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Der Schrein der Zeit

Sawako und die Krieger vom Aokigahara
von

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Die Magie des Tempels

Zu ihrem großen Leidwesen brachten die beiden Sawako die Hautstraße entlang. Hatte sie vorher geglaubt, angestarrt worden zu sein? Das war nichts im Vergleich zu jetzt. Der Krieger Harada vorneweg, Shinobi Shiba neben ihr und gefolgt von einer Meute Soldaten. Als die beiden Männer Sawako aus der Gasse hinaus geführt hatten, wartete eine Traube der Krieger bereits auf Harada. Sie sprachen ihn mit „Hauptmann“ an und redeten mit viel Respekt in der Stimme, anders als Shiba. Harada schien hier einer der Wichtigen zu sein. Wie nett, sie wurde von einem VIP eskortiert. Das Verhalten von ihm und Shiba hatte sich schlagartig verändert, als sie die belebte Straße betreten hatten. Sie scherzten nicht mehr und wechselten nur wenig Worte. Ob es mit seiner Position als Hauptmann zu tun hatte? Das sollte keine Rolle spielen, sie hatte gerade durchaus andere Sorgen. Während sie die Straße hinauf liefen, kamen immer mehr Soldaten hinzu. Sawako vermutete, dass sie alle ausgeschwärmt waren, um die mysteriöse Fremde zu finden, die im Dorf solche Unruhe verbreitete – also sie. Daher wurde die Gruppe um sie herum immer größer, als die Soldaten nach und nach zurückkehrten. Sie fühlte sich wie von einer Parade begleitet. Die Menschen sahen sie an wie eine Kriminelle, die von der Polizei abgeführt wurde. Während die Dorfbewohner sie zuvor nur neugierig und skeptisch angeschaut hatten, spürte sie jetzt ganz verschiedene Blicke auf sich. Verachtung war häufig vertreten, aber auch Spott. Am meisten jedoch wunderte sie sich über die ängstlichen Blicke. Sawako glaube nicht, dass sie eine nennenswerte Bedrohung darstellte. Einen kurzen Moment sah sie das kleine Mädchen von zuvor, dem sie den Obi wiedergegeben hatte. Sie versteckte sich hinter einer alten Frau, als sie bemerkte, dass Sawako sie entdeckt hatte.

„Mach dir wegen denen keine Gedanken“, sagte Shiba ihr leise. „Sie sind unruhig wegen des Angriffes auf den Schrein. Sie spüren die Bedrohung des Krieges, der in der Luft liegt. In solchen Zeiten nehmen die Menschen immer Abstand von Fremden.“

„Das Dorf wurde angegriffen?“ fragte sie überrascht. Ein Angriff auf einen Schrein? Das kam ihr unangenehm bekannt vor.

Er sah sie verwirrt an, als wäre er davon ausgegangen, dass sie es wissen musste. „Ich hatte dir doch gesagt, dass ich nur auf der Durchreise war, als ich von Yorinagas Männern gefangen genommen wurde. Diese Region kenne ich nicht und weiß auch nicht, was hier vor sich geht“, sagte sie zu ihrer Verteidigung, halb Lüge, halb Wahrheit.

„Es ist sehr dumm, so wenig über die Gegend zu wissen, die man durchquert. Dumm und gefährlich“, gab er zurück. Sie wusste, dass er Recht hatte, nur hatte sie ja nicht gerade die Möglichkeit zum Recherchieren gehabt. Doch das konnte sie ihm ja kaum sagen.

„Ich war in Eile“, erwiderte sie nur verteidigend. Sein Blick war skeptisch. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass er ihre Geschichte genauso wenig glauben würde wie Yorinaga. Er wusste, dass sie etwas verbarg. Das ist sicher der Grund, warum sie Sawako nicht gehen ließen. Er sprach von Krieg. Dann ist klar, dass Fremde mit Geheimnissen nicht so einfach mit einem Lunchpaket versorgt und ihres Weges geschickt wurden.

