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Der Schrein der Zeit

Sawako und die Krieger vom Aokigahara
von

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Was geschah

Die Informationen über das Geschehene wurden von denen vorgetragen, die nun hier in der Mitte des Raumes knieten. Shiba, Harada und andere Männer, die Sawako nicht kannte. Sie lauschte gespannt und aufmerksam, auch wenn sie einiges bereits von Shiba gehört und anderes selbst miterlebt hatte. Die Männer hatten das Schloss verlassen gehabt, als der Brand im Tempel bemerkt wurde. Die Rauchwolke war nur allzu sichtbar gewesen, sodass selbst hier im Schloss schnell reagiert werden konnte. Da ein Angriff von Mikawa seit längerem befürchtet wurde, waren die Soldaten stets in Alarmbereitschaft und konnten so schnell reagieren. Sie schnappten sich ihre Pferde und eilten zum Dorf.

„Als wir den Tempel erreicht hatte, waren die Angreifer bereits fort. Wir konnten keine eindeutigen Spuren ausmachen. Entweder waren sie zu vorsichtig, oder ihre Verwüstung einfach zu gründlich“, erklärte Harada. So unauffällig wie möglich schaute sie zu ihm hinüber. Seine Züge waren ernst und er wirkte zornig, auch wenn seine Stimme ruhig klang. „Alles, was wir noch tun konnten, war den Dorfbewohnern beim Löschen der Flammen zu helfen und die Toten aus dem Feuer zu ziehen. Wir hatten großes Glück, das Wetter war uns wohlgesonnen. Die Priester glauben, die Götter selbst hätten den Schutz des Tempels in die Hand genommen. Die Toten wären da sicher anderer Meinung. Auch der Schrein wurde fast zerstört und der Stein der Zeit gestohlen.“

„Der Stein der Zeit? Glaubst du, sie hatten es darauf abgesehen?“, fragte der Daimyou aufmerksam. Er schien unruhig zu sein, auch wenn sein Gesicht eine emotionslose Fassade darstellte. Die Art, wie die Finger seiner rechten Hand zuckten und wie seine Augen sind immer weiter verengt hatten, verrieten ihn. Erschrocken blickte Sawako auf den Boden, als sie bemerkte, dass sie ihn wieder angestarrt hatte. Er gab wirklich ein imposantes Bild ab. Älter als Mitte dreißig konnte er auf keinen Fall sein. Seine feinen Gesichtszüge und seine wachsamen Augen ließen ihn sehr intelligent wirken.

„Ja, und da bin ich mir sehr sicher. Sie haben den Tempel so sehr beschädigt, die Priester leisteten kaum nennenswerten Widerstand und es kann, anhand deren Schilderung, nur wenige Augenblicke gedauert haben, bis die Angreifer den Tempel unter Kontrolle hatten. Jedoch haben sie alle Kostbarkeiten zurückgelassen. Einzig der Stein wurde mitgenommen.“

Der Stein und Sawako selbst, dachte sie bitter. Schrein der Zeit? Stein der Zeit? War es dieses Relikt, von dem Shiba ihr zuvor erzählt hatte? Ein sehr ungutes Gefühl überkam sie. Aber diesmal achtete sie darauf, ihre demütige Haltung beizubehalten und nicht wieder den Fürsten anzusehen oder überhaupt den Blick unbeschwert durch die Halle schweifen zu lassen. Dabei interessierte es sie brennend, wie die Anwesenden auf diese Information reagierten. Es erschien ihr als unglaublich wichtig.

„Und ihr hattet keine Spuren, um die Diebe zu verfolgen?“

„Nein“, antwortete nun ein anderer. „Niemand konnte Spuren entdecken. Es war, als hätten Geister den Tempel heimgesucht.“ Ein zustimmendes Grummeln war zu vernehmen.

