöscht hat. Wie konnte ein ganzes Land in einer einzigen Nacht untergehen? Wer hat sie alle durch das Tor gestoßen und zu Stein der Weißen gemacht? Ich hätte dich damals ebenso gut töten können wie all die anderen. Als…“

„Ich lebe noch!“, unterbrach Envy sie schroff. „Und das war nicht nur Glück sondern dein Zutun! Die MENSCHEN haben ihr Land ins Unglück gestürzt, nicht du!“

Sie schüttelte den Kopf.

„Ich habe sie getötet!“

„Weil du es musste!“

„Sie gefoltert, ihnen meine Folter spüren lassen!“

„Sie haben es nicht besser verdient!“

„Ich hätte auch dich töten können.“

„Hast du aber nicht.“

Life starte ihn an. Envy hatte erwartet, dass er Trauer finden würde, doch in ihren Augen spiegelten sich Wut und Bitterkeit. Auf sich selbst. Zum ersten Mal konnte Envy sie richtig sehen. Sie hatte sich all die Jahre immer nur selbst gehasst. Nicht ihn, nicht die Menschen, sondern einzig und allein sich selbst. Und das nur, weil sie ihn damals fast getötet hätte, weil sie immer noch dachte, dass sie für all das Leid der er erfahren musste verantwortlich war. Und DARUM hatte sie ihn verlassen. Ihre Maskerade war nun endgültig zerbrochen. Sie zeigte ihm, was sie all die Jahre lang verborgen und abgelehnt hatte.

Ihre eigene Verletzlichkeit.

Envy packte sie an ihren Schultern, zog sie zu sich, zwang sie dazu ihn in die Augen zu sehen.

Sie schaffte es kaum seinen Blick stand zuhalten.

„Hör mir jetzt zu!“ sagte er bestimmt. Life hatte ihn seit Ewigkeiten nicht sprechen hören.

„Monster ist nur etwas, was die Menschen so nennen, weil sie keine Ahnung davon haben. Sie haben uns, dich, mich und die anderen, erschaffen und nur weil wir anders waren haben sie uns diesen Namen gegeben. Und weißt du warum wir anders sind? Weil wir stärker, klüger und weil wir Kräfte besitzen vor den Normalsterbliche nur träumen. Du weißt was es ist.“

„Schmerzen.“, hauchte Life.

„Ich kann andere Schmerzen geben, wenn ich will. Ich kann ihnen Wunden geben, die sie mir zugefügt haben und ich kann es sie spüren lassen. Ich kann andere leiden lassen, wenn ich will.“

Envy nickte leicht.

„Ich bin ein Monster.“

Er schüttelte den Kopf.

„Du hast diese Fähigkeiten schon immer. Du hattest sie noch bevor du dich dafür oder dagegen entscheiden konntest.“

Life biss sich auf die Unterlippe.

„Erinnerst du dich noch an den Krieg? Damals waren wir mitten in der Schlacht. Ich habe das ganze Schlachtfeld nach dir abgesucht, doch du, dich hat die Soldatenlinie verschluckt. Als ich dich endlich fand warst du blutverschmiert und du hattest nur den Dolch. Ich ging zu dir, doch als ich dich zum Lager bringen wollte, haben uns die Menschen überrascht und haben sich auf mich gestürzt. Doch sie haben uns nicht einmal berührt. Und weißt du warum? Weil du sie aufgehalten hast. Weil du sie angesehen und sie dann zusammengebrochen sind und weißt du was? Du hast mich gerettet und nicht nur einmal. Du hast weder einen Fluch über mich gebracht noch warst du eine Last für mich.“

„ Ich…ich…bin…..“ Ihre Stimme versagte. Hilflos schüttelte sie den Kopf. Ihre Schultern begannen zu beben.

„Wenn ich kein Monster bin, was dann?“

„Du bist Life. Du bist meine einzige, kleine Schwester.“

Wieder ein schütteln.

„Das bin ich nicht! Nicht nach dem was ich dir angetan habe!“

„Angetan? Fock, Nee-chan! Ich habe dich vermisst oder warum denkst du habe ich dich gesucht?“

„Zehn Jahre lang?“

„Und wenn es nötig gewesen wäre noch länger!“

Envys Griff um sie wurde stärker. Nur wenige lächerliche Nanometer trennten und die Sehnsucht war einfach so stark, dass er den Abstand kaum noch aufrecht erhalten konnte. Life neben ihm zitterte wie Espenlaub. All das was er gerade gesagt hatte, war genau das Gegenteil von alle dem, woran sie immer geglaubt hatte. Oft hatte sie sich ihn vorgestellt wenn er an sie dachte und hatte nur Hass gesehen. Doch all das....

Sie sah in seine Augen. Diese faszinierenden Augen, in den sie sein ganzes Selbst wiedersehen konnte.

Schmal, violett und feucht. Doch wo war der Hass?

Envy zog sie näher zu sich. Life erschauerte, wich aber nicht zurück.

„Wovor hast du Angst?“, fragte Envy sie leise. Seine Lippen waren ganz nah an ihrem Ohr, so dass die Homunkuli den Atem ihres Bruders auf der Haut spüren konnte.

„ Es will dich verschlingen.“, sagte sie mit leeren Blick. „Das Tor.“

Sofort zog er sie in seine Arme.

„Ich bin hier.“, hauchte er leise. Seine Hände strichen durch ihr Haar und Life vergrub das Gesicht in seiner Schulter. Die Kälte, die von ihr ausging ließ ihn kurz erschauern, aber es war eine angenehme Kälte. Beide ließen zu, dass ihre Welten aufeinander fielen

„Ich beschütze dich!“, hauchte er wieder und strich beschützend über ihren Kopf.

Und nur erwiderte sie die Umarmung. Es war als würden all die Jahre, all die Einsamkeit und dem Schmerz verblassen lassen, wie einen bösen Traum.

Lifes Arme umfingen ihn, halb stützend, als schützend, während Envy spürte wie etwas feuchtes über sein Gesicht lief und zugleich verspürte er wie sich das Gefühl in ihm ausbreitete, nach dem er sich so lange gesehen hatte. Das Gefühl von jemanden gebraucht zu werden und denn an selbst mehr als alles andere brauchte. Das einzige was Envy noch wahrnahm, waren der Körper und die Stimme seiner kleinen Schwester, die dasselbe Wort immer und immer wieder wiederholte.

Seinen Namen, immer wieder seinen Namen.



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