„Es war gestern, noch bevor die Sonne am höchsten stand. Feindliche Shinobi sind in das Dorf eingefallen und haben den Tempel angegriffen. Eine Miko und drei Priester wurden getötet und der Tempel in Brand gesetzt. Das schwere Unwetter hatte dafür gesorgt, dass das Feuer sich nur schwer ausbreiten konnte. So konnten wir es zum Glück löschen, bevor der Schrein ganz zerstört wurde. Der Kern des Tempelgeländes, der Schrein der Zeit, hat allerdings großen Schaden genommen.“

Es musste derselbe Angriff gewesen sein, in den sie gestern gestolpert war. Kein Wunder, dass die Dorfbewohner Angst hatten, bei diesem Höllenszenario und der drohenden Gefahr eines feindlichen Überfalls.

„Der Schrein der Zeit?“, hakte sie nach. Sie würde die Chance nutzen, um so viele Inforationen wie möglich zu bekommen.

„Der Schrein ist das oberste Heiligtum dieses Ortes. Eher sogar der ganzen Provinz. Die Menschen glauben, dass jetzt großes Unheil bevorsteht, wo der Schrein beschädigt wurde. Sie fürchten den Zorn der Götter. Zum einen, weil der Schrein an sich fast zerstört wurde. Zum anderen, und das ist der Hauptgrund, weil etwas sehr Kostbares daraus entwendet wurde. Die Götter selbst sind beraubt worden.“ In seiner Stimme klang ein besorgter Unterton mit. „Sie glauben, die Götter hätten das Unwetter heraufbeschworen, um den Tempel zu schützen und die Menschen zu strafen.“

„Warum hat Yorinaga den Überfall beauftragt?“ fragte sie und erntete einen entsetzten Blick von ihm.

„Woher weißt du, dass er es war?“ Er wirkte ernsthaft beunruhigt.

„Ähm ...“, sie zögerte. Fast hätte sie wieder ihren sarkastischen Tonfall von vorhin angerissen. Wer weiß schon, wie belastbar der Geduldsfaden dieses Mannes mit frechen Frauen war. Sie wollte es nicht austesten. Gut, das würde jetzt ebenfalls nicht die ganze Wahrheit werden. Immerhin wusste sie es mit Bestimmtheit. Sie antwortete : „Also wenn ihr gestern überfallen wurdet und du und der Hauptmann da vorne in Yorinagas Lager einfallt, dann hab ich jetzt einfach mal geschlussfolgert, dass er der Angreifer sein musste.“

Sie hörte ganz leise ein Grummeln von vorne. Harada musste sich ein Lachen verkniffen haben. Er schien ihnen zuzuhören, hielt sich aber aus dem Gespräch heraus und schenkte ihnen keine offensichtliche Beachtung. Auch Shiba ist es aufgefallen und er warf dem Rücken des Hauptmannes einen grimmigen Blick zu,

„Gut, du hast Recht, das kann man schlussfolgern“, gab er zu. „Aber wir haben keine Beweise, dass er es war. Wir glauben es nur, weil ein Angriff von Mikawa seit Wochen vermutet wird.

Yorinaga hat in der Vergangenheit mehrere andere Provinzen eingenommen. Da Mikawa Dewas Nachbarprovinz ist, halten wir es nur für eine Frage der Zeit, bis ein Krieg ausbricht.“

Sawako versuchte die Informationen in ihrem Kopf zu ordnen. Sie befand sich hier in der Provinz Dewa. Ogata musste der Herr der Provinz, der Daimyou, sein. Zuvor war sie die Gefangene von Daimyou Yorinaga, dem Herren der Provinz Mikawa. Den beiden Regionen drohte ein Krieg. Kein Wunder, dass sie auf beiden Seiten mit so viel Argwohn behandelt wurde. Sie war direkt beim Angriff aus dem Nichts im Tempel aufgetaucht. Natürlich musste er geglaubt haben, dass es kein Zufall sein konnte. Genauso wie Shiba, der Sawako nach dem Angriff im feindlichen Lager vorgefunden hatte.

„Ich verstehe“, sagte sie, mehr zu sich selbst als zu dem Shinobi. Je mehr Informationen sie bekam, desto mehr konnte sie sich zusammenreimen, was hier vor sich ging und desto besser könnte sie sich anpassen. Leichter gesagt als getan.

„Bis ihr mir also glaubt, dass ich mit all dem nichts zu tun habe, werdet ihr mich nicht gehen lassen?“

„So ist es. Hast du Angst?“ Er musterte sie genau, als würde er sich keine Regung entgehen lassen wollen, die etwas über sie verriet.