„Dennoch“, ergänzte Shiba, „ist es doch sehr wahrscheinlich, dass Mikawa hinter dem Angriff steckt. Darum haben wir Shinobi uns auf den Weg in das feindliche Gebiet gemacht. Harada und eine handvoll seiner Soldaten begleiteten uns. Wir fanden Yorinagas Lager noch vor Einbruch der Dunkelheit, am Ufer des Saiko Sees, hielten uns jedoch erst verborgen. Erst, als die Nacht hereinbrach, die Wachen nach und nach dem Sake erlagen und die Fackeln erloschen, schlich ich mich ins Lager. Ich wollte so unauffällig wie möglich nach dem Stein suchen. Unentdeckt bleiben. Doch daraus wurde nichts, denn in einem der Zelte fand ich diese Frau.“

Sawako musste gar nicht aufsehen, um zu bemerken, dass alle Blicke auf ihr lagen. Sie spürte es wie ein Brennen im Nacken. Hatte Harada nicht zuvor gesagt, sie wäre ängstlich wie ein Reh? Jetzt fühlte sie sich zumindest wie ein Reh vor einem Wolfsrudel.

„Gehört sie zu Mikawa?“, fragte Ogata. Sie schüttelte den Kopf, aber es war Shiba, der für sie antwortete.

„Das glaube ich nicht. Sie war eine Gefangene. Dennoch hatte sie mich gesehen. Ich wusste nicht, ob sie mich verraten würde, um ihre Freiheit zu erkaufen. Hätte ich sie jedoch getötet, wäre Yorinaga aufgefallen, dass wir dort waren. Also konnte ich sie nur für ein kleines Täuschungsmanöver gebrauchen. Allerdings unterlief mir ein Fehler. Sie ist entkommen, ehe ich sie mit nach Dewa nehmen konnte. Im Lager ist dann Tumult ausgebrochen. Die Soldaten wurden entdeckt und ...“, er warf Harada einen flüchtigen Blick zu, „dann hatte die Mission nicht mehr viel mit Unauffälligkeit zu tun.“

„Vergebt mir, Ogata-sama, aber es erschien mir nicht das Richtige, mich zurückzuhalten. Ich habe einige Männer verloren und wollte nicht riskieren, dass mehr als nötig fallen.“

Darauf hörte sie keine Reaktion. Ogata schien dem Bericht weiter lauschen zu wollen.

„Und in dem Tumult ist die Frau entkommen“, ergänzte Shiba. Es war merkwürdig, wenn jemand so über sie redete. Sie fühlte sich wie ein Tier, dass bei einer Hetzjagd entwischen konnte und dafür besonders fiese Hunde auf den Hals gehetzt bekam.

„Wie ist dein Name?“ Oh Gott, redete er jetzt mit ihr?

„Sawako, mein Herr“, antwortete sie, ohne aufzusehen.

„Sag, Sawako, warum wurdest du dort festgehalten?“

Sie erzählte ihm die gleiche Geschichte wie Yorinaga. Von der Flucht vor dem grausamen Ehemann und dem unglücklichen Zufall, der sie in das Land Yorinagas führte. Dabei ließ sie jedoch die Tatsache aus, dass sie während des Angriffes aus dem Nichts im Tempel auftauchte und dort gefangen wurde. Wie sie es auch drehte und wendete, es hätte sie zu verdächtig aussehen lassen und dieses Risiko wollte sie nicht eingehen. Hoffentlich würde er ihr mehr glauben als der Fürst Mikawas.

„Und du hast den Aufruhr genutzt, um zu entkommen und dabei den Hauptmann meiner Shinobi einfach zurückgelassen. Du hast entweder erstaunliches Glück oder aber Geschick bewiesen. Offensichtlich hast du nicht lange gebraucht, um den Fehler zu beheben?“, fragte er nun wieder an Shiba gewandt.

„Wir fanden sie am nächsten Tag im Dorf und brachten sie hierher.“

„Hast du Anzeichen auf den Stein der Zeit oder den Angriff auf den Tempel gefunden?“

Konnte das sein? Keine weiteren Fragen? Kein Verhör? Kein guter Bulle, böser Bulle? Nahm er ihre Geschichte etwa wirklich so hin oder war sie gerade einfach nicht wichtig genug, um weitere Beachtung zu erfahren? Nicht, dass es sie gestört hätte.