„Sollte ich?“ stellte sie die Gegenfrage.

„Das hängt ganz davon ab, ob du uns die Wahrheit sagst oder nicht.“ Gab er zurück. Die Antwort war so schlicht, dass sie seine Worte nicht in Frage stellte. Sein Blick wirkte aufrichtig. Ihr fiel wieder auf, wie jung er war. Sawako konnte sich nicht vorstellen, dass er älter war als sie mit ihren 22 Jahren. Im Gegensatz zu Harada trug er sein Haar nicht lang. Er war dem Krieger insgesamt auch sehr wenig ähnlich. Sein Gesicht wirkte jugendlich und seine schlanke Statur verhieß Geschwindigkeit und Geschick.

„Da vorn“, er deutete auf das Ende der Straße, die sich dort in eine leichte Kurve neigte. „Gleich kannst du es selbst sehen.“ Sie wusste erst nicht, was er meinte, doch als sie die Stelle erreichten, traf es sie wie ein Schlag ins Gesicht. Hätte sie den Angriff nicht mit eigenen Augen gesehen, hätte sie nicht sofort erkannt, dass es sich bei diesem Gelände um einen Tempel handelte. Statt roter Säulen, die den Gang bildeten, sah sie nur schwarze Überreste verbrannten Holzes. Sawako erkannte den kleinen Tempel sofort, auch wenn nichts an die Pracht erinnerte, die sie zuvor gesehen hatte. So prächtig, dass er zu dem kleinen Dorf kaum passte. Doch durch den Angriff hatte er seinen Glanz verloren. Eine Miko und drei Priester wurden hier ermordet, wie grausam. Sie erschauderte. Die Schreie, die sie gehört hatte – stammten sie von Ihnen? Ihr Blick schweifte weiter über das Gelände. Niemand war hier. Ob der Tempel nun einsturzgefährdet war? Ob er wieder mühselig zu altem Glanz hergerichtet werden würde? Bestimmt, denn sie hatte ihn gesehen, in voller Pracht, zu einer anderen Zeit. Zwischen den verrußten Wänden blitzten immer wieder verschiedene Farben hervor. Sehr viel Rot, aber auch Blau und Gelb. Sawako erinnerte sich wieder an den Tempel, den sie als Kind mit ihren Eltern besucht hatte. Genauso wie hier war es ein kleines, unscheinbares Eckchen gewesen, sodass ein prächtiger Tempel dort überraschte. Sie war damals so fasziniert davon. Von der Schönheit und der Magie des Ortes. Sie hatte sich dann immer gewünscht, auch eine Miko zu werden und ihr Leben in den wunderschönen Räumen, Höfen und Gärten eines solchen Tempels zu verbringen. Auch dieser Tempel strahlte, trotz des schrecklichen Zustandes, dieselbe Magie aus wie der aus ihrer Erinnerung. Zu Beginn des Ganges war eine Säule noch vollkommen intakt und unbeschädigt. Wieso war sie Sawako nicht gleich aufgefallen? Sie leuchtete so strahlend rot, dass es unmöglich schien, sie zu übersehen. Zu gerne wäre sie hinübergegangen, um das kalte Holz zu berühren. Aber sie musste weitergehen …. gehen. Sie riss sich aus ihren Gedanken und stellte fest, dass sie stehengeblieben war. Die ganze Kolonne wartete ebenfalls, und deren Blicke lagen nicht auf dem Tempel, sondern mit verwundertem Ausdruck auf ihr. Selbst Harada hatte sich umgedreht und sah sie mit einem Blick an, den sie nicht deuten konnte.

„Beachtest du uns jetzt wieder?“, hörte sie Shibas Stimme neben sich sagen. Sie klang dumpf, als befände Sawako sich in einer Art Trance. Zögernd sah sie ihn an.

„Was?“

„Ok, du hörst nicht zu, aber du hörst mich zumindest. Besser als vorher“, seufzte er. Hatte er mit ihr gesprochen, als sie den Tempel anstarrte und ihn und die anderen dabei vollkommen ausgeblendet hatte? Sie war verwirrt. Außerdem war es ihr sehr unangenehm, wie mehr als 30 Männer sie anstarrten und auf sie warteten. Sie versuchte, die Blicke zu meiden und ging strammen Schrittes weiter. Dabei fiel es ihr ausgesprochen und überraschend schwer, nicht wieder zum Tempel zurückzusehen.
 

Der Tempel stand am Rande des Dorfes, sodass sie jetzt wieder das vertraute Bild des Waldes um sich herum hatte. Die Bäume ragten links und rechts der Straße wieder so hoch hinauf, dass sie nicht viel von der Umgebung erkennen konnte. Shiba hatte ihr gesagt, dass sie auf dem Weg zum Schloss des Daimyou waren und dass es auf einem Hügel nahe des Dorfes lag. Die Bäume verhinderten aber, dass sie den Berg sehen konnte, geschweige denn das Schloss. War aus dem Dorf vielleicht ein Hügel in der Ferne sichtbar gewesen? Sie konnte sich nicht erinnern, da sie nicht sonderlich auf ihre Umgebung geachtet hatte. Zu sehr hatte sie sich auf das mittelalterliche Dorf an sich konzentriert. Mittelalterlich, ja. Das Dorf, dessen Bewohner, diese Krieger … Sawako war sich nach allem ziemlich sicher, dass sie hier in der Vergangenheit gelandet war. All das Gerede von Shinobi, Provinzen und Daimyous hatte ihren Verdacht verstärkt, sodass sie sich nun keine andere Möglichkeit mehr vorstellen konnte. Sengoku Zeit, vermutete Sawako anhand der vorhandenen Informationen. Irgendwann zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert. Sie weigerte sich aber vorerst, über die Konsequenzen nachzudenken. Ihr Entschluss stand fest. Es war wichtig, Prioritäten zu setzen. Ganz oben auf der Liste stand: Am Leben bleiben. Vermeidung von erdrosselt, erschlagen, erstochen oder erhängt werden. Dicht gefolgt wurde Punkt Eins von: das bitte möglichst unbeschadet. Um das zu erreichen, musste sie den Gegebenheiten ins Auge blicken und dazu gehörte, sich dem wahrscheinlichsten Szenario ihrer Situation zu stellen und das war in ihren Augen die Zeitreise, so absurd es auch klang. Das Gelingen von Punkt Eins und Zwei war nun abhängig von Daimyou Ogata. Sie musste sich also darauf konzentrieren, von ihm als so unschuldig und ungefährlich wie möglich wahrgenommen zu werden.

Und erst, wenn diese Punkte sichergestellt sind, könnte sie sich Nummer drei widmen: herausfinden, wie ich hier gelandet bin. Denn nur, wenn ihr das gelang, konnte sie den letzten Punkt auf der Liste abhaken: Zurück nach Hause finden.

Ihr wurde schwer ums Herz. Ihre Familie und ihre Freunde schienen so unerreichbar. Würde es ihr überhaupt gelingen, nach Hause zurückzukehren? Nein, ermahnte sie sich selbst, nicht jetzt darüber nachdenken, nicht die Priorisierung vergessen. Sie durfte sich nicht ablenken lassen und das Wesentliche, nämlich ihr Wohlergehen, nicht aus den Augen verlieren.