Es folgten dann eine ganze Weile Spekulationen über den Verlauf und den Grund des Angriffes sowie über den Verbleib dieses mysteriösen Steines. Die Ungewissheit, ob es tatsächlich Yorinaga war oder aber ein anderer Feind machte ihnen scheinbar zu schaffen. Sie wagten es nicht, auf einen Verdacht hin den Krieg zu suchen, wollten jedoch einen so unglaublichen Angriff aber auf keinen Fall ungestraft lassen. Sie war versucht, ihnen einfach zu bestätigen, dass es Yorinaga war. Aber sie hatte Angst, dass zu viel Wissen über den Angriff sie in das falsche Licht stellen würde. Ein falsches Wort und das Bild vom unschuldigen Passanten war verloren. Welcher Angreifer erzählte seiner Gefangenen gegenüber schon aus dem Nähkästchen?

Ogata war sehr bestimmt, dass sie diesen Stein unbedingt wiedererlangen mussten. Sawako fand es merkwürdig, dass so viel über dieses Artefakt gesprochen wurde. Wie wertvoll konnte es schon sein? Es wurde dieser unglaublich schöne Tempel fast niedergebrannt, vier Menschen ermordet, und deren Hauptsorge war dieser blöde Stein? Ein Gegenstand, der so wichtig ist, dass alles andere ausgeblendet wurde?

Plötzlich kam es ihr in den Sinn. Sie erschrak fast von der überraschenden Einsicht.

„Ähm“, sie wusste gar nicht, wie sie sich zu Wort melden sollte, aber sie hatte eine hervorragende Idee. Durfte sie sich überhaupt einmischen, als Frau, die einfach dazwischen brabbelte? Gut, das war wahrscheinlich so unhöflich, dass es jetzt eh keine Rolle mehr spielte, also sah sie wieder auf, genau in Ogatas überraschte Augen.

„Dieser Stein der Zeit ist nicht zufällig in einer kleinen Schatulle aufbewahrt? Ungefähr die Größe?“ Sie zeigte die Maße mit den Handflächen. Die Männer im Raum waren plötzlich unruhig. Shiba hatte sich halb erhoben.

„Du hast sie gesehen?“

„Ja, Yorinaga hatte eine solche Schatulle“, erklärte sie und erkannte an ihren Gesichtern, dass sie gerade eine wirklich wichtige Information mit ihnen geteilt hat. Volltreffer. Sie beschrieb kurz ihre Flucht, welche Rolle das kleine Kästchen gespielt hatte und dass es vielleicht möglich war, dass es sich um eben diesen besagte, super wichtige Gegenstand handelte. Sie hatte das Aussehen der Schatulle noch weiter beschreiben müssen, aber es fiel ihr schwer, sich an Details zu erinnern, hatte sie gestern doch andere Sorgen als so eine kleine Schachtel gehabt. Nach ihrer Schilderung herrschte Schweigen im Raum. Sie war vollkommen angespannt. Was bedeutete das jetzt für sie?

„Shiba!“, sprach der Fürst im Befehlston. „Du wirst nach Mikawa zurückkehren. Nimm nur eine Hand voll Männer mit. Ihr dürft nicht auffallen. Aber sucht nach dem Stein.“

„Hai.“

„Ono! Sorge dafür, dass das Dorf besser bewacht ist. Die Menschen brauchen Schutz in Zeiten wie diesen.“

„Hai.“

„Nishioka! Du verstärkst die Grenzpatrouillen.“

„Hai.“

„Harada! Du wirst die Sicherheitsvorkehrungen des Schlosses erhöhen. Wenn du mehr Männer brauchst, hole dir die Bauern vom Feld. Du bleibst hier positioniert. Und du wirst die Frau bewachen!“

„Hai“, antwortete Harada, doch im Gegensatz zu den Vorgängern klang seine Stimme skeptisch.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Enyxis
2013-08-23T22:04:20+00:00 24.08.2013 00:04
Da hat Sawako aber für Aufregung gesorgt. Sie und Harada werden sich sicher super verstehen *HUST* xD
Von: abgemeldet
2012-11-18T21:37:01+00:00 18.11.2012 22:37
na herzlichen Glückwunsch, Sawako, du hast den Bishi ganz für dich alleine <3
Von:  kokuskeks
2012-10-03T17:45:05+00:00 03.10.2012 19:45
Ich seh´s schon vor mir! Die beiden werden sich die Köpfe einschlagen xD Und ich freu mich schon drauf!


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