Auf dem schier endlos langen Weg zum Schloss dachte sie genau darüber nach. Shiba sprach viel mit ihr, jedoch hörte sie ihm kaum richtig zu, da er meist über Belanglosigkeiten redete. Nur, wenn für sie wichtige Informationen fielen, horchte sie auf. Sie war sehr dankbar dafür, dass er ihr keine Fragen stellte. Das machte es für sie deutlich einfacher. Und sie war dankbar, dass er überhaupt so viel mit ihr sprach. Es beruhigte sie sehr und gab ihr ein fast vertrautes Gefühl. Sie stellte sich vor, wie beunruhigend es gewesen wäre, wenn sie wie eine Kriminelle behandelt worden wäre, wie in Mikawa. Die Hände gefesselt, und keine freundlichen Worte vom Shinobi, kein knurrendes Lachen vom Krieger, höchsten kalte Blicke und ein paar Beleidigungen. Die Vorstellung gefiel ihr nicht. Außerdem wuchs wieder ihre Unruhe, je länger sie unterwegs waren. Denn je länger sie gingen, desto näher kamen sie dem Schloss und desto näher ihrem Urteil. Sie fragte sich, was für ein Mann dieser Ogata war. Kurz überlegte Sawako, ob sie Shiba einfach fragen sollte. Aber es wäre schon ziemlich unhöflich, zu fragen, wie „sein Herr so drauf ist.“ Sie wollte niemandem auf den Schlips treten. Wie ungünstig, diese Redewendung passte gar nicht in dieses Jahrhundert. Hier trug niemand einen Schlips. Sie musste unbedingt auf ihre Sprache achten. Zu schnell gingen saloppe Worte und Wendungen von den Lippen. Das könnte hier aber schnell sehr unangenehme Fragen aufwerfen. Sie konnte sich Leichteres vorstellen, als immer auf ihre Wortwahl zu achten. In Gedanken machte sie eine meterlange Liste mit Worten, die sie vorerst aus ihrem Wortschatz verbannen müsste. „Meterlang“ kam gleich mit dazu.
 

„Wir sind gleich da“, versprach ihr Shiba, als sie ihn nach vielen, vielen weiteren Schritten fragte, wie weit sie noch zu laufen hätten. Der Weg war furchtbar anstrengend. Seit Ewigkeiten neigte sich die Straße bergauf. Wieder holte sie Erschöpfung ein, und das konnte sie weiß Gott nicht gebrauchen. Sie benötigte einen klaren Kopf, wenn sie dem Daimyou gegenüber trat. Shiba hatte Recht, nur wenige Minuten später veränderte sich der Weg. Die Straße wurde breiter, die Bäumen hier waren nicht so dicht. Dazwischen konnte sie kurze Blicke auf das Schloss erhaschen. Es schien kein besonders großes Schloss zu sein. Nach dem wundervollen Tempel hatte sie ein nicht minder prächtiges Schloss erwartet. Als sie die Bäume hinter sich gelassen hatten und sich nun freie Sicht darauf bot, erinnerte sie dieses Schloss eher an ein besonders großes Anwesen. Trotzdem war es sehr schön anzusehen. Wäre sie Tourist, hätte sie Gefallen daran gefunden. Leider war sie eher eine Gefangene und als solche konnte der Anblick sie nicht lange fesseln. Tourist hätte sie durchaus bevorzugt.
 

Die Soldaten, die die ganze Zeit hinter ihr gelaufen waren, formierten sich nun an der Seite des Gebäudes und hörten aufmerksam den Befehlen ihres Hauptmannes zu. Er sah kurz in ihre Richtung und nickte Shiba kaum merklich zu. Der Shinobi, der nun schon eine ganze Weile aufgegeben hatte, Sawako in ein Gespräch zu verwickeln, in das sie mehr einbrachte als gelegentliche zustimmende, fragende oder einfach nichtssagende „Hmmms“, ging alleine mit ihr in Richtung Schloss. Sie sah viele Menschen, die sie für Personal hielt, weil sie den Kopf neigten, als Shiba mit ihr vorbeimarschierte. Trotzdem bemerkte sie auch hier immer wieder Blicke auf sie gerichtet, auch wenn die Schlossdiener dabei subtiler vorgingen als die Dorfbewohner.

„Ogata-sama wird euch gleich empfangen“, sagte jemand zu Shiba. Dieser nickte nur und schleifte sie weiter den langen Flur entlang. Dann hielt er plötzlich inne.

„Sag, wann hast du zuletzt was gegessen?“ Wie zur Bestätigung knurrte ihr Magen, als würde er schreien: „ja, denk an mich, beachte mich.“

Die letzte Mahlzeit? Das war die Scheibe Brot, die es gestern noch zum Frühstück gab, bevor sie das Haus Richtung Aokigahara verlassen hatte. Es kam ihr vor, als wäre seitdem eine halbe Ewigkeit vergangen.

„Gestern früh“, gab sie wahrheitsgemäß zurück und wagte kaum zu hoffen, etwas Essbares zu bekommen. Doch genau das hatte er vor. Er änderte mit ihr die Richtung und zog sie in einen leeren Raum. Sie sah ihn verdutzt an.

„Warte, wir haben nicht viel Zeit, bis die Verzögerung auffällt.“ Er verschwand, ohne eine Antwort abzuwarten. Sie konnte kaum glauben, dass sie etwas zu Essen bekam. Erleichtert wollte sie sich auf den Boden setzen, sich ausruhen und etwas zurücklehnen, doch Shiba war schon wieder zurück. Er drückte ihr eine kleine Schale kalten Reis in die Hand.

„Mehr konnte ich auf die Schnelle nicht auftreiben. Iss schnell“, drängte er. Sie hatte nicht vor, sich zu beschweren. Sie verschlang den Reis, als wäre ihr Magen tatsächlich ein Vakuum. Dabei ruhten seine Augen auf ihr. Sie würde sich trotzdem keine Gedanken darüber machen, wie wenig lady-like sie gerade den Reis verschlang.

„Danke“, sagte sie ihm mit ernstem Blick. Er hatte sie wahrscheinlich vor dem Hungertod bewahrt. Woher wusste er, dass sie sich fühlte, als würde sie sofort tot umfallen vor Hunger?

Einen Moment wirkte er von ihrem aufrichtigen Dank irritiert. Dann grinste er breit.

„Es hätte doch keinen Sinn gehabt, wenn dein Magen so laut knurrt, dass niemand meinen Bericht versteht.“ Sie konnte nicht anders als ebenfalls zu schmunzeln. Sein Lachen war wirklich ansteckend und die Schale Reis hat ihr einen richtigen Energieschub verpasst.

„Nun aber los“, meinte er und zerrte sie aus dem Raum heraus und wieder hinter sich her. Hatte er vergessen, dass sie auch alleine laufen konnte? Das hatte sie die letzten Stunden durchaus bewiesen.

Am Ende des langen Flures war eine riesige, elegant bemalte Reispapiertür. Ohne warnende Worte, ohne weitere Hinweise, schoben Bedienstete sie beiseite, um den Weg in einen großen und weiten Raum zu öffnen und Shiba zog Sawako mit sich hinein. Sie konnte so schnell kaum alle Eindrücke wahrnehmen. Es waren viele Leute in diesem Raum. Die meisten saßen links und rechts. An der anderen Seite des Raumes, wo der Boden in einem großen Rechteck gut 20 Zentimeter höher war, saß ein Mann in edlen Gewändern. Sie hatte keine Sekunde gezweifelt, wen sie hier vor sich hatte. Ein gutes Stück vor ihm saßen eine Handvoll Männer in respektvoller Haltung. Darunter erkannte sie Harada. Shiba zog sie weiter mit sich, setzte sich neben Harada. Dabei zog er Sawako mit sich herunter, sodass sie eine wenig elegante Verbeugung machte.

„Ogata-sama, ich bitte Euch, unsere verspätete Rückkehr aus Mikawa zu verzeihen.“ Der Daimyou sah Sawako einen kurzen Moment mit undefinierbarem Ausdruck an. Dann fiel ihr wieder ein, wie dreist es war, den Fürsten direkt anzusehen. Schnell senkte sie ihren Blick. In dem Raum herrschte einen Moment Stille. Sie hörte ihren Herzschlag in den Ohren dröhnen.

Dann erhob der Daimyou seine Stimme: „Also, ich erwarte euren Bericht.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Enyxis
2013-08-23T21:57:12+00:00 23.08.2013 23:57
Nya~ *__* Jetzt wird's RICHTIG spannend. Ich mag Shiba xD Der Tempel war wirklich toll beschrieben ^^ Freue mich auf die nächsten Kapitel! =D
Von: abgemeldet
2012-11-18T21:36:19+00:00 18.11.2012 22:36
schön beschrieben, aber nicht wirklich viel passiert
will unbedingt wissen, wie es weiter geht >.<
Von:  kokuskeks
2012-10-01T11:42:59+00:00 01.10.2012 13:42
Das neue Kapitel ist wirklich schnell erschienen!
Da es zur Handlung selber nicht allzu viel zu sagen gibt, möchte ich dir für deine gelungene Beschreibung des Tempels gratulieren. Ich habe ihn mir ohne große Mühe vorstellen können und in meiner Vorstellung sah er großartig aus!

Bin schon gespannt wie´s weitergeht ;)


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